OGH 8ObA138/04h

OGH8ObA138/04h20.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Galutschek und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Deitzer, Rechtsanwalt in Schwechat, wider die beklagte Partei Margit M*****, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 2.456,30 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. September 2004, GZ 10 Ra 87/04v-37, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Beklagte war ab 8. 5. 2001 20 Stunden pro Woche bei der Klägerin ua für das Auffinden von verlorenem Fluggepäck beschäftigt. Im Zuge der Aufnahmegespräche wurde schließlich gesagt, dass sie ab 8. 5. 2001 zu arbeiten beginnen könnte und sie die Verträge dafür bei Dienstantritt erhalten würde. Darin findet sich auch eine Konkurrenzklausel mit der Verpflichtung, dann wenn das Dienstverhältnis innerhalb von drei Jahren aufgelöst wird, nicht innerhalb von sechs Monaten eine gleichwertige Tätigkeit bei einem anderen Unternehmen am gleichen Flughafen auszuüben. Als Konventionalstrafe sind drei Monatsentgelte vorgesehen. Auch eine Verpflichtung zum Rückersatz von Ausbildungskosten wird festgelegt, wenn das Arbeitsverhältnis weniger als ein Jahr dauert und durch Kündigung seitens der Arbeitnehmerin bzw zufolge vorzeitigen Austrittes ohne wichtigen Grund oder begründeter Entlassung durch den Arbeitgeber enden sollte, wobei nur der aliquote Anteil der Ausbildungskosten zurückzuzahlen ist. Die Beklagte erkundigte sich bei einer Mitarbeiterin über die Höhe der möglichen Forderungen, die meinte, dass es sich um S 12.000,-- handeln könne und diese noch aliquotiert würden. Es wurde auch gesagt, dass ohne diese Klausel eine Beschäftigung bei der Klägerin nicht möglich sei.

Die Beklagte erhielt dann eine Ausbildung in einem Softwareprogramm, das bei allen Fluglinien und sonstigen damit befassten Unternehmen für das Auffinden von Koffern verwendet wird. Die Beklagte hat zuvor bereits als Flugbegleiterin, dann bei der Passagierabfertigung gearbeitet und wurde auch als Ordinationsgehilfin eingeschult. Die aliquoten Kosten der Ausbildung für das weltweite Koffersuchprogramm betragen EUR 43,27. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 25. 2. 2002 ihr Arbeitsverhältnis zur Klägerin per 31. 3. 2002 und begann direkt nach Beendigung des Dienstverhältnisses ab 1. 4. 2002 am gleichen Flughafen bei einer Konkurrenzfirma der Klägerin im gleichen Bereich zu arbeiten, ohne dafür eine zusätzliche Schulung zu benötigen. Gründe für die Kündigung durch die Beklagte konnten nicht festgestellt werden.

