Spruch:
Der Revision und dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird der Endentscheidung vorbehalten.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Ehe der beiden nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz verstorbenen Streitteile Ingeborg H***** und Ing. Hans H***** (im Folgenden weiterhin als Klägerin und Beklagter bezeichnet) wurde im Jahr 1967 geschieden. Der Beklagte, der sich einer anderen Frau zugewandt hatte, heiratete noch im Jahr der „im beiderseitigen Einvernehmen" erfolgten Scheidung wieder. Noch vor der Ehescheidung schlossen sie am 21. 12. 1966 „im Zusammenhang mit der in beiderseitigem Einvernehmen erfolgenden Scheidung ihrer Ehe" einen notariellen Vertrag über die Scheidungsfolgen. Im Punkt 1) dieses Vertrages verpflichtete sich der Beklagte, der Klägerin beginnend mit dem auf die Rechtskraft des Scheidungsurteils folgenden Monat einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 10.000 zu bezahlen, und zwar 14 x jährlich, monatlich im Vorhinein und außerdem am 15. 7. und 15. 12. eines jeden Jahres. Die Bezahlung dieses Unterhaltsbetrages sollte wertgesichert nach dem Index der Verbraucherpreise I erfolgen.
Die Klägerin wiederum verzichtete auch für den Fall einer wesentlichen Verbesserung der Einkommens- oder Vermögenslage des Beklagten auf Unterhaltserhöhung. Dem Beklagten wurde das Recht eingeräumt, für den Fall einer wesentlichen Verschlechterung seiner Einkommens- und Vermögenslage, die für ihn die Zahlung des Unterhaltsbetrages nicht mehr zumutbar erscheinen lässt, eine vorübergehende angemessene Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung zu begehren. Der Abschluss einer neuen Ehe oder die Begründung neuer Sorgepflichten auf Seite des Beklagten sollte ebensowenig ein Grund für die Änderung der vereinbarten Unterhaltsleistung sein wie etwaige Einkünfte oder ein eigenes Vermögen der Klägerin.
„Im Rahmen der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten" überließ der Beklagte nach Punkt 4) des Vertrages der Klägerin schenkungsweise ein Wohnhaus in Innsbruck, T***** 14, ein Wohnhaus in Innsbruck, T***** 12, und den ideellen Hälfteanteil am Wohnhaus Innsbruck, M***** 9, wobei ihm allerdings gleichzeitig ein lebenslängliches Fruchtgenussrecht und ein Belastungs- und Veräußerungsverbot an diesen Liegenschaften eingeräumt wurde. Das Fruchtgenussrecht hinsichtlich des Hauses M***** 9 wurde auf ein Zimmer und die Mitbenützung des Bades beschränkt. Im Übrigen sollte die Klägerin zur Vermietung der übrigen Teile des Hauses zu ihren Gunsten berechtigt sein. Andererseits übernahm der Beklagte auf Lebensdauer der Klägerin auf seine alleinige Rechnung die gesamten Kosten für Licht, Gas, Wasser, Heizung, Telefon, Grundsteuer und sonstige öffentliche Abgaben. Hinsichtlich der beiden Häuser in der T***** verpflichtete er sich „als weitere Unterhaltsleistung" an die Klägerin auch zur Weiterzahlung einer dinglich sichergestellten Leibrente. Hinsichtlich sämtlicher Liegenschaften verpflichtete sich der Beklagte schließlich zur Erhaltung des gegenwärtigen Bau- und Instandhaltungszustandes (Punkt 5) des Vertrages).
Bis Ende 1995 (gemeint wohl: 1994) leistete der Beklagte 14 x jährlich den vereinbarten Unterhalt, den er in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre ohne Vereinbarung mit der Klägerin auf S 15.000 erhöht hatte. Seit 1. 1. 1995 bezahlte er den Unterhalt von S 15.000 monatlich nur mehr 12 x im Jahr.
Die vereinbarte Wertsicherung führt zu einer Erhöhung des vereinbarten Unterhaltes auf S 33.630 für die Zeit vom 31. 5. 1994 bis 30. 6. 1996 und auf S 35.457 seit 1. 7. 1996.
