OGH 5Ob223/04m

OGH5Ob223/04m7.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerinnen 1. Elena M*****, und 2. Elena A. M*****, beide vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Maria P*****, 2. DI Ulrike S*****, und 3. Mag. Franz P*****, alle vertreten durch Robathin & Partner, Rechtsanwälte in Wien, und 4. Mag. Reinhard P*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak und Dr. Johannes Krauss, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über die Rekurse der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. April 2004, GZ 41 R 217/03w-59, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 30. April 2004, GZ 44 Msch 25/01g-51, aufgehoben wurde, den Sachbeschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Rekursen wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, dass der Sachbeschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Die Antragstellerinnen mieteten gemeinsam mit Vertrag vom 16. 4. 1998 ein Geschäftslokal und vereinbarten nach Verhandlungen mit den Antragsgegnern als Vermieter einen Mietzins von S 13.000 exkl USt anstatt des ursprünglich geforderten von S 16.000. Zwischen Vertragsabschluss und Übergabe des Mietobjektes beanstandeten die Antragstellerinnen den Mietzins der Höhe nach nicht. Der angemessene Nettomietzins betrug monatlich S 8.368.

Die Zweitantragsstellerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 5. 8. 1996 gegründet und nahm ihre Geschäftstätigkeit zumindest ein Jahr vor Abschluss des Mietvertrages auf. Die Erstantragsstellerin ist die alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Zweitantragstellerin.

Die Antragstellerinnen begehren die Überprüfung der Angemessenheit des Hauptmietzinses für das Geschäftslokal. Sie seien im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses keine Unternehmerinnen iSd § 1 KSchG gewesen. Bei der Anmietung des Geschäftslokales handle es sich lediglich um ein Vorbereitungsgeschäft.

Die Antragsgegner wandten ein, dass die Antragstellerinnen im Zeitpunkt der Anmietung des Geschäftslokales Unternehmerinnen iSd § 1 KSchG gewesen seien. Sie hätten spätestens bei Übergabe des Mietgegenstandes eine allfällige Überschreitung des zulässigen Hauptmietzinses rügen müssen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Auffassung, dass natürliche Personen, die den Mietvertrag als Vorbereitungsgeschäft iSd § 1 Abs 3 KSchG abschlössen, grundsätzlich von der Rügepflicht ausgenommen seien. Dies jedoch nur, wenn sie sich überhaupt zum ersten Mal unternehmerisch betätigten. Der Abschluss des Mietvertrages für die Zweitantragstellerin sei zweifellos ein Unternehmensgeschäft, da sie ihre Geschäftstätigkeit zumindest ein Jahr vor Abschluss des Mietvertrages aufgenommen habe. Die Erstantragsstellerin als alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Zweitantragsstellerin habe aus ihrer Funktion ausreichend unternehmerische Erfahrung. Hinsichtlich des Mietvertragsabschlusses bestehe ein derart sachlicher Zusammenhang zwischen den Antragstellerinnen, dass eine Abgrenzung in ein Unternehmergeschäft des einen und ein Konsumentengeschäft des anderen nicht möglich sei.

Das Rekursgericht hob den angefochtenen Sachbeschluss infolge Rekurses der Antragstellerinnen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Auch das Rekursgericht vertrat die Rechtsansicht, dass die Antragstellerinnen eine Rüge iSd § 16 Abs 1 Z 1 MRG nicht erhoben hätten. Die Zweitantragstellerin unterliege jedenfalls der Rügeobliegenheit, da sie als juristische Person schon deshalb nicht das Privileg nach § 1 Abs 3 KSchG in Anspruch nehmen könne. Dies bewirke aber keine "automatische" Präklusion der Ansprüche der Erstantragstellerin. Die Erstantragstellerin sei nämlich nicht nur organschaftliche Vertreterin und Gesellschafterin der Zweitantragsstellerin, es seien ihr im Mietvertrag auch als natürlicher Person eigene Mitmietrechte eingeräumt worden. Weder ein Geschäftsführer noch ein Gesellschafter einer GmbH seien in dieser Eigenschaft als Verbraucher anzusehen. Aus den Feststellungen lasse sich aber noch nicht abschließend beurteilen, ob die Erstantragstellerin zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses als Unternehmerin iSd § 16 Abs 1 Z 1 MRG zu qualifizieren sei. Es sei Art und Umfang der von der Zweitantragsstellerin spätestens 1997 aufgenommenen Geschäftstätigkeit zu klären und exakter und ausführlicher festzustellen, weil erst daraus abgeleitet werden könne, ob die Erstantragstellerin durch ihre Funktion ausreichende unternehmerische Erfahrung erworben habe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Judikatur dazu fehle, wen die Behauptungs- und Beweislast im Zusammenhang mit der Rügeobliegenheit des § 16 Abs 2 Z 1 MRG treffe und wie die Präklusionsproblematik bei Vorhandensein mehrerer Mieter, die nur zum Teil Unternehmer seien, zu lösen sei.

Dagegen richten sich die Rekurse der Antragsgegner mit Abänderungsanträgen.

Die Antragstellerinnen beteiligten sich am Rekursverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind zulässig und berechtigt.

