Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Der mj Paul Christoffer Theodor (im Folgenden kurz Christoffer genannt) ist ebenso wie seine Eltern und seine beiden jüngeren Brüder David Alexander Ferdinand und Max Christian Johannes schwedischer Staatsbürger. Die damals schon getrennt lebenden Eltern, deren Ehe im Jahr 1999 geschieden wurde, und die Kinder hielten sich seit 1998 in Österreich auf.
Betreffend die von den Auseinandersetzungen zwischen den Eltern, die beide die Obsorge ua für den mj Christoffer anstreben, geprägte weitere Entwicklung und den bisherigen Verfahrensgang, kann der Einfachheit halber auf die bereits in dieser Pflegschaftssache ergangenen Beschlüsse zu 7 Ob 240/02y und zu 7 Ob 43/03d sowie die Beschlüsse des Erstgerichtes vom 23. 12. 2003 (ON 365) und vom 25. 3. 2005 (ON 665) verwiesen werden. Zum besseren Verständnis ist lediglich zu ergänzen wie folgt:
Hinsichtlich des mj Christoffer war seit 26. 7. 2002 die Mutter obsorgeberechtigt. Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 4. 11. 2002 wurde dann jedoch die Obsorge für Christoffer vorläufig dem Jugendwohlfahrtsträger Land Salzburg/Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung übertragen. Christoffer hielt sich zunächst weiter bei seinem Vater in Salzburg auf. Am 22. 11. 2004 verlegte dieser seinen Wohnsitz wieder nach Schweden und nahm Christoffer (ohne den vorläufig obsorgeberechtigten Jugendwohlfahrtsträger davon zu verständigen) mit. Der Jugendwohlfahrtsträger stellte daraufhin einen Antrag nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, zog diesen Antrag jedoch wieder zurück. Der Vater meldete sich und den Minderjährigen in Salzburg ab und an der Adresse der väterlichen Großeltern in V*****, Schweden an. Er stellte in Schweden den Antrag, ihm die Obsorge für Christoffer zu übertragen. Auch von der Mutter, die sich wieder verheiratet hat und mit ihrem Ehemann und vier Kindern in Schweden lebt, wurde dort beantragt, ihr die Obsorge für Christoffer zu übertragen. Sie wolle mit ihrer Familie für ein Jahr nach St. Pölten ziehen, um Christoffer eine weitere Schulbildung in Österreich und eine psychologische Betreuung zu ermöglichen. Der Minderjährige solle allerdings nicht in ihrem Haushalt leben, sondern nur an den Wochenenden zu Besuch kommen.
Christoffer besucht seit 25. 11. 2004 eine schwedische Schule. Er hat sich inzwischen gut in die Klassengemeinschaft und das Schulsystem integriert, ist unauffällig und arbeitet gut mit. Er fühlt sich in Schweden sehr wohl, will weiterhin mit seinem Vater dort bleiben, hat Freunde und geht in seiner Freizeit altersgerechten Beschäftigungen nach, die ihm offensichtlich Freude bereiten. Seine zwangsweise Rückführung nach Österreich wäre für ihn - auch auf lange Sicht gesehen - weit belastender, als die Obsorgeübertragung auf den Vater. Ob dieser mit Christoffer wieder nach Österreich zurückkommt, kann nicht festgestellt werden.
