OGH 7Ob229/05k

OGH7Ob229/05k15.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter W*****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Josef Jöchl, Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in Wien, wegen EUR 547.715,49 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 14. Juli 2005, GZ 3 R 2/05v-39, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Aus dem in Punkt 2. der Zulassungsbeschwerde wiederholten (bereits in der Berufung erfolglos gerügten) Verfahrensmangel ist keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens abzuleiten: Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen bereits vom Berufungsgericht verneint wurde, können in der Revision nämlich nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (stRsp; Kodek in Rechberger2 § 503 Rz 3 mwN; RIS-Justiz RS0042963; zuletzt: 6 Ob 200/05p), und eine unrichtige Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften durch das Berufungsgericht selbst, die allenfalls einen Mangel des Berufungsverfahrens begründen könnte (RIS-Justiz RS0043086), oder eine aktenwidrige Begründung des Berufungsgerichts (RIS-Justiz RS0042963 [T52]) vermag die außerordentliche Revision nicht aufzuzeigen.

Der Oberste Gerichtshof hat zwar in einigen Entscheidungen ausgesprochen, dass ein Mangel des Berufungsverfahrens darin liegen könnte, dass das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat (7 Ob 186/04k mwN). Beide Fälle sind hier jedoch nicht gegeben; hat sich doch das Berufungsgericht - wie die Revisionswerberin selbst festhält - mit ihrer Mängelrüge (das Erstgericht habe sich mit der Aussage der Zeugen Dr. G***** nicht befasst) auseinandergesetzt und ist dabei zum Ergebnis gelangt, dass ein Verfahrensmangel nicht vorliege. Aus der Aktenlage ergebe sich vielmehr klar, dass der erkennende Erstrichter sämtliche Beweisergebnisse berücksichtigt und in der Beweiswürdigung jene Erwägungen zusammengefasst habe, die für die getroffenen Tatsachenfeststellungen maßgeblich gewesen seien (Seite 11 f der Berufungsentscheidung).

Die mit der außerordentlichen Revision allein angestrebte Überprüfung der Richtigkeit dieser Entscheidung des Berufungsgerichtes ist dem Obersten Gerichtshof verwehrt (RIS-Justiz RS0043061 [T14]; 7 Ob 305/02g; 7 Ob 56/04t; 10 ObS 171/04a mwN), weil die dargestellten Grundsätze auch nicht durch die Behauptung umgangen werden können, das Berufungsverfahren sei - weil das Berufungsgericht der Mängelrüge (mit angeblich „unvertretbarer Scheinbegründung" bzw „in grober Verkennung der Rechtslage" [Seite 9 ff der ao Revision]) nicht gefolgt sei - mangelhaft geblieben, (stRsp; 9 Ob 71/99b; RIS-Justiz RS0043061 [T18]; 10 ObS 41/04h; zuletzt: 10 ObS 158/04i). Eine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechts wird damit also nicht aufgezeigt. Gleiches gilt aber auch für die angeblich gravierende Fehlbeurteilung einer Frage des materiellen Rechts durch das Berufungsgericht. Ob ein Entlassungsgrund verwirklicht wurde, ist nämlich anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und stellt daher vom Fall einer krassen Fehlbeurteilung abgesehen, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (stRsp; RIS-Justiz RS0105955; zuletzt: 8 ObA 31/05z mwN). Die Entscheidung der Vorinstanzen, dass der Kläger weder einen Entlassungsgrund iSd § 27 AngG noch einen wichtigen Grund oder eine grobe Pflichtverletzung nach § 16 Abs 4 SparkassenG verwirklicht habe, ist aber zumindest vertretbar.

Im vorliegenden Rechtsmittel beschränkt sich die Beklagte nur noch auf einen Vorwurf, nämlich „allein auf die Frage der verbotenen Nebenbeschäftigung" (S 2 der ao Revision); sie entfernt sich dabei jedoch von den Feststellungen der Tatsacheninstanzen:

