OGH 1Ob179/05p

OGH1Ob179/05p27.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann L*****, vertreten durch Dr. Elfriede Kropiunig, Rechtsanwältin in Leoben, wider die beklagte Partei Marktgemeinde S*****, vertreten durch Dr. Karl Maier, Rechtsanwalt in Knittelfeld, wegen 510.491,04 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 12. Mai 2005, GZ 3 R 60/05a-13, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger stützte sein Begehren in der am 10. 9. 2004 überreichten Klage (Protokollarantrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe hiefür vom 8. 3. 2004) auf die Kernbehauptung, die beklagte Marktgemeinde habe den für ihn lukrativen Verkauf eines ihm gehörenden Grundstücks vereitelt, weil sie die von ihm beantragte Umwidmung dessen Flächennutzung rechtswidrig und schuldhaft von der Leistung eines bestimmten Infrastrukturfinanzierungsbeitrags durch die - an sich bereits auf Grund eines 1994 geschlossenen Vorvertrags gebundene - Käuferin, den diese aus wirtschaftlichen Gründen nicht habe zahlen können, abhängig gemacht habe. Rechtswidrig sei demnach auch der in der Folge vom Gemeinderat der beklagten Partei am 5. 11. 1998 gefasste Beschluss, ein Verfahren „zur Erreichung einer Sondernutzungsausweisung" des Grundstücks des Klägers „als Schotterabbaugebiet" durch die Auflage eines Entwurfs für eine Änderung des Flächenwidmungsplans (§ 29 Abs 3 iVm § 31 Abs 1 Stmk RaumordnungsG 1974 in der seinerzeit geltenden Fassung) nicht einzuleiten.

Im Termin zur mündlichen Streitverhandlung am 30. 11. 2004 erklärte der Vertreter des Klägers auf Befragen durch den Erstrichter ausdrücklich, die „Klage ... auf einen Schadenersatzanspruch nach dem ABGB ..., daher nicht auf das AHG" zu stützen (ON 6 S. 2). Im Übrigen war nicht strittig, „dass der Kläger jedenfalls im Jahr 1999 von der ablehnenden Beschlussfassung des Gemeinderates der beklagten Partei vom 5. 11. 1998" erfahren hatte (ON 6 S. 7). Am 3. 9. 2002 verkaufte der Kläger sein Grundstück an Dritte um einen geringeren Preis als jenen, der mit der seinerzeit durch einen Vorvertrag gebundenen präsumtiven Käuferin - einer Gesellschaft - vereinbart war. Das Erstgericht wies das - auf den Zuspruch der Differenz der maßgebenden Kaufpreise gestützte - Klagebegehren von 510.491 EUR sA wegen Verjährung ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die außerordentliche Revision ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Alle Maßnahmen von Gemeinden im Sachzusammenhang mit der (angestrebten) Änderung eines Flächenwidmungsplans sind als hoheitliche Verwaltungsakte einzustufen, deren Fehlerhaftigkeit bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs 1 AHG zur Amtshaftung der betroffenen Gemeinde als Rechtsträger führen kann (siehe zu den für die Beurteilung als hoheitliche Verwaltungsakte maßgebenden Erwägungen etwa 1 Ob 148/02z; 1 Ob 48/00s = SZ 73/90; RIS-Justiz RS0049897).

2. Die Bestimmungen des AHG können nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht dadurch umgangen werden, dass der Kläger - wie hier - erklärt, seinen Ersatzanspruch nicht auf diese Sondernormen zu stützen, sondern aus dem allgemeinen bürgerlichen Recht abzuleiten (RIS-Justiz RS0049976; siehe ferner auch RIS-Justiz RS0046208).

Im Anlassfall wurde das Klagebegehren nach den Klagebehauptungen unzweifelhaft auf fehlerhafte Hoheitsakte der beklagten Partei gestützt. Im Licht der zuvor erläuterten Rechtslage teilt der erkennende Senat nicht die Ansicht des Berufungsgerichts, es müsse eine Prüfung, „ob das Klagebegehren nach den Bestimmungen des AHG zu rechtfertigen wäre", deshalb unterbleiben, weil „sich der Kläger eindeutig dahin" festgelegt habe, „die Klage 'auf einen Schadenersatzanspruch nach dem ABGB' ..., 'daher nicht auf das AHG'" zu stützen.

Wäre die erörterte Prozesserklärung des Klägers entsprechend den Erwägungen des Berufungsgerichts wirksam, so müsste der Klageanspruch im Übrigen bereits deshalb scheitern, weil aus fehlerhaften Hoheitsakten - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen - nur Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden können. Insofern schieden daher Ansprüche nach dem allgemeinen bürgerlichen Recht aus (RIS-Justiz RS0082339, RS0045688); diesfalls käme es auf die Lösung der von den Vorinstanzen behandelten Verjährungsfrage nicht mehr an.

3. Obgleich das Berufungsgericht die Frage nach der Verjährung des Klageanspruchs in erster Linie nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen - somit nicht nach Amtshaftungsrecht - beurteilte, ist auf Grund der im angefochtenen Urteil ausgeführten Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch die Abweisung des Klagebegehrens wegen Verjährung gemäß § 6 Abs 1 AHG zumindest vertretbar, stützte doch das Berufungsgericht seine Ansicht auch auf die zu letzterer Verjährungsnorm ergangene Entscheidung 1 Ob 127/99d. Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, dass diese Entscheidung auf einem Sachverhalt beruht, der Parallelen mit dem hier zu beurteilenden Fall aufweist.

