Spruch:
Wer unter der vertraglichen Zusage des Erwerbs des Miteigentums an einer Liegenschaft den Ausbau von Räumen durchführte und die Räume auf Grund dieser Zusage bezog, kann eine Räumungsklage des Vertragspartners mit der Begründung abwehren, daß er die Räume auf Grund einer wie unter Miteigentümern getroffenen Benützungsregelung innehat
OGH 9. November 1977, 1 Ob 695/77 (LGZ Graz 4 R 238/77; BG Bad Radkersburg C 101/76 )
Text
Die Kläger, die Eltern der Zweitbeklagten und Schwiegereltern des Erstbeklagten, sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft mit dem Hause N 12. Im Jahre 1968 wurden durch einen Umbau des Hauses u.
a. neue Räume im ersten Stock des Hauses geschaffen. Für diesen Umbau traten die Beklagten als Bauwerber auf, er wurde von ihnen auch zu einem wesentlichen Teil finanziert und durchgeführt; der Erstkläger steuerte zum Umbau 20 000 S, seine Arbeitskraft und Fuhrwerk bei. Die Beklagten benützen die im ersten Stock des Hauses geschaffene, aus vier Zimmern, Küche, Bad, WC, Speis, Vorraum und Nebenräumen bestehende Wohnung. Mietzins oder Benützungsentgelt wurde weder vereinbart noch bezahlt oder von den Klägern verlangt.
Die Kläger begehren die Räumung der Wohnung der Beklagten, die sie ohne Titel benützten; zwischen den Streitteilen bestehe nur ein familienrechtliches Wohnverhältnis. Die Beklagten wendeten ein, sie hätten den Ausbau größtenteils selbst bezahlt, die Kläger hätten zugesagt, daß nach Fertigstellung des Gebäudes zugunsten der Beklagten grundbücherliches Eigentum begrundet werde; sie besäßen die streitgegenständliche Wohnung daher nicht titellos.
Das Erstgericht wies das Räumungsbegehren ab. Es stellte fest, es sei beim Einzug nicht darüber geredet worden, ob es sich um ein Mietverhältnis oder um sonst irgendeine juridische Form der tatsächlichen Inbesitznahme handeln sollte. An eine etwaige Entfernung der Beklagten aus der Wohnung sei beim Einzug nicht gedacht worden. Rechtlich argumentierte das Erstgericht, die Kläger hätten den Beklagten die streitgegenständliche Wohnung ohne irgendeine zeitliche Beschränkung als Domizil gewidmet. Da von einem Widerrufsvorbehalt durch die Kläger keine Rede sei, handle es sich nicht um ein prekaristisches Wohnrecht der Beklagten. Ihr Wohnen sei auch nicht als ein unentgeltliches anzusehen, da sie bedeutende Leistungen zur Schaffung der Wohnung erbracht hätten, welche (zumindest) als Äquivalent für das Wohnen im Hause aufzufassen seien. Daß die Beklagten im Hausverband im Sinne von Mitbewohnern lebten, stehe im Widerspruch zum Vorbringen in der Klage, in der es wörtlich heiße, daß die Beklagten in der Folge in den ersten Stock des Hauses eingezogen seien; die Beteiligten hätten auch nie behauptet, daß die streitgegenständliche Wohnung nicht als organisierter Haushalt von den Beklagten benützt worden sei.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 60 000 S übersteige. Die Tatsache, daß die Beklagten einen Großteil der Kosten des Ausbaues getragen hätten, schließe ein Prekarium aus. Ob die Beklagten auf Grund eines zumindest konkludent geschlossenen Übereinkommens etwa Mieter der Wohnung im ersten Stock des Hauses seien oder nach § 418 letzter Satz ABGB bzw. auf Grund einer Vereinbarung Anspruch auf Einverleibung eines Miteigentumsrechtes an der Liegenschaft hätten, sei im Räumungsprozeß nicht zu untersuchen. Es müßten allerdings die Beklagten ihr obligatorisches oder dingliches Recht zur Benützung der Wohnung beweisen. Die Kläger hätten das großteils auf Kosten der Beklagten errichtete Obergeschoß als Wohnung ohne zeitliche Beschränkung den Beklagten gewidmet; es sei offenbar Absicht der Parteien gewesen, daß die Beklagten bis zum Tod der Kläger dort wohnen und ihnen dann das Haus im Erbweg zufallen sollte. Die Beklagten hätten ein ihnen ohne zeitliche Beschränkung eingeräumtes Wohnrecht als Titel. Ein familienrechtliches Wohnverhältnis bestehe nicht, weil die Beklagten nicht dieselbe Wohnung mit den Klägern bewohnten.