Mit der Behauptung, der Beklagte sei seiner Unterhaltspflicht nicht zur Gänze nachgekommen, begehrte die Klägerin mit der am 30. 5. 1997 beim Erstgericht eingelangten Klage vom Beklagten zuletzt die Zahlung von S 1,663.450 sA an restlichem Unterhalt für die Zeit von Mai 1994 bis September 1999 sowie von S 196.435,36 an kapitalisierten Verzugszinsen wegen der nichtbezahlten Unterhaltserhöhung. Darüber hinaus sei der Beklagte schuldig, der Klägerin ab Oktober 1999 monatlich im Vorhinein zu dem monatlich bezahlten Unterhaltsbetrag von S 15.000 einen weiteren Unterhaltsbetrag von S 21.160 sowie jeweils am 15. 7. und 15. 12. eines jedes Jahres monatlich im Vorhinein einen weiteren Unterhaltsbetrag von S 36.160 zu bezahlen. Mit diesem Unterhaltsbegehren verband die Klägerin ein weiteres Begehren auf Zahlung von zuletzt S 1,714.790,46 (S 240.000 Mietentgang, S 174.790,46 „Nebenkosten" und S 1,300.000 Instandsetzungskosten), welches allerdings nicht Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete, soweit dies für das gegenständliche Rechtsmittelverfahren noch relevant ist, ein, er sei seiner vertraglichen Unterhaltspflicht stets nachgekommen. Er habe der Klägerin nicht nur 14 x jährlich S 15.000 bezahlt, sondern darüber hinaus mehrfach erhebliche Geldbeträge zugezählt. Darüber hinaus habe er ihr in den Jahren 1994 und 1995 trotz des ihm eingeräumten Fruchtgenussrechtes die Mieteinnahmen für das Haus Innsbruck, T***** 14, von jährlich S 126.000 überlassen. Diese Beträge seien auf die Unterhaltspflicht anzurechnen. Insgesamt habe er 1994 Unterhaltsleistungen von monatlich S 68.388,31 und 1995 von S 51.990,63 erbracht.
Als Folge der Insolvenz einer Gesellschaft, an welcher er als Hauptgesellschafter beteiligt gewesen sei, habe der Beklagte Garantieleistungen von S 35 Mio erbringen müssen. Um diesen Verbindlichkeiten entsprechen zu können, habe er Liegenschaftsvermögen veräußern müssen. Er beziehe nunmehr eine Pension der Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft von durchschnittlich S 20.000 monatlich; zusammen mit einem Einkommen aus dem Betrieb dreier Hotels - eines davon habe ohnehin bereits verkauft werden müssen - erziele er höchstens ein Einkommen von S 50.000 monatlich. Unter Berufung auf Punkt 3) des Vertrages vom 21. 12. 1966 begehre er eine Herabsetzung des sich als Folge der vereinbarten Wertsicherung ergebenden Unterhalts der Klägerin. Der von ihm seit 1996 monatlich bezahlte Betrag von mindestens S 25.000 entspreche seiner nunmehrigen herabgesetzten Unterhaltspflicht. Im Übrigen sei ein Teil des von der Klägerin geltend gemachten Unterhalts nach § 72 EheG verjährt.
Die Klägerin hielt dem entgegen, sie habe über den bezahlten Unterhalt von monatlich S 15.000 hinaus keine anrechenbaren Leistungen erhalten. Trotz der Insolvenzen und der damit verbundenen Vermögenseinbußen sei keine wesentliche Verschlechterung der Einkommens- und Vermögenslage des Beklagten eingetreten. Die Verjährungsbestimmungen des § 72 EheG seien nicht anzuwenden, weil sich der Beklagte der Unterhaltsleistung absichtlich entzogen und sich im Übrigen zu einem vertraglichen Unterhalt verpflichtet habe, der den gesetzlichen Unterhalt weit übersteige.
