Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Klägerin und ihr Bruder sind je zur Hälfte Miteigentümer einer Liegenschaft, auf der sich ein größeres Wohngebäude und ein kleineres Nebengebäude befinden. Mit Einverständnis der Klägerin benutzte deren Bruder die Liegenschaft allein, ohne zur Alleinverwaltung bevollmächtigt worden zu sein. Er bewohnte das Hauptgebäude. Als die Beklagte vom Bruder der Klägerin schwanger wurde, vermietete dieser - ohne Wissen der Klägerin - der Beklagten eine ca 50 m² große Wohnung im Nebengebäude. Die Beklagte zog in diese Wohnung ein. Danach unterfertigten die Beklagte und der Bruder der Klägerin eine von diesem verfasste „Niederschrift" (auch als „Übergabsvertrag" bezeichnet). Inhalt dieses Vertrags ist, dass der Bruder „als Besitzer der Liegenschaft ... mit sofortiger Wirkung das Nebengebäude, bestehend aus Wohnung und Scheune inklusive Grundstück, auf welchem das Objekt erbaut ist, in das Eigentum" der Beklagten übergibt. Nach Unterzeichnung dieses „Übergabsvertrags" ging der Bruder der Klägerin mit der Beklagten die Liegenschaft ab und zeigte dieser, welche Teile ihr auf Grund des Vertrags gehören sollten. Über diesen Vertrag wurde die Klägerin vorerst nicht informiert. Erst nach Abschluss der beiden Verträge teilte der Bruder der Klägerin dieser mit, er habe mit der Beklagten einen Mietvertrag abgeschlossen und ihr „das Nebengebäude mit einem Grundstücksanteil geschenkt". Die Klägerin war damit nicht einverstanden. Die Beklagte erfuhr in der Folge erstmals durch ein Schreiben der Klägerin davon, dass die Klägerin Hälfteeigentümerin der Liegenschaft ist. Die Klägerin forderte die Beklagte zur Räumung der Liegenschaft auf, nahm aber von einer Räumungsklage aus Rücksicht auf die Schwangerschaft der Beklagten zunächst Abstand. Der Versuch einer außergerichtlichen Einigung scheiterte jedoch. Dass die Klägerin im Laufe der Vergleichsgespräche ihre Zustimmung zum Mietvertrag bzw zum Schenkungsvertrag erteilt hätte und mit dem endgültigen Verbleib der Beklagten auf der Liegenschaft bzw mit einer Realteilung der Liegenschaft einverstanden gewesen wäre, konnte nicht festgestellt werden.
Die Klägerin begehrte die Räumung und die Übergabe des Nebengebäudes und der „dazugehörigen Liegenschaftsflächen" mit der Behauptung, die Benützung durch die Beklagte erfolge titellos.
Die Beklagte wendete ein, der Bruder der Klägerin habe ihr das Nebengebäude geschenkt. Die Klägerin habe der Schenkung und Liegenschaftsteilung im Nachhinein dahin zugestimmt, dass die Beklagte Alleineigentümerin des Nebengebäudes und einer „entsprechenden" Fläche werde. Zudem habe die Klägerin mit ihrem Bruder eine Vereinbarung getroffen, nach der die Beklagte das Nebengebäude allein benutzen könne. Die Beklagte halte dem Räumungsbegehren überdies den Mietvertrag über die im Nebengebäude gelegene Wohnung entgegen. Der Bruder der Klägerin sei als Verwalter der Liegenschaft anzusehen oder zumindest dem Anschein nach von der Klägerin bevollmächtigt gewesen, den Mietvertrag abzuschließen. Sie benütze die Liegenschaft daher nicht titellos. Darauf, dass die Absicht des Bruders der Klägerin darauf gerichtet gewesen wäre, ihr den ideellen Hälfteanteil an der gesamten Liegenschaft zu schenken, berief sich die Beklagte nicht.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Abschluss von Miet- und Pachtverträgen mit Dritten, soweit diese auf ortsübliche Zeit und zu ortsüblichen Bedingungen eingegangen werden, stelle eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung gemäß § 833 ABGB dar, die - mangels Erteilung einer Verwaltervollmacht an den Bruder der Klägerin - der Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer - also auch der Zustimmung der Klägerin - bedurft hätte. Auf das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht könne sich die Beklagte nicht berufen, da die Klägerin gegenüber der