Über Revision der Kläger hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Berufungsgericht nahm an, daß den Beklagten ein ihnen ohne zeitliche Beschränkung eingeräumtes Wohnrecht als Titel zustehe. Die Dienstbarkeit der Wohnung ist das dingliche Recht, die bewohnbaren Teile eines Hauses (oder Teile hievon) zu seinem Bedürfnis zu benützen (§ 521 ABGB). Das Wohnungsrecht kann nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit auch mit nur obligatorischer Wirkung vereinbart werden (MietSlg. 25 038, 21 045 u. a.). Voraussetzung für das Zustandekommen eines Wohnungsrechtes ist es aber, daß hierüber ein Vertrag abgeschlossen wurde (MietSlg. 18 138). Für das Zustandekommen eines Vertrages ist die Einigung der Vertragsteile über den Vertragsinhalt und die Erklärung des Abschlußwillens erforderlich (JBl. 1973, 617 u. a.); auch ein konkludenter Vertragsabschluß setzt voraus, daß beide Teile die Absicht haben, einen Vertrag zu schließen (MietSlg. 23 098 u. a.). Konkludent kann nur eine Handlung gesetzt werden, die mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund übrigläßt, am Vertragswillen der beteiligten Personen zu zweifeln (MietSlg. 24 112 u. a.). Dem Berufungsgericht kann nicht beigepflichtet werden, daß allein daraus, daß die Kläger das großteils auf Kosten der Beklagten errichtete Obergeschoß ihres Hauses den Beklagten ohne zeitliche Beschränkung als Wohnung widmeten, auf das Bestehen eines Wohnungsrechtes, das grundsätzlich als höchstpersönliches Recht bis zum Tode der Berechtigten währt (MietSlg. 25 038 u. a.), geschlossen werden muß, wenn darüber nicht gesprochen wurde. Ein Mietrecht kann schon deswegen nicht bestehen, weil die Überlassung der neu geschaffenen Räume an die Beklagten weder auf eine gewisse Zeit noch gegen einen bestimmten Bestandzins erfolgte (§ 1090 ABGB). Als Entgelt kann allerdings auch die Zahlung eines einmaligen Betrages - auch für die Instandsetzung oder Errichtung des Bestandsgegenstandes - in Betracht kommen, aber nur, wenn sich aus den Umständen ergibt, für welche Zeit dieser Betrag entrichtet wird (JBl. 1973, 259 u. a.); eine Vereinbarung, Räume auf unbestimmte Zeit gegen Zahlung eines einmaligen Betrages zu überlassen, kann hingegen kein Bestandvertrag sein (MietSlg. 16 077). Vor allem aber kann den Parteien kein Vertragswille unterstellt werden, wenn ausdrücklich festgestellt ist, daß es sich um eine "tatsächliche Inbesitznahme" handelte und überhaupt nicht davon die Rede war, daß man Vertragspartner werden wollte. Der OGH hat vielmehr bereits ausgesprochen, daß dann, wenn feststeht, daß - wie dies häufig zwischen Familienangehörigen der Fall ist - über eine rechtliche Regelung des Wohnens der Tochter und ihres Gatten im Haus des Vaters überhaupt nichts gesprochen wurde, dies im Hinblick auf das gute Einvernehmen auch nicht für notwendig angesehen wurde und beide Teile es dabei beließen, daß die Tochter und ihr Gatte in dem Haus des Vaters wohnten, darin Investitionen vornahmen oder zu solchen beitrugen und verschiedene Arbeiten leisteten, wie dies im Familienverband üblich ist, der Abschluß eines Vertrages nicht angenommen werden kann, auch nicht konkludent im Sinne des § 863 ABGB (MietSlg. 18 139). Der OGH hat darüber hinaus ausgesprochen, daß das Wohnen von Familienangehörigen im Haus auch kein Wohnrecht erkennen lassen müsse; wenn überhaupt keine vertragliche Regelung der beiderseitigen Rechte und Pflichten vorliegt, kann auch eine richterliche Vertragsergänzung nicht stattfinden (MietSlg. 21 044). Bei der Beurteilung, ob die Benützung von Teilen eines Hauses auf Grund familienrechtlicher Beziehungen und damit ohne Vertragsgrundlage erfolgt, kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes auch nicht darauf an, ob das Wohnen im Familienverband oder in getrennten Wohnungen erfolgt. Auf Grund der Feststellungen der Untergerichte kann demnach nicht angenommen werden, daß den Beklagten ein Rechtstitel zur Benützung der von ihnen innegehabten Räume zusteht.
