OGH 12Os157/96

OGH12Os157/9613.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. März 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Schindler, Dr. E.Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstätter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef N***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Juli 1996, GZ 4 d Vr 12.468/95-46, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr. Bassler, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Lackner zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, teils in Stattgebung dieses Rechtsmittels, teils gemäß § 290 Abs 1 StPO in den Schuldsprüchen

1. wegen des versuchten Verbrechens nach § 15 StGB, § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG laut Punkt A/6 des Urteilssatzes,

2. wegen des Verbrechens der Verleumung nach § 297 Abs 1 StGB laut Punkt C, ferner

3. teilweise im Schuldspruch wegen des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG laut Punkt B, jedoch nur soweit er die unter Punkt A/2 bezeichneten Tathandlungen betrifft,

sowie demgemäß auch im Strafausspruch - jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung nach § 38 StGB - aufgehoben; gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

I. Josef N***** wird von der Anklage, er habe "im Oktober/November 1995 in Wien durch die vor Beamten des Sicherheitsbüros aufgestellte und vor dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien bestätigte Behauptung, er habe Damir G***** von Ende 1992 bis Herbst 1995 insgesamt acht Kilogramm Haschisch verkauft, diesen einer von amtswegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens nach § 12 SGG falsch beschuldigt, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch ist" und habe hiedurch das Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB begangen

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

II. Josef N***** ist schuldig, er hat bis 23. Oktober 1995 in Wien Suchtgift in einer großen Menge (§ 12 Abs 1 SGG), nämlich rund neun Kilogramm Haschisch, mit dem Vorsatz besessen, daß es in Verkehr gesetzt werde.

Er hat hiedurch (zu II) das Vergehen nach § 14 a SGG begangen und wird dafür sowie für die ihm nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch weiterhin zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG (A/1-5) und das Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG (B iVm A/1)

nach § 28 StGB, § 12 Abs 3 SGG zu

drei (3) Jahren Freiheitsstrafe,

ferner nach § 38 Abs 1 FinStrG zu einer Geldstrafe von 30.000 (dreißigtausend) Schilling,

für den Fall der Uneinbringlichkeit zu

15 (fünfzehn) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe,

und gemäß § 20 Abs 1 Z 1 StGB zur Zahlung eines Geldbetrages von

128.000 (einhundertachtundzwanzigtausend) Schilling

verurteilt.

Gemäß § 16a SGG wird das beim Angeklagten sichergestellte Suchtgift eingezogen.

Gemäß § 26 Abs 1 StGB wird von der Einziehung des PKW Cadillac, Kennzeichen W-309 NU abgesehen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Josef N***** des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG und § 15 StGB, teilweise als Beteiligter gemäß § 12 zweiter Fall StGB (A/1-6), des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 und 38 Abs 1 lit a FinStrG (B) und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall (gemeint: erster Fall zweiter Strafsatz) StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er

(zu A) den bestehenden Vorschrifen zuwider Suchtgift in einer großen Menge aus- und eingeführt, "dazu beigetragen", sowie in Verkehr gesetzt bzw "in Verkehr zu setzen versucht", indem er gewerbsmäßig

1. im Sommer 1992 2 kg Haschisch von Amsterdam nach Österreich einführte,

2. sich in der Zeit von Ende 1994 bis Mitte Oktober 1995 21 kg Haschisch von Amsterdam nach Österreich zustellen ließ,

3. in der zweiten Hälfte des Jahres 1992 2 kg Haschisch an Manuela B*****,

4. in der Zeit von Ende 1994 bis Mitte Oktober 1995 Haschisch an

a) Manuela B***** (zweimal rund 1 kg),

b) an Christian H***** (zweimal je rund 3 kg),

5. am 23. Oktober 1995 Haschisch an

a) Manuela B***** (rund 2 kg),

b) Christian H***** (rund 2 kg),

c) Damir G***** (rund 0,2 kg)

verkaufte;

6. bis zum 23. Oktober 1995 in Wien rund 9 kg Haschisch zum Zwecke des Weiterverkaufes bereithielt;

wobei er die Taten mit Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge das 25-fache der im § 12 Abs 1 SGG angeführten Menge ausmachte;

(zu B) durch die zu A/1, 2 angeführten Handlungen eingangs- oder ausgangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- oder Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen, indem er gewerbsmäßig 23 kg Haschisch nach Österreich einführte bzw dazu beitrug, ohne diese zu deklarieren;

