OGH 3Ob54/05w

OGH3Ob54/05w20.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Uwe U*****, vertreten durch Mag. Rudolf Lind, Rechtsanwalt in Langenzersdorf als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei René U*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Zajc, Rechtsanwalt in Korneuburg als Verfahrenshelfer, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 14. Dezember 2004, GZ 23 R 117/04z-80, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24. Februar 2005, AZ 23 R 117/04z, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Korneuburg vom 27. April 2004, GZ 4 C 346/03s-74, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 665,66 EUR (darin 110,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Auch der Rekurs der beklagten Partei gegen den Berichtigungsbeschluss des Berufungsgerichts vom 24. Februar 2005, AZ 23 R 117/04z, wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der am 16. Oktober 1978 geborene Beklagte war ab 11. Dezember 1999 für etwa dreieinhalb Monate beschäftigt und verdiente netto im Dezember (umgerechnet) 205,42 EUR und von Jänner bis März 2000 jeweils (umgerechnet) 258,72 EUR. Er lebte im Haushalt seiner Mutter und wurde von dieser betreut. Seit 2. Oktober 2000 studierte er an der Akademie für den radiologisch-technischen Dienst des Wiener Krankenanstaltenverbunds. Im ersten Ausbildungsjahr war er, ohne Entgelt zu erhalten, im Krankenhaus Lainz beschäftigt, erhielt dort sein Essen und bewohnte eine Dienstwohnung, für die (einschließlich Betriebskosten) monatlich 58,14 EUR zu zahlen war. Ab 8. April 2004 setzte er seine voraussichtlich bis Ende Februar 2005 dauernde Ausbildung im Sozialmedizinischen Zentrum Ost fort. Er bewohnt eine Dienstwohnung; nur fallweise (durchschnittlich vier Tage im Monat) wohnt er bei seiner Mutter, die ihn nur fallweise betreut und ihm ebenso fallweise die Wäsche besorgt. Der Beklagte bezieht ein Taschen- und Verpflegungsgeld samt Sonderzahlungen. Er erhält von der Mutter auch die Familienbeihilfe.

Der Vater erhielt im zu beurteilenden Zeitraum eine Bruttopension zwischen 8.112 S und 643,54 EUR (im Jahr 2003), jeweils zuzüglich zweier Sonderzahlungen und abzüglich des Krankenversicherungsbeitrags von zwischen 304,20 S und 24,13 EUR. Er hat sonst kein Einkommen und keine weiteren Sorgepflichten. Die Mutter leitet einen Kindergarten und verdiente u.a. von Jänner bis Oktober 2003 nach Abzug des Gewerkschaftsbeitrags von 287,33 EUR insgesamt 26.917,15 EUR netto. Sie ist für einen weiteren minderjährigen Sohn sorgepflichtig; weitere Einkünfte konnten nicht festgestellt werden.

Das Erstgericht gab der Oppositionsklage des bisher im Ausmaß von 2.400 S = 174,41 EUR monatlich unterhaltspflichtigen Vaters gegen seinen volljährigen Sohn teilweise - unangefochten - Folge und erklärte den Anspruch für erloschen, soweit er im Zeitraum vom 1. Dezember 1999 bis 29. Februar 2004 Beträge unterschiedlicher Höhe (zwischen 26,50 EUR und 154,61 EUR) und ab 1. März 2004 72,77 EUR monatlich überstieg. Das Mehrbegehren, der Anspruch des Beklagten sei gänzlich erloschen, wies es ab.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte infolge Berufung des Klägers dieses Urteil. Dieses lehnte eine gänzliche Befreiung des Klägers von seiner Unterhaltspflicht ab, weil es auf das (hier das des Geldunterhaltspflichtigen erheblich übersteigende) Einkommen des betreuenden Elternteils grundsätzlich nicht ankomme. Der Kläger sei in der Lage, von seinem Einkommen 100 % des dem Beklagten noch zustehenden Unterhalts zu decken. Der in der E EFSlg 103.274 angesprochene Ausnahmefall liege daher nicht vor. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR nicht übersteige.

Auf Grund des als Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO und ordentliche Revision bezeichneten Rechtsmittels des Vaters berichtigte das Berufungsgericht seinen Ausspruch, wonach die Revision jedenfalls unzulässig sei, dahin, dass es die ordentliche Revision für zulässig erklärte.

