OGH 5Ob566/93

OGH5Ob566/9321.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Alexander W*****, geboren am 22.Mai 1982, und Patrick W*****, geboren am 3.Juni 1988, beide *****, nunmehr vertreten durch das Amt für Jugend und Familie für den 3.Bezirk in Wien, wegen Unterhaltes infolge Revisionsrekurses der Mutter Maria W*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 23.Dezember 1992, GZ 47 R 729/92-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 12.Juni 1992, GZ 8 P 230/91-13, teilweise aufgehoben, im übrigen jedoch der Rekurs der Mutter zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Soweit sich der Revisionsrekurs gegen den Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes richtet, wird er zurückgewiesen.

Im übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Unterhaltsverpflichtung betrug auf Grund des Scheidungsvergleiches pro Kind S 500,- pro Monat (ON 1 und 2). Am 13.3.1992 beantragte der Vater, dem die Obsorge für die Kinder zukommt, die Erhöhung der Unterhaltsleistung auf S 1.500,- je Kind und Monat (ON 3).

Am 10.4.1992 erklärte sich die Mutter mit einer Unterhaltsleistung von S 1.200,- je Kind und Monat einverstanden (ON 5), am 2.6.1992 mit der beantragten Unterhaltsleistung von S 1.500,- je Kind (ON 10). Obgleich die Mutter mit der am 10.6.1992 beim Erstgericht eingelangten Erklärung vom 8.6.1992 die Einverständniserklärung vom 2.6.1992 mit der Begründung widerrief, der Vater der Kinder hätte bei Vergleichsabschluß gewußt, daß er mit den S 500,- je Kind und Monat nicht das Auslangen finden würde und daß er daher durch Abschluß dieses Vergleiches jedenfalls einen Teil der sie treffenden Unterhaltspflicht übernommen habe (ON 14), setzte das Erstgericht den von der Mutter pro Monat zu leistenden Unterhalt mit S 1.500,- je Kind fest. Begründet wurde diese Entscheidung ausschließlich dem Einverständnis der Parteien.

Das Rekursgericht wies den von der Mutter erhobenen Rekurs insoweit zurück, als ihr eine Unterhaltsleistung von monatlich S 1.200,- pro Kind ab 1.4.1992 auferlegt wurde.

Im übrigen, das ist in Ansehung des darüber hinausgehenden Unterhaltszuspruches von weiteren S 300,- pro Kind und Monat, hob das Rekursgericht den angefochtenen Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Das Rekursgericht sprach die Zulässigkeit des Revisionsrekurses an den Obersten Gerichtshof aus.

Rechtlich führte das Rekursgericht im wesentlichen folgendes aus:

Soweit sich der Rekurs der Mutter gegen die Unterhaltsfestsetzung mit S 1.200,- pro Kind und Monat richte, sei er mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig zurückzuweisen, weil diese Unterhaltserhöhung mit ausdrücklicher Zustimmung der Rechtsmittelwerberin erfolgt sei.

Hinsichtlich des Mehrbetrages von S 300,- pro Kind und Monat habe jedoch die Mutter ihre Zustimmungserklärung widerrufen. Das Erstgericht hätte daher bei der Beschlußfassung nicht von einem Anerkenntnis der Mutter ausgehen dürfen, sondern Feststellungen über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mutter treffen und sodann auf dieser Grundlage entscheiden müssen. Demgemäß sei der angefochtene Beschluß insoweit aufzuheben und die Rechtssache zur neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen gewesen.

Da im außerstreitigen Verfahren zur Frage der Widerrufbarkeit eines Anerkenntnisses vor Erlassung einer darauf gegründeten gerichtlichen Entscheidung keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege, sei der Revisionsrekurs zulässig, weil es sich dabei um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handle.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes - und zwar auch gegen dessen den Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß zurückweisenden Teil - richtet sich der (nach Durchführung des vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 25.5.1993, 5 Ob 514/93, aufgetragenen Verbesserungsverfahrens) von der Mutter erhobene Revisionsrekurs mit dem Antrag, die Beschlüsse der unteren Instanzen mangels geänderter Verhältnisse "ersatzlos aufzuheben", in eventu, dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Jedenfalls möge ausgesprochen werden, daß Anerkenntnisse im Außerstreitverfahren jedenfalls widerrufbar, allenfalls aber in Ermangelung entsprechender Voraussetzungen nichtig seien; es mögen die Erfordernisse für die Rechtmäßigkeit derartiger Anerkenntnisse festgelegt werden.

Der Revisionsrekurs ist zum Teil unzulässig, zum Teil nicht berechtigt.

a) Zum Zurückweisungsbeschluß:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses an einen Ausspruch des Rekursgerichtes nach § 13 Abs 1 Z 3 AußStrG nicht gebunden.

Unter Revisionsrekurs im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG ist jeder Rekurs gegen eine Entscheidung der zweiten Instanz als Rekursgericht - abgesehen von der Sonderregelung für Aufhebungsbeschlüsse des Rekursgerichtes - zu verstehen, gleichgültig ob die Entscheidung bestätigend, abändernd oder - wie hier - zurückweisend ist (EFSlg 67.427 ua).