Das Erstgericht sprach mit Teilurteil über das Unterhaltsbegehren der Klägerin dahin ab, dass es den Beklagten verpflichtete, der Klägerin S 1,597.494 sA, S 164.328,15 an kapitalisierten Zinsen und ab Oktober 1999 monatlich im Vorhinein zu dem monatlich bezahlten Unterhaltsbetrag von S 15.000 einen weiteren Unterhaltsbetrag von S 20.457 und jeweils am 15. 7. und 15. 12. eines jedes Jahres monatlich im Vorhinein einen weiteren Unterhaltsbetrag von je S 35.457 sowie ab 15. 9. 1999 für die jeweils fällig werdenden Unterhaltsbeträge bis zum Zeitpunkt der Zahlung 4 % Verzugszinsen pro Jahr zu bezahlen. Das Zahlungsmehrbegehren von S 65.956 sA sowie das kapitalisierte Zinsenmehrbegehren von S 32.107,21 und ein Mehrbegehren an laufendem Unterhalt von monatlich S 703 sA (14 x jährlich) wurden abgewiesen.
Das Erstgericht stellte im Wesentlichen noch fest, dass der Beklagte im Zeitpunkt der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 21. 12. 1966 als selbständiger Installateur tätig und in seinem Geschäftsbereich sehr erfolgreich war. Er verfügte über ein beträchtliches Einkommen und Vermögen. Seit 1994 bezog der Beklagte eine Pension von ca S 25.000 netto (14 x jährlich). Seit 1998 bezog er keinen Gehalt als Geschäftsführer mehr. Dennoch konnte nicht festgestellt werden, dass sein Gesamteinkommen abzüglich Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und Abgaben ab 30. 5. 1994 inflationsbereinigt wesentlich niedriger ist als jenes im Jahr 1966 und davor. Der Beklagte war weiterhin an mehreren Firmen beteiligt, wobei nicht festgestellt werden konnte, welches Einkommen ihm aus diesen Beteiligungen in den letzten Jahren zugeflossen ist. Auch das Einkommen des Beklagten aus der Stiftung war nicht erwiesen. Zweck der Gründung dieser Stiftung, die jedenfalls einen Gewinn abwirft, war die Sicherung des Unterhalts der zweiten Familie des Beklagten. Insgesamt verfügte der Beklagte nach wie vor über ein Liegenschaftsvermögen im Wert von über S 65 Mio.
Der Beklagte war jedenfalls bis Ende 1993 bei der Versorgung der Klägerin großzügig und leistete Zahlungen, zu denen er nach dem Vertrag vom 21. 12. 1966 nicht verpflichtet war. So bezahlte er der Klägerin 1991 insgesamt über S 600.000, 1992 über S 1,100.000 und 1993 über S 1,150.000. In „all diesen Jahren", letztmals 1994 und 1995, zahlte der Beklagte über seine „Innsbrucker" Firma Hans H***** & Co auch eine „Pauschalmiete" für die Häuser Innsbruck, T***** 12 und 14, in Höhe von S 11.500 monatlich an die Klägerin. Dies entsprach einer separaten Vereinbarung, welche neben dem Scheidungsfolgenvergleich galt. Demnach waren diese Mietzahlungen ungeachtet des vom Beklagten vorbehaltenen Fruchtgenussrechtes an den beiden Häusern ohne Anrechnung auf den im Scheidungsfolgenvergleich bedungenen Geldunterhalt zu leisten, solange die Klägerin diese Liegenschaften nicht verwerten konnte.
Am 27. oder 28. 10. 1995 leistete der Beklagte an die Klägerin eine „außertourliche Unterhaltszahlung" von S 20.000, und zwar für das Jahr 1995. Andere „außertourliche" Unterhaltszahlungen sind nicht erwiesen.
Erstmals mit anwaltlichem Schreiben vom 13. 3. 1997 wurde der Beklagte zur Zahlung eines Unterhaltsrückstandes von S 949.217 für den Zeitraum Jänner 1994 bis Dezember 1996 aufgefordert.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dem Beklagten sei nicht der Nachweis gelungen, dass er in dem von der Klage umfassten Zeitraum - inflationsbereinigt - wesentlich weniger Nettoeinkommen als im Jahr 1966 erzielt habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte „65-facher Millionär" sei, sodass er sich nicht auf die „Unterhaltsherabsetzungsklausel im Notariatsakt" berufen könne. Die Unterhaltsherabsetzung solle nach dieser Vertragsklausel im Übrigen nur vorübergehend sein; die Alterspension sei aber kein vorübergehender Zustand. Die Mietzahlungen von monatlich S 11.500 für die Häuser Innsbruck, T***** 12 und 14, müsse sich die Klägerin nicht anrechnen lassen, weil es sich dabei um Einkünfte handle, die bereits laut Notariatsakt vom 21. 12. 1966 als nicht anrechnungspflichtig auf die Unterhaltsregelung gelten sollten.
