OGH 6Ob238/04z

OGH6Ob238/04z21.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Tamara S*****, geboren am *****, vertreten durch die Mutter Hannelore S*****, über den Revisionsrekurs des Vaters Erwin L*****, vertreten durch Dr. Peter Behawy und Mag. Christian Kump, Rechtsanwälte in Rohrbach und Bad Leonfelden, gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis als Rekursgericht vom 29. Juni 2004, GZ 6 R 157/04m-38, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Schärding vom 7. Mai 2004, GZ 1 P 61/04z-35, teilweise bestätigt, im Übrigen jedoch der Rekurs des Vaters zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Soweit sich der Revisionsrekurs gegen den Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts richtet, wird er zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird in seinem bestätigenden Teil aufgehoben. Die Pflegschaftssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Der Vater ist verpflichtet, seiner unehelichen Tochter seit 1. 11. 2001 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 3.450 S zu zahlen (entspricht rund 250 EUR).

Am 17. 2. 2004 beantragte die Mutter des Kindes als dessen gesetzliche Vertreterin wegen gestiegener Bedürfnisse des Kindes die Erhöhung der Geldunterhaltsverpflichtung des Vaters auf monatlich 296 EUR ab 1. 3. 2004.

Am 9. 3. 2004 gab der Vater gerichtlich zu Protokoll, er sei mit der Erhöhung auf monatlich 275 EUR ab 1. 3. 2004 einverstanden und beantrage, das darüber hinausgehende Mehrbegehren abzuweisen. Er sei finanziell nicht in der Lage, den begehrten höheren Unterhaltsbeitrag zu leisten. Als Fahrlehrer beziehe er ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 1.526 EUR einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen. Um zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen, müsse er täglich eine Fahrstrecken von 92 km mit seinem eigenen PKW zurücklegen, weshalb er monatliche Fahrtkosten von 50 EUR „als Abzugspost von der Unterhaltsbemessung" geltend mache. Mit weiteren Sorgepflichten sei er nicht belastet.

Das Erstgericht gab dem Erhöhungsantrag statt. Der Vater habe keine weiteren Sorgepflichten und habe im Jahr 2003 ein Nettoeinkommen von 18.360,37 EUR erzielt. Abzüglich der monatlichen Arbeitsplatzfahrtkosten von 50 EUR ergäbe sich eine Unterhaltsbemessungsgrundlage von 1.480 EUR monatlich. Nach der Prozentmethode errechne sich ein Unterhaltsbeitrag von 296 EUR. Dieser Betrag entspreche auch dem derzeitigen Durchschnittsbedarf für ein Kind im Alter zwischen 10 und 15 Jahren.

Das Rekursgericht wies den vom Vater erhobenen Rekurs insoweit zurück, als ihm eine Unterhaltsleistung von monatlich 275 EUR ab 1. 3. 2004 auferlegt wurde. Im Übrigen gab es dem Rekurs nicht Folge. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Soweit sich der Rekurs gegen die Unterhaltsfestsetzung mit 275 EUR monatlich richte, sei er mangels Beschwer als unzulässig zurückzuweisen, weil diese Unterhaltserhöhung mit ausdrücklicher Zustimmung des Rechtsmittelwerbers erfolgt sei. Dem Rechtsmittelwerber sei es verwehrt, im Rekurs monatliche Arbeitsplatzfahrtkosten von 761,40 EUR geltend zu machen, habe er doch diese im erstinstanzlichen Verfahren nur mit monatlich 50 EUR beziffert. Das Rekursvorbringen zur Höhe der Arbeitsplatzfahrtkosten sei unbeachtlich, seien doch Neuerungen im Rekurs nur soweit zulässig, als das Tatsachenvorbringen oder die Vorlage der Beweismittel in erster Instanz nicht möglich gewesen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso seine „Zustimmungserklärung" für ihn nicht mehr bindend sein solle, weil das Erstgericht die Arbeitsplatzfahrtkosten nicht richtig „gewürdigt" bzw den Rechtsmittelwerber dazu nicht entsprechend aufgeklärt habe. Der Rechtsmittelwerber habe die Zustimmung zur Unterhaltserhöhung auf 275 EUR ohne jeglichen Vorbehalt abgegeben. Die Art und Weise, wie die Arbeitsplatzfahrtkosten bei der Unterhaltsbemessung angerechnet werden, stehe nicht in seinem Belieben, sondern stelle eine Rechtsfrage dar. Es bedürfe keiner weiteren Erörterung, dass Arbeitsplatzfahrtkosten nur bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage in Anschlag gebracht und nicht vom Unterhaltsbetrag selbst abgezogen werden können. Sie vermindern allenfalls das freie verfügbare Einkommen des Unterhaltspflichtigen, von dem der zu leistende Unterhaltsbeitrag zu ermitteln ist. Die vom Vater erstmals in seinem Rekurs bekämpfte Anrechnung von Transferleistungen sei nicht zu berücksichtigen, weil der Bezug der Familienbeihilfe durch die Mutter nicht aktenkundig sei und daher nur „erahnt" werden könne und der Vater der Unterhaltserhöhung bis zu einem bestimmten Betrag sogar ausdrücklich und vorbehaltslos zugestimmt habe. Da zur Frage, ob die dem Obsorgeberechtigten zufließenden Transferleistungen bei der Unterhaltsbemessung von Amts wegen oder nur auf Einwendung des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen seien, die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs divergiere und das Rekursgericht von der jüngsten diesbezüglichen Judikaturlinie des Höchstgerichts abgewichen sei, sei der ordentliche Revisionsrekurs zulässig.