Beklagten kein Verhalten gesetzt habe, woraus diese auf eine Bevollmächtigung des Bruders schließen hätte können. Eine nachträgliche (konkludente) Zustimmung der Klägerin zum Mietvertrag sei nicht gegeben. Die Beklagte könne daher aus dem Mietvertrag keine Rechte ableiten. Der „Übergabsvertrag" sei als Schenkungsvertrag zu qualifizieren, wobei sich aus dem Wortlaut nicht ergebe, ob Vertragsgegenstand die Übertragung des Alleineigentums am Nebengebäude oder die Übertragung des ideellen Miteigentumsanteils, allenfalls verbunden mit einer Benützungszuweisung sein sollte. Zur Parteiabsicht lasse sich nur feststellen, dass der Bruder der Klägerin die Beklagte mit einer Wohnmöglichkeit habe versorgen wollen. Da er gewusst habe, dass er nur Miteigentümer der Liegenschaft sei und zuvor bei wichtigen, die Liegenschaft betreffenden Angelegenheiten immer mit seiner Schwester (der Klägerin) Rücksprache gehalten habe, sei nicht davon auszugehen, dass er seine Befugnis zur Veräußerung des ideellen Hälfteanteils überschreiten und sich ohne Zustimmung der Klägerin zur Übertragung des Alleineigentums an dem Nebengebäude hätte verpflichten wollen. Gemäß § 915 ABGB könne der „Übergabsvertrag" nur dahin ausgelegt werden, dass sich der Bruder eher die geringere als die schwerere Last „auflegen" wollte, er also nur über seinen ideellen Anteil verfügen und der Beklagten Miteigentum übertragen wollte. Die Schenkung des ideellen Miteigentumsanteils am Grundstück sei auch ohne Notariatsakt rechtswirksam, da eine „wirkliche Übergabe" stattgefunden habe. Diese sei darin zu sehen, dass die Beklagte bei Abschluss des Schenkungsvertrags die Liegenschaft bereits bewohnt habe, sodass ihr die Liegenschaft durch Besitzauflassung übergeben worden sei. Darüber hinaus sei der Bruder der Klägerin mit der Beklagten das Grundstück abgegangen und habe ihr den genauen Verlauf der künftigen Grenzen gezeigt, sodass darin ein sinnfälliger, nach außen bemerkbarer Akt zu verstehen sei, aus dem der ernstliche Wille hervorgehe, das Nebengebäude „samt Liegenschaftsteil" sofort und vorbehaltlos in den Besitz der Beklagten zu übertragen. Ausgehend von der Rechtswirksamkeit der Schenkung des ideellen Miteigentumsanteils sei zu prüfen, ob die Beklagte dem Räumungsbegehren der Klägerin ihr noch nicht im Grundbuch einverleibtes Eigentum am Hälfteanteil entgegenhalten könne. Wenngleich die Übertragung eines Miteigentumsanteils an einer Liegenschaft durch die Eintragung ins Grundbuch erfolge, komme auch der Position eines „außerbücherlichen" Erwerbers rechtliche Bedeutung zu. Habe der im Räumungsprozess Beklagte einen vertraglichen Anspruch auf Erwerb des Miteigentumsanteils, verbunden mit dem Recht auf Benützung der Liegenschaft, so würden die Wirkungen des Vertrags bereits mit dessen Abschluss eintreten. In einem solchen Fall könne der Eigentümer nicht unmittelbar gegen Dritte, die ihr Benützungsrecht aus dem Recht des Vertragspartners des Eigentümers ableiten, mit Räumungsklage vorgehen. Solange der Schenkungsvertrag zwischen dem Bruder der Klägerin und der Beklagten aufrecht bestehe, könne sich die Beklagte auch gegenüber der Klägerin auf ihr vom Bruder abgeleitetes Recht zur Benützung stützen. Das Klagebegehren sei mangels titelloser Benützung abzuweisen.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung in ein klagstattgebendes Urteil ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Schließe ein Hälfteeigentümer ohne Zustimmung des anderen Hälfteeigentümers einen Mietvertrag, binde dieser Vertrag (außer bei einer hier nicht vorliegenden Benützungsregelung) den anderen Eigentümer nicht. Gegenüber diesem benütze der Mieter die Liegenschaft ohne Rechtsgrund und müsse einer Räumungsklage weichen. Selbst wenn man den Übergabsvertrag und die anschließende Liegenschaftsbegehung als „außerbücherlichen" Erwerb eines ideellen Hälfteanteiles werte (woran nach Meinung des Berufungsgerichts zu zweifeln sei), lasse sich daraus kein Anspruch der Beklagten auf Nutzung der Liegenschaft gegen die Klägerin ableiten, sondern bloß ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übertragung des Miteigentums gegen den Anteilsveräußerer (den Bruder der Klägerin). Nur im Verhältnis zwischen den Vertragspartnern des Übergabsvertrags wäre die fehlende Eintragung in Grundbuch ohne Bedeutung. Gegenüber der Klägerin sei die Beklagte mangels Intabulation jedoch als titellose Benützerin der Liegenschaft anzusehen.