OGH 11Os91/99

OGH11Os91/9921.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Oktober 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Harm als Schriftführer, in der Strafsache gegen Matthias M***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens nach §§ 28 Abs 2 zweiter und vierter Fall sowie Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Matthias M***** und über die Berufung der Angeklagten Dr. Hana El A***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 21. Dezember 1998, GZ 21 Vr 307/98-140, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Matthias M***** zu A/II/2 teilweise, und zwar betreffend seines Tatbeitrages zum Inverkehrsetzen durch Übergabe des aus Tschechien bestellten Suchtgifts an seine Person (§§ 12 dritter Fall StGB, 28 Abs 2 vierter Fall SMG) sowie demgemäß im Strafausspruch - jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruchs über die Einziehung des Suchtgifts - aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Matthias M***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten Dr. Hana El A***** werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten Matthias M***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche der Mitangeklagten Dorothea Patricia B***** und Dr. Hana El A***** sowie Teilfreisprüche enthält, wurde Matthias M***** des Verbrechens nach §§ 28 Abs 2 zweiter (zu ergänzen: dritter) und vierter Fall sowie Abs 4 Z 3 SMG, teilweise als Beteiligter nach § 12 StGB (A/II), und des (richtig:) Vergehens nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (A/I) schuldig erkannt. Danach hat er

zu A/ den bestehenden Vorschriften zuwider

I. von März 1997 bis März 1998 in Linz und anderen Orten Suchtgift erworben und besessen, indem er eine unbekannte Menge Heroin konsumierte;

II. mit Beziehung auf ein Suchtgift, dessen Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (Abs 6) ausmacht,

1. aus- oder (und) eingeführt, indem er von Frühjahr bis Herbst 1997 in fünf Angriffen jeweils 50 Gramm Heroin von Zürich nach Linz (demnach von der Schweiz nach Österreich) brachte;

2. im Herbst 1997 und Winter 1997(/1998) in Linz und Prag durch Bestellung beim gesondert verfolgten Ben Hedi El A***** "dazu beigetragen" (US 2, 16, 23), dass Dr. Hana El A***** am 19. November 1997 150 Gramm Kokain und 150 Gramm braunes Heroin und am 24. Jänner 1998 320 Gramm braunes Heroin und 100 Gramm weißes Heroin von Prag nach Linz (demnach von Tschechien nach Österreich) aus- und einführte und durch Übergabe an ihn (Matthias M*****) in Verkehr setzte;

3. von April 1997 bis März 1998 in Linz zum Teil im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Dorothea Patricia B***** Suchtgift in Verkehr gesetzt, indem er aus den unter 1 und 2 angeführten Mengen insgesamt ca 472 Gramm Heroin und ein halbes Gramm Kokain fünf im Urteil namentlich genannten Personen überließ.

Die nur gegen den Schuldspruch A/II gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

In der Subsumtionsrüge (Z 10) zeigt der Beschwerdeführer zum Schuldspruch A/II/2 im Ergebnis zutreffend auf, dass das Bestellen des von der Mitangeklagten Dr. Hana El A***** aus Tschechien geschmuggelten Suchtgifts (richtig: Bestimmung zur Aus- und Einfuhr von Heroin und Kokain) rechtsirrig zusätzlich als Tatbeitrag (§ 12 dritter Fall StGB) zum Inverkehrsetzen an sich selbst (§ 28 Abs 2 vierter Fall SMG) beurteilt wurde.

Der Begriff des "Inverkehrsetzens" bedeutet die Weitergabe des Suchtgifts an eine andere Person. Hiezu ist eine Tätigkeit erforderlich, mit der die Verfügungsgewalt über ein Suchtgift durch einen tatsächlichen Vorgang oder einen Rechtsakt einem anderen übertragen wird (Kodek/Fabrizy SMG § 28 Anm 2.2.1.).

