Spruch:
Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im freisprechenden Teil und demzufolge auch im Strafausspruch (nicht aber im Einziehungserkenntnis) aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu Recht erkannt:
Amadou S***** ist weiters schuldig, er hat am 26. November 2004 an der deutsch/österreichischen Grenze den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG), nämlich ca 420 Gramm Heroinreinsubstanz, mit dem Vorsatz, dass dieses in Verkehr gesetzt werde, erworben und besessen, indem er dieses Suchtgift beim Grenzübertritt mit sich führte, nach dem er es von einer unbekannt geblieben Person in Deutschland übernommen hatte.
Amadou S***** hat hiedurch neben dem unberührt gebliebenen Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG auch das Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG begangen und er wird hiefür unter Anwendung der §§ 28, 36 StGB nach § 28 Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt.
Über die Vorhaftanrechnung wird das Erstgericht zu befinden haben. Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten Amadou S***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Amadou S***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt, weil er (zu ergänzen: am 26. November 2004) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer Menge, die das 25fache der Grenzmenge des § 28 Abs 6 SMG übersteigt, nämlich ca 427 Gramm reines Heroin, aus- und eingeführt hat, indem er es von Deutschland nach Österreich transportierte.
Hingegen wurde er von der weiters gegen ihn erhobenen Anklage, er habe den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge iSd § 28 Abs 6 SMG mit dem Vorsatz, dass dieses in Verkehr gesetzt werde, erworben und besessen, und zwar zumindest 420 Gramm reines Heroin, indem er es mit sich führte, nachdem er es von einer unbekannt gebliebenen Person in Deutschland übernommen hatte, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, weil nach Ansicht des Schöffengerichtes diese Tat „durch die Verurteilung wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall SMG konsumiert wird" (US 10 f).
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen (verfehlten, weil dieselbe Tat wie im Schuldspruch betreffenden) Freispruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der Berechtigung zukommt.
Zutreffend zeigt sie auf, dass § 28 Abs 1 SMG schon die Vorbereitung des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG und damit eine Vorphase des Inverkehrsetzens einer großen Suchtgiftmenge eigenständig sanktioniert (vgl etwa Kirchbacher/Schroll, RZ 2005, 121). Wer somit eine große Suchtgiftmenge aus- und einführt und darüber hinaus auch noch mit einem auf dessen Inverkehrsetzen gerichteten Vorsatz handelt, hat nicht nur das Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall SMG, sondern auch das echt konkurrierende Vergehen nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG zu verantworten (vgl Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 - 31 Rz 82; Kirchbacher/Schroll, RZ 2005, 121; Fabrizy StGB8 § 28 SMG Rz 4; 14 Os 22/03; 15 Os 58/00; 11 Os 91/99; 15 Os 181/98; 12 Os 157/96). Entgegen einer vereinzelt gebliebenen - der Begründung des Ersturteils zugrunde liegenden - Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (vgl 12 Os 36/91; idS auch Foregger/Litzka/Matzka SMG § 28 Anm IV.2.; Kodek/Fabrizy SMG § 28 Anm 2.1.) kommt beim Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG infolge des spezifischen Vorbereitungscharakters eine stillschweigende Subsidiarität nur in Bezug auf die Begehungsform des Inverkehrsetzens gemäß § 28 Abs 2 vierter Fall SMG in Frage (vgl 14 Os 22/03; 15 Os 58/00; 11 Os 91/99; 15 Os 181/98; 12 Os 157/96; aM noch 12 Os 36/91). Der Einwand des erkennenden Gerichts, wonach der Schmuggel von Suchtmitteln stets mit deren Erwerb und Besitz einhergeht, lässt außer Acht, dass eine Tathandlung nach § 28 Abs 1 SMG durch einen subjektiv besonders geprägten Erwerb und Besitz charakterisiert ist (vgl 15 Os 58/00), der keinesfalls bei jeder Ein- und Ausfuhr (so etwa nicht beim Schmuggel für den Eigenbedarf) vorliegen muss.