Mit Beschluss vom 25. 3. 2005 entzog das Erstgericht (das unter einem den Antrag der Mutter auf Fremdunterbringung des Minderjährigen abwies) der Mutter die Obsorge für Christoffer und betraute damit den Vater. Es ordnete an, dass gemäß § 44 Abs 1 AußStrG neu diese Entscheidung sofort in Vollzug gesetzt werde. Dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt, die inländische Gerichtsbarkeit iSd § 110 Abs 1 JN sei für das vorliegende Pflegschaftsverfahren (noch) gegeben. Bei Einleitung des Verfahrens habe der schwedische Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt, sodass ein österreichisches Gericht auch zur gegenständlichen Entscheidung berufen sei. Eine „Abtretung" des Verfahrens nach Schweden liege nicht im Interesse des Minderjährigen, zumal das inländische Verfahren vor dem Abschluss stehe und auch festgestellt worden sei, dass eine Verlagerung des Streites nach Schweden sich höchst kindeswohlgefährdend auswirken würde. Die Anwendung der Bestimmungen des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes Minderjähriger vom 5. 10. 1961 habe den gewöhnlichen Aufenthalt des Minderjährigen im Inland zur Voraussetzung. Maßgeblich seien die dauerhaften Beziehungen zum Aufenthaltsort. Ein gewöhnlicher Aufenthaltsort sei allgemein nach 6 Monaten anzunehmen, doch sei die genaue Prüfung der jeweiligen Umstände im Einzelfall erforderlich, insbesondere wenn der Aufenthalt des Kindes mehr oder weniger zwangsweise begründet worden sei. Ein gewöhnlicher Aufenthalt könne grundsätzlich zwar auch gegen den Willen des Obsorgeberechtigten begründet werden. Der entgegenstehende Wille wirke sich jedoch häufig dahin aus, dass der Aufenthalt des Minderjährigen in einem anderen Staat nicht als auf Dauer angelegt angesehen werden könne. Der vorläufig Obsorgeberechtigte habe sich im vorliegenden Fall durch Einbringung des Antrages nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung grundsätzlich gegen die Verlegung des Aufenthaltes des mj Christoffer nach Schweden ausgesprochen. Auch wenn dieser Antrag inzwischen zurückgezogen worden sei, sei auf Grund des erst ca dreimonatigen Aufenthaltes des Minderjährigen in Schweden davon auszugehen, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt dort noch nicht begründet worden sei.
Das Erstgericht stellte im Übrigen inhaltliche Erwägungen über die jeweilige Eignung der Kindeseltern zur Ausübung der Obsorge an und zog daraus den Schluss, dass insbesondere auch unter Bedachtnahme auf die beachtliche Willensäußerung des mj Christoffer die Obsorge dem Vater zu übertragen gewesen sei.
Das von der Mutter angerufene Rekursgericht hob den Beschluss auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Da Christoffer und seine Eltern schwedische Staatsangehörige seien, sei die (internationale) Zuständigkeit des Erstgerichtes sowohl im Lichte des § 110 JN als auch des Haager Minderjährigen-Schutzübereinkommens (MSÜ) zu prüfen. Im Bereich des MSÜ gelte der Grundsatz der perpetuatio fori für die internationale Zuständigkeit nicht. Die - hier bereits eingangs wiedergegebenen - Feststellungen des Erstgerichtes erlaubten noch keine abschließende Beurteilung der Frage, ob das Erstgericht seine internationale Zuständigkeit zu Recht bejaht habe. Es sei nämlich schon auf Grund von Voraufenthalten Christoffers in Schweden nicht ausgeschlossen, dass bereits sein Aufenthalt dort seit November 2004 dazu geführt habe, dass er nunmehr seinen Daseinsmittelpunkt, also den Schwerpunkt seiner sozialen Bindungen, wieder in Schweden habe. Werde ein Minderjähriger von einem nicht (allein) sorgeberechtigten Elternteil in das Ausland verbracht oder dort festgehalten, wirke sich der entgegenstehende Wille des anderen Elternteiles nur dahingehend aus, dass der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes nicht sofort eintrete. Hiefür seien ein Aufenthalt längerer Dauer und die soziale Bindung an die neue Umgebung erforderlich. Die Rechtsprechung für den Fall einer Verbringung gegen den Willen des Obsorgeberechtigten könne allerdings nicht unbesehen auf den vorliegenden Sachverhalt angewendet werden, da der vorläufig obsorgeberechtigte Jugendwohlfahrtsträger seinen ursprünglich nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung gestellten Antrag wieder zurückgezogen habe, weshalb dieser Antrag als nicht gestellt angesehen werden müsse. Deshalb könne nicht angenommen werden, Christoffer habe während der Anhängigkeit des Antrages des Jugendwohlfahrtsträgers seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch nicht in Schweden gehabt.
Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren ergänzende Feststellungen - allenfalls unter Einholung von Informationen bei den schwedischen Jugendwohlfahrtsbehörden - darüber zu treffen haben, wie weit Christoffer in Schweden bereits sozial integriert sei, sodass ein gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes in Schweden allenfalls schon begründet worden sei und daher der für die internationale Zuständigkeit bedeutsamen Anknüpfungspunkt des gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland nicht mehr zum Tragen komme, wobei für die Beurteilung der Frage, ob die inländische Gerichtsbarkeit nach den Bestimmungen des MSÜ zu bejahen sei, der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz maßgeblich sei. Auf der Basis allfälliger ergänzender Erhebungen werde daher, abgestellt auf den Zeitpunkt der neuerlichen Entscheidung, im fortgesetzten Verfahren neuerlich die Frage der inländischen Gerichtsbarkeit nach dem MSÜ in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu prüfen sein. Insbesondere werde das Erstgericht Erhebungen zum Stand des in Schweden anhängigen Obsorgeregelungsverfahrens zu pflegen haben. Mangels eines gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes in Österreich käme als Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit nach dem MSÜ nur mehr in Betracht, dass der Minderjährige seinen schlichten Aufenthalt (oder Vermögen) im Inland habe und das Eingreifen der inländischen Behörde zum Schutz des Minderjährigen dringend erforderlich wäre (Eilzuständigkeit). Anhaltspunkte für diesen Zuständigkeitstatbestand seien nach der Aktenlage aber nicht gegeben.
Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass der mj Christoffer einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt in Schweden, einem Nichtvertragsstaat des MSÜ habe, werde ergänzend zu prüfen sein, ob eine (internationale) Zuständigkeit des Erstgerichtes nach § 110 JN zu bejahen wäre. Nach der Novellierung des § 29 Satz 2 JN durch die WGN 1997 gelte der Grundsatz der perpetuatio fori nunmehr grundsätzlich auch für die internationale Zuständigkeit. Da der Minderjährige im Zeitpunkt der Einbringung des gegenständlichen Antrages seinen gewöhnlichen Aufenthalt jedenfalls noch im Inland gehabt habe, sei die inländische Gerichtsbarkeit iSd § 110 Abs 1 JN zweifelsohne vorgelegen und der nachträgliche Wegfall der in der zitierten Bestimmung normierten Kriterien sei für die Beurteilung der Frage der internationalen Zuständigkeit unbeachtlich.
Dies hindere aber das Gericht nicht, von der Möglichkeit nach § 110 Abs 2 JN Gebrauch zu machen und von einer Fortsetzung des Verfahrens abzusehen. Diese Bestimmung ermächtige die österreichischen Gerichte, von ihrer Juristiktionsbefugnis nur insoweit und solange Gebrauch zu machen, als nicht durch ausländische Maßnahmen das Kindeswohl ausreichend gewahrt werde. Anhaltspunkte dafür, dass die schwedischen Behörden als Heimatbehörden des Minderjährigen nicht in der Lage oder Willens wären, einen effektiven Schutz des Kindes zu gewährleisten, seien nicht hervorgekommen, zumal in Schweden bereits ein von beiden Elternteilen angestrengtes Obsorgeregelungsverfahren auch hinsichtlich des mj Christoffer anhängig sei. Zu bedenken sei in diesem Zusammenhang auch, dass Schweden nicht Vertragsstaat des MSÜ sei, somit allfällige auf Art 9 MSÜ gestützte Obsorgemaßnahmen eines inländischen Gerichtes in Schweden nicht anerkannt werden würden. Vom Obersten Gerichtshof sei im Übrigen bereits einmal (10 Ob 67/04g) herausgestellt worden, dass die Fortsetzung eines österreichischen Pflegschaftsverfahrens geradezu zum Nachteil der betroffenen Minderjährigen wäre, wenn sie einem Pflegschaftsverfahren in einem Staat ausgesetzt würden, zu dem sie - ebenso wie die Eltern - keine näheren rechtlichen und räumlichen Beziehungen mehr hätten. Das Erstgericht werde daher zunächst allenfalls auf der Grundlage einer Verfahrensergänzung ergänzende Feststellungen zu treffen haben, die im Sinne dieser Darlegungen eine abschließende Beurteilung des Vorliegens der inländischen Gerichtsbarkeit im Zeitpunkt der neuerlichen Entscheidung erlaubten.