Der Beklagte berufe sich auch zu Unrecht auf die Verjährung des Anspruchs der Klägerin nach § 72 EheG. Diese Bestimmung sei auch auf einen vertraglich vereinbarten Unterhalt anzuwenden, soweit sich dieser im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltsbestimmungen bewege, wobei bei der Prüfung dieser Frage nicht engherzig vorgegangen werden dürfe. Der Klägerin sei der Beweis, dass die vertragliche Regelung des nachehelichen Unterhaltes erheblich vom gesetzlichen Unterhalt abgewichen sei, nicht gelungen. Die Verjährung nach § 72 EheG trete allerdings dann nicht ein, wenn sich der Unterhaltspflichtige der Leistung absichtlich entzogen habe. Dies sei dem Beklagten anzulasten, weil er für den Klagszeitraum seine Einkommens- und Vermögenslage nicht offengelegt, dennoch aber versucht habe, „die Unterhaltsherabsetzungsklausel laut Notariatsakt vom 21. 12. 1966 zu ziehen". Damit sei „die Hintertreibung" in dem von der Rechtsprechung verlangten weiten Sinn bereits erfüllt, zumal der Beklagte absichtlich Einkommensteuerbescheide oder die Vertragsurkunden über die Verwertung der „drei Nussdorfer Liegenschaften" und den Erwerb „der nunmehrigen Wohnsitzliegenschaft" nicht vorgelegt habe. Zugunsten der Klägerin gelte daher die dreijährige Verjährungsfrist des § 1480 ABGB. Sie habe daher Anspruch auf Zahlung des aufgewerteten Unterhalts ab 31. 5. 1994 abzüglich der vom Beklagten geleisteten Zahlungen.
Das Ersturteil wurde über Berufung der beklagten Partei mit Teilurteil des Berufungsgerichtes vom 29. 6. 2000 (ON 66) im Umfang eines Zuspruches von S 790.995 sA und eines laufenden Unterhaltes seit 1. 10. 1999 als Teilurteil bestätigt. Die von der beklagten Partei gegen dieses Teilurteil erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 5. 12. 2000, 10 Ob 300/00s, zurückgewiesen. Im übrigen Umfang hielt das Berufungsgericht mit dem Berufungsverfahren gemäß § 62 Abs 3 VfGG inne und stellte an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 72 EheG als verfassungswidrig aufzuheben.
Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 25. 2. 2004, G 76/01, die Wortfolge „, für eine länger als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit liegende Zeit jedoch nur, soweit anzunehmen ist, dass der Verpflichtete sich der Leistung absichtlich entzogen hat" in § 72 EheG als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Juli 2004 in Kraft tritt und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten. Der Verfassungsgerichtshof begründete die Aufhebung im Wesentlichen damit, dass die Position von Unterhaltsberechtigten und Unterhaltspflichtigen sehr stark von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles abhänge und daher nicht schematisiert werden könne. Es sei daher nicht sachlich gerechtfertigt, gerade geschiedene unterhaltsberechtigte Ehegatten in den gesetzlichen Regelungen über die Durchsetzbarkeit ihres Unterhaltsanspruches anders zu behandeln als alle übrigen Unterhaltspflichtigen und sie für die Geltendmachung von Unterhalt aus der Vergangenheit auf ein Jahr ab Rechtshängigkeit zu beschränken, somit die Geltendmachung ihrer Ansprüche ungünstiger zu regeln als es § 1480 ABGB für alle anderen Unterhaltsberechtigten normiere. Hingegen bestehe entgegen der Auffassung des antragstellenden Gerichtes kein Bedenken, dass Unterhalt für die Vergangenheit nur dann geltend gemacht werden könne, wenn der Unterhaltspflichtige in Verzug sei, da Unterhalt für die Vergangenheit nur dann zu leisten sein werde, wenn der Unterhaltspflichtige den Unterhalt in der gesetzlich zustehenden bzw vereinbarten Höhe nicht erbracht habe; mit anderen Worten, das, was zu leisten wäre, nicht geleistet worden sei.
