OGH 4Ob238/05m

OGH4Ob238/05m19.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Staatsanwaltschaft Wien, Wien 8, Landesgerichtsstraße 11, gegen die beklagten Parteien 1. Katarzyna Anna J*****, 2. Oduware E*****, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in Graz, wegen Ehenichtigkeit gem § 23 EheG, über die außerordentliche Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 22. Juni 2005, GZ 45 R 287/05x-43, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Grundsatz, dass ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens keinen Revisionsgrund bildet, ist bei jenen Verfahrensarten, die der Offizialmaxime unterliegen, nicht anzuwenden; dies gilt auch für das Eheverfahren (RIS-Justiz RS0043112 [T4]).

2. Die Gerichte sind aber durch den Untersuchungsgrundsatz weder in ihrer freien Beweiswürdigung beschränkt noch verpflichtet, unnötige Beweise aufzunehmen (RIS-Justiz RS0043368 [T11]). Auch in vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahren ist nicht jedem Beweisantrag stattzugeben (RIS-Justiz RS0043137 [T5]). Revisibel ist in einem Verfahren, in dem der Untersuchungsgrundsatz herrscht, die Unterlassung von Beweisaufnahmen dann, wenn die Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens zur amtswegigen Wahrheitsforschung verkannt wurden (RIS-Justiz RS0043113; RS0048243). Zu prüfen ist, ob die Vorinstanzen das pflichtgemäße Ermessen im Zuge der Beweisaufnahme voll ausgeschöpft und alle Beweise aufgenommen haben, von welchen eine weitere Aufklärung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts erwartet werden konnte. Billigt das Berufungsgericht die Abweisung eines Beweisantrags, kann demnach ein Mangel des Berufungsverfahrens nur in einer groben Verletzung des richterlichen Ermessens liegen (5 Ob 60/00k; 1 Ob 297/01k).

3. Ein solcher Fehler ist im vorliegenden Fall zu verneinen: Der Zweitbeklagte behauptet das Vorliegen eines Verfahrensmangels, weil die an der Eheschließung beteiligten Trauzeugen sowie der Standesbeamte nicht als Zeugen zum Beweis dafür einvernommen wurden, dass die Beklagten keine Schein-, sondern eine Liebesehe geschlossen hätten und die Erstbeklagte mit der Eheschließung keinen Freundschaftsdienst geleistet habe. Berücksichtigt man, dass der Zweitbeklagte keine entsprechenden Beweisanträge gestellt hat, dass die Vorinstanzen schon auf Grund der Aussagen der Parteien in der Lage waren, die Hintergründe der angefochtenen Eheschließung zu beurteilen, und dass eine Scheinehe geradezu voraussetzt, dass die Brautleute gegenüber Dritten (insbesondere ihren Trauzeugen und dem Standesbeamten) die wahren Motive ihres Handelns verschleiern, kann im fehlenden Einbeziehen der im Rechtsmittel genannten Personen in das Beweisverfahren keine Überschreitung des Ermessens der Vorinstanzen bei der Beweisaufnahme erblickt werden.

Stichworte