Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.120,39 (darin EUR 353,40 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Nach den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen kam der Erstbeklagte, der in den Morgenstunden des 6. 6. 2000 mit seinem PKW auf der Südautobahn Richtung Wien fuhr und dabei eine Geschwindigkeit von 130 km/h statt der infolge einer Geschwindigkeitsbeschränkung erlaubten 100 km/h einhielt, ins Schleudern, wodurch er auf die durch eine doppelte Sperrlinie getrennte Gegenfahrbahn geriet und mit einem entgegenkommenden PKW kollidierte. Die Kollisionsgeschwindigkeit beider Fahrzeuge lag zwischen 30 und 40 km/h. Während sich der PKW des Erstbeklagten in der Endposition zur Gänze auf der Gegenfahrbahn befand, ragte der PKW seines Unfallgegners nach dessen Stillstand um 10 cm in die nach Wien führende Fahrbahnhälfte. Auf dieser wurden in der Folge - trotz der grundsätzlichen Möglichkeit ungehinderter Weiterfahrt - in beiden Fahrstreifen Fahrzeuge angehalten, sodass sich rasch ein Rückstau bildete. Einige Lenker verließen ihre Fahrzeuge, um die Unfallstelle abzusichern. Die zuletzt an die Kolonne anschließenden Fahrzeuglenker konnten die Ursache des Rückstaus nicht mehr erkennen. An den angehaltenen Fahrzeugen waren die Warnblinkanlagen eingeschaltet. Der Lenker des Klagsfahrzeuges (in der Folge: LKW), der die nach Wien führende Fahrbahnhälfte mit einer Geschwindigkeit von rund 80 km/h befuhr, erlangte, eine Rechtskurve durchfahrend, aus einer Entfernung Sicht auf die stehende Kolonne, die es ihm bei sofortiger Reaktion ermöglicht hätte, durch eine Bremsung mit einer Verzögerung von 1,5 m/sec2 kollisionsfrei anzuhalten. Statt dessen entschloss er sich 3,7 Sekunden nach der ersten Sichtmöglichkeit auf die Kolonne zu einem Fahrstreifenwechsel nach links, weil er das Gefühl hatte, auf dem rechten Fahrstreifen nicht mehr kollisionsfrei anhalten zu können. Erst 6,1 Sekunden nach der ersten Sichtmöglichkeit fasste er sodann den Bremsentschluss. Während dieser Zeitspanne hatte er eine Wegstrecke von mehr als 130 m zurückgelegt. 2,5 Sekunden nach Fassen des Bremsentschlusses stieß der LKW mit einer Geschwindigkeit von zumindest 50 km/h gegen das Heck des im linken Fahrstreifen stehenden PKWs der Hermine S*****. Sowohl der LKW als auch dieser PKW gerieten in Brand, wobei Hermine S***** ums Leben kam. Die Kollisionsstelle des Folgeunfalles lag von jener des Primärunfalles rund 200 m entfernt. Die Zeitspanne zwischen den beiden Kollisionen betrug 1,5 Minuten. Im Zuge des Folgeunfalls wurden mehrere weitere Fahrzeuge beschädigt.