Die Bestimmung des § 418 dritter Satz ABGB kommt schon deswegen nicht zur Anwendung, weil die Beklagten nicht auf fremdem Grund neu bauten, sondern das bereits bestehende Haus der Kläger ausbauten. Damit kann Eigentum oder Miteigentum allein auf Grund des Gesetzes nicht erworben werden. Die Beklagten haben die Baumaßnahmen auch nicht ohne Wissen der Kläger durchgeführt, sondern auf Grund ihrer Zustimmung und sogar zum Teil mit ihrer Mithilfe. Nach ständiger Rechtsprechung ist § 418 dritter Satz ABGB überhaupt nicht anwendbar, wenn zwischen Gründeigentümern und Bauführern eine Vereinbarung besteht; es hängt dann allein von der Vereinbarung ab, ob das Bauwerk dem Gründeigentümer oder der Grund dem Bauführer zusteht (JBl. 1973, 259; EvBl. 1963/307; SZ 32/137 u. a.; Ostheim,
Zum Eigentumserwerb durch Bauführung, 51).
Gerade auf Grund einer solchen Vereinbarung könnten die Kläger allerdings doch ein Recht zur Benützung der von ihnen innegehabten Räume erworben haben. Die Beklagten behaupteten ausdrücklich, die Kläger hätten ihnen zugesagt, daß nach Fertigstellung des Gebäudes zugunsten der Beklagten grundbücherliches Eigentum begrundet werde. Ob dies richtig ist und inwieweit es sich hier um eine Vereinbarung handelt, die als Vertrag und damit als grundsätzlich in Betracht kommender (JBl. 1966, 618) Titel zum Eigentumserwerb oder Miteigentumserwerb angesehen werden könnte, wurde nicht festgestellt, da die Untergerichte den Anspruch der Kläger schon aus anderen Gründen als nicht gerechtfertigt ansahen. Wäre die Behauptung der Beklagten richtig, hätten sie aber auch einen Rechtstitel auf Benützung der von ihnen innegehabten Räume. Hätten sie einen vertraglichen Anspruch auf Erwerb des Eigentums oder von Miteigentum an der Liegenschaft, verbunden mit dem Recht auf Benützung der Räume im ersten Stock, wäre es unerheblich, daß ihr Eigentums- oder Miteigentumsrecht noch nicht im Grundbuch einverleibt ist. Wird nämlich eine Liegenschaft oder werden Teile hievon vor Errichtung einer einverleibungsfähigen Urkunde über den Erwerb des Eigentums oder Miteigentums übergeben, so treten die Wirkungen des Vertrages bereits mit dem Abschluß ein; die körperliche Übergabe ist bereits Erfüllung, soweit es sich nicht um die Herbeiführung der dinglichen Wirkung des Eigentums handelt; der Erwerber soll im Verhältnis der Vertragsteile zueinander bereits alle Rechte eines Eigentümers haben (MietSlg. 23 564). Der OGH hat demnach auch bereits ausgesprochen, daß dem Erwerber eines Liegenschaftsteiles, dem bereits übergeben wurde, auch dann, wenn er noch nicht im Grundbuch als Miteigentümer eingetragen ist, gegen den anderen Miteigentümer der Liegenschaft Ansprüche wie aus einer Eigentumsgemeinschaft zustehen (SZ 25/50); umgekehrt wurde erkannt, daß ein Miteigentümer auch gegen den Erwerber eines anderen Miteigentumsanteiles, der die Liegenschaft bereits benützt, Ansprüche wie gegen einen Miteigentümer geltend machen kann, auch wenn das Miteigentumsrecht noch nicht einverleibt wurde (SZ 46/2). Ebenso können sich dann aber auch Personen, die unter der Zusage des Erwerbes des Eigentums oder des Miteigentums an einer Liegenschaft den Ausbau von Räumen durchführten und die Räume auf Grund dieser Zusage bezogen, bei einer Räumungsklage darauf berufen, daß ihnen der Anspruch auf Erwerb des Eigentums oder des Miteigentums zustehe und sie auf Grund einer auf dieser Basis getroffenen Benützungsregelung die Räume innehaben. Darauf, daß die Beklagten noch nicht bücherliche Eigentümer oder Miteigentümer der Liegenschaft sind, könnten sich die Kläger im Innenverhältnis nicht berufen. Daß für den Eigentumserwerb und den Schutz gegen Dritte nur die Intabulation maßgeblich sein kann (§ 431 ABGB; JBl. 1976, 144), ist für das Verhältnis unter den Vertragspartnern ebenfalls ohne Bedeutung.
Da die Beklagten entgegen der Auffassung der Untergerichte nur auf Grund der behaupteten Zusage des Eigentums- bzw. Miteigentumserwerbs an der Liegenschaft einen Rechtstitel auf Benützung der von ihnen innegehabten Räume hätten, darüber aber keine Feststellungen getroffen wurden, bedarf es einer Verfahrensergänzung in erster Instanz.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)