Nach dem Aufbau der strafrechtlichen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes (§§ 27 f) leistet der Gehilfe, der das unter seiner Mitwirkung importierte Suchtgift vom unmittelbaren Täter (Transporteur) übernimmt, durch diese Inempfangnahme allein noch keinen Tatbeitrag zu dem - jedoch vom unmittelbaren Täter verwirklichten - Inverkehrsetzen an seine eigene Person (hier an den Besteller des Suchtgifts). Ein solches Verhalten des an der Suchtgifteinfuhr Beteiligten ist vielmehr als in unmittelbarer Täterschaft begangener Erwerb im Sinne des § 27 Abs 1 SMG oder - bei entsprechendem Vorsatz - nach § 28 Abs 1 SMG zu beurteilen.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer in der Folge einen erheblichen Teil des über seinen Auftrag geschmuggelten Suchtgiftquantums (A/II/2) tatsächlich in Verkehr gesetzt (A/II/3; § 28 Abs 2 vierter Fall SMG), sodass diesbezüglich ein Schuldspruch vorliegt, der den subsidiär vorbereitenden Erwerb und Besitz der identen Menge (§ 28 Abs 1 SMG) mitumfasst, was aber die Subsumtionsrüge prozeßordnungswidrig negiert. Es kommt daher lediglich in Ansehung der (nach Abzug des von A/II/3 erfassten, aus Tschechien stammenden Suchtgifts) verbleibenden Restmenge eine Unterstellung unter ein anderes Strafgesetz in Betracht.

Entgegen der allein auf § 27 Abs 1 SMG abstellenden Beschwerdeargumentation ergibt sich aus dem Akteninhalt und den (insoweit allerdings nicht vollständigen) Urteilsannahmen (S 93, 175 ff, 429 c/I; 192/III; US 15 f) im Hinblick auf die weitgehend schon erfolgte Portionierung des restlichen Suchtgiftquantums die Notwendigkeit einer Prüfung in Richtung (subjektiv gefärbten Besitzes nach) § 28 Abs 1 SMG, allenfalls auch nach §§ 15 StGB, 28 Abs 2 vierter Fall SMG (vgl namentlich bekannter Abnehmer, S 429 c/I). Erst nach Schaffung entsprechender Sachverhaltsgrundlagen wird die erforderliche Abgrenzung von Vorbereitungshandlungen und Versuch vorzunehmen sein.

Die von der Beschwerde (zwar in anderer Form, aber im Ergebnis) relevierten Feststellungsmängel lassen eine Entscheidung in der Sache selbst durch den Obersten Gerichtshof noch nicht zu, weshalb im aufgezeigten Umfang die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist.

Im zweiten Rechtsgang wird daher zu berücksichtigen sein, welche Feststellungen hinsichtlich der aus Tschechien importierten Suchtgiftrestmenge, die nicht vom Schuldspruch des Inverkehrsetzens (A/II/3) umfasst ist, in Ansehung des Angeklagten Matthias M***** in objektiver und subjektiver Richtung getroffen werden können, die eine Subsumtion der Tat nach § 27 Abs 1 SMG, bei entsprechendem (Inverkehrsetzungs)Vorsatz nach § 28 Abs 1 SMG oder bei der geforderten Ausführungsnähe (zum alsbaldigen Inverkehrsetzen) nach §§ 15 StGB, 28 Abs 2 vierter Fall SMG zulassen (vgl auch Kodek/Fabrizy SMG § 28 Anm 2.1. und 2.2.2.).

Im übrigen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde keine Berechtigung zu.

Im Vorbringen zur Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5a) verkennt der Beschwerdeführer Umfang und Reichweite der Anfechtungsmöglichkeiten dieser formellen Nichtigkeitsgründe, die eine Überprüfung eines Urteils bloß auf dessen formale Vollständigkeit in Bezug auf entscheidende Tatsachen und die denkgesetzliche Richtigkeit der Urteilsbegründung in seiner Gesamtheit zulassen, nicht aber eine Bekämpfung der Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung einräumen. Gerade auf eine solche Anfechtung der allein den Tatrichtern vorbehaltenen Beurteilung der Beweiskraft einzelner - vom Beschwerdeführer zudem prozessordnungswidrig isoliert betrachteten (§ 258 Abs 2 StPO) und spekulativ interpretierten - Beweisdetails zielen die Ausführungen zur Mängelrüge (Z 5) ab und übergehen darin die ihn betreffenden hinreichenden und denkrichtigen Beweiserwägungen des Schöffensenates (US 17 bis 24).