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Beklagten ist nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1) Ein Mangel des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat sich ausführlich mit der in der Berufungsbeantwortung enthaltenen Beweisrüge auseinandergesetzt und in seiner Entscheidung nachvollziehbare Überlegungen zur Beweiswürdigung des Erstgerichts festgehalten (S 6 f des Berufungsurteils).
2) Richtig ist, dass der vor dem „Übergabsvertrag" abgeschlossene Mietvertrag die Klägerin nicht bindet, da er als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung iSd § 833 ABGB der Zustimmung der Mehrheit - also auch der Zustimmung der Klägerin - bedurft hätte (Gamerith in Rummel, ABGB³ § 833 Rz 5 mwN; SZ 69/90 uva). Ein Ausnahmetatbestand liegt nicht vor: Dass mangels Übertragung der unbeschränkten Verfügungsmacht an den Bruder der Klägerin keine Vereinbarung getroffen wurde, die ihn zum Abschluss von Mietverträgen berechtigt hätte, blieb in der Revision unbekämpft. Ebensowenig sind die Voraussetzungen des § 837 dritter Satz ABGB gegeben, ist doch die Unkenntnis der Klägerin vom Abschluss des Mietvertrags festgestellt und hat sie auch nie den Anschein erweckt, ihr Bruder sei zum Abschluss eines Mietvertrags berechtigt. Der vom Hälfte- oder Miteigentümer ohne Bevollmächtigung durch die Eigentümergemeinschaft abgeschlossene Mietvertrag würde die übrigen Teilhaber daher nur binden, wenn sie nachträglich ausdrücklich oder konkludent zugestimmt hätten (1 Ob 36/00a; RIS-Justiz RS0013418). Das Vorliegen einer ausdrücklichen Zustimmung wurde nicht festgestellt. Gründe, die für eine konkludente Zustimmung der Klägerin sprechen könnten, werden in der Revision nicht aufgezeigt.
3) Die Revisionswerberin bringt vor, ausgehend vom Ergebnis der erstinstanzlichen Vertragsauslegung, wonach die Absicht des Bruders der Klägerin auf eine Schenkung seines ideellen Hälfteanteils an der Liegenschaft gerichtet gewesen wäre, sei die Beklagte als außerbücherliche Erwerberin anzusehen. Dies rechtfertige, sie bereits ab dem Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabsvertrags wie eine Miteigentümerin zu behandeln, hätte sie doch einen vertraglichen Übereignungsanspruch, auf Grund dessen sie die Einverleibung des Eigentumsrechts erwirken könnte, und sei ihr auch bereits der Besitz übergeben worden. Dazu ist auszuführen:
Wie bereits das Erstgericht darlegte, treten die Wirkungen eines Vertrags, mit dem (Mit-)Eigentum an einer Liegenschaft erworben wird, bereits mit dessen Abschluss ein, sofern die Liegenschaft oder Teile hievon bereits übergeben wurden (1 Ob 259/03z). Nach ständiger Rechtsprechung kann im Fall des Fehlens einer Gebrauchsordnung jeder Miteigentümer die Sache nach Willkür benützen (SZ 58/10; NZ 1987, 183; 1 Ob 556/93). Der Gebrauch findet nur im tatsächlichen Mitgebrauch des Miteigentümers Schranken (2 Ob 100/99s). Bis zur Erstellung einer Gebrauchsordnung, die entweder einvernehmlich oder durch Entscheidung des Außerstreitrichters erfolgen kann, benützte ein „außerbücherlicher Erwerber" eines Miteigentumsanteils eine Liegenschaft sohin nicht titellos, sondern als Ausfluss seines „außerbücherlichen Miteigentums". Im Fall der Schenkung des ideellen Hälfteanteils könnte die Beklagte diese Einwendung dem Räumungsbegehren wohl entgegenhalten.
