OGH 3Ob30/05s

OGH3Ob30/05s20.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hubert Simon, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Dezember 2004, GZ 47 R 756/04f, 757/04b, 758/04z-10, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 18. Oktober 2004, GZ 18 E 4716/04s-1 und 2, teilweise abgeändert wurden, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Der verpflichteten Partei wurde mit einstweiliger Verfügung aufgetragen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs unter anderem unentgeltliche Zugaben zu einer bestimmten Zeitschrift - insbesondere die Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel, bei welchem Preise nicht völlig unbedeutenden Werts zu gewinnen sind - anzukündigen und/oder zu gewähren. Die betreibende Partei brachte im Exekutionsantrag und in einem weiteren Strafantrag im Wesentlichen vor, diese Zeitschrift sei zwischen 7. und 13. Oktober 2004 insbesondere in bestimmt bezeichneten Trafiken vertrieben worden. Auf der Titelseiten-Flappe der Ausgabe Nr 41 sei blickfangartig ein Gratis-Tippschein im Wert von 2 EUR für die Teilnahme am „Euro-Millionen-Lotto" angekündigt worden. Am 6. und 7. Oktober 2004 sei die Titelseite auch in einem Fernseh-Werbespot gezeigt worden. Darüber hinaus sei zwischen 7. und 13. Oktober 2004 die Ausgabe Nr 41 einer anderen Zeitschrift vertrieben worden, in der in einem doppelseitigen Inserat blickfangartig die genannte Titelseite mit dem Euro-Millionen-Schein abgebildet gewesen sei.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Unterlassungsexekution und verhängte eine Geldstrafe von 90.000 EUR. Im weiteren Strafbeschluss verhängte es eine weitere Geldstrafe von 90.000 EUR. Das Rekursgericht setzte diese Geldstrafen auf jeweils 20.000 EUR herab; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes jeweils 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs in Ermangelung erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, die verfassungsrechtlichen Bedenken der verpflichteten Partei gegen die §§ 3, 55 und 358 EO würden nicht geteilt. Die Vorgangsweise des Erstgerichts, Exekutionsantrag und Strafantrag ohne Anhörung der verpflichteten Partei mit einer Stampiglie zu bewilligen, die keine Begründung (insb keine Tatsachenfeststellungen) enthalte, sei vom Obersten Gerichtshof bisher noch nie beanstandet worden. Diese Praxis bringe für den Verpflichteten keine Rechtsschutzdefizite, habe er doch die Möglichkeit, mit Impugnationsklage (§ 36 Abs 1 Z 1 EO) geltend zu machen, dass er gegen den Exekutionstitel nicht verstoßen habe; auch die Höhe der Geldstrafe könne er im Rechtsmittelverfahren unter Durchbrechung des Neuerungsverbots bekämpfen. Auch die Argumentation der verpflichteten Partei, der angepriesene Lottoschein, der zur Abgabe eines Gratistipps berechtigte, sei keine unerlaubte Zugabe, sondern eine Warenprobe gewesen, sei nicht stichhaltig. Das Gewinnspiel könne zwar als Ware qualifiziert werden, doch ändere dies nichts daran, dass die verpflichtete Partei durch die Beigabe des Tippscheins die Teilnahme an einem Gewinnspiel unentgeltlich ermöglicht und damit gegen § 9a Abs 2 Z 8 UWG verstoßen habe. Diese Bestimmung sei im Verhältnis zu § 9a Abs 2 Z 2 UWG als lex specialis einzustufen, sodass auf sich beruhen könne, ob dieser Tippschein eine bloße „Warenprobe" darstelle. Gewinnspiele seien nur dann erlaubt, wenn eine gleichwertige Möglichkeit geboten werde, sich auf anderem Wege als durch den Kauf der Ware zu beteiligen. Eine derartige Alternative werde hier nicht eingeräumt.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der verpflichteten Partei ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Als erhebliche Rechtsfrage führt die verpflichtete Partei an, der Oberste Gerichtshof habe zwar in der E 4 Ob 99/98g ausgesprochen, dass im Verhältnis zwischen den Ausnahmetatbeständen des § 9a Abs 2 Z 1 bis 7 UWG und des § 9a Abs 2 Z 8 UWG der Ausnahmetatbestand der Z 8 die speziellere Norm wäre. Keine Rsp gäbe es aber in Bezug auf periodische Druckschriften, für welche der Ausnahmetatbestand der Z 8 nicht gelte und bei denen daher ausschließlich von den Ausnahmetatbeständen der Z 1 bis 7 auszugehen sei. Weiters existiere keine Rsp des Obersten Gerichtshofs, ob die hier konkret zu beurteilende Zugabe als Gewinnspiel oder als Ware wie der Lottoschein bzw. der Lottotipp selbst anzusehen sei.