Das Verbrechen nach § 28 Abs 2 SMG beinhaltet in Ansehung der Aus- und Einfuhr von Suchtgift ein alternatives, im Übrigen aber ein kumulatives Mischdelikt, in dem drei selbständige und untereinander nicht austauschbare Tatbilder erfasst werden (vgl Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 - 31 Rz 82; ders in WK-StPO § 281 Rz 574 f; Foregger/Litzka/Matzka SMG § 27 Anm VI.2; 13 Os 67/04; 13 Os 19/04). Suchtgiftschmuggelfahrten müssen - der Ansicht des Schöffengerichts zuwider - nicht zwangsläufig mit einem Inverkehrsetzen des aus- und eingeführten Suchtgifts einhergehen. Darüber hinaus betrifft der Unrechtsgehalt des Inverkehrsetzens von Suchtgift das in der tatsächlichen Einräumung von Gewahrsam am Suchtmittel liegende Gefahrenpotenzial einer drohenden schädlichen Einwirkung auf die Gesundheit von Menschen, während jener der Aus- und Einfuhr von Suchtgift das besondere Gefahrenmoment eines grenzüberschreitenden Verkehrs mit Suchtmitteln eigenständig und ungeachtet der Weiterleitung des Suchtgifts an potenzielle Konsumenten erfasst. Damit besteht keine Kongruenz der kriminalpolitischen Ziele, die ausschlaggebend für die Strafbarkeit dieser beiden Deliktsformen sind (vgl 13 Os 67/04; 13 Os 19/04). Gleiches gilt für das Verhältnis zwischen dem bloßen Vorbereitungsdelikt nach § 28 Abs 1 SMG und dem zugleich verwirklichten Verbrechen der Ein- und Ausfuhr einer großen Menge Suchtgift nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall SMG, sodass auch insoweit von keinem Scheinkonkurrenzverhältnis ausgegangen werden kann.
Die zusätzliche (einen Wertungswiderspruch behauptende) Überlegung des Erstgerichtes, bei einem Versuch, das geschmuggelte Suchtgift tatsächlich in Verkehr zu bringen, würde das vorgelagerte Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG wegfallen, was infolge Entfall des Erschwerungsgrundes nach § 33 Z 1 StGB eine mildere Beurteilung des Delinquierenden zur Folge hätte, erweist sich als schon vom Ansatz her verfehlt, weil in diesem Fall zum Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall SMG anstelle des Vergehens nach § 28 Abs 1 SMG ein weiteren Verbrechen, nämlich jenes nach §§ 15 StGB, 28 Abs 2 vierter Fall SMG, hinzutreten würde.
Da die Urteilsannahme, dass der Angeklagte die inkriminierte große Suchtgiftmenge mit dem Vorsatz besaß, dass dieses Suchtmittel von (nicht ausgeforschten) Personen (übernommen und) sodann (durch Weitergabe an Konsumenten) in Verkehr gesetzt werde (US 5, 11), auf formell mängelfreier und unbedenklicher Begründung beruht und lediglich infolge irriger Rechtsauffassung nicht dem Tatbestand nach § 28 Abs 1 SMG unterstellt wurde, konnte gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO eine Entscheidung in der Sache selbst gefällt werden. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher Folge zu geben, der (unzulässige, weil denselben Lebenssachverhalt betreffende) Freispruch aufzuheben und mit einem zusätzlichen Schuldspruch nach § 28 Abs 1 SMG vorzugehen.
Im Übrigen ist zur Vermeidung von Missverständnissen darauf hinzuweisen, dass die zu § 28 Abs 2 SMG mit Blick auf die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG entwickelte Judikatur (Verwirklichung des Tatbestandes nach § 28 Abs 2 SMG bereits bei Erreichen der großen Menge und demzufolge Annahme mehrerer Verbrechen auch bei einer einzigen Tat nach Maßgabe der Anzahl der durch diese Tat erfassten, gedanklich zu trennenden, jeweils großen Mengen) bei § 28 Abs 1 SMG mangels einer dort bestehenden Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nicht anzuwenden ist (vgl 11 Os 7/05x).
Bei der notwendig gewordenen, unter Anwendung der §§ 28, 36 StGB nach § 28 Abs 4 SMG erfolgten Strafneubemessung waren als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen sowie die Tatbegehung in Bezug auf das mehr als 5-fache der Übermenge iSd § 28 Abs 4 Z 3 SMG, hingegen die bisherige Unbescholtenheit, das umfassende Geständnis, das Alter unter 21 Jahren im Tatzeitraum (vgl 13 Os 38/04 mwN) sowie der Umstand, dass das Suchtgift sichergestellt werden konnte, als mildernd zu werten. Bei der Schuldabwägung iSd § 32 StGB war überdies zu berücksichtigen, dass beim jungen Erwachsenen die Strafuntergrenze des § 28 Abs 4 SMG auf sechs Monate herabgesetzt ist (vgl Schroll, WK-StPO § 90a Rz 28; ders in WK2 § 7 JGG Rz 7; Schütz, JBl 2001, 330). Da aber - wie bereits vom Erstgericht festgehalten - das hohe Gefährdungspotential des inkriminierten Suchtgifts durch Sicherstellung wieder egalisiert wurde und der Reue zeigende Angeklagte nunmehr erstmals das Haftübel verspürt, kann mit der auch vom Erstgericht ausgemessenen, dem Unrecht der Tat und der Schuld des Angeklagten gerecht werdenden Sanktion von zweieinhalb Jahren das Auslangen gefunden werden.
Mit ihrer lediglich eine unausgewogene Bewertung der Strafbemessungsgründe rügenden Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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