OGH 1Ob556/93

OGH1Ob556/9325.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen I) der Antragstellerin Helga F*****, vertreten durch Dr. Ursula Schwarz und Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwälte in Bruck/Mur, wider die Antragsgegner 1. Rudolf D*****, vertreten durch Dr. Heinrich Wallner, Rechtsanwalt in Liezen, und 2. Ludmilla D*****, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, II) der Antragstellerin Ludmilla D*****, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, wider die Antragsgegner 1. Helga F*****, vertreten durch Dr. Ursula Schwarz und Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwälte in Bruck/Mur, und 2. Rudolf D*****, vertreten durch Dr. Heinrich Wallner, Rechtsanwalt in Liezen, wegen Benützungsregelung, infolge der Rekurse der Helga F***** und der Ludmilla D***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom 23. April 1993, GZ R 953, 954/92-35, womit infolge Rekurses des Rudolf D***** der Beschluß des Bezirksgerichtes Kindberg vom 2. Oktober 1992, GZ 2 C 37/91-26, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Rudolf D***** und Helga F***** sind Geschwister, Ludmilla D***** ist deren Mutter. Die genannten Personen sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ 128 KG E*****, und zwar Ludmilla D***** zu 2/3 und Rudolf D***** sowie Helga F***** zu je 1/6. Die Liegenschaft besteht im wesentlichen aus einem Mehrfamilienhaus samt Keller, einem Einfamilienhaus samt Garage, vier gesonderten Garagen, einem Hofraum und einer Grünfläche.

Helga Felderer stellte den Antrag auf Regelung der Benutzung der EZ 128 KG E*****, wobei sie insbesondere die Zuweisung sämtlicher im Hause L***** 33a gelegenen Räume zur ausschließlichen Nutzung und die Zuweisung des Hofes und der Zufahrt zur gemeinsamen Nutzung durch alle Liegenschaftseigentümer begehrte. Ludmilla D***** trat diesem Antrag nicht entgegen, vielmehr stellte sie ein Begehren auf Benützungsregelung und beantragte letztlich, ihrem Sohn Rudolf D***** das Wohnen im Hause L***** 33 gänzlich zu untersagen, weil ihr ein gemeinsames Wohnen unzumutbar sei. Rudolf D***** sprach sich gegen die Anträge auf Benützungsregelung aus, wobei er insbesondere einwendete, daß eine Benützungsregelung ohnehin rechtswirksam vereinbart sei.

Das Erstgericht wies das Haus L***** Nr. 33a einschließlich der in diesem Haus befindlichen Garage der Helga F***** zur alleinigen Nutzung zu. Mehrere im ersten Stock des Hauses L***** 33 gelegene Räume, die bisher von Ludmilla und Rudolf D***** gemeinsam bewohnt worden seien, sowie einen Kellerraum wies es der Ludmilla D***** zu deren alleinigen Nutzung zu. Schließlich erhielt Rudolf D***** die alleinige Nutzung mehrerer im zweiten Stock des Hauses L***** 33 gelegener Räume, dreier Kellerräume und eines im Erdgeschoß befindlichen Raums sowie zweier Garagen. Darüber hinaus wurde die gemeinsame Nutzung mehrerer Grundflächen festgelegt, Rudolf D***** wurde zur Entfernung der von ihm aufgestellten Abschrankungen und einer Hebebühne verpflichtet, alle Parteien zur Räumung der Räume, die der alleinigen Nutzung eines anderen Miteigentümers zugewiesen wurden, verpflichtet, und letztlich festgelegt, daß die Nutzung der EZ 128 KG E*****, soweit sie nicht ausdrücklich geregelt wurde, im bisherigen Umfang und Ausmaß bestehen bleibe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Rudolf D***** gegen diesen Beschluß Folge, hob ihn auf und trug dem Erstgericht die Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung auf. Es stehe nicht fest, ob der Benützungsstreit im Außerstreitverfahren zu erledigen sei. Es müsse geklärt werden, ob und inwieweit eine stillschweigende Benützungsvereinbarung oder lediglich eine faktische Gebrauchsregelung vorliege. Nur in letzterem Fall seien die Voraussetzungen für die Entscheidung durch den Außerstreitrichter gegeben. Von einer stillschweigenden Benützungsvereinbarung könne nur bei relevanter Änderung des Sachverhaltes abgegangen werden. Hiezu habe Helga F***** überhaupt nichts vorgebracht, sie müsse also eine entsprechende Aufklärung zur Rechtfertigung ihres Antrags auf Benützungsregelung liefern. Ludmilla D***** habe sich auf die Unzumutbarkeit des Zusammenlebens mit ihrem Sohn berufen, doch habe das Erstgericht diesbezüglich keine ausreichenden Erhebungen angestellt und keine entsprechenden Feststellungen getroffen.