(zu C) Damir G***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß er am 24. Oktober 1995 vor Beamten des Sicherheitsbüros behauptete und am 26. Oktober 1995 vor dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien bestätigte, er hätte dem Genannten in der Zeit von Ende 1992 bis Herbst 1995 insgesamt 8 kg Haschisch verkauft, ihn mithin einer von amtswegen zu verfolgenden, mit ein Jahr überschreitender Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens nach § 12 SGG, falsch verdächtigt, wobei er wußte, daß die Verdächtigungen falsch waren.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt:

Im Ergebnis zutreffend zeigt der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a; inhaltsgleich auch in der Verfahrensrüge) gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Verleumdung (Punkt C) auf, daß er Damir G***** des Verbrechens nach § 12 SGG nicht falsch verdächtigte.

Dem - der Anklage folgenden (S 367) - Schuldspruch (US 4) liegt nämlich in tatsächlicher Hinsicht zugrunde, daß Josef N***** am 23. Oktober 1995 dem Damir G***** rund 0,2 kg Haschisch sehr guter Qualität verkaufte (Schuldspruch A/5/c - US 9, 12), am 24. Oktober 1995 bei seiner Einvernahme durch Beamte des Sicherheitsbüros auf deren unrichtige Vorhalte und deren Drängen (US 11, 12) angab, er habe dem Genannten in der Zeit von Ende 1992 bis Herbst 1995 insgesamt 8 kg Haschisch verkauft und diese Aussage am 26. Oktober 1995 vor dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (US 11) in der Meinung bestätigte, "daß er sich beim Untersuchungsrichter nicht bei einem Gericht befände" (US 12).

Damit zeigt sich aber, daß der Angeklagte durch seine Angaben den Damir G***** in Wahrheit jeweils nur des - tatsächlich verwirklichten - Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG bezichtigte und ihm keine der zu §§ 12 Abs 1 oder 14a SGG angeführten Taten unterstellte; er war daher sogleich vom Vorwurf der Verleumdung freizusprechen.

Amtswegige Prüfung des Urteils aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde ergab jedoch, daß auch die Schuldsprüche A/6 und B des Urteilssatzes mit (im Rechtsmittel nicht geltend gemachter) materiellrechtlicher Nichtigkeit behaftet sind (§ 290 Abs 1 StPO):

Zu Punkt A/6 des Urteilstenors liegt Josef N***** zur Last, er habe (gewerbsmäßig) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer (über-)großen Menge dadurch in Verkehr zu setzen versucht, daß er "bis zum 23. Oktober 1995 in Wien 9 kg Haschisch zum Zwecke des Weiterverkaufes bereithielt". Den Urteilsgründen ist dazu zu entnehmen, daß am 23. Oktober 1995 im Safe des Geschäftslokales des Angeklagten "weitere rund 9 kg Haschisch gefunden und beschlagnahmt wurden, die dieser dort für den Weiterverkauf bereitgehalten hatte" (US 10).

Diesen Sachverhalt beurteilte das Schöffengericht als Verbrechen des versuchten (gewerbsmäßigen) Inverkehrsetzens einer übergroßen Suchtgiftmenge nach den §§ 15 StGB, 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3

SGG.

Da den Urteilsfeststellungen insoweit eine ausführungsnahe Tathandlung in bezug auf eine verbotswidrige Weitergabe des Suchtgiftes nicht zu entnehmen ist und auch die Aktenlage keine Beweisgrundlage für eine solche bietet, liegt insoweit noch nicht Versuch des Inverkehrsetzens, sondern nur eine Bevorratung und ein Verstecken des Suchtgiftes "zum Zwecke" künftiger Verteilung vor (EvBl 1996/132). Dieser Sachverhalt erfüllt aber (bloß) den Tatbestand des (nur zu § 12 Abs 1 vierter Fall SGG subsidiären) Vergehens nach § 14 a SGG.

Verfehlt ist ferner jener Teil des Schuldspruches wegen des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels (Punkt B), der sich auf die (Bestimmungstäterschaft zur) Einfuhr von 21 kg Haschisch von Amsterdam nach Österreich (Punkt A/2: "im Laufe des Jahres 1995 in drei Teillieferungen" - US 9) erstreckt. Denn nach dem Wirksamwerden des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 ist ein nach Österreich verbrachtes Suchtgift grundsätzlich nicht mehr Gegenstand eines Finanzvergehens nach den §§ 35 ff FinStrG. Dies macht allerdings den vom Angeklagten bereits im Jahre 1992 begangenen gewerbsmäßigen Schmuggel (mit Bezugnahme auf Punkt A/1) nicht straflos (EvBl 1996/142).