Die Beklagte lässt bei ihren Ausführungen aber außer Acht, dass sie sich im Verfahren erster Instanz niemals auf eine Schenkung des ideellen Hälfteanteils berufen und niemals vorgebracht hat, der Wille des Bruders der Klägerin sei dahin gegangen, sich seines ideellen Hälfteanteils an der Liegenschaft (samt seines daraus resultierenden Benützungsrechts bzw seiner Wohnmöglichkeit im Hauptgebäude) gänzlich zu begeben. Im Einklang mit ihrem Prozessvorbringen, sie habe das Nebengebäude samt den „dazugehörigen Grundstücksteilen" geschenkt erhalten, gab sie vielmehr im Rahmen ihrer Parteieneinvernahme selbst ausdrücklich an, der Bruder der Klägerin habe ihr und dem gemeinsamen Kind im Nebengebäude eine Wohnung zur Verfügung stellen und das Kind „neben sich" aufwachsen sehen wollen. Die Beklagte leitete somit das von ihr behauptete Recht auf das Nebengebäude nicht daraus ab, nach Besitzeinräumung die Liegenschaft als qualifizierte Mitbesitzerin (§ 372 ABGB) bis zur Erstellung einer Gebrauchsordnung wie eine Eigentümerin benützen zu können. Vielmehr behauptete sie, sie sei durch den Übergabsvertrag in Verbindung mit der Besitzeinräumung und der nachträglichen Zustimmung der Klägerin zur Schenkung und Liegenschaftsteilung außerbücherliche Alleineigentümerin des Nebengebäudes geworden. Das nachträgliche Einverständnis der Klägerin ließ sich im Verfahren jedoch nicht erweisen.
Der erstmals in der Berufungsbeantwortung enthaltene Hinweis, der Geschenkgeber hätte „klarerweise" über seine ideellen Miteigentumsanteile verfügen können, sodass die Schenkung infolge tatsächlicher Übergabe auch ohne Notariatsakt gültig sei, stellt - sofern darin eine Aussage zum Willen des Geschenkgebers zu erblicken ist - jedenfalls eine unzulässige Neuerung dar.
Die vom Erstgericht vorgenommene Auslegung des Übergabsvertrags als Schenkung des ideellen Hälfteanteils kann das eine solche Auslegung erst ermöglichende Vorbringen der Beklagten nicht ersetzen.
4) Die von der Revision ins Treffen geführte Entscheidung SZ 50/141 betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt: Auf die Zusage des Erwerbs eines Miteigentumsanteils an einer Liegenschaft hin erfolgte der Ausbau einer auf der Liegenschaft befindlichen Wohnung. Daraus wurde eine Benützungsregelung abgeleitet, die der Räumungsklage erfolgreich entgegengehalten werden konnte. Bei dem im Zusammenhang mit dem Zitat dieser Entscheidung erstmals in der Revision erstatteten Vorbringen, auch die Beklagte habe diverse Aufwendungen auf die Liegenschaft getätigt, handelt es sich um eine unbeachtliche Neuerung.
5) Ein Miteigentümer ist berechtigt, ungerechtfertigte Eingriffe in das gemeinsame Eigentum gegen jeden - auch gegen einen anderen Miteigentümer - geltend zu machen (SZ 51/56; Gamerith aaO, § 829 Rz 4 mwN). Davon hat die Klägerin rechtmäßig Gebrauch gemacht.
Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen.
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