Die klagende Partei begehrte unter ausdrücklicher Anrechnung eines Mitverschuldens des Lenkers des bei ihr haftpflichtversicherten LKWs von 50 % den Ersatz der Hälfte des von ihr an die Geschädigten geleisteten Schadenersatzes sowie die Feststellung, dass die beklagten Parteien ihr für künftige Schadenersatzleistungen, welche sie als Haftpflichtversicherer des am Unfall vom 6. 6. 2000 beteiligten LKWs noch zu erbringen habe, zur ungeteilten Hand zu 50 % regresspflichtig seien, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei mit der Höhe der Versicherungssumme begrenzt sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und änderte das Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht bejahte es den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Primärunfall und den Folgen des Zweitunfalles. Auch die in Anlehnung an die Lehre Koziols von der Rechtsprechung geforderte Interessenabwägung führe nicht zu einem derart starken Überwiegen der dem Lenker des LKWs zurechenbaren Belastungsmomente, dass die Folgen des Zweitunfalles nicht mehr (auch) dem Erstbeklagten zugerechnet werden könnten. Selbst unter Berücksichtigung der räumlichen und zeitlichen Distanz zwischen den beiden Unfallgeschehen könne der erste Unfall nicht als bloß zufälliger äußerer Anlass für den zweiten Unfall angesehen werden. Der von der Klägerin begehrte gleichteilige Schadensausgleich sei nicht zu beanstanden. Zur Begründung der Zulassung der Revision führte das Berufungsgericht aus, Unfallkonstellationen wie die hier vorliegende beträfen keinen Einzelfall. Die höchstgerichtliche Judikatur habe sich zwar bereits wiederholt mit der notwendigen Zurechnungsbegrenzung im Wege einer umfassenden Interessenabwägung (im Sinne der Ausführungen Koziols) befasst; dennoch scheine eine Klarstellung - etwa im Lichte der sinngemäß auch für das österreichische Recht bedenkenswerten Erwägungen des BGH in VI ZR 218/03 - notwendig und nach § 502 Abs 1 ZPO geboten.
Rechtliche Beurteilung
Die von der klagenden Partei gegen dieses Urteil erhobene Revision ist entgegen dem gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes wegen Fehlens einer erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO. Aber auch in der Revision der beklagten Parteien werden keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dargetan.
Die Theorie des adäquaten Kausalzusammenhanges ist in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes seit langem allgemein anerkannt. Danach besteht eine Haftung für alle Folgen eines schuldhaften und schädigenden Verhaltens, mit denen abstrakt nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge gerechnet werden muss, nicht aber für einen atypischen Erfolg. Die Adäquität fehlt, wenn das schädigende Ereignis für den eingetretenen Schaden nach allgemeiner Lebenserfahrung gleichgültig ist und nur durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen Bedingung für den Schaden war (SZ 54/108; ZVR 1980/112; ZVR 1982/95; 2 Ob 162/98g uva; RIS-Justiz RS0098939). Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt auch dann vor, wenn eine weitere Ursache für den entstandenen Schaden dazugetreten ist und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge dieses Hinzutreten als wahrscheinlich zu erwarten ist. Es kommt nur darauf an, ob nach den allgemeinen Kenntnissen und Erfahrungen das Hinzutreten der weiteren Ursache, wenn auch nicht gerade normal, so doch wenigstens nicht gerade außergewöhnlich ist (RIS-Justiz RS 0022918). Besteht die weitere Ursache in der Handlung eines Dritten, der auch der Verletzte selbst sein kann, so besteht keine Haftung, wenn mit dem dadurch bedingten Geschehensablauf nach der Lebenserfahrung nicht zu rechnen war (RZ 1976/71; ZVR 1980/150; ZVR 1999/67 = JBl 1999, 533; 2 Ob 275/97y). Auch durch Handlungen, die auf dem freien Willen Dritter beruhen, wird die Adäquität nicht notwendigerweise ausgeschlossen, sondern es kommt allein darauf an, ob dieses Verhalten des Dritten nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit lag (2 Ob 275/97y; 1 Ob 65/01t; RIS-Justiz RS0022940).
Bei Verstößen gegen ein Schutzgesetz ist Haftungsvoraussetzung, dass ein Schaden eintritt, den die übertretene Norm nach ihrem Schutzzweck gerade verhindern wollte (SZ 70/113 uva). Für diese Fälle wird in der neueren Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die Frage der Haftung für einen Folgeschaden nicht auf Grund der adäquaten Kausalität des tatsächlichen Geschehensablaufes, sondern nach der Normadäquanz zu beurteilen ist. Bei dieser Beurteilung sind in Form eines beweglichen Systems Risikozuteilung, allgemeines oder besonderes Lebensrisiko, Unrechtsintensität und Entfernung des Folgeschadens vom zuerst intendierten Ziel einer Haftung aus Schutzgesetzverletzung miteinander in Beziehung zu setzen (SZ 70/113; RIS-Justiz RS0107781). In jüngster Zeit wurde überdies ausgesprochen, dass die Zurechnung eines adäquaten Folgeschadens dann nicht mehr gerechtfertigt ist, wenn eine umfassende Interessenabwägung ergibt, dass die Belastungsmomente auf Seite des Verletzten bzw eines Dritten jene des Ersttäters bei weitem überwiegen (ZVR 1999/67 = JBl 1999, 533; 2 Ob 79/98a; 2 Ob 99/00y; RIS-Justiz RS0022918 [T 10]; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3, Rz 8/77).