Danach war der Kläger in den Gesellschaften seiner Gattin nämlich nicht operativ tätig. Da er sich im Wesentlichen darauf beschränkte, Bilanzen zu unterfertigen und dem Geschäftsführer einer GmbH vorbehaltende Rechtsakte zu setzen, kam es zu keinen Defiziten bei seinem Arbeitseinsatz für die Klägerin (S 16 der Berufungsentscheidung). Die außerordentliche Revision verschweigt hier den vom Erstgericht festgestellten und gar nicht mehr bestrittenen Umstand, dass die Geschäftsführerstellung des Klägers tatsächlich mit keiner ins Gewicht fallenden zeitlichen Inanspruchnahme verbunden war (S 18 des Ersturteils). Davon ausgehend ist die Beurteilung, wonach dem Kläger ein subjektiver Vorwurf dahin, dass er die bekannte Tätigkeit über das dem Dienstgeber gemeldete Ausmaß hinaus ausgeübt hätte, nicht gemacht werden könne, aber nicht zu beanstanden. Wenn sich die außerordentliche Revision hier darauf beruft, es entspreche mittlerweile gefestigter Judikatur, dass zu grober Pflichtverletzung auch die mangelnde Offenheit gegenüber dem Aufsichtsrat zähle (SZ 72/90 ua), ist ihr daher zu erwidern, dass diesem Vorwurf die entsprechende Grundlage in den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen fehlt:

Demnach ging der Kläger aufgrund des Umstandes, dass es nur zu einer Änderung seines Anstellungsvertrages, jedoch zu keinem Neuabschluss gekommen sei, davon aus, dass ihm die weitere Ausübung der bisher gestatteten nebenberuflichen Tätigkeit als Geschäftsführer der Gesellschaften seiner Gattin auch weiterhin gestattet sei. Tatsächlich wurde beim Übertritt in den Rang eines Vorstandsdirektors weder eine Abrechnung des alten Anstellungsvertrages, noch eine Auszahlung der bisher angelaufenen Urlaubstage wegen Vertragsauflösung vorgenommen. Der Kläger ging weiters davon aus, dass seine Nebentätigkeiten den Mitgliedern des Vorstandsausschlusses und des Sparkassenrates bekannt seien und sich die im Rahmen der Vertragsverhandlungen angesprochenen Nebentätigkeiten nur auf zukünftige von ihm auszuübende nebenberufliche Tätigkeiten beziehen würden (S 12 des Ersturteils).

Mit den Ausführungen zur mangelnden Offenheit des Klägers, die ihn „vertrauensunwürdig" mache, wird daher keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht. Zwar genügt für den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit Fahrlässigkeit (8 ObA 109/00p, 8 ObA 30/02y, 8 ObA 90/03y; RIS-Justiz RS0029531 uva; Kuderna Entlassungsrecht² S 86 mwN), doch zeigt die Rechtsmittelwerberin nicht auf, worin - ausgehend von den Feststellungen - ein auch nur fahrlässiges Verhalten Klägers, das ihn des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers unwürdig erscheinen ließe, gelegen sein soll (8 ObA 31/05z).

Legt man die Feststellungen des Erstgerichts über die anlässlich der Nachbesetzung des Vorstandspostens im Sparkassenrat geführte Diskussion über die bekannte Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer einer Leasinggesellschaft zugrunde, kommt den weiteren in der Zulassungsbeschwerde angesprochenen Fragen (Punkt 3. und 4. der Zulassungsbeschwerde) keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Der in diesem Zusammenhang gerügten (weiteren) Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (ohne Beweiswiederholung/-ergänzung „verdeckte" Feststellungen zur Kenntnis des Ausschussmitglieder von der nebenberuflichen Tätigkeit des Klägers getroffen zu haben) fehlt nämlich ebenso die Relevanz wie der aus dem übergangenen Prozessvorbringen zur Beilage ./H (angeblich irreführende bzw unvollständige Information durch den Kläger) abgeleiteten Aktenwidrigkeit.

Soweit sich die außerordentlich Revision gegen die Berücksichtigung der gesamten „Vorgeschichte" im Rahmen der Auslegung des gegenständlichen Vorstandsvertrages (als Neuabschluss oder als Änderung der bereits bestehenden Vereinbarung) wendet, ist auf folgende ständige Rechtsprechung zu verweisen:

Steht die Vertragsauslegung durch das Berufungsgericht mit den Grundsätzen von Lehre und Rechtsprechung im Einklang, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor. Dabei ist unerheblich, ob die auszulegende Bestimmung auf ausdrücklichen oder konkludenten Willenserklärungen der Vertragsparteien beruht (1 Ob 208/04a mwN). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nämlich nur dann eine Rechtsfrage iSd zitierten Gesetzesstelle dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042776; RS0042936; RS0044298; RS0044358; RS0112106). Ein solcher Beurteilungsfehler des Berufungsgerichts ist jedoch - auch nach den Rechtsmittelausführungen - nicht zu erkennen. Ob auch die darin dargelegte andere Auslegung vertretbar wäre, ist hingegen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042776; RS0042936; RS0112106 ua; zuletzt: 7 Ob 109/05p und 7 Ob 55/05x mwN).

Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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