Auch der Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluß des Rekursgerichtes, soweit dieses ihren Rekurs zurückwies, ist daher nur zulässig, wenn die Entscheidung von einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG abhängt. Hier verneinte das Gericht zweiter Instanz die Beschwer - und damit das Rekursrecht - der Mutter hinsichtlich der Unterhaltsfestsetzung mit monatlich S 1.200 pro Kind mit der Begründung, sie habe der Beschlußfassung insoweit zugestimmt, der Widerruf ihrer Zustimmung beziehe sich nur auf die darüber hinausgehende Zustimmungserklärung vom 2.6.1992. Die Auslegung des Vorbringens einer Partei stellt jedoch im allgemeinen nicht eine erhebliche Rechtsfrage dar, weil die Bedeutung über den Einzelfall nicht hinausgeht. Etwas anderes gilt nur, wenn die Auslegung durch das Rechtsmittelgericht mit dem Wortlaut des Vorbringens unvereinbar ist, weil in einem solchen Fall der Entscheidung erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit zukommt (vgl die im Streitverfahren ergangene Entscheidung 3 Ob 583/91). Eine Unvereinbarkeit der vom Rekursgericht vorgenommenen Auslegung der Zustimmungserklärungen der Mutter und des hiezu erklärten Widerrufes mit dem Wortlaut dieser Erklärungen ist in der hier zu beurteilenden Rechtssache nicht gegeben. Durch die mit ihrer Zustimmungserklärung übereinstimmende Entscheidung des Erstgerichtes konnte sich die unterhaltspflichtige Mutter nicht beschwert erachten; der Mangel der Beschwer führte - wie das Rekursgericht zutreffend ausführte - zur Unzulässigkeit ihres Rekurses (8 Ob 81/73; EFSlg 55.439 ua).

Der Revisionsrekurs der Mutter ist daher insoweit unzulässig und zurückzuweisen.

b) Zur Bestätigung des Aufhebungsbeschlusses:

Das Verfahren außer Streitsachen kennt keine prozessualen Sonderbestimmungen für den Fall, daß der geltend gemachte Anspruch vom Schuldner anerkannt wird, etwa entsprechend den Bestimmungen des § 395 ZPO. Die für den Bereich des Streitverfahrens entwickelten Grundsätze über Gegenstand (RZ 1979, 276/85), Rechtsnatur (SZ 25/130; SZ 25/234; ÖJZ 1957, 268/192; MietSlg 23.658) und die Bedingungen der Widerrufbarkeit des prozessualen Anerkenntnisses (SZ 59/30; ÖJZ 1992, 765/179) haben daher im Verfahren außer Streitsachen nicht ohne weiters Gültigkeit. So wurde ein Forderungsanerkenntnis der Erben vor dem Notar als Gerichtskommissär nicht als prozessuales Anerkenntnis, sondern als (frei widerrufliches) Tatsachengeständnis gewertet (5 Ob 182, 183/74), wie es dem Charakter eines deklarativen Anerkenntnisses als bloßer Wissenserklärung des Schuldners (Ertl in Rummel, ABGB2, Rz 7 zu § 1380 mwN) entspricht.

Eine Deutung der Erklärungen der unterhaltspflichtigen Mutter als konstitutives Anerkenntnis kommt in der hier zu beurteilenden Rechtssache schon deswegen nicht in Betracht, weil die Bereitschaftserklärungen zur Unterhaltsfestsetzung bloß dem Gericht gegenüber abgegeben wurden, nicht aber gegenüber dem Gläubiger (bzw hier dessen gesetzlichem Vertreter), der sie überdies noch - sollte ein konstitutives Anerkenntnis zustande kommen - hätte annehmen müssen (s Ertl in Rummel, ABGB2, Rz 6 zu § 1380 unter Hinweis auf JBl 1978, 254).

Die Erklärungen der unterhaltspflichtigen Mutter, zur Unterhaltsleistung in bestimmter Höhe bereit zu sein, sind daher nichts anderes als die dem Tatsachenbereich zuzuordnende Zustimmung zur antragsgemäßen Unterhaltsfestsetzung. Es handelt sich also um ein prozessuales Verhalten, das bis zur Beschlußfassung durch ein anderes (hier: Widerruf der Zustimmung und Vorbringen von Gründen, welche zur Antragsabweisung führen sollten), für das weitere Verfahren maßgebendes ersetzt werden kann. In einem solchen Fall kann dann die Entscheidung nicht mehr auf das Einverständnis der Parteien gestützt werden; es sind vielmehr die auf Grund des Parteienvorbringens entscheidungswesentlichen Tatsachen als Entscheidungsgrundlage festzustellen. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen des Rekursgerichtes verwiesen werden. Unter welchen Voraussetzungen eine Zustimmung zur Beschlußfassung erst im Rechtsmittelverfahren widerrufen werden kann, ist zur Entscheidung über den vorliegenden Revisionsrekurs nicht zu untersuchen.

Der Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes war daher zu bestätigen.

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