So relevieren die zu A/II/1 vorgetragenen Einwände, die sich mit einem Telefonat aus Zürich, der Gefahr eines gemeinsamen Polizeiaufgriffs mit der Mitangeklagten B***** für deren unversorgtes Kind, dem Namen eines angeblich türkischen Suchtgiftlieferanten und der Sinnhaftigkeit, Feldkirch als Beschaffungsort zu wählen, auseinandersetzen, lediglich Beweisdetails, aber keine entscheidungswesentliche Tatsachen, worunter nur solche zu verstehen sind, die für die rechtliche Beurteilung der Tat oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgeblich sind. Außerdem hat das Erstgericht zu diesen Beweisfragen ohnedies ausreichend Stellung genommen. Es ist aber nicht dazu verhalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen in extenso zu erörtern oder sich mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen (erst im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen) Einwand im Voraus auseinanderzusetzen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 6-8).

Gleiches gilt für die zur Heroinlieferung vom 24. Jänner 1998 (verbleibender Schuldspruch A/II/2) hervorgehobenen, ebenfalls entscheidungsirrelevanten Themen der Motivation für das Unterlassen einer Gewichtskontrolle anlässlich der Suchtgiftübernahme, des Umfanges dieser Lieferung im Verhältnis zum ersten Transfer, der Hintergründe für das Vorhandensein erheblicher Suchtgiftmengen bei der Hausdurchsuchung, des "Insolvenzrisikos" des Beschwer-deführers und dessen Liquidität zur Bezahlung des Suchtgifts. Überdies laufen die Argumente des Nichtigkeitswerbers bloß auf den (unzulässigen) Versuch hinaus, seiner Verantwortung unter eigenständigen, teils spekulativen Überlegungen zum Durchbruch zu verhelfen und unter Vernachlässigung der belastenden Verfahrensergebnisse die Plausibilität der tatrichterlichen Beweiswürdigung in Frage zu stellen.

Indem der Angeklagte dabei unter anderem die "Argumentation" des Erstgerichtes als aktenwidrig bezeichnet, verkennt er zudem das Wesen der Aktenwidrigkeit, die nur dann vorliegen würde, wenn der Inhalt eines Beweismittels in einem für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentlichen Punkt unrichtig wiedergegeben (zitiert) worden wäre (Mayerhofer aaO E 185 ff).

Unter dem Aspekt unvollständiger Begründung des Schuldspruchs zu A/II/3/b macht der Angeklagte das Übergehen der Zeugenaussagen des Klaus H***** und der Helga E***** geltend. Dieser Vorwurf verfehlt aber sein Ziel, weil er - prozessordnungswidrig - die ausdrücklich auf die Bekundungen dieser Zeugen abstellenden, mängelfrei begründeten Urteilspassagen (US 23 f) negiert.

Der nicht näher substantiierte Beschwerdeeinwand, es könne aus der angefochtenen Entscheidung nicht abgeleitet werden, weshalb "das bezughabende Suchtgift eine große Menge im Sinne des § 28 Abs 6 SMG darstelle", ist angesichts der festgestellten Heroinmenge und -qualität (US 2, 3 iVm 15, 16) einer sachlichen Erörterung nicht zugänglich (§ 285a Z 2 StPO).

Mit den sich im wesentlichen in einer Wiederholung des Vorbringens zur Mängelrüge erschöpfenden Ausführungen zur Tatsachenrüge (Z 5a) vermag der Angeklagte keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit wesentlicher Urteilsannahmen, insbesondere zur subjektiven Tatseite hinsichtlich der Qualifikation des § 28 Abs 4 Z 3 SMG (US 23), aus dem Akteninhalt aufzuzeigen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher, soweit nicht mit Aufhebung und Anordnung der Verfahrenserneuerung vorzugehen war (§ 285e StPO), teils als unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), sodass die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Linz zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten Dr. Hana El A***** zuzuleiten waren (§ 285i StPO).

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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