Normen
ZPO §208 (1) Z1
ZPO §395
ZPO §208 (1) Z1
ZPO §395
Spruch:
Das gerichtliche Anerkenntnis hat zugleich prozessuale und materielle Bedeutung. Wegen ersterer ist es unwiderruflich.
Entscheidung vom 7. Mai 1952, 3 Ob 265/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt-Wien; II. Instanz:
Handelsgericht Wien.
Text
Der Kläger begehrt für Installationsarbeiten zur Errichtung einer Bauwasserleitung auf dem Bauplatz Wien 10., T.straße, das in Rechnung gestellte Werksentgelt von 538.50 S. Das Erstgericht wies die Klage ab, wobei es auf Grund eines Sachverständigengutachtens feststellte, daß der fakturierte Betrag lediglich in der Höhe von 438.33 S angemessen sei, dem Beklagten jedoch die Passivlegitimation mangle, da der Auftrag nicht von ihm, sondern von dem Baumeister Rudolf G. erteilt worden sei und dieser erst bei der Aufstellung der Rechnung den Auftrag gegeben habe, die Rechnung auf den Namen der Frau des Beklagten auszustellen. Es sei demnach ein Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen nicht zustande gekommen. Den Umstand, daß der Beklagte den Klagsanspruch bei der mündlichen Streitverhandlung vom 18. September 1950 dem Gründe nach anerkannt hat, hielt das Erstgericht für unbeachtlich, weil sich der Beklagte bei Abgabe der Anerkenntniserklärung in einem Irrtum bezüglich seiner Verpflichtung gegenüber dem Kläger befunden habe und dadurch nur seiner grundsätzlichen Bereitschaft zu einer vergleichsweisen Regelung der Angelegenheit habe Ausdruck verleihen wollen.
Der seitens des Klägers gegen dieses Urteil erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß der Beklagte schuldig erkannt wurde, dem Kläger den Betrag von 438.33 S samt 5% Zinsen seit 29. März 1950 zu bezahlen.
Das Berufungsgericht gelangte hiebei zu dem Ergebnis, daß Anhaltspunkte für einen dem Beklagten unterlaufenen Irrtum bei Abgabe des Anerkenntnisses nach den Verfahrensergebnissen nicht vorlägen, zumal der Beklagte nicht behauptet hätte, durch irgend einen Umstand in Irrtum geführt worden zu sein. Der Beklagte sei an sein Anerkenntnis gebunden, das eine unwiderrufliche Willenserklärung darstelle. Dem Erstgericht sei durch dieses Anerkenntnis jede tatsächliche Feststellung ebenso abgeschnitten gewesen, wie die Prüfung der materiellen Rechtslage, soweit es sich um die Frage handle, ob der Beklagte dem Kläger gegenüber überhaupt zahlungspflichtig sei. Es könne daher dem Kläger der Mangel der Passivlegitimation nicht mehr entgegengesetzt werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach dem unwidersprochen gebliebenen Verhandlungsprotokoll vom 18. September 1950, das über den Verlauf und Inhalt der Verhandlung vollen Beweis macht (§ 215 ZPO.), hat der Beklagte bei dieser Verhandlung den Klagsanspruch dem Gründe nach anerkannt und lediglich die Höhe der Klagsforderung bestritten. Diese vom Beklagten abgegebene prozessuale Erklärung ist ihrem Inhalte nach völlig eindeutig. Da ein gerichtliches Anerkenntnis nach dem Standpunkt der neueren Rechtsprechung (vgl. Entsch. Rspr. 1930 Nr. 59) zugleich prozessuale und materielle Bedeutung hat, kann es, insolange auf Grund einer solchen Erklärung kein Anerkenntnisurteil ergangen ist, im Prozeß noch in jenem Umfang eingeschränkt und widerrufen werden, als dies dem materiellen Recht entspricht. Nun ist nach § 914 ABGB., der sowohl für Verträge als auch für einseitige Willenserklärungen gilt, in erster Linie die Absicht der Parteien zu erforschen. Das Gesetz spricht nicht vom Parteiwillen, sondern von der Absicht der Parteien, da es jeden Anschein vermeiden will, als ob die bloß subjektive, dem Gegner nicht erkennbar geäußerte Auffassung einer Partei maßgebend sein könnte. Die III. Teilnovelle (§ 102) lehnt bei Auslegung von Verträgen und sonstigen Willenserklärungen die Willenstheorie ab und folgt der Vertrauenstheorie, so daß mit Rücksicht auf den redlichen Verkehr der bloße Wille, der nicht erkennbar geäußert wurde, unbeachtlich erscheint. Eine