Nach Vorliegen dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 25. 2. 2004 bestätigte das Berufungsgericht mit Teilurteil vom 17. 6. 2004 (ON 72) das Ersturteil im Umfang eines weiteren Zuspruches von S 554.499 (EUR 40.297,01) samt 4 % Zinsen seit 1. 10. 1999 an kapitalisiertem Unterhalt für die Zeit vom 31. 5. 1994 bis 31. 3. 1997 und hob das Ersturteil im verbliebenen Umfang (Zuspruch von S 252.000 = EUR 18.313,55 sA und von S 164.328,15 = EUR 11.942,19 an kapitalisierten Zinsen) auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück.
Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus, § 72 EheG sei im Umfang seiner Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Anlassfall nicht mehr anzuwenden. Die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes seien dahin zu verstehen, dass bei einer verfassungskonformen Auslegung des (nicht aufgehobenen Teiles des) § 72 EheG auch in der Frage des Eintrittes des Verzuges keine Ungleichbehandlung zwischen geschiedenen Ehegatten und anderen Unterhaltsverpflichteten mehr erfolgen dürfe, weshalb nunmehr auch bei geschiedenen Ehegatten eine Mahnung (das In-den-Verzug-setzen), wie sie bisher in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefordert worden sei, entbehrlich sei. Die von der Klägerin erhobene Forderung auf Unterhalt für die letzten drei Jahre vor Klagseinbringung sei daher nicht verjährt.
Soweit die beklagte Partei in ihrer Berufung die Richtigkeit der vom Erstgericht getroffenen Feststellung bekämpfe, es habe einer „separaten Vereinbarung" entsprochen, dass die Klägerin die Mietzinszahlungen der „Innsbrucker Firma" des Beklagten für die Häuser T***** 12 und 14 in Innsbruck in Höhe von monatlich S 11.500 ohne Anrechnung auf den vereinbarten Unterhalt beziehen könne, liege ein Begründungsmangel vor, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem davon betroffenen Umfang führen müsse.
Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof seien zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichtes von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweiche, wonach eine außergerichtliche Mahnung des unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten Voraussetzung für einen Verzug nach § 72 EheG sei.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes gerichtete (und infolge der bewilligten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtzeitige) Revision der beklagten Partei sowie ihr im selben Schriftsatz gegen den Aufhebungsbeschluss erhobener Rekurs sind entgegen der Meinung der klagenden Partei zwar zulässig, aber nicht berechtigt.
Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel ausschließlich geltend, der noch verfahrensgegenständliche Unterhaltsanspruch der Klägerin sei gemäß § 72 EheG verjährt. Eine Rechtsprechung, die als Voraussetzung für die Geltendmachung die Fälligstellung, somit die Konkretisierung der Unterhaltsforderung der Höhe nach, verlange, verstoße nicht gegen das Gleichheitsgebot. Eine solche Vorgangsweise entspreche auch den vom Verfassungsgerichtshof angestellten Erwägungen, wonach es verfassungsrechtlich unbedenklich sei, dass Unterhalt für die Vergangenheit nur dann geltend gemacht werden könne, wenn das, was zu leisten wäre, nicht geleistet worden sei. Dafür sei es nämlich erforderlich, dass das, was zu leisten wäre, vom Gläubiger zumindest einmal begehrt werde. Im vorliegenden Fall sei nach vieljähriger und unbeanstandeter Zahlung erstmals mit der Klage die Valorisierung begehrt worden, weshalb der Unterhaltspflichtige vorher nicht in Verzug gesetzt worden sei.
Der Kläger hat Revisions- und Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, die Rechtsmittel der Beklagten zurückzuweisen, in eventu ihnen nicht Folge zu geben.
Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:
Nach § 72 EheG in der Stammfassung konnte der Berechtigte für die Vergangenheit Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung erst von der Zeit an fordern, in der der Unterhaltspflichtige in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden war, für eine länger als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit liegende Zeit jedoch nur, soweit anzunehmen war, dass der Verpflichtete sich der Leistung absichtlich entzogen hatte.
