Spruch:
1. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird von "Dr. Heinz K*****" auf "Dr. Stefan L*****" berichtigt.
2. Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen zu lauten haben:
"Die beklagte Partei ist bei sonstiger Exekution schuldig, die Wohnung top 20 im Hause ***** im Ausmaß von 200 m2 samt Terrassen im Ausmaß von 128,52 m2 geräumt von eigenen Fahrnissen dem klagenden Masseverwalter binnen 14 Tagen zu übergeben.
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, dem klagenden Masseverwalter binnen 14 Tagen die mit EUR 958,42 (darin EUR 151,90 USt und EUR 56,60 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die mit EUR 490,14 (darin EUR 72,86 USt und EUR 53 Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, dem klagenden Masseverwalter die mit EUR 459,10 (darin EUR 50,02 USt und EUR 159 Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zu 1.: Die Bezeichnung der klagenden Partei war gemäß § 235 Abs 5 ZPO richtigzustellen, weil mit Beschluss des Konkursgerichtes vom 23. 4. 2003 der frühere Masseverwalter Dr. Heinz K***** abberufen und gleichzeitig Dr. Stefan L***** zum neuen Masseverwalter bestellt wurde.
Zu 2.: Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 22. 1. 2002 wurde über das Vermögen des DI Dr. Alaa A***** das Konkursverfahren eröffnet. Der Gemeinschuldner ist grundbücherlicher Eigentümer des Anteils B-LNR *****, verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung 20, Terrasse, hinsichtlich der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** mit der Grundstücksadresse *****. Die Beklagte ist seit 1984 mit dem Gemeinschuldner in aufrechter Ehe verheiratet, dieser Ehe entstammen zwei eheliche Kinder. Zu Beginn des Jahres 1995 bezog die Beklagte gemeinsam mit ihrem Gatten und den beiden Kindern die klagsgegenständliche Wohnung. Im Sommer 1998 zog der Gemeinschuldner aus der gemeinsamen Wohnung aus, welche von der Beklagten und ihren beiden Kindern nach wie vor bewohnt wird. Sie verfügt über keine andere Wohnmöglichkeit. Sie bezahlt für die Wohnung weder Benützungsentgelt noch Betriebskosten. Die Ehe mit dem Gemeinschuldner ist nach wie vor aufrecht.
In seiner Klage vom 25. Juni 2002 stützte der Masseverwalter den Räumungsanspruch darauf, dass die gegenständliche Eigentumswohnung in die Masse falle und von der beklagten Partei titellos benützt werde. Es bestehe kein Mietvertrag, auch bezahle die Beklagte trotz Mahnung durch den Masseverwalter kein Benützungsentgelt. Für den Fall des Bestandes eines Mietvertrages werde gemäß § 1118 ABGB dessen Auflösung erklärt. Da die eheliche Gemeinschaft der Beklagten mit dem Gemeinschuldner seit vier Jahren aufgehoben sei, sei die gegenständliche Wohnung auch keine Ehewohnung. Da der Gemeinschuldner getrennt von der Beklagten in einer anderen Wohnung wohne, bestehe auch kein gemeinsamer Haushalt der Beklagten mit dem Gemeinschuldner im Sinn des § 5 Abs 4 KO. Da die Beklagte keinen Unterhaltsanspruch gegenüber der Masse habe, könne sie auch ihr Wohnrecht nicht gegenüber der Masse geltend machen. Selbst wenn ein Wohnungserhaltungsanspruch nach § 97 ABGB bestehe, gelte ein solcher nicht schlechthin und vor allem dann nicht, wenn das Handeln bzw Unterlassen des Verfügungsberechtigten durch die Umstände erzwungen sei. Als solcher Umstand sei hier anzusehen, dass die weitere Erhaltung der Wohnung unzumutbar sei. Für die Wohnung liefen monatlich Kosten auf, welche durch die Masse nicht gedeckt seien. Wegen offener Betriebskosten würden laufend Verfahren von der Eigentümergemeinschaft gegen den Masseverwalter eingeleitet.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Bei der Wohnung handle es sich um den letzten gemeinsamen Wohnsitz der Beklagten und der gemeinsamen ehelichen Kinder mit dem Gemeinschuldner. Sie könne daher ihr Wohnrecht aus dem Familienrecht (Eherecht) ableiten. Es stehe ihr gemäß § 5 Abs 4 KO ein Benützungsrecht zu. Der Umstand, dass der Gemeinschuldner aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen sei, ändere nichts an deren Charakter als "ehelicher Wohnung", auf deren Benützung die Beklagte angewiesen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass der auf die Benützung der Wohnung angewiesenen Klägerin ein Anspruch nach § 97 ABGB zustehe, welcher einer Räumungsklage wegen titelloser Benützung entgegenstehe. Der frühere Auszug des Gemeinschuldners könne daran nichts ändern.