Einschränkung oder der Widerruf einer Willenserklärung in der Richtung, daß diese nur als unter einem bestimmten Vorbehalt abgegeben anzusehen sei, ist daher nur dann möglich, wenn dieser Vorbehalt dem Erklärungsempfänger schon von vornherein erkennbar sein mußte. Hiefür ergeben sich jedoch im vorliegenden Fall nach der vom Erstgericht beurkundeten Anerkenntniserklärung keine Anhaltspunkte, da im Zeitpunkte der Abgabe des Anerkenntnisses in keiner Weise erkennbar sein konnte, daß der Beklagte damit nur seine Bereitschaft zum Ausdruck bringen wollte, vergleichsweise einen geringeren Betrag zu bezahlen. Vom Standpunkt der Bestimmungen des materiellen Rechtes ist daher die in dem Anerkenntnis gelegene einseitige Willenserklärung des Beklagten einer späteren Einschränkung oder eines späteren Widerrufes nicht mehr fähig. Aber auch vom prozessualen Standpunkt aus betrachtet, gilt die gleiche Erwägung, da das gerichtliche Anerkenntnis keine Wissenserklärung, somit kein tatsächliches Parteivorbringen, sondern eine Willenserklärung darstellt, und zwar eine solche, die durch Abgabe vor dem Prozeßgericht unwiderruflich wird, es sei denn, daß der Prozeßgegner der Einschränkung oder dem Widerruf zustimmt. Dies in der Erwägung, daß die Zivilprozeßordnung einen solchen Widerruf nicht vorsieht. Die §§ 179 und 266 ZPO. beziehen sich lediglich auf das tatsächliche Parteivorbringen und die Beweisanträge. Wenngleich also schon in der bei der Streitverhandlung vom 25. Mai 1951 erhobenen Einwendung der mangelnden Passivlegitimation ein Widerruf des Anerkenntnisses zu erblicken ist, kommt diesem Widerruf rechtliche Bedeutung nicht mehr zu.
Aber auch hinsichtlich der Frage des vom Erstgericht im Gegensatz zum Berufungsgericht angenommenen Irrtums bei Abgabe der Anerkenntniserklärung kann den Ausführungen der Revision nicht gefolgt werden. Da es sich hiebei nicht um eine Tatfrage, sondern um eine Rechtsfrage handelt, konnte das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung zu einem vom Erstgericht abweichenden Ergebnis gelangen. Das Erstgericht hat diesbezüglich auf Grund der Parteienausage des Beklagten festgestellt, daß dieser mit seiner Anerkenntniserklärung vom 18. September 1950 nur grundsätzlich seine Bereitschaft, zum Ausgleich der Angelegenheit einen geringeren Beitrag zu bezahlen, zum Ausdruck bringen wollte. Aus dieser Feststellung läßt sich jedoch keineswegs ableiten, daß der Beklagte bei Abgabe der Anerkenntniserklärung darüber, daß er dem Kläger gegenüber grundsätzlich zahlungspflichtig sei, in einem Irrtum befangen war. Eine diesbezügliche Prozeßbehauptung wurde vom Beklagten auch nicht aufgestellt. Es ist daher der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes zu folgen, wenn es auf Grund der erstrichterlichen Feststellungen, so auch des festgestellten Erlages eines vom Beklagten für angemessen befundenen Teilbetrages zu Gericht einen Irrtum über die grundsätzliche Zahlungspflicht dem Kläger gegenüber nicht angenommen hat. Wollte aber der Beklagte, wie das Erstgericht festgestellt hat, in seiner Anerkenntniserklärung nur seine grundsätzliche Ausgleichbereitschaft zum Ausdruck bringen, so hat er sich dabei einer undeutlichen Ausdrucksweise bedient, für deren Folgen er selbst einzustehen hat, da der bloße Wille bei Abgabe der Erklärung, der nicht erkennbar geäußert wurde, für die nach der Regel des § 914 ABGB. anzunehmende Absicht der Partei belanglos erscheint. Es kann hiebei auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Das Berufungsgericht ist daher zu dem rechtlich richtigen Ergebnis gelangt, daß zufolge des Anerkenntnisses des Beklagten als einer unwiderruflichen Willenserklärung dem Erstgericht hinsichtlich des Gründes des Anspruches jede Tatsachenfeststellung ebenso abgeschnitten war, wie die Prüfung der materiellen Rechtslage, so daß dem Kläger der Mangel der Passivlegitimation nicht mehr entgegengesetzt werden konnte.
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