Die Revision ist jedoch entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend wies zwar der Kläger darauf hin, dass auch eine auf das Erlöschen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruch gerichtete Klage nach § 35 EO zu den familienrechtlichen Streitigkeiten zählt, weshalb gemäß § 502 Abs 5 Z 1 ZPO dessen Abs 2 und 3 nicht gelten. Entgegen der vom Berufungsgericht übernommenen Ansicht des Klägers liegt aber zur relevierten Rechtsfrage, unter welchen Umständen der geldunterhaltspflichtige Elternteil bei noch gegebener Leistungsfähigkeit wegen des wesentlich höheren Einkommens des anderen Elternteils von seiner Unterhaltspflicht zu befreien wäre, eine seit mehreren Jahren durchaus einheitliche Rsp des Obersten Gerichtshofs vor. Auf die Entscheidung des Landesgerichts Wels EFSlg 103.274, auf die sich das Berufungsgericht u.a. stützte, kann es in diesem Zusammenhang nicht ankommen (vgl. den Wortlaut des § 502 Abs 1 ZPO). Schon zu 8 Ob 651/90 = EFSlg 64.966 hatte der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass einem unterhaltspflichtigen Elternteil eine Unterhaltsleistung gegenüber den von dem „wohlhabenden" Teil betreuten Kindern auch dann aufzuerlegen ist, wenn er nur ein Einkommen um das Existenzminimum hatte. Verfüge allerdings der die Kinder betreuende Elternteil über ein im Vergleich zum anderen Ehegatten beträchtlich höheres Einkommen, aus dem der Unterhalt derselben zur Gänze oder zum Großteil geleistet werde oder geleistet werden könne, sodass die dem anderen Teil zumutbare Alimentierung im Vergleich dazu bei lebensnaher Betrachtung aller Umstände nicht mehr ins Gewicht falle, könnte dies auch zu einer gänzlichen Befreiung von der Alimentationspflicht führen. Ob die Vorinstanzen einen solchen Fall für gegeben erachten, sei jedoch Frage des Einzelfalls, weshalb eine diesbezügliche Prüfung nicht zu erfolgen habe. Im zugrunde liegenden Fall war die Mutter zu Unterhaltsleistungen von je 500 S für zwei Kinder verpflichtet worden. In der E 6 Ob 211/00y = SZ 73/133 = EFSlg 91.938 f hielt der Oberste Gerichtshof an der aus dem Wortlaut des § 140 ABGB abgeleiteten Rechtsansicht der Entscheidung 3 Ob 548/93 = EFSlg 70.661 fest, wonach die erhöhte Leistungsfähigkeit des betreuenden Elternteils nicht zu einer Verminderung des vom anderen Elternteil zu leistenden Geldunterhalts führen dürfe. Die über die in der E 8 Ob 651/90 geprägten Rechtssätze hinausgehende Auffassung, wonach sich auch durchaus leistungsfähige Unterhaltsschuldner auf eine Reduzierung ihrer Unterhaltspflicht wegen des beträchtlichen Einkommensunterschiedes im Vergleich zum Einkommen des betreuenden Elternteils berufen dürften (7 Ob 526/93 = ZfRV 1993, 255 [Hoyer] = ÖA 1994, 20 = EFSlg 70.999 und 10 Ob 502/96 = JBl 1996, 651 = ÖA 1996, 189 = EFSlg 79.947), lehnte der 6. Senat des Obersten Gerichtshofs ab. Diesem schlossen sich nicht nur dessen 9. Senat in der Revision zitierten E 9 Ob 80/01g = EFSlg 97.915, 99.235, sondern auch der 1. Senat (1 Ob 16/02p = JBl 2002, 516 = EFSlg 99.235, 99.237; 1 Ob 229/04i = ÖA 2005, 91; RIS-Justiz RS0114058) an. Berücksichtigt man den der Entscheidung 8 Ob 651/90 vom nicht betreuenden Elternteil zu leistenden Unterhaltsbetrag, kann auch im vorliegenden Fall nicht von einem nicht ins Gewicht fallenden Unterhaltsbetrag des Vaters die Rede sein (im relevante Zeitraum Beträge zwischen etwa 77 und 155 EUR).

Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 vierter Satz ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO; der Beklagte wies auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hin.

Berichtigungsbeschlüsse des Berufungsgerichts sind nach § 519 Abs 1 ZPO absolut unanfechtbar, weil diese nicht unter dessen Z 1 fallen (stRsp; SZ 17/94, RIS-Justiz RS0041738). Der - auch um Monate verspätete - mit der Revisionsbeantwortung verbundene Rekurs des Beklagten gegen den den Zulassungsausspruch berichtigende Beschluss der zweiten Instanz ist daher zurückzuweisen.

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