OGH 2Ob84/05z

OGH2Ob84/05z22.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land K*****, vertreten durch den Landeshauptmann, *****, dieser vertreten durch Huainigg Dellacher & Partner Rechtsanwälte OEG in Klagenfurt, wider die beklagte Partei V*****‑Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Miller, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 18.189,51 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 13. Dezember 2004, GZ 12 R 249/04g‑23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 23. August 2004, GZ 57 Cg 149/03f‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung

 

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision für zulässig erklärt, weil zur Rechtsfrage des Forderungsüberganges auf den Sozialhilfeträger nach dem Kärntner Sozialhilfegesetz 1996 (K‑SHG) und der Verjährung solcher Forderungen eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes fehle.

Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage erfüllt aber trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO, weil sich ihre Beantwortung unmittelbar aus den eindeutigen Regelungen des Gesetzes ergibt (RIS‑Justiz RS0042656).

Auch in der Revision werden keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dargetan:

Gemäß § 1 Abs 2 lit a K‑SHG umfasst die Sozialhilfe auch die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes. Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat nach § 4 Abs 1 K‑SHG, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht oder nicht ausreichend von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Gemäß § 4 Abs 3 K‑SHG gehören zum Lebensbedarf, der auch durch die Unterbringung in Anstalten oder Heimen gesichert werden kann (§ 13 Abs 1), a) der Lebensunterhalt (§ 7), b) die Pflege (§ 9), c) die Krankenhilfe (§ 10), d) die Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen (§ 11) und e) die Hilfe zur Erziehung und Erwerbsbefähigung (§ 12). Der 7. Abschnitt des K‑SHG (§ 42 ff) enthält die Vorschriften über den Kostenersatz, wobei in § 43 der Ersatz durch Dritte geregelt ist. Während Abs 1 dieser Bestimmung den „eigenen" Ersatzanspruch des Trägers der Sozialhilfe gegen die dem Hilfeempfänger gesetzlich zum Unterhalt verpflichteten Personen betrifft, regeln die Absätze 2 bis 4 die anzeigeabhängige Legalzession in jenem Fall, dass ein Hilfeempfänger für die Zeit der Hilfegewährung „Rechtsansprüche zur Deckung des Lebensbedarfes gegen einen Dritten hat".

Der Oberste Gerichtshof hat zu der - auch in anderen Landes‑Sozialhilfegesetzen enthaltenen (vgl etwa § 47 B‑SHG; § 28 Z 4 Steiermärkisches SHG; § 27 WSHG; § 44 Salzburger SHG) - gleichlautenden Regelung in § 21a Abs 1 FürsPflG (iVm § 39 Z 4 Steiermärkisches SHG aF) bereits in der Entscheidung SZ 51/57 (RIS‑Justiz RS0072876) klargestellt, dass unter die „Rechtsansprüche zur Deckung des Lebensbedarfes gegen einen Dritten" keineswegs nur Unterhaltsforderungen gegen Angehörige, sondern auch Schadenersatzansprüche gegen Dritte fallen, sofern sie mit einem Unterhaltsanspruch wirtschaftlich gleichbedeutend sind, „der Schadenersatz also deswegen zu leisten ist, weil der verschuldete Schaden in der Benehmung der Möglichkeit der eigenen Bestreitung des Lebensbedarfes besteht und auf dessen Deckung gerichtet ist" (vgl auch ZVR 1984/100 zu § 43 NÖ‑SHG und JBl 2003, 532 zu § 44 Abs 1 Salzburger SHG, wo es um die Frage der Durchsetzbarkeit eines auf schadenersatzrechtlicher Grundlage bestehenden Ersatzanspruches des klagenden Landes im ordentlichen Rechtsweg ging).

Die Auffassung der Vorinstanzen, § 43 Abs 2 bis 4 K‑SHG beziehe sich nicht nur auf den Ersatz durch Personen, die gesetzlich zum Unterhalt des Hilfeempfängers verpflichtet sind, steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang. Dem Berufungsgericht ist bei der Auslegung der erwähnten Gesetzesbestimmung somit keine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen.

Da der dem Umfang nach auf sachlich und zeitlich kongruente Ansprüche beschränkte Übergang vom Hilfeempfänger auf den Sozialhilfeträger in § 43 Abs 2 bis 4 K‑SHG abschließend geregelt ist, kommt es auf die Erwägungen der beklagten Partei zu § 1358 ABGB nicht an. Jene Rechtsprechung, nach der für den Sozialversicherungsträger, der (zB gemäß § 332 ASVG) eine Schadenersatzforderung des Geschädigten schon im Zeitpunkt des Entstehens der Schadenersatzforderung erwirbt, die Verjährungsfrist mit Kenntnis vom Schaden und Schädiger zu laufen beginnt (SZ 2002/143; RIS‑Justiz RS0116986), ist auf den hier vorliegenden Fall einer nicht mehr als 6 Monate vor Erstattung der schriftlichen Anzeige an den Dritten zurückwirkenden (§ 43 Abs 4 K‑SHG) „aufgeschobenen" Legalzession zugunsten eines Sozialhilfeträgers nicht anwendbar. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Verjährungseinwand der beklagten Partei nach der Verjährungsbestimmung des § 44 Abs 1 K‑SHG geprüft und beurteilt hat.

Im Übrigen entspricht es aber der ständigen, von der Lehre überwiegend geteilten (M. Bydlinski in Rummel ABGB3 § 1497 Rz 8; Mader in Schwimann ABGB2 § 1489 Rz 33; Neumayr in Schwimann ABGB2 § 332 ASVG Rz 103 und 107; aA Huber, Die Verjährung von gesetzlichen Rückersatzansprüchen, JBl 1985, 395 [402]) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass ein vom Geschädigten erwirktes Feststellungsurteil die Verjährung auch zugunsten eines aufgrund einer Legalzession erst nachträglich leistungspflichtig gewordenen Sozialversicherungsträgers (hier: Sozialhilfeträgers) unterbricht (SZ 51/95; ZVR 2001/41 mit [impliziter] Ablehnung der Lehrmeinung Hubers; 6 Ob 142/01b; RIS‑Justiz RS0034606).

Da es somit der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher, über die besonderen Umstände des Einzelfalles hinausgehender Bedeutung nicht bedurfte, war die Revision - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes - als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO, weil die klagende Partei auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat.

Stichworte