Mit einem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Vater die Abänderung dahin, ihn zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von 140,67 EUR ab 1. 3. 2004 zu verpflichten. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Revisionsrekurs ist zum Teil unzulässig, zum Teil im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Auf den vorliegenden Revisionsrekurs sind noch die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes RGBl 1854/208 anzuwenden, weil das Datum der Entscheidung erster Instanz vor dem 1. 1. 2005 liegt (§ 203 Abs 7 AußStrG BGBl I 2003/111).

a) Zum Zurückweisungsbeschluss:

Da § 14 Abs 1 AußStrG (alt) keinen Unterschied zwischen Beschlüssen des Rekursgerichts macht, mit denen in der Sache selbst, und solchen, mit denen nur formell über ein Rechtsmittel entschieden wird, ist der Revisionsrekurs auch gegen eine bloß formelle Entscheidung des Rekursgerichts nur dann zulässig, wenn - abgesehen von den hier nicht relevanten Fällen des § 14 Abs 2 AußStrG (vgl RIS-Justiz RS0008617 [insbes T7]) - die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG abhängt (RIS-Justiz RS0007169 ua). Auch der Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Rekursgerichts, soweit dieses seinen Rekurs zurückwies, ist daher nur unter dieser Voraussetzung zulässig.

Im vorliegenden Fall verneinte das Gericht zweiter Instanz die Beschwer - und damit das Rekursrecht - des Vaters hinsichtlich der Unterhaltsfestsetzung mit monatlich 275 EUR mit der Begründung, er habe der Beschlussfassung insoweit zugestimmt. Die Auslegung des Vorbringens einer Partei stellt jedoch im Allgemeinen nicht eine erhebliche Rechtsfrage dar, weil die Bedeutung über den Einzelfall nicht hinausgeht. Etwas anderes gilt nur, wenn die Auslegung durch das Rechtsmittelgericht mit dem Wortlaut des Vorbringens unvereinbar ist, weil in einem solchen Fall der Entscheidung erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit zukommt (5 Ob 566/93). Eine Unvereinbarkeit der vom Rekursgericht vorgenommenen Auslegung der Zustimmungserklärung des Vaters ist in der hier zu beurteilenden Rechtssache nicht gegeben. Durch die mit seiner Zustimmungserklärung übereinstimmenden Entscheidung des Erstgerichts konnte sich der unterhaltspflichtige Vater nicht beschwert erachten; der Mangel der Beschwer führte - wie das Rekursgericht zutreffend ausführte - zur Unzulässigkeit seines Rekurses (9 Ob 1/03t; RIS-Justiz RS006471).

