OGH 4Ob134/03i

OGH4Ob134/03i24.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. Roland R*****, geboren am *****, und 2. Sabrina R*****, geboren am *****, über den Revisionsrekurs des Vaters Georg R*****, vertreten durch Hajek & Boss & Wagner, Rechtsanwälte OEG in Neusiedl am See, gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 17. Februar 2003, GZ 20 R 13/03s-23, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Neusiedl am See vom 23. September 2002, GZ 2 P 44/96s-13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die beiden Minderjährigen sind die ehelichen Kinder Georg R*****' und Sylvia H*****s. Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Neusiedl am See vom 9. September 1997, GZ 6 C 851/97a-11, nach § 55a EheG geschieden. Im anlässlich der Scheidung geschlossenen Vergleich wurde die Obsorge für beide Kinder der Mutter übertragen. Der Vater verpflichtete sich, für den mj Roland monatlich 3.000 S und für die mj Sabrina monatlich 2.000 S an Unterhalt zu zahlen. Vergleichsgrundlage war ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen des Vaters von 13.500 S in jenen Monaten, in denen der Vater arbeiten kann. Es wurde festgehalten, dass der Vater im Winter meist arbeitslos ist. Die die Kinder betreffenden Punkte des Vergleichs hat das Erstgericht mit Beschluss vom 10. Dezember 1997 genehmigt.

Die durch ihre Mutter vertretenen Kinder beantragen, den Unterhalt ab 1. 9. 2002 zu erhöhen; der mj Roland beantragt eine Erhöhung auf monatlich 285 EUR; die mj Sabrina eine Erhöhung auf monatlich 240 EUR. Die Mutter schätzte, dass sich das Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters auf rund 1.500 EUR monatlich erhöht habe. Weitere Sorgepflichten des Vaters seien ihr nicht bekannt.

Das Erstgericht stellte eine Gleichschrift des Erhöhungsantrags dem Vater zu eigenen Handen zu und forderte ihn unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 185 Abs 3 AußStrG auf, sich binnen 3 Wochen zum Antrag schriftlich zu äußern. Der Vater könne seine Äußerung auch an einem Amtstag zu Protokoll geben. Er habe zweckdienliche Unterlagen über sein Einkommen aus der Frühstückspension in P*****, mitzubringen oder seiner Äußerung anzuschließen.

Der Vater äußerte sich nicht.

Das Erstgericht gab dem Erhöhungsantrag zur Gänze statt. Da sich der Vater nicht geäußert habe, sei anzunehmen, dass er auf sein Anhörungsrecht verzichte und dem Antrag keine Einwendungen entgegensetze.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Nichtäußerung des Vaters sei als Tatsachengeständnis zu beurteilen. Neuerungen seien insoweit ausgeschlossen. Wenn der Vater im erstinstanzlichen Verfahren nicht einmal ansatzweise erkennen lasse, dass er eine teilweise Anrechung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen anstrebe, so hätten sich die Gerichte mit dieser Frage nicht zu beschäftigen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage besteht, ob Transferleistungen bei der Bemessung des Unterhalts von Amts wegen zu berücksichtigen sind; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Nach § 185 Abs 3 AußStrG kann das Gericht, wenn das Wohl eines Minderjährigen oder Pflegebefohlenen die dringende Erledigung eines Antrags erfordert, einen Beteiligten unter Setzung einer angemessenen Frist zur Äußerung auffordern und im Fall der Nichtäußerung annehmen, dass der Beteiligte dem Antrag keine Einwendungen entgegensetzt. Die Nichtäußerung ist nach ständiger Rechtsprechung dahin zu verstehen, dass der Antragsgegner dem Antrag nicht entgegentrete und das Tatsachenvorbringen des Antragstellers nicht bestreite. Ein Zugeständnis darf nur dann nicht angenommen werden, wenn das Kindeswohl eine amtswegige Aufklärung und Erhebung der Entscheidungsgrundlagen erfordert, wenn der Akteninhalt gegen die Richtigkeit des Vorbringens des Antragstellers spricht oder wenn aus besonderen Gründen anzunehmen ist, dass der Antragsgegner dem Antrag ungeachtet seines Schweigens entgegentrete (ua 4 Ob 555/91 = ÖA 1992, 59; 1 Ob 16/00k = SZ 73/119 mwN).

Im vorliegenden Fall ist keine dieser Voraussetzungen gegeben. Das Erstgericht hat daher zu Recht das von der Mutter angegebene Einkommen des Vaters seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Dass die Mutter das Einkommen geschätzt und nicht belegt hat, stand dem nicht entgegen, weil auch die Richtigkeit einer nicht belegten Behauptung zugestanden werden kann.

Der Rechtsmittelwerber macht geltend, dass die Unterhaltsbeiträge dennoch um die Transferleistungen zu mindern und auch die vom Vater aus dem Übergabsvertrag zu erbringenden Leistungen zu berücksichtigen seien. Die Transferleistungen seien von Amts wegen zu berücksichtigen; die Leistungen aus dem Übergabsvertrag seien im Zeitpunkt der Rekursentscheidung bereits aktenkundig gewesen.

Der Rechtsmittelwerber verkennt damit, dass es für die Frage ob es sich um eine Neuerung handelt, nicht auf den Zeitpunkt der Rekursentscheidung, sondern auf den der Entscheidung des Erstgerichts ankommt. Die Behauptung, dass der Vater aus dem Übergabsvertrag Leistungen an seine Eltern zu erbringen habe, ist daher eine Neuerung, auch wenn sie im Zeitpunkt der Rekursentscheidung aktenkundig gewesen sein mag. Sie kann nicht berücksichtigt werden, weil die Rechtsfolgen des § 185 Abs 3 AußStrG nicht durch Neuerungen im Rechtsmittelverfahren umgangen werden können (stRsp ua 1 Ob 16/00k = SZ 73/119; s auch Fucik, AußStrG², 23 mwN).

Was die amtswegige Berücksichtigung der Transferleistungen betrifft, so übersieht der Rechtsmittelwerber, dass die Minderung der Unterhaltsbeiträge um dem Obsorgeberechtigten zufließende Transferleistungen nicht nur eine Frage der rechtlichen Beurteilung ist, sondern ein Vorbringen des Geldunterhaltspflichtigen voraussetzt. Es ist dem Unterhaltspflichtigen überlassen, ob er eine Minderung seiner Unterhaltsleistungen begehrt; er kann die (teilweise) Anrechnung der dem Obsorgeberechtigten zufließenden Transferleistungen beantragen, muss dies aber nicht. Strebt er sie an, so muss er auch vorbringen, dass der Obsorgeberechtigte in den Genuss von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen kommt, und er muss angeben, wie hoch sein Bruttoeinkommen ist. Das Bruttoeinkommen bestimmt den Grenzsteuersatz; vom Grenzsteuersatz hängt es ab, ob und in welcher Höhe der Unterhaltspflichtige für die Unterhaltsbeiträge durch (teilweise) Anrechnung der Transferleistungen steuerlich zu entlasten ist (zur Berechnung der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen s ua 4 Ob 52/02d = EvBl 2003/45). Hat der Geldunterhaltspflichtige - wie hier - im Verfahren erster Instanz keinerlei Vorbringen in dieser Richtung erstattet, so ist eine Anrechnung von dem Obsorgeberechtigten zufließenden Transferleistungen auf die Unterhaltsleistung ausgeschlossen (gegen eine amtswegige Anrechnung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag auch Gitschthaler, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kinderunterhaltsansprüche, JBl 2003, 9 ff [14]).

Der Revisionsrekurs musste erfolglos bleiben.

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