Rechtliche Beurteilung

Soweit es nun die Beklagte als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO geltend macht, dass eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Begründungspflicht von Entscheidungen fehle und diese Begründungspflicht durch die Vorinstanzen verletzt worden sei, kann schon allgemein auf die Bestimmung des § 417 ZPO, insbesondere dessen Abs 2 und die dazu ergangene Judikatur verwiesen werden (vgl zum Nachweis etwa Rechberger in Rechberger ZPO2 § 417 Rz 4; aber etwa auch RIS-Justiz RS0014575; RIS-Justiz RS0041854; RIS-Justiz RS0041860; RIS-Justiz RS0040217; RIS-Justiz RS0040122 uva). Welcher konkrete allgemeine Aspekt noch weiter einer Abklärung durch den Obersten Gerichtshof bedürft hätte, vermag die Beklagte nicht aufzuzeigen. Soweit sie sich gegen eine Verletzung der Begründungspflicht durch das Berufungsgericht infolge unrichtiger Abgrenzung der Tatsachen und der Rechtsfrage wendet, ist ihr schon vorweg entgegenzuhalten, dass dies regelmäßig nur anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles beurteilt werden kann und damit wenig zur Rechtsentwicklung und Rechtseinheit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO beizutragen vermag. Aber auch eine Fehlbeurteilung, die es aus Gründen der Rechtssicherheit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erfordern würde, diese Frage vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen, vermag die Beklagte nicht darzustellen. Konkret stützt sie sich darauf, dass das Berufungsgericht ausgeführt hat, dass die vom Erstgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung dargestellten Argumente hinsichtlich der Umstiegsmöglichkeit der Beklagten im Rahmen der Rechtsrüge zu behandeln seien, ebenso das Begehren der Beklagten nach weiteren Feststellungen. Die Frage, welche zusätzlichen Feststellungen zu treffen sind, stellt aber nach ständiger Judikatur eine Frage der rechtlichen Beurteilung dar (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 § 471 Rz 6 letzter Absatz ebenso Kodek aaO § 496 Rz 4 mzwN). Die Ausführungen des Berufungsgerichtes hinsichtlich der Umstiegsmöglichkeiten beziehen sich auf die Bewertung dieser Umstiegsmöglichkeit im Hinblick auf die Zumutbarkeit für die Beklagte. Wurde doch dies auch in der Berufung der Beklagten releviert. Eine solche Bewertung der Zumutbarkeit kann aber auch unter rechtlichen Aspekten erfolgen (vgl dazu Kodek in Rechberger ZPO2 § 498 Rz 2 mwN). Im Wesentlichen geht es doch dabei darum unter dem Aspekt des § 36 Z 3 AngG zu beurteilen, inwieweit eine Konkurrenzklausel eine "unbillige" Erschwerung des Fortkommens des Angestellten enthält, die ausgehend von den konkreten Feststellungen von den Vorinstanzen vorgenommen wurde. Jedenfalls vermag die Beklagte in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Die weiteren Ausführungen der Beklagten hinsichtlich einer Verletzung der Begründungspflicht bei der Begründung der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung vermögen schon im Ansatz nicht zu überzeugen, weil sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht ihre Entscheidungen jeweils ausführlich und umfangreich begründet haben. Wenn die Beklagte in diesem Zusammenhang eine Verfassungswidrigkeit des § 500a ZPO zu erkennen vermeint, legt sie nicht näher dar, worin diese gelegen sein soll, sondern verweist nur allgemein auf den Gleichheitsgrundsatz nach Art 7 B-VG. § 500a ZPO ordnet aber nur an, dass das Berufungsgericht sich bei der Wiedergabe des Parteienvorbringens und der Tatsachengrundlagen auf das beschränken kann, was zum Verständnis der Rechtsausführungen erforderlich ist. Soweit es die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhaltig hält, hingegen die bekämpften Entscheidungsgründe für zutreffend erachtet, kann es sich unter Hinweis auf deren Richtigkeit mit einer kurzen Begründung seiner Beurteilung begnügen. Hier hat das Berufungsgericht die sehr ausführliche rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes umfassend wiedergegeben und auch noch eigene weitere Argumente für die Richtigkeit dieser rechtlichen Beurteilung gebracht. Eine konkrete Beeinträchtigung der Nachvollziehbarkeit der Entscheidung des Berufungsgerichtes wird von der Beklagten auch gar nicht aufgezeigt (vgl im Zusammenhang im übrigen Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 359). Geht man aber davon aus, dass auch die Bestimmung des § 500a ZPO es gewährleistet, dass hier die Entscheidung des Berufungsgerichtes nachvollziehbar begründet wird, ist schon im Ansatz nicht ersichtlich, worin eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art 7 B-VG liegen sollte.

Den Ausführungen der Beklagten hinsichtlich des Anspruches auf eine "Beweiserörterung" dahin, dass die konkreten Zeugenaussagen durch den Parteienvertreter kommentiert werden, ist schon entgegenzuhalten, dass diese Frage bereits in der Berufung als Verfahrensmangel des erstgerichtlichen Verfahrens geltend gemacht und dieser vom Berufungsgericht verneint wurde. Nach ständiger Judikatur können aber vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz nicht mehr in der Revision geltend gemacht werden (vgl dazu Kodek in Rechberger ZPO § 503 Rz 3 mzwN).