Die Rekurse der Helga F***** und der Ludmilla D***** sind nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 833 erster Satz ABGB kommt der Besitz der gemeinschaftlichen Sache allen Teilhabern insgesamt zu. Jeder Miteigentümer kann demnach bei Fehlen einer Gebrauchsordnung die Sache nach Willkür benützen; sein Gebrauchsrecht bezieht sich grundsätzlich auf die gesamte Sache und findet nur im Mitgebrauch der übrigen Teilhaber seine Schranke (SZ 58/10; EvBl. 1980/44; NZ 1987, 183; Gamerith in Rummel, ABGB2, Rz 4 zu § 828 und Rz 1 zu § 833 uva). Eine Benützungsregelung unter Miteigentümern ist die Zuweisung der gemeinschaftlichen Sache oder ihrer körperlichen begrenzten Teile zur ausschließlichen oder gemeinsamen, auf Dauer oder mindestens auf längere Zeit gedachten Benützung an die Teilhaber und die allfällige Festsetzung einer Entgeltleistung für eine ihren Anteil übersteigende Benützung. Eine gerichtliche Benützungsregelung im außerstreitigen Verfahren ist grundsätzlich nur zulässig, wenn keine bindende Vereinbarung entgegensteht (Gamerith aaO Rz 5 zu § 835, MietSlg. 39.056). Bei Prüfung der Frage, ob eine Benützungsregelung im Verfahren außer Streitsachen erfolgen kann, ist allerdings stets von den Behauptungen des Antragstellers auszugehen, nicht von den Einwendungen des Antragsgegners. Der vorliegende Antrag kann nur dahin verstanden werden, daß ihm das Fehlen einer bindenden vertraglichen Benützungsregelung zu unterstellen ist. Sollte sich im Verfahren ergeben, daß eine bindende Benützungsregelung getroffen wurde, die auch weiterhin wirksam ist (hiezu weiter unten), wäre deshalb der Antrag nicht wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen, sondern abzuweisen (Gamerith aaO Rz 11 zu § 835). Es mangelt nun tatsächlich an Feststellungen des Erstgerichtes, die das Vorliegen einer Benützungsvereinbarung bejahen oder verneinen. Hiezu ist zu bemerken, daß eine Benützungsvereinbarung durchaus auch stillschweigend zustandekommen kann, weil insbesondere eine jahrelange, unwidersprochen gehandhabte Übung aller Miteigentümer ein schlüssiges Verhalten im Sinne des § 863 ABGB darstellt, das als Abschluß einer Benützungsvereinbarung gewertet werden kann (vgl. MietSlg. 41.032). Im Regelfall ist davon auszugehen, daß die Benützung einer Wohnung (hier: des abgesondert errichteten Hauses L***** 33a, welches von Helga F***** und deren Familie bewohnt wird) durch einen Miteigentümer des Hauses auf einer mit den übrigen Miteigentümern getroffenen Benützungsvereinbarung beruht (MietSlg 41.033). Nun hat das Erstgericht lediglich festgestellt, wie die Benützungsverhältnisse derzeit sind, nicht aber, ob der faktische Gebrauch auf eine Vereinbarung (wenn auch nur aufgrund eines schlüssigen Verhaltens) zurückzuführen ist. Es wurden auch keine Feststellungen dahin getroffen, ob eine allfällige Benützungsvereinbarung, die ein Dauerrechtsverhältnis darstellt, zur Auflösung gebracht wurde, und aus welchen Gründen dies allenfalls geschehen wäre. Es ist der erstinstanzlichen Entscheidung zwar zu entnehmen, daß Rudolf D***** lärmerregende Reparaturen auf der gemeinsamen Liegenschaft durchführt, ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer eine hydraulische Hebebühne für Kraftfahrzeuge aufstellen ließ, dadurch die Einfahrt in eine Garage der Helga F***** unmöglich machte, einen Schranken errichtete, um die Hofdurchfahrt zu verhindern, und daß er sich rücksichtslos und egoistisch gegenüber den Miteigentümern verhalten habe, sowie daß er und seine Mutter schwer zerstritten seien (AS 155 bis 159), was aber Feststellungen nicht entbehrlich macht, ob Helga F***** bzw. Ludmilla D***** eine Benützungsvereinbarung (stillschweigend) eingegangen sind, und vor allem auch, ob sie die vom Erstgericht festgestellten und soeben angeführten Tatsachen zum Anlaß genommen haben, um die allenfalls bestehende Benützungsvereinbarung zur Auflösung zu bringen. Im Zweifel wird aber schon im Antrag an den Außerstreitrichter auf Benützungsregelung eine außerordentliche Kündigung der allenfalls bestandenen Benützungsvereinbarung zu erblicken sein. In rechtlicher Hinsicht müßte eine Wertung dahin vorgenommen werden, ob die von Helga F***** bzw. Ludmilla D***** behaupteten, allenfalls noch zu ergänzenden Vorfälle wichtige Gründe für die Auflösung des Dauerrechtsverhältnisses darstellten (das von Ludmilla D***** behauptete und festgestellte Verhalten ihres Sohnes stellt zweifellos einen wichtigen Grund zur Vertragsauflösung dar) und sohin die allenfalls bisher bestandene Benützungsvereinbarung unzumutbar erscheinen ließen (vgl. MietSlg. 39.056; SZ 53/24; MietSlg. 37.057; Gamerith in Rummel, aaO).

Der Rekurs der Ludmilla D***** und der Helga F***** gegen den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes erweist sich sohin als nicht berechtigt.

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