Auf die von der Rekurswerberin vorgebrachten meritorischen Einwendungen gegen den angefochtenen Beschluss sei noch nicht einzugehen, weil denkbar erscheine, dass das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren zur Auffassung gelange, dass die inländische Gerichtsbarkeit im vorliegenden Pflegschaftsverfahren nicht mehr vorliege und daher der Antrag des Vaters zurückzuweisen wäre. Wegen Nichtabsehbarkeit der Weiterungen des Verfahrens stehe § 57 AußStrG einer kassatorischen Entscheidung nicht im Wege.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil das Höchstgericht zu der von ihm referierten, der Entscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien 42 R 116/01b folgenden Auffassung, noch nicht Stellung genommen habe.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Rekurs des Vaters an den Obersten Gerichtshof. Der Rekurswerber macht unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die Mutter beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Vaters ist zulässig und im Sinne des in jedem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages (vgl etwa 7 Ob 306/02d und 7 Ob 194/03k) auch berechtigt.
Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass hinsichtlich der vorweg zu klärenden Frage, ob ungeachtet des Umstandes, dass sich der mj Christoffer seit November 2004 wieder in seinem Heimatstaat Schweden aufhält, die (internationale) Zuständigkeit des Erstgerichtes nach wie vor gegeben sei, die Bestimmungen des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen, BGBl 1975/446 (Haager, Minderjährigenschutzübereinkommen, im Folgenden wird die Diktion des Rekursgerichtes, MSÜ, beibehalten) sowie § 110 JN maßgebend sind. Richtig haben die Vorinstanzen auch erkannt, dass die Anwendung des MSÜ, abgesehen von einer hier nicht in Betracht zu ziehenden „Eilzuständigkeit" nach Art 9 MSÜ, neben der hier unstrittig vorliegenden Minderjährigkeit des Betroffenen auch als Hauptanknüpfungspunkt dessen „gewöhnlichen Aufenthalt" in einem Vertragsstaat - hier Österreich - voraussetzt (RIS-Justiz RS0074198). Nach hA handelt es sich beim „gewöhnlichen Aufenthalt" iSd Art 13 Abs 1 MSÜ um jenen Ort, an dem „der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person, ihr Daseinsmittelpunkt", „der Mittelpunkt der Lebensführung" liegt. Der Wortsinn dieses Begriffes verlangt zum einen eine - wenigstens zeitweilige - faktische Anwesenheit des Minderjährigen und zum anderen eine gewisse soziale Integration in das örtliche Umfeld (Anzinger in Burgstaller IZVR Rz 5.64 mwN). Für die Zeitdauer, die einen schlichten Aufenthalt in einem gewöhnlichen Aufenthalt verwandelt, wird in Lehre und Rechtsprechung ein Richtwert von 6 Monaten angenommen. Dass es sich hierbei nur um eine unverbindliche Faustregel handeln kann, folgt aus der Tatsache, dass die soziale Eingliederung in die Umwelt bei Kindern verschiedenen Alters unterschiedliche Zeiträume erfordert, es muss daher stets auf den konkreten Fall abgestellt werden (Anzinger aaO Rz 5.65 mwN). Zusammenfassend wird der gewöhnliche Aufenthalt in einem Vertragsstaat im Allgemeinen also bei einer Aufenthaltsdauer von ungefähr sechs Monaten und weitgehender Integration des Minderjährigen angenommen (EvBl 1978/128; IPRax 1986, 385; 1 Ob 2155/96k; 8 Ob 106/98s; vgl RIS-Justiz RS0074198). Das MSÜ verteilt die „internationale Zuständigkeiten" für Schutzmaßnahmen auf den Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes (Art 1 und 2) und auf den Heimatstaat (Art 4). Diese Zuständigkeiten der Behörden des Aufenthaltsstaates und Heimatstaates bestehen nebeneinander (RIS-Justiz RS0074189), wobei die Maßnahmen der Heimatbehörden jene der Behörden am gewöhnlichen Aufenthaltsort verdrängen und daher ein ganz eindeutiger Vorrang der Heimatbehörden besteht (RIS-Justiz RS0074231).