Zu den Ausführungen der Beklagten hinsichtlich der Anwendung des Mäßigungsrechtes nach § 38 AngG ist vorweg darauf hinzuweisen, dass die Beklagte zutreffend aufzeigt, dass bei der Mäßigung auf die Verhältnismäßigkeit der "Strafe", die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Arbeitnehmers, insbesondere seiner Einkommensverhältnisse aber auch die Art und das Ausmaß des Verschuldens an der Vertragsverletzung sowie die Höhe des durch die Vertragsverletzung des Arbeitgebers entstandenen Schaden Bedacht zu nehmen ist (vgl RIS-Justiz RS0029967 mzwN etwa EvBl 1980/65 uva). Die Anwendung dieser Mäßigungskriterien im Einzelfall stellt aber regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl OGH 18. 9. 2003, 8 ObA 58/03t). Das Berufungsgericht hat darauf verwiesen, dass die Beklagte gegen die getroffene Vereinbarung, an deren Einhaltung die Klägerin ein massives Interesse hatte, verstoßen und unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Klägerin am selben Flughafen in der gleichen Funktion beim Konkurrenten zu arbeiten begonnen hat. Weiters wurde bereits vom Erstgericht aufgezeigt und vom Berufungsgericht übernommen, dass die Konventionalstrafe insgesamt auch nicht überhöht ist. Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung vermag die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht darzustellen. Soweit die Beklagte dabei releviert, dass auch noch auf die Höhe des durch die Vertragsverletzung dem Arbeitgeber entstandenen Schadens Bedacht zu nehmen gewesen wäre, ist sie darauf zu verweisen, dass dann, wenn die Höhe eines tatsächlich erlittenen Schadens nicht erwiesen wurde, dieser als Mäßigungskriterium unberücksichtigt zu bleiben hat (vgl RIS-Justiz RS0029825 mzwN zuletzt 9 ObA 36/96f). Die allgemeinen Ausführungen dazu, dass das Verschulden der Beklagten gering anzusetzen wäre, da die schlechte wirtschaftliche Situation der Klägerin und die drohende Kündigung der Beklagten zu berücksichtigen wären, gehen nicht von den konkreten Feststellungen des Erstgerichtes aus, die eben gerade solche Gründe für eine Kündigung durch die Beklagte nicht als erwiesen erachteten. Gleiches gilt, soweit die Beklagte releviert, dass eine Schädigung der Klägerin schlechthin zu verneinen wäre, weil die Vorinstanzen doch überzeugend ausgeführt haben, dass diese auf Grund der unmittelbaren beim Konkurrenten im gleichen Flughafen aufgenommenen Tätigkeit der Beklagten anzunehmen sei.

Wenn die Beklagte ausführt, dass die Entscheidung des Berufungsgerichtes gegen die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 7 ObA 235/94 verstoße, so ist ihr entgegenzuhalten, dass eine solche Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gar nicht existiert. Offensichtlich gemeint sein dürfte die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 31. 8. 1994 zu 8 ObA 235/94. Damals wurde eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Klägers deshalb verneint, weil eine konkrete Möglichkeit des "Umsteigens" in eine andere Sparte bestand. Vom Erfordernis eines solchen "Umsteigens" in eine andere Sparte sind die Vorinstanzen aber gerade deshalb nicht ausgegangen, weil die Beklagte ja schon in der gleichen Sparte - der Flugbranche - in verschiedenen Funktionen tätig war und sie daher innerhalb der gleichen Branche auch ohne Verletzung der Konkurrenzklausel hätte weiterarbeiten können. Jedenfalls liegt darin kein Abweichen von der Vorentscheidung des Obersten Gerichtshofes.

Entgegen den Ausführungen der Revision liegt auch keine Aktenwidrigkeit des berufungsgerichtlichen Urteils hinsichtlich der Annahme vor, dass die Beklagte bereits bei in verschiedenen anderen Funktionen für Flugunternehmen gearbeitet habe, weil dies vom Erstgericht ausdrücklich festgestellt wurde (vgl S 6 des erstgerichtlichen Urteiles).

Dass die Beklagte hier hinsichtlich des Ausbildungskostenrückersatzes einen anderen Zeitraum zugrundelegte als bei der Konkurrenzklausel vermag keinen wesentlichen Aspekt im Zusammenhang mit der Frage der Mäßigung der Konventionalstrafe aus der Verletzung der Konkurrenzklausel darzustellen, die die Entscheidung der Vorinstanzen mit einer vom Obersten Gerichtshof unter dem Aspekt der Rechtssicherheit nach § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifenden Fehlbeurteilung belasten würden.

Grundsätzlich zutreffend zeigt die Beklagte auf, dass Konkurrenzklauseln unabhängig von den Kriterien des § 36 AngG wegen des Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig sein können, wenn sie unter Druck zustande kommen (vgl RIS-Justiz RS0029792 mwN insbesondere EvBl 1976/9 = DRdA 1975, 214 = Arb 9385 ua, vgl weiters RIS-Justiz RS0029891 mwN zuletzt 8 ObA 21/04b). Dies hat sich aber regelmäßig auf Fälle bezogen, in denen die Konkurrenzklausel nicht zugleich mit dem Dienstvertrag, sondern während der Dauer des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen wurde (vgl RIS-Justiz RS0029778 mwN). Die Ausführungen der Beklagten dazu haben sich aber im erstgerichtlichen Verfahren darauf beschränkt, dass die Beklagte nach einer mehrjährigen Kinderbetreuungsphase wieder ins Berufsleben einsteigen wollte und die dadurch entstandene Zwangslage von der Klägerin ausgenützt worden sei. Darauf, dass also bereits ein Arbeitsvertrag abgeschlossen worden sei, hat sich die Beklagte gar nicht berufen. Den darauf gestützten Ausführungen der Revision steht dementsprechend nunmehr das Neuerungsverbot entgegen (vgl § 504 Abs 2 ZPO).

Insgesamt vermag es die Beklagte jedenfalls nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

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