OGH 8Ob651/90

OGH8Ob651/9021.3.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Schinko als Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Christian, ***** und Dominik M*****, infolge Revisionsrekurses der Maria G*****, vertreten durch Dr. Hellfried Stadler, Rechtsanwalt in Mistelbach, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 26. Juni 1990, GZ 5 R 182/90-30, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Poysdorf vom 11. Mai 1990, GZ P 32/89-26, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die mj. Christian ***** und Dominik M***** befinden sich in der Obsorge des Vaters, auf dessen Antrag die Vorinstanzen u.a. der Mutter die Bezahlung eines Unterhaltsbeitrages von S 500,-- je Kind auftrugen. Die Vorinstanzen vertraten die Auffassung, daß der Mutter die Leistung dieses Unterhaltsbeitrages (Rekursgericht: ab 2. Oktober 1989) zugemutet werden könne, weil sie S 4.100 monatlich verdiene. Mit der Begründung, daß es zur Frage der Belastbarkeit eines unterhaltspflichtigen Elternteiles mit derart geringem Einkommen in der während der letzten drei Jahre veröffentlichten Judikatur unterschiedliche Auffassungen gebe, ließ das Gericht zweiter Instanz den ordentlichen Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung zu.

In diesem Rechtsmittel beantragt die Mutter, den angefochtenen Beschluß abzuändern und den Antrag des Vaters auf Unterhaltsleistung gegenüber den beiden Minderjährigen abzuweisen, oder auf einen Betrag von S 100,-- herabzusetzen. Der Vater der Kinder verdiene monatlich netto S 32.600, sie hingegen nur S 4.100. Von ihr könne daher nicht verlangt werden, auch nur zu einem geringen Teil zum Unterhalt ihrer Kinder beizutragen. Die Vorinstanzen seien von einem Teil der Rechtsprechung abgegangen und hätten ihr in Verkennung ihrer schwierigen finanziellen Lage und des geringen Verdienstes von nur S 4.100 monatlich zu Unrecht den dargestellten Unterhaltsbeitrag auferlegt.

Dem ist folgendes zu erwidern:

Rechtliche Beurteilung

Das Kernproblem des vorliegenden Falles liegt in der Klärung der Frage, ob einem unterhaltspflichtigen Elternteil eine Unterhaltsleistung gegenüber den von dem wohlhabenden Teil betreuten Kindern auch dann aufzuerlegen ist, wenn er nur ein Einkommen um das Existenzminimum hat. Dies haben die Vorinstanzen im Grundsätzlichen mit Recht bejaht. Der Gesetzgeber der Familienrechtsreform hat gemäß § 140 Abs 1 ABGB unmißverständlich angeordnet, daß die Eltern - also beide - zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften beizutragen haben (RV 60 BlgNr 14. GP 21 f; AB 587 BlgNR 14. GP 3 f). "Nach ihren Kräften" bedeutet, daß der Unterhaltspflichtige im Interesse seiner Kinder alle persönlichen Fähigkeiten so gut wie möglich einzusetzen hat (1 Ob 599/90). Dazu gehört eine Lebenshaltung, derzufolge sich der unterhaltspflichtige Elternteil im Falle der Notwendigkeit hiezu auch strengsten finanziellen Einschränkungen unterzieht. Eine Belastbarkeitsgrenze nach den Pfändungsfreibeträgen des § 5 LPfG kommt hiebei nicht in Betracht; dies widerspräche sowohl den dargelegten Grundsätzen als auch den im § 6 LPfG zum Ausdruck gebrachten Intentionen des Gesetzgebers, wonach ein Pfändungsschutz für ein exekutionsfreies Arbeitseinkommen zugunsten von Unterhaltsansprüchen nicht bzw. im eingeschränkten Umfang gewährt wird (vgl. Schwimann aaO Rz 14;

Huber, Familienbeihilfe und Unterhaltsrecht, JBl 1983, 227;

ähnlich Gschnitzer-Faistenberger, Österreichisches Familienrecht2 (1979) 108).

Verfügt allerdings der die Kinder betreuende Elternteil über ein im Vergleich zum anderen Ehegatten beträchtlich höheres Einkommen, aus dem der Unterhalt derselben zur Gänze oder zum Großteil geleistet wird oder geleistet werden kann, sodaß die dem anderen Teil zumutbare Alimentierung im Vergleich dazu bei lebensnaher Betrachtung aller Umstände nicht mehr ins Gewicht fällt, könnte dies auch zu einer gänzlichen Befreiung von der Alimentationspflicht führen. Ob die Vorinstanzen einen solchen Fall für gegeben erachten, ist jedoch Frage des Einzelfalls, sodaß eine diesbezügliche Prüfung nicht zu erfolgen hat.

Fragen einer höheren Anspannung der Leistungsfähigkeit der Mutter stehen im hier zu behandelnden Rechtsmittel nicht zur Beurteilung heran; auf die diesen Themenkreis betreffenden Ausführungen des Revisionsrekurses ist daher nicht näher einzugehen.

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