Gemäß § 16 Abs 1 Z 1 MRG kann sich ein Unternehmer, der eine Geschäftsräumlichkeit mietet, auf die Überschreitung des zulässigen Höchstmaßes nach § 16 Abs 8 erster Satz MRG nur berufen, wenn er die Überschreitung unverzüglich, spätestens jedoch bei Übergabe des Mietgegenstandes gerügt hat.

Inhalt der im § 16 Abs 1 Z 1 MRG normierten Rügeobliegenheit des Geschäftsraummieters ist die Geltendmachung der Überschreitung des gesetzlich zulässigen Mietzinses. Die Rüge muss dem Vermieter signalisieren, dass von der Möglichkeit einer gerichtlichen Mietzinsreduzierung unter Aufrechterhaltung aller übrigen Bestimmungen des Mietvertrages Gebrauch gemacht wird, falls er auf Einhebung des rechtsunwirksam vereinbarten Mietzinses beharrt. Die Rüge muss zwischen rechtswirksamen Abschluss des Vertrages und Übergabe des Bestandobjektes erfolgen (RIS-Justiz RS0109327). Fest steht, dass die Antragstellerinnen zwischen Abschluss des Mietvertrages und Übergabe des Bestandobjektes keine Rüge erhoben haben.

Die hier zu lösende Rechtsfrage bezieht sich ausschließlich darauf, ob bei Abschluss eines Mietvertrages mit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemeinsam mit ihrer alleinigen Gesellschafterin und Geschäftsführerin zum Verkauf von Perlen und Schmuck eine Rügeobliegenheit für beide Mieterinnen entsteht.

Ist ein Objekt an mehrere Personen als Mitmieter in Bestand gegeben, so ist ein solches Mitmietverhältnis oder Gesamtmietverhältnis ein einheitliches, demnach ungeteiltes Mietverhältnis und besteht nicht etwa aus mehreren konkurrierenden Mietverhältnissen. Die Mitmieter stehen untereinander in Rechtsgemeinschaft (RIS-Justiz RS0101118, RS0013191, RS0013160). Mitmieter bilden in einem Verfahren auf Feststellung der Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes eine einheitliche Streitgenossenschaft in analoger Anwendung des § 14 ZPO (5 Ob 223/99a).

Das im § 1 Abs 3 KSchG normierte "Gründungsprivileg" steht nur natürlichen Personen zu, sodass bei einer Gleichsetzung des § 1 KSchG und § 16 Abs 1 Z 1 MRG enthaltenen Unternehmerbegriffs die Rügeobliegenheit nur für Gründungsgeschäfte natürlicher Personen entfällt (5 Ob 20/98x). Die Vorinstanzen haben daher zutreffend erkannt, dass die Zweitantragstellerin als Gesellschaft mit beschränkter Haftung grundsätzlich eine Rügeobliegenheit trifft. Der dem KSchG und dem MRG gleichermaßen immanente Zweck, bei ungleichgewichtigen Vertragslagen den Schwächeren zu schützen, legt einen weitgehend synonymen Gebrauch der Begriffe nahe. Der dem KSchG entnommene Unternehmerbegriff lässt eine Adaptierung für § 16 Abs 1 Z 1 letzter Halbsatz MRG angezeigt sein. Die Rügeobliegenheit des Geschäftsraummieters wird nämlich schlechthin mit seiner unternehmerischen Erfahrung (in welchem Unternehmenszweig auch immer) bzw mit Erfahrungen als Unternehmer bei der Geschäftsraumbeschaffung verknüpft (5 Ob 20/98x).

Grundsätzlich hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass ein Geschäftsführer, der eine persönliche Bürgschaft für Schulden der GmbH übernimmt, mangels eines eigenen Unternehmens als Verbraucher anzusehen ist, doch wurde dies einschränkend für den Fall des geschäftsführenden Alleingesellschafters einer GmbH mit der Begründung abgelehnt, dass er in Wahrheit für sich selbst unternehmerisch tätig wird und die Organisationsform einer "Ein-Mann-GmbH" nur aus haftungsrechtlichen Gründen wählt (7 Ob 315/01a mwN).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies folgendes:

Die Zweitantragstellerin hat ihren Geschäftsbetrieb zumindest ein Jahr vor Abschluss des Mietvertrages aufgenommen. Die Erstantragstellerin hatte daher in dieser Rechtsform als geschäftsführende Alleingesellschafterin der zweitantragstellenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Wahrheit ihre eigenen Geschäfte geführt. Sie kann daher bei Abschluss eines Mietvertrages gemeinsam mit der Gesellschaft auch im eigenen Namen nicht darauf verweisen, dass ihr als natürlicher Person die unternehmerische Erfahrung schlechthin fehle. Sie ist also schon nach den vorliegenden Feststellungen als Unternehmerin iSd § 16 Abs 1 Z 1 MRG zu betrachten. Es trifft die Mitmieter also eine Rügeobliegenheit iSd § 16 Abs 1 Z 1 MRG, die nicht erfüllt wurde. Der Antrag ist daher abzuweisen und der erstinstanzliche Sachbeschluss wieder herzustellen.

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