Die nach den dargelegten Grundsätzen zunächst vorzunehmende Beurteilung, ob ein Schaden noch als adäquate Folge eines schädigenden Ereignisses anzusehen ist, betrifft im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, weil dabei die Umstände des Einzelfalles maßgebend sind und der Lösung dieser Frage keine über den Anlassfall hinausgehende und daher keine erhebliche Bedeutung im Sinne der angeführten Gesetzesstelle zukommt. Ebenso stehen bei einer Beurteilung nach der Normadäquanz die Umstände des Einzelfalles im Vordergrund (RIS-Justiz RS0110361). Aber auch die bei der Beurteilung der Zurechnung eines adäquaten Folgeschadens vorzunehmende umfassende Interessenabwägung stellt auf die konkreten Umstände des Einzelfalles ab, weshalb auch insoweit eine erhebliche Rechtsfrage nicht vorliegt (2 Ob 99/00y; 2 Ob 270/01x). Eine auffallende Fehlbeurteilung, welche dennoch die Zulässigkeit der Revision begründen könnte, ist dem Berufungsgericht bei der Prüfung der Adäquität und der Zurechnung des Folgeschadens nicht unterlaufen. In der Rechtsprechung wurde ganz allgemein ausgesprochen, dass das Zustandekommen weiterer Auffahrunfälle eine geradezu typische Folge einer Behinderung des Verkehrs durch ein Unfallfahrzeug, speziell auf Autobahnen, ist (ZVR 1977/238; ZVR 1999/67 = JBl 1999, 533; 2 Ob 356/99b ua; RIS-Justiz RS0022675). Dass dazu Aufmerksamkeitsfehler der Lenker auffahrender Fahrzeuge wesentlich beitragen, ändert an der grundsätzlichen Verantwortung desjenigen, der den Primärunfall verschuldet hat, nichts. Der adäquate Kausalzusammenhang zwischen der ersten Unfallsursache und dem schließlich eingetretenen Erfolg wird dadurch nicht berührt. Dies gilt auch für Unfälle durch Auffahren auf Fahrzeuge, die infolge des Hindernisses auf der Fahrbahn zum Anhalten veranlasst werden (ZVR 1983/19; 2 Ob 97/88; 2 Ob 31/89 ua), und zwar auch in Fällen, in denen zwischen Primär- und Folgeunfall ein Zeitraum von einigen Minuten verstrichen ist (ZVR 1984/338). Selbst wenn man demnach den - von den Feststellungen der Vorinstanzen abweichenden und daher unbeachtlichen - Erwägungen der Revisionswerber zu der zwischen den beiden Unfällen verstrichenen Zeitspanne folgen wollte, wäre für ihren Standpunkt nichts gewonnen. Ebenso ist es nicht relevant, dass sich im vorliegenden Fall der Rückstau nicht wegen eines die Fahrbahn blockierenden Unfallfahrzeuges gebildet hatte. Liegt es doch keineswegs außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, dass die einem Unfallbeteiligten nachfolgenden Fahrzeuglenker unter dem unmittelbaren Eindruck des sich vor ihnen ereignenden Unfallgeschehens ihre Fahrzeuge auf der Autobahn zum Stillstand bringen. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob dies geschah, um einer unfallsbedingten unsicheren Verkehrslage Rechnung zu tragen, oder etwa bei der Absicherung der Unfallstelle Hilfe zu leisten. Unter diesem Aspekt ist die von den Revisionswerbern in Umkehr der Beurteilung des Berufungsgerichtes vorgenommene Bewertung des Primärunfalles als „äußerer, nur zufälliger Anlass" dafür, dass ein unbeteiligter Dritter sein Kraftfahrzeug zum Stillstand brachte und dadurch den zweiten Unfall auslöste, nicht haltbar. Vorbringen, wonach die ersten der dem Erstbeklagten nachfolgenden Lenker ihre Fahrzeuge etwa nur aus Schaulust angehalten hätten, haben die beklagten Parteien in erster Instanz auch gar nicht erstattet.