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass höchstpersönliche, das Familienrecht betreffende Verhältnisse durch die Konkurseröffnung unberührt blieben. Weder der Eigentümer noch der Masseverwalter könnten daher mit Räumungsklage gegen die Beklagte vorgehen, deren familienrechtlicher Anspruch auf Benützung der Wohnung aufrecht sei. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil jedenfalls für den Bereich der Zwangsverwaltung vom Obersten Gerichtshof bereits ausgesprochen worden sei, dass dem Verpflichteten jede nicht ausdrücklich gestattete Benützung der Liegenschaft durch die Einleitung der Zwangsverwaltung genommen sei. Auch könne der Zwangsverwalter, wenn Verpflichteter und Familienangehörige nicht im selben Haushalt wohnten, sogar direkt mit Räumung gegen die Angehörigen vorgehen. Bei Anwendung dieser Rechtsprechung auf das Konkursverfahren könnte daher auch die Meinung vertreten werden, dass die Eröffnung des Konkurses der Berufung auf einen familienrechtlichen Benützungsanspruch entgegenstehe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Masseverwalters aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Räumungsbegehren Folge gegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragte, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung dazu fehlt, ob ein Ehegatte, welcher in einer Eigentumswohnung des Gemeinschuldners, jedoch mit diesem nicht im gemeinsamen Haushalt wohnt, dem Räumungsanspruch des Masseverwalters einen Benützungsanspruch nach § 97 ABGB entgegenhalten kann; sie ist auch berechtigt.
Wohnt der Gemeinschuldner in einem zur Konkursmasse gehörigen Hause (- darunter sind auch Eigentumswohnungen zu verstehen: RIS-Justiz RS0002541 -), so sind auf die Überlassung und Räumung der Wohnung des Gemeinschuldners gemäß § 5 Abs 3 KO die Vorschriften des § 105 EO sinngemäß anzuwenden. Wohnt gemäß § 105 Abs 1 EO der Verpflichtete zur Zeit der Bewilligung der Zwangsverwaltung auf dem derselben unterworfenen Grundstücke oder in dem zu verwaltenden Hause, so sind ihm während der Dauer der Zwangsverwaltung die für ihn und für seine im gemeinsamen Haushalte mit ihm lebenden Familienmitglieder unentbehrlichen Wohnungsräume zu überlassen. Über den Umfang dieser Räume entscheidet das Exekutionsgericht. Wenn der Verpflichtete die Verwaltung der Liegenschaft gefährdet, können ihm die überlassenen Wohnungsräume vom Exekutionsgerichte auf Antrag entzogen werden.
Dies bedeutet für das Konkursverfahren, dass an die Stelle des Verpflichteten der Gemeinschuldner, an die Stelle des Zwangsverwalters der Masseverwalter und an die Stelle des Exekutionsgerichtes das Konkursgericht (EvBl 1990/70) tritt. Die Bestellung eines Zwangsverwalters schließt nach der Judikatur (RIS-Justiz RS0002857) den Verpflichteten von allen ordentlichen und außerordentlichen Verwaltungsmaßnahmen aus. Durch die Zwangsverwaltung wird dem Verpflichteten das Recht zum Gebrauch der eigenen Sache entzogen; es wird vom Zwangsverwalter aufgrund des Gesetzes anstelle des Verpflichteten im Interesse der Gläubiger ausgeübt. Dem Verpflichteten ist durch die Einleitung der Zwangsverwaltung jede nicht ausdrücklich gestattete Benützung der Liegenschaft untersagt. Selbst die unentbehrlichen Wohnräume müssen dem Verpflichteten erst überlassen werden, sodass auch von einer Fortdauer des Gebrauchsrechtes des Verpflichteten an solchen Räumen keine Rede sein kann (RIS-Justiz RS0002608, insbesondere [T 2]; RS0002526 [T 1, T 2]). Für den Bereich der Zwangsverwaltung wird aus diesen Grundsätzen abgeleitet, dass, solange dem Verpflichteten die (Teil-)Benützung nicht ausdrücklich übertragen ist, familienrechtliche (unterhaltsrechtliche) Beziehungen der Ehegattin, welche auf die Wohnung angewiesen ist, zum Verpflichteten allein noch nicht ausreichen, um einem Räumungsanspruch des Zwangsverwalters entgegengehalten werden zu können (3 Ob 87/87 = JBl 1988, 463).
