Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Erstklägerin und der Zweitkläger leben seit 1997 in einer Lebensgemeinschaft. Auch die Erstbeklagte und der Zweitbeklagte sind Lebensgefährten. Der Zweitkläger ist der Bruder der Erstbeklagten. Im Jahr 1997 drängte der damals wohnungslose Zweitkläger, der sich in einer finanziell höchst misslichen Lage befand, den Zweitbeklagten (damals Alleineigentümer der Liegenschaft mit dem Haus L*****straße 3 in V*****), dass dieser ihm die leer stehende baufällige Wohnung im ersten Stock des Hauses als Wohnstätte zur Verfügung stelle. Die Beklagten bewohnten (und bewohnen) das Erdgeschoß des Hauses.
Nach langwierigen Verhandlungen, die teils zwischen dem Zweitkläger und dem Zweitbeklagten allein und teils zwischen allen vier Streitteilen geführt wurden, gelangten der Zweitkläger und der Zweitbeklagte aus familiären Gründen (wegen der Geschwisterschaft der Erstbeklagten zum Zweitkläger) zu einer mündlichen Vereinbarung, wonach der Zweitkläger die teils im Rohzustand befindliche Wohnung auf eigene Kosten saniere und sodann im Gegenzug für vorerst zumindest sieben Jahre darin wohnen könne. Mietzinse seien keine zu entrichten; lediglich ein Betriebskostenanteil von monatlich ATS 1.500,-- (= EUR 109,01) müsse geleistet werden. Nach Ablauf der Frist sollte eine neue Vereinbarung hinsichtlich eines dann allenfalls zu entrichtenden Mietzinses bzw überhaupt eines Hauskaufes getroffen werden. Den Streitteilen war von vornherein klar, dass die Kläger nach Durchführung der Sanierungsarbeiten in die Wohnung einziehen. In der Folge nahm der Zweitkläger einen innerhalb von 13 Jahren in monatlich gleichbleibenden Raten zurückzuzahlenden Bankkredit über ATS 515.000,-- (= EUR 37.426,51) auf, wovon der Großteil für die Finanzierung der Sanierung verwendet wurde. Im Juli 1998 sind die Kläger in die - damals schon sanierte - Wohnung eingezogen. Im Zuge der Sanierungsarbeiten wurde auch ein neuer Dachstuhl errichtet, an dessen Kosten sich der Zweitkläger mit ATS 60.000,- - (= EUR 4.360,37) beteiligte. Insgesamt investierte der Zweitkläger rund ATS 600.000,-- (= EUR 43.603,70) in die Sanierung der Wohnung.
Nach Fertigstellung der Sanierungsarbeiten entwickelten sich Spannungen zwischen den Parteien.
Am 21. 8. 2003 brachten die Kläger mit der Behauptung, es liege ein unbefristetes Mietverhältnis vor, das am 27. 6. 1998 begonnen habe und für das ein Mietzins in Form der Rückzahlung des Sanierungskredites entrichtet worden sei, eine gerichtliche Aufkündigung gegen die Beklagten ein. Die beklagten Parteien bestritten und beriefen sich vor allem darauf, dass der Zweitbeklagte dem Zweitkläger Anfang des Jahres 1998 ein Prekarium an der - ursprünglich gar nicht bewohnbaren - Wohnung für die Dauer von sieben Jahren eingeräumt habe; nach Ablauf dieser Frist hätten Verhandlungen über den Abschluss eines Bestandvertrages geführt werden sollen. Mangels Vorliegens eines Bestandverhältnisses sei die gerichtliche Aufkündigung unzulässig.
Mit Urteil vom 18. 5. 2004 hat das Erstgericht die Aufkündigung vom 21. 8. 2003 für wirksam befunden und den beklagten Parteien aufgetragen, die Wohnung binnen 14 Tagen ab Rechtskraft zu übernehmen. Die Streitparteien hätten sich im Rahmen ihrer Vertragsverhandlungen nicht auf ein Prekarium geeinigt. Dem Gericht erscheine es weit eher zutreffend, dass zwischen den Vertragsschließenden ein auf sieben bzw allenfalls auf zehn Jahre befristeter Mietvertrag abgeschlossen worden sei, wofür vor allem die Kreditaufnahme zur Finanzierung der Wohnungssanierung spreche. Die Kündigung eines befristeten Mietverhältnisses bedürfe nach den anzuwendenden Regeln des ABGB eines wichtigen Grundes. Die von den Klägern geltend gemachten Gründe seien in ihrer Gesamtheit als hinreichend anzusehen, um das Bestandverhältnis vorzeitig aufzulösen. Ein Kündigungsverzicht der Kläger für sieben bzw allenfalls zehn Jahre sei hochgradig unwahrscheinlich, weil dies den Regeln eines rationalen Denkens widerspreche. Insgesamt sei daher von der Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit der gerichtlichen Kündigung durch die Kläger auszugehen.