Auch das zitierte Urteil des BGH vom 10. 2. 2004, VI ZR 218/03 (NJW 2004, 1375; NZV 2004, 243), mit dem sich das Berufungsgericht ausführlich auseinandergesetzt hat, bietet keinen Anhaltspunkt für eine gravierende Fehlbeurteilung in zweiter Instanz. Der BGH hat in dieser Entscheidung unter Bedachtnahme auf Vorjudikatur betont, es liege an den besonderen Umständen des Einzelfalles, ob der „haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang zwischen einem Erstunfall, durch den es zu einer Teilsperrung einer Autobahn kommt, und den Schadensfolgen eines Zweitunfalles, der dadurch verursacht wird, dass ein Kraftfahrer ungebremst in die durch den Erstunfall veranlassten ordnungsgemäßen Absicherungsmaßnahmen fährt", zu verneinen sei. In dem dort entschiedenen Anlassfall war nach dem Primärunfall ein Fahrstreifen für den Fließverkehr frei geblieben und in Ansehung der übrigen (durch die Unfallfahrzeuge und ein nachfolgendes Fahrzeug blockierten) Fahrstreifen eine Absicherung durch ein 150 m entferntes Warndreieck erfolgt. Hier war hingegen die vom LKW befahrene Fahrbahnhälfte durch die angehaltenen Fahrzeuge zur Gänze blockiert und es war auch kein Warndreieck aufgestellt. Im Übrigen hat im vorliegenden Fall der Lenker des LKWs auf die Verkehrssituation durchaus reagiert, wenngleich sich weder der Fahrstreifenwechsel noch das mit großer Verspätung eingeleitete Bremsmanöver als zur Vermeidung des Unfalles geeignete Maßnahme erwies. Es kann daher nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass er den Auffahrunfall auch dann verursacht hätte, wenn - wie in dem vom BGH entschiedenen Fall - der rechte Fahrstreifen frei geblieben wäre.
Die Behauptung der beklagten Parteien, dass die „Pack-Autobahn im Sommer immer wieder mit Staus geplagt" werde, ist - ungeachtet ihrer fehlenden Aussagekraft für den vorliegenden Fall - durch entsprechende Feststellungen der Vorinstanzen nicht gedeckt. Diesem Umstand kann auch nicht mit dem Hinweis auf tägliche Verkehrsrundfunkdurchsagen erfolgreich begegnet werden, da die Verkehrsverhältnisse an bestimmten Örtlichkeiten nicht als notorisch anzusehen sind (vgl ZVR 1959/182; RIS-Justiz RS0040244; Rechberger in Rechberger, ZPO2, § 269 Rz 2).
Warum es den Erstbeklagten entlasten soll, wenn er auf einem als „gefährlich" bekannten Fahrbahnabschnitt zwar die angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung überschritten hat, „nicht jedoch die allgemeine Autobahngeschwindigkeit", ist nicht ersichtlich. Dem Berufungsgericht ist sohin keine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es zu dem Ergebnis kam, dass der bei dem Zweitunfall entstandene Schaden noch als adäquate Folge des Primärunfalles anzusehen ist und es sich zu der von der beklagten Partei geforderten Annahme einer „Unterbrechung des Zurechnungszusammenhanges" nicht veranlasst sah.
Auch die Gewichtung eines Mitverschuldens bildet grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (2 Ob 356/99b uva). Die Annahme eines gleichteiligen Mitverschuldens des Erstbeklagten begegnet im Hinblick auf die Schwere der jeweiligen Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung keinen Bedenken. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war sohin die Revision der beklagten Parteien zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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