Bereits Schwind in Klang² I/1, 893 führte dazu aus, dass Verzug im Sinne dieser Bestimmung jedenfalls dann vorliege, wenn ein geschiedener Ehegatte durch Urteil aufgrund der §§ 66, 68 oder 69 EheG verpflichtet worden sei oder sich im Rahmen dieser Bestimmungen vertraglich verpflichtet habe, eine bestimmte, ziffernmäßig festgesetzte Summe an einem bestimmten Tag zu leisten und dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei. Dass in diesen Fällen eine Mahnung zur Auslösung des Verzuges nicht erforderlich sei, ergebe sich aus § 70 zweiter Satz EheG („Die Rente ist monatlich im Voraus zu entrichten"). Dass man aus dieser Bestimmung weiter ableiten könne, dass der Verzug auch ohne Urteil oder vertragliche Verpflichtung automatisch mit Rechtskraft des Scheidungsurteils eintrete, werde gelegentlich behauptet. Zumindest für das österreichische Recht wolle es aber nicht einleuchten, dass hinsichtlich einer ihrer Höhe nach noch nicht einmal konkretisierten Forderung bereits Verzug eintreten könne (Schwind aaO 893).
Die beklagte Partei missversteht ganz offensichtlich die Ausführungen von Schwind aaO, wenn sie unter ausdrücklicher Bezugnahme darauf die Ansicht vertritt, zur Auslösung des Verzuges im Sinn des § 72 EheG sei ausnahmslos eine Mahnung im Sinne einer betragsmäßig konkretisierten Forderung erforderlich. Schwind verweist vielmehr ausdrücklich darauf, dass eine Mahnung zur Auslösung des Verzuges nicht erforderlich sei, wenn sich ein geschiedener Ehegatte im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen vertraglich zu einer bestimmten, betragsmäßig festgesetzten Unterhaltsleistung verpflichtet habe. In diesem Sinne wird in der österreichischen Lehre ganz allgemein die Auffassung vertreten, dass ein Verzug im Sinn des § 72 EheG bereits dann vorliegt, wenn ein geschiedener Ehegatte durch Urteil aufgrund der §§ 66, 68 oder 69 EheG verpflichtet wurde oder sich im Rahmen dieser Bestimmungen vertraglich verpflichtet hat, eine bestimmte, betragsmäßig festgesetzte Summe an einem bestimmten Tag zu leisten, und dieser Verpflichtung nicht nachkommt. Darüber hinaus tritt Verzug auch dann ein, wenn der Unterhaltsberechtigte den ihm - vermeintlich - zustehenden Unterhalt betragsmäßig bestimmt einmahnt (Hopf/Kathrein, Eherecht² § 72 EheG Anm 2; Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 188; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht³ 173; Schwind, Eherecht² 291; Deixler-Hübner, Scheidung, Ehe und Lebensgemeinschaft6 Rz 159 mwN ua). Verzug liegt somit vor, wenn eine durch Urteil oder Vereinbarung betrags- und fälligkeitsmäßig genau bestimmte oder eine in konkreter Höhe eingemahnte Unterhaltspflicht nicht oder nicht fristgerecht erfüllt wurde (Schwimann, Unterhaltsrecht² 164). Einer inhaltlich bestimmten Mahnung bedarf es daher nach herrschender Auffassung nicht, wenn die Höhe der geschuldeten Unterhaltsleistung bereits durch Vereinbarung, Vergleich oder Urteil feststeht. Umgekehrt setzt der Verzug nicht notwendigerweise bereits eine Festsetzung des Unterhaltsanspruches durch Urteil oder Vereinbarung voraus, sondern tritt auch durch eine betraglich bestimmte außergerichtliche Mahnung ein (Stabentheiner in Rummel, ABGB³ § 72 EheG Rz 2 mwN).