Der Revisionsrekurs des Vaters ist daher insoweit unzulässig und zurückzuweisen.

b) Zum Aufhebungsbeschluss:

Die Auffassung des Rekursgerichts, die erstmals im Rekurs aufgestellten Behauptungen über die Höhe der Kosten für die Benützung eines Personenkraftwagens für Fahrten zum und vom Arbeitsplatz seien eine unbeachtliche Neuerung, ist nicht zu beanstanden. Es entspricht nämlich ständiger Rechtsprechung, dass im außerstreitigen Verfahren Neuerungen (das sind neue Tatsachen oder neue Beweismittel) im Rekurs nur soweit zulässig sind, als das Tatsachenvorbringen oder die Vorlage der Beweismittel in erster Instanz nicht möglich war (7 Ob 92/03k; RIS-Justiz RS0110773). Das Neuerungsrecht des § 10 AußStrG (alt) geht nicht soweit, dass im Rekursverfahren auch noch neue Sachanträge gestellt werden könnten (RIS-Justiz RS0006796), sodass die im Rekurs- und auch noch im Revisionsrekursverfahren vom Vater angestrebte Unterhaltsherabsetzung nicht erfolgreich sein kann.

Soweit der Rechtsmittelwerber im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Arbeitsplatzfahrtkosten die Verletzung der Manuduktionspflicht durch das Erstgericht rügt, so hat das Rekursgericht eine diesbezügliche Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens verneint. Vom Gericht zweiter Instanz verneinte Verfahrensmängel erster Instanz können auch im außerstreitigen Verfahren nach der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht zum Gegenstand eines Revisionsrekurses gemacht werden (RIS-Justiz RS0007232).

In der Frage der Anrechnung der dem Obsorgeberechtigten zufließenden Transferleistungen (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge) vertrat der Oberste Gerichtshof zunächst die Ansicht, dass die Anrechnung nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einwendung des Unterhaltspflichtigen zu erfolgen habe (4 Ob 134/03i; 5 Ob 212/03t). Von dieser Ansicht ist er aber schon mit der Entscheidung 1 Ob 208/03z abgerückt. Die gesetzlich gebotene steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen durch „Anrechnung" der den betreuenden Elternteil zukommenden Transferleistungen sei bei der Unterhaltsbemessung grundsätzlich auch ohne einen ausdrücklich darauf abzielenden Antrag des Unterhaltsschuldners - im Rahmen des durch die Sachanträge der Beteiligten abgesteckten Entscheidungsspielraums - zu berücksichtigen. Dieser Ansicht ist der 4. Senat zumindest für den Fall gefolgt, dass der geldunterhaltspflichtige Elternteil dem Erhöhungsantrag - wie hier - im Verfahren erster Instanz entgegen getreten ist (4 Ob 254/03m). Dieser Auffassung schlossen sich der 10. Senat (10 Ob 4/04t) und jüngst der 2. und der 6. Senat an (2 Ob 153/04w; 6 Ob 140/04p), sodass nunmehr von einer schon gefestigten jüngeren oberstgerichtlichen Rechtsprechung im aufgezeigten Sinn ausgegangen werden kann. Dass im vorliegenden Fall der Vater dem Erhöhungsantrag nicht zur Gänze entgegengetreten ist, kann nicht zu einer anderen Beurteilung führen, wird doch dadurch nur der Rahmen des Entscheidungsspielraums enger gezogen. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts ist es aktenkundig, dass die Mutter die Familienbeihilfe für die Minderjährige bezieht (ON 23, AS 77 - Erhebungen im vorangegangenen Unterhaltsfestsetzungsverfahren im Jahr 2001; es gibt keinen Anhaltspunkt für eine Änderung). Der Kinderabsetzbetrag wird zwingend (§ 33 Abs 4 lit c EStG 1988) gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlt. Aus dem vom Vater im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Lohnzettel (ON 31, AS 105) und aus der Beantwortung der Anfrage an den Dienstgeber über die Höhe der Bezüge des Vaters (ON 34) sind sowohl der Bruttobezug als auch die davon vorgenommenen Abzüge ersichtlich. Der Akteninhalt reichte aus, um dem Erstgericht die Anrechnung der Transferleistungen zu ermöglichen. Bei dieser Sachlage hat das Rekursgericht die strittige Anrechnung zu Unrecht mangels ausdrücklicher Einwendung des Vaters verweigert.

Das Erstgericht wird deshalb das Verfahren nach den Grundsätzen der neuen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0117015) zur konkreten Berechnung des Geldunterhalts unter Berücksichtigung der gebotenen steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltsschuldners zu ergänzen haben.

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