OGH 8ObA127/04s

OGH8ObA127/04s22.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und ADir. Reg.Rat Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josef D*****, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller und andere, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei I*****, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Entlassungsanfechtung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Oktober 2004, GZ 15 Ra 98/04f-15, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichtes hinsichtlich der Zurückweisung der Klage wegen Streitanhängigkeit der Entlassungsanfechtung bestätigt. Bereits am 2. 6. 2003 hat der Kläger die Entlassung vom 26. 5. 2003 ua wegen des verpönten Motives der Geltendmachung von Ansprüchen durch den Arbeitnehmer aber auch als sozialwidrig nach § 105 ArbVG angefochten. Dies ist auch Gegenstand der vorliegenden, am 6. 6. 2003 eingebrachten Entlassungsanfechtung.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 233 ZPO kann während der Dauer der Streitanhängigkeit über einen geltend gemachten Anspruch weder bei demselben noch bei einem anderen Gericht ein Rechtsstreit durchgeführt werden.

Die Streitanhängigkeit setzt nun einerseits die - hier unstrittige - Identität der Parteien sowie andererseits auch die Identität der Ansprüche voraus (vgl auch RIS-Justiz RS0039347 mit zahlreichen weiteren Nachweisen, etwa zuletzt 8 Ob 252/02w; vgl dazu allgemein Mayr in Fasching/Konecny2 III § 233 Rz 3 ff; ebenso Rechberger/Frauenberger in Rechberger ZPO2 § 233 Rz 9 ff). Ob aber nun die geltend gemachten Ansprüche ident sind, kann jeweils nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Es gelingt dem Kläger in diesem Zusammenhang nicht, eine Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO darzustellen (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 § 502 Rz 3). Dass die Begehren hier ident sind, und zwar jeweils die Aufhebung der Entlassung vom 26. 5. 2003 anstreben, ist offensichtlich (vgl zur Bedeutung der Gleichheit der Begehren Mayr aaO Rz 9; Rechberger/Frauenberger aaO Rz 10, zum identen "Rechtsschutzziel").

Allgemein ist nun der Streitgegenstand nicht ident mit dem materiell-rechtlichen Anspruch, sondern bestimmt sich aus dem Klagebegehren und dem rechtserzeugenden Sachverhalt (vgl RIS-Justiz RS0037419 mwN etwa zuletzt 3 Ob 8/00y). Für die Beurteilung des Umfanges der Rechtskraftwirkung aber auch des Streitgegenstandes sind jene Tatsachenbehauptungen maßgeblich, die die Begründung des erhobenen Sachantrages erforderte (vgl dazu RIS-Justiz RS0039255 insb 5 Ob 502/96 aber auch 5 Ob 240/00f). Nach der hier maßgeblichen Regelung über die Entlassungsanfechtung nach § 106 AVG kann die Entlassung bei Gericht angefochten werden, wenn ein Anfechtungsgrund im Sinne des § 105 Abs 3 ArbVG vorliegt und der betreffende Arbeitnehmer keinen Entlassungsgrund gesetzt hat. Die §§ 105 Abs 4 bis 7 ArbVG sind sinngemäß anzuwenden. Aus § 105 Abs 4 ArbVG ergibt sich auch, dass der Betriebsrat, wenn er Widerspruch erhoben hat, vorweg auf Verlangen des entlassenen Arbeitnehmers binnen einer Woche die Entlassung bei Gericht anfechten kann bzw danach innerhalb einer weiteren Woche der Arbeitnehmer. Hat der Betriebsrat keine Stellungnahme abgegeben, so kann der Arbeitnehmer selbst innerhalb einer Woche die Anfechtung vornehmen. Hier wurde nun die erste Entlassungsanfechtung innerhalb der ersten Wochenfrist eingebracht, die zweite Entlassungsanfechtung innerhalb der zweiten Woche, mit dem einzigen Unterschied, dass in der hier vorliegenden zweiten Klage gleich vorweg auch Behauptung aufgestellt wurde, dass der Betriebsrat der Entlassung ausdrücklich widersprochen habe.

Bereits in seiner Entscheidung vom 25. 1. 2001 zu 8 ObA 216/00y hat sich der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit einer Kündigungsanfechtung mit ebenfalls "verfrühten" Anfechtungen auseinandergesetzt. Er hat bereits damals dargestellt, dass zwischen der Frage der Einhaltung der formellen Fristen zur Anfechtung, die einer prozessualen Frist gleichzuhalten sind und den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für das Anfechtungsrecht zu unterscheiden ist (vgl OGH 8 ObA 216/00y = RdA 2002/4 [Trost] = Arb 12.084; ähnlich OGH 8. 9. 2001, 9 ObA 191/01f = RdW 2002/361). Für die Beurteilung entscheidend ist dabei jeweils der Schluss der mündlichen Streitverhandlung. Stets geht es um "ein" Anfechtungsrecht nach dem § 105 ArbVG, das vorweg der Belegschaft zusteht und das bei dessen mangelnder Ausübung durch den Betriebsrat dann vom Arbeitnehmer geltend gemacht werden kann (vgl OGH 8 ObA 216/00y mit zahlreichen weiteren Nachweisen; vgl zur Verknüpfung auch die Eintrittsmöglichkeiten nach § 105 Abs 4 ArbVG im Falle der Klagsrückziehung durch den Betriebsrat).

In diesem Zusammenhang ist nun auf die ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu verweisen, wonach zur Bestimmung des Streitgegenstandes nicht auf allfällige Einwendungen der beklagten Partei abzustellen ist (vgl RIS-Justiz RS0039255 mit zahlreichen weiteren Nachweisen insbes 8 ObA 239/99a). Selbst wenn die Beklagten im ersten Prozess einwendet, dass die Klage wegen des Widerspruches des Betriebsrates verfrüht gewesen sei, kommt diesem Einwand nach Ablauf der einwöchigen Frist keine Berechtigung mehr zu. Im Übrigen führt auch der Kläger nicht aus, dass er im anderen Prozess die Behauptung aufstellen werde, dass der Betriebsrat keinen Widerspruch erhoben habe.

Damit stellt aber die Frage des "Widerspruches" kein Sachverhaltselement dar, das einen anderen Streitgegenstand begründen könnte.

Insgesamt vermag es der Kläger jedenfalls nicht eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

Stichworte