Gemäß § 9a Abs 2 Z 2 UWG gilt das Zugabeverbot des Abs 1 nicht, wenn es sich bei dem Zugabeartikel um eine Warenprobe handelt. Die zweite Instanz konnte sich bei der Verneinung der Beurteilung der Zugabe in Form der Einräumung eines Gratistipps zum „Euro-Millionen-Lotto" als Warenprobe auf bereits vorhandene Rsp des Obersten Gerichtshofs stützen.

Das Gesetz definiert den Begriff „Warenprobe" nicht. Warenproben dienen der Erprobung, um sich von der Qualität des betreffenden Produkts ein Bild machen zu können. Dabei kommen nur solche Mengen in Betracht, die je nach der Beschaffenheit und dem Zweck der Ware gerade noch für eine Prüfung erforderlich sind (RIS-Justiz RS0079436; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht³ § 25 Rz 34; Fitz/Gamerith, Wettbewerbsrecht³ 43). Dieses Kriterium erfüllt die hier zu beurteilende Zugabe nicht. Die damit faktisch bewirkte Reduktion des für einen Tipp-Schein zu zahlenden Preises ist keinesfalls dazu geeignet, sich von der Qualität irgendeiner Ware ein Bild zu machen. Schon aus diesem Grund kommt eine Subsumtion unter die Ausnahmebestimmung des § 9a Abs 2 Z 2 UWG nicht in Frage. Die Ansicht der zweiten Instanz, es liege eine Zugabe zu einem periodischen Druckwerk durch Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Preisausschreiben iSd § 9a Abs 2 Z 8 UWG vor, stellt keine auffallende Fehlbeurteilung dar, die einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof bedürfte.

Die von der verpflichteten Partei - auch mit der Behauptung einer Verfassungswidrigkeit - relevierten verfahrensrechtlichen Fragen wurden in der Rsp des Obersten Gerichtshofs bereits eingehend behandelt, sodass es einer neuerlichen Befassung des Obersten Gerichtshofs nicht bedarf.

Gemäß § 3 Abs 2 EO ist über den Antrag auf Bewilligung der Exekution grundsätzlich ohne vorherige mündliche Verhandlung und ohne Einvernehmung des Gegners Beschluss zu fassen. Insb für die Unterlassungsexekution sieht § 358 EO vor, dass der Verpflichtete vor Erlassung der in den §§ 353 bis 357 EO angeführten gerichtlichen Entscheidungen und Verfügungen einvernommen werden kann. Bei dieser nicht zwingend vorgeschriebenen (SZ 72/194 u.a., zuletzt 3 Ob 26/05b; RIS-Justiz RS0004533) Einvernahme kann der Verpflichtete nicht geltend machen, er habe dem Exekutionstitel nicht zuwider gehandelt (RIS-Justiz RS0004536).

Bei der Entscheidung über den Exekutionsantrag - wie auch über weitere Strafanträge - wird ausschließlich auf Grundlage der Tatsachenbehauptungen des betreibenden Gläubigers geprüft, ob ein Zuwiderhandeln des Verpflichteten gegen den (aktenkundigen) Exekutionstitel konkret behauptet wird; die Unrichtigkeit dieser Tatsachenbehauptungen des betreibenden Gläubigers kann der Verpflichtete nur mit Impugnationsklage (§ 36 EO) geltend machen. Dementsprechend hat das Erstgericht auch keine Tatsachenfeststellungen zu treffen, weshalb in der Regel bei dieser Beschlussfassung die gekürzte Urschrift in Form eines Bewilligungsvermerks (Bewilligungsstampiglie) gemäß § 112 Geo genügt. Auch der Umstand, dass hiebei Geldstrafen verhängt werden, die gemäß § 359 Abs 1 EO je Antrag bis zu 100.000 EUR betragen können, erfordert nicht zwingend eine wörtliche Fassung der Urschrift. Dem Verpflichteten steht im Übrigen frei, im Rekurs zur Strafhöhe wesentliche Umstände, die sich aus den Akten nicht ergeben, vorzubringen. Damit wird entgegen der Rechtsansicht der verpflichteten Partei Art 6 EMRK ausreichend Rechnung getragen (eingehend dazu RIS-Justiz RS0085144). Die Fälle, in denen es zur Wahrung des rechtlichen Gehörs einer Anhörung des Verpflichteten vor der Beschlussfassung bedarf, wurden bereits in der Rsp dargelegt, etwa wenn der betreibende Gläubiger im Exekutionsantrag bzw. Strafantrag nicht aktenkundige Umstände bescheinigt, die nur für die Strafhöhe von Bedeutung sind (RIS-Justiz RS0085141), oder generell in verfassungskonformer Auslegung des § 55 Abs 3 EO, wenn nach der Lage des Falles eine verlässliche Klärung der Stellungnahme des Antragsgegners erfordert (RIS-Justiz RS0016150). Einer Befassung des Verfassungsgerichtshofs bedarf es daher hier nicht. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 78 EO iVm §§ 528a, 510 Abs 3 ZPO).

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