Die dem Ersturteil in den beiden aufgezeigten Fällen anhaftende unrichtige Gesetzesanwendung war daher nach § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wie aus dem Spruch ersichtlich mit sohin folgender Strafneubemessung zu beheben.

Mit Rücksicht darauf erübrigt sich ein Eingehen auf das den Strafausspruch betreffende Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde.

Bei der Bemessung der Strafe für die nach dem Suchtgiftgesetz strafbaren Handlungen waren das weit über der die Tat nach § 12 Abs 3 Z 3 SGG qualifizierenden Menge liegende tatverfangene Suchtgiftquantum, die - auf den angewendeten Strafsatz keinen Einfluß übende - Qualifikation nach § 12 Abs 2 SGG und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend, hingegen - beide Strafen betreffend - das Geständnis und der bisherige ordentliche Lebenswandel als mildernd zu berücksichtigen.

Die vom Angeklagten ins Treffen geführte Beschränkunf seiner kriminellen Tätigkeit auf Haschisch als sogenannte "weiche Droge" stellt keinen Milderungsgrund dar; ebensowenig kann nach Lage des Falles von einer Tatbegehung aus drückender finanzieller Notlage die Rede sein.

Sowohl die Freiheitsstrafe nach dem SGG als auch die Geldstrafe nach dem FinStrG waren nach Lage des Falles - gewerbsmäßige Delinquenz mit weit überdurchschnittlichem Unrechtsgehalt über einen längeren Zeitraum - aus Gründen der Spezial- und Generalprävention unbedingt auszusprechen.

Hinsichtlich der weiteren Unrechtsfolgen war das am 1. März 1997 in Kraft getretene Strafrechtsänderungsgesetz 1996, BGBl Nr 762/1996 zu beachten, das im Artikel VII eine Reihe von das Suchtgiftgesetz 1951 betreffenden Änderungen enthält. Demzufolge war nach § 16 a SGG nF das beim Angeklagten sichergestellte Suchtgift einzuziehen (§ 26 StGB).

Eine Geldstrafe iSd § 12 Abs 5 SGG aF wie auch eine Wertersatzstrafe nach § 13 Abs 2 SGG aF sind nach der seit 1. März 1997 geltenden Rechtslage nicht mehr vorgesehen (Art VII Z 1 und Z 2 StRÄG 1996).

An Stelle der "nutzenorientierten Geldstrafe", ferner des Erlösverfalles und der Wertersatzstrafe tritt nunmehr die Abschöpfung der Bereicherung (33 BlgNR 20.GP 79), welche sich auf den Vermögensvorteil zu beschränken hat, den der Täter durch die mit Strafe bedrohte Handlung erlangt hat (§ 20 Abs 1 Z 1 StGB nF).

Somit war vorliegend statt der Geldstrafe nach § 12 Abs 5 SGG aF und der Wertersatzstrafe nach § 13 Abs 2 SGG aF der aus den Suchtgiftverkäufen erzielte Vermögensvorteil gemäß § 20 Abs 1 Z 1 StGB nF abzuschöpfen. Nach den unbedenklichen Urteilsannahmen hat der Angeklagte durch das Inverkehrsetzen von insgesamt ca 12 kg Haschisch einen Vermögensvorteil von jedenfalls 128.000 S erzielt (US 7-10). Die Voraussetzungen für die Anwendung der Härteklausel (§ 20 a Abs 2 Z 3StGB nF) liegen nicht vor, weil die vom Angeklagten behaupteten wirtschaftlichen Mißerfolge bei anderen verpönten Suchtgifttransaktionen nicht zu berücksichtigen sind.

Angesichts des hier aktuellen gewerbsmäßigen Suchtgifthandels mit extrem großen Mengen über einen langen Zeitraum sind jene besonderen Gründe gegeben, welche die Abschöpfung des Vermögensvorteiles ungeachtet des Umstandes, daß er 300.000 S nicht übersteigt, aus präventiver Sicht jedenfalls erfordern (§ 20 a Abs 2 Z 1 StGB nF).

Die übrigen Entscheidungen fußen auf den bezogenen Gesetzesstellen.

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