Die betreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes, die mit diesen, in ständiger oberstgerichtlicher Judikatur vertretenen Grundsätzen im Einklang stehen, werden vom Rekurswerber ohnehin nicht in Zweifel gezogen. Der Vater wendet sich allein gegen die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes, die nach §§ 29 und 110 Abs 1 JN grundsätzlich weiterhin vorliegende Zuständigkeit wäre dann nicht mehr gegeben, wenn die Fortsetzung des Pflegschaftsverfahrens durch das österreichische Gericht geradezu zum Nachteil des betreffenden (ausländischen) Minderjährigen wäre. Es könne nämlich in Schweden ein Pflegschaftsverfahren solange nicht anhängig gemacht werden, bis das Verfahren in Salzburg rechtskräftig abgeschlossen sei. Die Durchführung des Pflegschaftsverfahrens (in Österreich) sei daher im Interesse des Minderjährigen gelegen.
Die bislang durch nichts belegte Behauptung, in Schweden könne ein Pflegschaftsverfahren nicht anhängig gemacht werden, bis das gegenständliche Verfahren rechtskräftig beendet sei, steht allerdings im Widerspruch zur Feststellung, dass in Schweden bereits über Antrag beider Elternteile ein Pflegschaftsverfahren auch hinsichtlich des mj Christoffer anhängig ist. Im Übrigen muss dieser - wie bereits betont - einzige Einwand des Rekurses aber schon deshalb ins Leere gehen, weil eine allfällige Verneinung der (weiteren) Zuständigkeit des Erstgerichtes aus den vom Rekursgericht aufgezeigten Gründen zur Zurückweisung des Obsorgeantrages des Vaters führte und einem Obsorgeverfahren in Schweden dann ja ohnehin nichts (mehr) im Wege stünde.
Auch die weiteren Ausführungen des Rekursgerichtes, wonach gemäß dem auch für das Außerstreitverfahren geltenden (RIS-Justiz RS0046068) § 29 JN idF WGN 1997 das einmal zuständige Pflegschaftsgericht grundsätzlich weiterhin zuständig bleibe (vgl RIS-Justiz RS0119204), jedoch gemäß § 110 Abs 2 JN für die in § 109 JN genannten Angelegenheiten, zu denen ua auch die Regelung der Obsorge gehört (Mayr in Rechberger2 § 109 JN Rz 2 mwN) von der Fortsetzung des Verfahrens jedenfalls dann abzusehen sei, wenn eine Fortsetzung dem Kindeswohl geradezu abträglich wäre, sind zu billigen.