Dort hatte der Kläger argumentiert, er hätte - im Fall einer künftigen Änderung der politischen Verhältnisse in der Gemeinde - die zunächst abgelehnte Umwidmung allenfalls doch noch erreichen oder einen Dritten finden können, der entweder 8 Mio ATS oder sogar mehr für seine Liegenschaft gezahlt hätte, sodass in seinem Vermögen vor dem Feststehen des späteren Versteigerungserlöses kein Schaden eingetreten sei. Darauf entgegnete der Oberste Gerichtshof, mit dieser Sicht der Rechtslage werde die zutreffende Ansicht des Berufungsgerichts übergangen, dass solche Ereignisse den Vermögensschaden nach der als Klagegrund geltend gemachten entgangenen konkreten Verkaufsgelegenheit nur noch nachträglich hätten beseitigen oder mindern können.

Hier behauptete der Kläger, die Klägerin habe als Ergebnis von Verhandlungen nach dem Beschluss des Gemeinderats der beklagten Partei vom 5. 11. 1998 „weiterhin die verbindliche Zusage abgegeben ..., am Kauf der Liegenschaft des Klägers zum Betrieb der Schottergrube" nach den Bestimmungen des Vorvertrags „festzuhalten, sofern aufgrund der geänderten Gesetzeslage der Betrieb der Schottergrube im Rahmen eines Verfahrens vor der BH möglich sei". Damals hätten die Parteien des seinerzeitigen Vorvertrags auf eine Novellierung des Mineralrohstoffgesetzes gehofft, durch die sich eine Änderung des Flächenwidmungsplans im Fall eines gebotenen Genehmigungsakts der Bezirkshauptmannschaft erübrigt hätte. Insofern sei „legistisch" geplant gewesen, „das Zustimmungsrecht der Gemeinden erheblich zu reduzieren oder sogar auszuschließen". Diese Erwartungen habe die am 1. 1. 2002 in Kraft getretene Änderung jenes Gesetzes indes nicht erfüllt (ON 6 S. 2 ff).

Angesichts solcher Behauptungen ist in der auf die Entscheidung 1 Ob 127/99d gestützten Begründung des Berufungsgerichts, die erhofften Ereignisse und „die behauptetermaßen erst nach der Ablehnung der Umwidmung durch den Gemeinderat der beklagten Martkgemeinde getroffene Vereinbarung" zwischen dem Kläger und der Gesellschaft hätten den in dessen Vermögen bereits eingetretenen Schaden „nur noch nachträglich beseitigen, wenigstens aber mindern können", zumindest keine gravierende Fehlbeurteilung bei Anwendung der für die Verjährung bedeutsamen Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auf die Umstände dieses Falls zu erblicken. Der Einwand des Revisionswerbers, die Entscheidung 1 Ob 127/99d sei zu § 6 Abs 1 AHG, dagegen nicht zu § 1489 ABGB ergangen, ist nach den Erwägungen unter 2. unbeachtlich. Aus der in der Revision gegen eine Anwendung deren Leitlinien ins Treffen geführten weiteren Begründung, das Klagebegehren sei nicht nur auf den Beschluss des Gemeinderats der beklagten Partei vom 5. 11. 1998, „sondern primär darauf" gestützt worden, „dass die beklagte Partei schon allein die Einleitung des vom Kläger beantragten Umwidmungsverfahrens entgegen den Vorschriften des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes rechtswidrig von der Zahlung eines Infrastrukturfinanzierungsbeitrages in einer wirtschaftlich vom potenziellen Betreiber der Schottergrube nicht vertretbaren Höhe" abhängig gemacht und dadurch Letzteren als Liegenschaftskäufer „vertrieben" habe, ist für den Prozessstandpunkt des Klägers bei Lösung der Verjährungsfrage gleichfalls nichts zu gewinnen, muss doch ein solches Verlangen noch aus dem Zeitraum vor dem 5. 11. 1998 datieren.

4. Den Erwägungen unter 3. entsprechend wurde die Verjährungfrist gemäß § 6 Abs 1 AHG nach einer zumindest vertretbaren Ansicht spätestens am 1. 1. 2000 in Gang gesetzt. Ab dem Zeitpunkt, in dem der Kläger vom Beschluss des Gemeinderats der beklagten Partei vom 5. 11. 1998 Kenntnis erlangte, wusste er über den durch das behauptete rechtswidrige und schuldhafte Verhalten von Organen der beklagten Partei eingetretenen Vermögensschaden in Ansehung seiner nach dem ursprünglichen Vorvertrag rechtlich gesicherten Position auf Erzielung des vereinbarten Kaufpreises Bescheid. Mit der behaupteten Vereinbarung nach dem 5. 11. 1998, zufolge der die Gesellschaft einen Kaufvertrag über das maßgebende Grundstück - im Fall des Eintritts bestimmter weiterer Bedingungen - zu dem im seinerzeitigen Vorvertrag vereinbarten Preis abgeschlossen hätte, wäre der durch die behaupteten fehlerhaften Hoheitsakte bereits eingetretene erörterte Schaden bloß nachträglich beseitigt worden.

Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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