Für den vorliegenden Fall des Konkurses ist daraus abzuleiten: Durch die Konkurseröffnung wird die Konkursmasse der freien Verfügung des Gemeinschuldners entzogen. Dieser bleibt zwar Eigentümer der Konkursmasse, das alleinige Verwaltungs- und Verfügungsrecht hat indes der Masseverwalter. Die Masse bildet so ein Sondervermögen des Gemeinschuldners, das den Regeln der Konkursordnung unterworfen wird (Buchegger in Bartsch/Pollak I4 Rz 41 zu § 1). Damit wird klar, dass mit der Eröffnung des Konkurses der Gemeinschuldner - wie der Verpflichtete durch die Bewilligung der Zwangsverwaltung - sein Gebrauchsrecht an einer in die Masse fallenden Eigentumswohnung zunächst verliert. Da es sich bei dem im Familienrecht begründeten Anspruch nach § 97 ABGB um einen von der Berechtigung des verpflichteten Ehegatten abhängigen handelt, der nur in Ausnahmefällen (insbesondere bei Kollusion) Dritten gegenüber durchsetzbar ist, wird klar, dass dieser nicht auf Grund eines eigenen Anspruches der Ehegattin gesondert dem Masseverwalter gegenüber durchgesetzt werden kann und demzufolge auch kein Absonderungs- oder Aussonderungsrecht darstellt. Das dem Ehegatten des Gemeinschuldners allenfalls nach § 97 ABGB zustehende Wohnungsbenützungsrecht kann daher auch dann erst wieder aufleben, wenn dem Gemeinschuldner durch das Konkursgericht die Benützung im Sinn des § 5 Abs 3 KO wieder eingeräumt wurde. Während von der früheren Rechtsprechung als unabdingbare Voraussetzung für eine Überlassung im Sinn des § 5 Abs 3 KO angesehen wurde, dass der Gemeinschuldner die entsprechenden Räumlichkeiten bereits bei Eröffnung des Konkursverfahrens bewohnt hat, anerkennt die neuere Rechtsprechung (8 Ob 2233/96g = WoBl 1997/116), dass auch ein erst während des Konkursverfahrens entstehendes Wohnbedürfnis zu einer solchen Zuweisung führen kann. Im vorliegenden Fall ist völlig unstrittig, dass seitens des Konkursgerichtes noch keine Verfügung im Sinn des § 5 Abs 3 KO erfolgt ist. Damit fehlt es aber an der wesentlichen Voraussetzung für den abgeleiteten Anspruch der beklagten Ehegattin des Gemeinschuldners. Auch kann sich diese nicht auf die Bestimmung des § 5 Abs 4 KO berufen. Abgesehen davon, dass es sich dabei um eine Bestimmung handelt, die gerade nicht im Eigentum des Gemeinschuldners stehende Wohnräume betrifft (Buchegger aaO Rz 43 zu § 5 KO), ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass auch Familienangehörige in den Schutz der Sonderbestimmungen des § 5 Abs 3 bzw § 5 Abs 4 KO gelangen, dass sie mit dem Gemeinschuldner im gemeinsamen Haushalt leben (Buchegger aaO Rz 35; Schubert in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen Rz 28 ff zu § 5 KO; SZ 44/124).
Daraus folgt, dass die beklagte Partei, solange eine Zuweisung durch das Konkursgericht im Sinn des § 5 Abs 3 iVm § 105 EO nicht erfolgt ist, auch aus § 97 ABGB keinen Benützungsanspruch ableiten kann, welcher dem Masseverwalter entgegengehalten werden kann; vielmehr ist ihre Benützung - derzeit - titellos.
Der erst im Rechtsmittelverfahren erhobene Einwand der Beklagten, dass die Wohnung mittlerweile bereits versteigert sei, ist als unzulässige Neuerung unbeachtlich.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO, hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 Abs 1 ZPO.
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