Da also die dem Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichtes zugrundeliegenden Rechtsansichten richtig sind, kann der Oberste Gerichtshof nach stRsp nicht überprüfen, ob die vom Rekursgericht für erforderlich erachtete Verfahrensergänzung zu Tatfragen auch tatsächlich notwendig ist (Kodek in Rechberger2 Rz 5 zu § 519 ZPO mwN; 7 Ob 9/02b; 7 Ob 95/02z ua).
Nicht beizupflichten ist allerdings der Rechtsansicht des Rekursgerichtes, es könne die von ihm für notwendig gehaltene Verbreiterung der Sachverhaltsbasis nicht selbst vornehmen, sondern habe sie dem Erstgericht aufzutragen. Vom Oberste Gerichtshof, der dies im Rahmen seiner allseitigen rechtlichen Überprüfungspflicht (vgl SZ 54/124; SZ 58/210 uva) aufzugreifen hat, wurde schon zum AußStrG alt ausgesprochen, dass das Rekursgericht auch in Außerstreitsachen bei einer Verfahrensergänzung in sinngemäßer Anwendung des § 496 Abs 3 ZPO vorzugehen habe (1 Ob 148/97i, SZ 71/4). § 55 Abs 1 AußStrG neu, der bestimmt, dass, falls der Rekurs nicht zurückzuweisen ist, das Rekursgericht über die Sache selbst, erforderlichenfalls nach Verfahrensergänzung, zu entscheiden hat, gibt dem Rekursgericht nach den Gesetzesmaterialien (siehe ErläutRV abgedr. in Fucik/Kloiber, AußerStrG 203) den grundsätzlichen Auftrag, in der Sache selbst zu entscheiden. Verfahrenspraktisches Allgemeingut sei, dass Aufhebungsbeschlüsse möglichst zu vermeiden seien (Feitzinger, Richterwoche 1997, 37). Gemäß § 57 AußStrG neu setzt eine Rückverweisung der Sache an das Gericht erster Instanz jedenfalls voraus, dass dadurch der Verfahrensaufwand und die den Parteien erwachsenden Kosten voraussichtlich „erheblich" verringert würden.
Dies ist im vorliegenden Fall aber nicht anzunehmen. Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof zur „Parallelbestimmung" des § 496 Abs 3 ZPO bereits ausgesprochen, dass eine Verfahrensergänzung durch das Gericht zweiter Instanz selbst vor allem dann geboten ist, wenn das Erstgericht Feststellungen, Erörterungen und Beweisaufnahmen zu punktuellen Fragen des Sachverhaltes unterließ, die in keinem untrennbaren Sachzusammenhang mit den übrigen relevanten Entscheidungsannahmen stehen (vgl RIS-Justiz RS0107620). In diesem Sinne sind in der vorliegenden Causa lediglich ergänzende Erhebungen in Schweden zur punktuellen Frage zu pflegen, ob bzw seit wann der Lebensmittelpunkt Christoffers wieder in Schweden liegt und der Minderjährige daher nunmehr dort wieder seinen „gewöhnlichen Aufenthalt" hat. Entsprechende Erhebungen im Sinne seiner Ausführungen sollten dem Rekursgericht in gleicher Weise möglich sein, wie dem Erstgericht. Besondere, nicht absehbare „Weiterungen des Verfahrens" sind hinsichtlich des damit eng umschriebenen Untersuchungsgegenstandes entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes nicht zu erwarten.
Für den Fall, dass die Zuständigkeit des Erstgerichtes doch weiter zu bejahen wäre, könnte das Rekursgericht sofort auch meritorisch über das Rechtsmittel des Vaters entscheiden. Wie vom erkennenden Senat auch schon in den in dieser Sache bereits ergangenen Entscheidungen 7 Ob 240/02y und 7 Ob 43/03d ausdrücklich betont wurde, ist es im Hinblick auf die schon beträchtlich lange Verfahrensdauer dringend geboten, verfahrensökonomisch vorzugehen und möglichst rasch eine den aktuellen Kindesinteressen entsprechende endgültige Entscheidung zu treffen.
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