Auch in der Bundesrepublik Deutschland wird bei vergleichbarer Rechtslage (§ 1585b Abs 2 BGB) allgemein die Auffassung vertreten, dass es bei einer vertraglichen Regelung des Unterhaltsanspruches keiner Mahnung bedarf, da in diesem Fall dem Unterhaltspflichtigen seine Schuld sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bekannt ist und es daher keines Schutzes des Unterhaltspflichtigen vor einer unerwarteten Inanspruchnahme durch den Unterhaltsberechtigten bedarf (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch64 § 1585b Rz 2; Richter in Münchener Kommentar, BGB³ § 1585b Rz 6; Bea Verschraegen in Staudinger, BGB12 § 1585b Rz 6; Gerhardt in Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis6 873 f mwN uva). Auch in der deutschen Rechtsprechung wird betont, dass durch eine Unterhaltsvereinbarung zwischen den Beteiligten klargestellt sei, dass Unterhalt geschuldet werde, dass der Berechtigte die Erfüllung seines Anspruchs verlange und in welcher Höhe der Unterhalt zu leisten sei, sodass es weder einer den Schuldnerverzug begründenden Mahnung noch der Erörterung des Anspruchs im Rechtsstreit bedürfe, um den Schuldner auf seine Leistungspflicht hinzuweisen und zu veranlassen, dass er sich entsprechend einrichte (BGHZ 105, 250).
Mit dieser in Österreich und Deutschland herrschenden Auffassung steht, soweit für den erkennenden Senat überblickbar, die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht im Widerspruch. So hat der Oberste Gerichtshof beispielsweise in der Entscheidung 2 Ob 510/91 ausgeführt, die auf die österreichische Lehre gestützte Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, ein Verzug im Sinn des § 72 EheG liege dann vor, wenn ein geschiedener Ehegatte durch Urteil aufgrund der §§ 66, 68 oder 69 EheG verpflichtet worden sei oder sich im Rahmen dieser Bestimmungen vertraglich verpflichtet habe, eine bestimmte betragsmäßig festgesetzte Summe an einem bestimmten Tag zu leisten und dieser Verpflichtung nicht nachkomme, stehe mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Einklang. Soweit in anderen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zum Ausdruck gebracht wurde, dass für den Eintritt des Verzuges eine betragsmäßig bestimmte Einmahnung des Unterhaltes erforderlich sei, betrafen diese Entscheidungen, soweit überblickbar, Unterhaltserhöhungsbegehren (vgl 8 Ob 626/87; 6 Ob 545/91; 1 Ob 585/93; 10 Ob 504/93; AnwBl 1994/4794, 710; 1 Ob 570/95; 6 Ob 2190/96v; 9 Ob 87/03i; 6 Ob 180/03v) oder erstmalige Unterhaltsfestsetzungsbegehren (vgl JBl 1992, 705; 6 Ob 217/00f; 3 Ob 78/05z).
Im vorliegenden Fall bestand zugunsten der Klägerin eine eindeutige Unterhaltsvereinbarung, in der sowohl die Höhe als auch die Fälligkeit des ihr vom Beklagten geschuldeten Unterhalts samt einer auf die Entwicklung des Verbraucherpreisindex abgestellten Wertsicherung klar festgelegt waren. Der Beklagte wusste daher genau, wann er in welcher Höhe Unterhaltszahlungen an die Klägerin zu leisten hatte. Im Sinne der dargelegten Ausführungen liegt somit ein Verzug des Beklagten im Sinn des § 72 EheG vor, weil er seine betrags- und fälligkeitsmäßig genau bestimmte Unterhaltspflicht nicht vollständig erfüllt hat. Einer Einmahnung des der Klägerin vereinbarungsgemäß zustehenden Unterhaltes bedurfte es daher nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichtes im vorliegenden Fall nicht. Durch die teilweise Aufhebung des § 72 EheG durch das bereits erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. 2. 2004 ist insoweit keine Änderung der Rechtslage eingetreten. Zutreffend hat allerdings bereits das Berufungsgericht angemerkt, dass die hier vertretene Auslegung des Kriteriums des Verzuges offenbar auch mit dem vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. 2. 2004 diesem Kriterium zugrunde gelegten Verständnis im Einklang steht.
Da in der Rechtsmittelschrift der beklagten Partei keine sonstigen Einwände gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes vorgetragen wurden, musste dem Rechtsmittel insgesamt ein Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 52 ZPO.
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