Das Berufungsgericht verwarf die Berufung, soweit Nichtigkeit geltend gemacht wurde, und gab ihr im Übrigen dahin Folge, dass die Aufkündigung aufgehoben wurde. Nach den Feststellungen sei die mündliche Vereinbarung zwischen dem Zweitkläger und dem Zweitbeklagten zur Überlassung der Wohnung aus familiären Gründen erfolgt, weshalb von einem familienrechtlichen Wohnverhältnis auszugehen sei, woran der Umstand, dass der Zweitkläger Investitionen vorgenommen habe, nichts ändere. Sei aber aufgrund der konkreten Umstände des Falles auf ein aus dem natürlichen Zusammengehörigkeitsgefühl unter Familienangehörigen entstandenes Wohnverhältnis zu schließen, sei es Sache des Benützers der Wohnung, konkrete Umstände darzulegen und zu beweisen, die einen unzweifelhaften Schluss auf das Vorliegen eines Rechtstitels zur Wohnungsbenützung zuließen. Da die Kläger den Beweis eines auf den Abschluss eines Mietvertrages gerichteten erklärten Willens der Streitteile nicht erbracht hätten, sei die festgestellte Vereinbarung hinsichtlich der Benützung der Wohnung durch die Kläger nicht als Mietvertrag zu qualifizieren, weshalb die Voraussetzungen für eine gerichtliche Aufkündigung nicht gegeben seien. Der Übernahmsantrag der Kläger sei daher abzuweisen.
Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, da Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen gewesen seien.
Rechtliche Beurteilung
Die von den klagenden Parteien gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Die von der Rechtsprechung als "familienrechtliche Wohnungsverhältnisse" bezeichneten faktischen oder prekaristischen (8 Ob 538/89 = SZ 63/91), jederzeit beendbaren Wohnraumüberlassungsbeziehungen sind durch das Fehlen einer vertraglichen Bindung gekennzeichnet: Das Wohnverhältnis entsteht aus dem natürlichen Zusammengehörigkeitsgefühl unter Familienangehörigen (RIS-Justiz RS0020500) und nicht aus rechtsgeschäftlichen Erklärungen, die auf die Begründung eines Bestandverhältnisses gerichtet sind. Ganz unabhängig von der in der Zulassungsbeschwerde aufgeworfenen Frage, wie eng die verwandtschaftlichen Beziehungen sein müssten, um ein "familienrechtliches Wohnungsverhältnis" annehmen zu können, obliegt nach allgemeinen Grundsätzen den sich auf ein Mietverhältnis berufenden Klägern die Behauptungs- und Beweislast, dass einem bestimmten Verhalten iSd § 863 Abs 1 ABGB eindeutig und unzweifelhaft ein in Richtung der Begründung eines Bestandverhältnisses mit entsprechender vertraglicher Bindung gerichteter rechtsgeschäftlicher Erklärungswert beizumessen ist (9 Ob 43/03v = RIS-Justiz RS0020507 [T4]; Binder in Schwimann, ABGB VI2 § 1090 Rz 21; Würth in Rummel, ABGB I3 § 1090 Rz 7).
Vor diesem Hintergrund ist die - im Übrigen einzelfallbezogene - Beurteilung durch das Berufungsgericht, dass im konkreten Fall eine entsprechende Erklärung nicht angenommen werden könne, durchaus vertretbar. Vor allem hat die Rechtsprechung bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Vornahme von Investitionen nicht zwingend eine vertragliche Rechtsgrundlage für die Wohnungsbenützung voraussetzt (RIS-Justiz RS0020507, RS0020511; 3 Ob 71/01i).
Eine tauglicher Zulassungsgrund iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt daher nicht vor.
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