OGH 2Ob100/99s

OGH2Ob100/99s2.8.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helga R*****, vertreten durch Dr. Gerald Haas, Dr. Anton Frank und Mag. Ursula Schilchegger-Silber, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei Sonja A*****, vertreten durch Dr. Hubert Köllensperger und Mag. Wolfgang Stockinger, Rechtsanwälte in Wels, wegen Räumung über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 18. November 1998, GZ 23 R 153/98h-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 4. August 1998, GZ 6 C 431/97a-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.655,68 (darin enthalten S 609,68 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Anna M***** verstarb am 30. 9. 1995 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung. Mit rechtskräftiger Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Wels vom 10. 12. 1997, 1 A *****, wurde ihr Nachlass aufgrund des Gesetzes ihren erbserklärten Kindern, nämlich der Klägerin, der Beklagten und Gerhard M***** zu je einem Drittel eingeantwortet, die Verlassenschaftsabhandlung für beendet erklärt und die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die Erben je zu einem Drittel ob der erblasserischen Liegenschaft EZ ***** GB *****, auf der sich das Haus W***** befindet, angeordnet.

Die Klägerin begehrt mit der beim Erstgericht am 19. 3. 1997 eingelangten Klage zunächst als Vertreter des Nachlasses (wobei sie die Bevollmächtigung zur Klageführung durch den Miterben Gerhard M***** behauptete) und nach erfolgter Einantwortung als Miteigentümerin von der Beklagten die Räumung der im Hause ***** M*****, W*****, befindlichen Gasthausräumlichkeiten sowie einer im ersten Stock gelegenen Wohnung. Die Erblasserin habe in diesem Hause ein Gasthaus geführt, das die Beklagte ohne Zustimmung der Miterben fortführe. Die in diesem Objekt befindliche Wohnung werde ebenfalls titellos benutzt. Die Beklagte sei einer Räumungsaufforderung nicht nachgekommen. Ohne Einigkeit der Miteigentümer und ohne bestehendes Benützungsübereinkommen stehe es der Beklagten nicht zu selbst zu bestimmen, welche Teile des Hauses sie benützen wolle.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, weil sie nur zu einem Drittel Erbin sei. Die Beklagte habe schon zu Lebzeiten der Erblasserin überwiegend deren Gastwirtschaft geführt. Sie benütze auch nicht mehr als ein Drittel der gesamten Liegenschaft und nicht einmal 30 % der Nutzfläche des Hauses.

Das Erstgericht gab ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen dem Räumungsbegehren statt. Rechtlich erörterte es, dass die Beklagte weder ein ihr zustehendes Bestandrecht behauptet habe, noch eine Benützungsregelung oder eine letztwillige Verfügung vorliege, die jede Benützung der Räumlichkeiten erlaube. Deren Innehabung durch die Beklagte erfolge eigenmächtig, was die Klägerin zur Räumungsklage berechtige.

Das von der Beklagten angerufene Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es führte rechtlich aus, dass grundsätzlich jeder Miteigentümer allein berechtigt sei, zur Wahrung seiner Anteilsrechte oder des Gesamtrechtes alle zu Gebot stehenden Rechtsbehelfe nicht nur Dritten gegenüber, sondern auch gegen jeden Teilhaber wahrzunehmen. Die Klägerin sei daher berechtigt, auch eine Räumungsklage wegen titelloser Benützung gegen die Beklagte zu erheben. Ein Miteigentümer, der das gemeinschaftliche Gut auch über seinen Anteil hinaus oder überhaupt alleine benütze, handle nicht ohne zureichenden Rechtsgrund. Soweit keine Benützungsvereinbarung vorliege, könne der Miteigentümer einer Sache, die bestimmte unbeschränkte Gebrauchsmöglichkeiten eröffne, diesen Gebrauch ausüben. Bei beschränkter Gebrauchsmöglichkeit könne der Miteigentümer der Liegenschaft das gemeinschaftliche Gut derart gebrauchen und benützen, dass er hiedurch den Gebrauch und Benützung durch den oder übrigen Teilhaber nicht beeinträchtige. Der Gebrauch des einen finde nur im tatsächlichen Mitgebrauch des anderen seine Schranke. Bei eigenmächtiger Änderung der bisherigen Gebrauchsordnung stehe dem dadurch beeinträchtigten Miteigentümer die Räumungsklage gegen einen Teilhaber zu, der die ausschließliche Nutzung einzelner Räumlichkeiten für sich in Anspruch nehme. Die Beklagte habe die von der Mutter der Streitteile betriebene Gastwirtschaft weiterbetrieben und die Wohnung weiter benützt. Eine eigenmächtige Änderung einer bereits bestehenden Gebrauchsordnung liege nicht vor. Ebenso liege eine titellose Benützung nicht vor, weil die Beklagte nunmehr zu einem Drittel Miteigentümerin der Liegenschaft sei. Die Nutzung eines im Miteigentum stehenden Objektes ohne bereits bestehende Benützungsvereinbarung oder faktische Gebrauchsordnung stelle keine unzulässige Eigenmacht dar; ihr könne daher nicht mit einer Räumungsklage begegnet werden.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil ein vergleichbarer Fall mit der bisher öffentlichen Judikatur nicht zu lösen gewesen sei. Der Beurteilung der Frage, ob bei Fehlen einer einvernehmlichen Benützungsregelung und ohne eine zwischen den Miteigentümern bereits geübte Gebrauchsordnung ein Teilhaber die teilweise, aber insoweit ausschließliche Nutzung der Sache durch einen anderen Teilhaber vor Befassung des Außerstreitrichters bekämpfen könne, komme über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass die Beklagte unbestritten bereits vor dem Tod der Erblasserin eine Wohnung benutzte und mit Zustimmung der übrigen Miterben die zunächst von ihrer Mutter betriebene Gastwirtschaft alleine weiterführte. Sie ist nunmehr zu einem Drittel Miteigentümerin der Liegenschaft. Dass die Klägerin die Liegenschaft zu nutzen beabsichtige, hat sie weder vorgebracht noch unter Beweis gestellt. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung SZ 58/10 = JBl 1985, 614 ausgesprochen, dass bei beschränkter Gebrauchsmöglichkeit ein Miteigentümer das gemeinschaftliche Gut derart gebrauchen oder benützen darf, dass er hiedurch den Gebrauch oder die Benützung durch einen anderen nicht beeinträchtigt. Dabei ist nur auf den konkreten Gebrauch durch den anderen Bedacht zu nehmen, sodass der Gebrauch des einen nur in dem tatsächlichen Mitgebrauch des anderen seine Schranke findet. Auch die Klägerin gesteht zu, dass derzeit eine Gebrauchsordnung zwischen den Miteigentümern nicht vereinbart wurde. Bei Fehlen einer Gebrauchsordnung kann aber jeder Miteigentümer die Sache nach Willkür benützen (SZ 58/10; NZ 1987, 183; EvBl 1993/186; 1 Ob 556/93).

Entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin benützt daher die Beklagte sowohl die Gastwirtschaft als auch die Wohnung nicht titellos, sondern als Ausfluss ihres Miteigentumsrechtes an der Liegenschaft. Bis zur Erstellung einer Gebrauchsordnung, die entweder einvernehmlich oder durch Entscheidung des Außerstreitrichters erfolgen kann, benützt daher die Beklagte weder Wohnung noch Gastwirtschaft titellos bzw eigenmächtig.

Der Revision war ein Erfolg zu versagen.

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