OGH 5Ob192/71

OGH5Ob192/711.9.1971

SZ 44/124

Normen

EO §105
KO §5 Abs3
EO §105
KO §5 Abs3

 

Spruch:

§ 5 Abs 3 KO ist auch auf Eigentumswohnungen anwendbar

Die Tatsache der teilweisen Weiterbenützung einer Eigentumswohnung durch den Gemeinschuldner vermag die Verwendung (den Verkauf) der Eigentumswohnung weder zu vereiteln noch zu gefährden

OGH 1. 9. 1971, 5 Ob 192/71 (OLG Wien 3 R 97/71; HG Wien S 51/69)

Text

Die Gemeinschuldnerin ist Eigentümerin von 114/5586 Anteilen an der Liegenschaft EZ X, Haus in W, F-Gasse 3. Mit diesen Liegenschaftsanteilen ist das Wohnungseigentum an der im zweiten Stock der Stiege II des angeführten Hauses gelegenen Wohnung Nr 5 verbunden. Die 65.01 m2 große Wohnung besteht aus einem Vorzimmer, zwei Zimmern, Küche, Bad, Klosett, einer Kammer und einem Kellerabteil. Der Verkehrswert zum 11. 7. 1969 betrug S 100.000.-.

Die Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte betreibt hinsichtlich der der Gemeinschuldnerin gehörigen Liegenschaftsanteile samt dem Wohnungseigentum zu 21 E 65/69 des ExG Wien die Zwangsverwaltung. Im Zuge der Zwangsverwaltung wurde ein Zimmer der Eigentumswohnung vermietet.

Am 4. 2. 1971 berichtete der Masseverwalter, er habe mit der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte keine Vereinbarung über eine einverständliche Beendigung der Zwangsverwaltung schließen können. Eine Veräußerung der Eigentumswohnung erscheine nur dadurch möglich, daß das ob dieser Wohnung haftende Pfandrecht der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte gemäß § 120 KO aus dem Veräußerungserlös eingelöst werde. Da eine Veräußerung der Eigentumswohnung erst nach deren Räumung durch die Gemeinschuldnerin möglich sei, werde der Antrag gestellt, der Gemeinschuldnerin die Übergabe der geräumten Wohnung an den Masseverwalter aufzutragen.

Die Gemeinschuldnerin brachte vor, daß sie die Eigentumswohnung zusammen mit ihrer 85 Jahre alten Mutter bewohne, keine Mittel besitze, um eine andere Wohnung zu erwerben, und daß sie im Falle der Räumung der Obdachlosigkeit preisgegeben wäre.

Der Konkurskommissär trug mit Beschluß vom 21. 4. 1971 der Gemeinschuldnerin auf, ihre Eigentumswohnung binnen vier Wochen dem Masseverwalter, geräumt von allen nicht zur Konkursmasse gehörigen Fahrnissen, zu übergeben. Die Auffassung des Masseverwalters, eine Veräußerung der Eigentumswohnung sei erst nach deren Räumung möglich - so führt das Erstgericht aus -, treffe zwar nicht zu. Eine Räumung vor dem Abschluß und der Druchführung des Kaufvertrages sei aber zweckmäßiger, weil damit allfällige Rechtsstreitigkeiten vermieden werden könnten. Bei einer geräumten Eigentumswohnung sei auch ein für die Masse vorteilhafterer Preis zu erzielen. Die für die Gemeinschuldnerin und ihre betagte Mutter durch die Räumung drohende Obdachlosigkeit stehe dem Räumungsauftrag nicht entgegen, weil das Wohnungseigentum das einzige entsprechend verwertbare Vermögensobjekt darstelle.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß der Antrag des Masseverwalters, der Gemeinschuldnerin aufzutragen, die zur Masse gehörige Wohnung, von allen nicht zur Konkursmasse gehörenden Fahrnissen geräumt, binnen 14 Tagen an den Masseverwalter zu übergeben, abgewiesen wurde. Das Gericht zweiter Instanz ging davon aus, daß die in § 5 KO angeordnete sinngemäße Anwendung des § 105 EO nur bedeute, daß dem Gemeinschuldner die Benützung der ihm überlassenen Wohnräume dann entzogen werden könne, wenn er die Verwertung der Masse gefährde. Der Umstand, daß eine Räumung vor Abschluß des Kaufvertrages über die Eigentumswohnung zweckmäßiger sei, weil damit allfällige Rechtsstreitigkeiten vermieden werden könnten und für eine geräumte Wohnung ein für die Masse vorteilhafterer Preis zu erzielen sei, vermöge die Annahme einer solchen Gefährdung aber nicht zu rechtfertigen. Es dürfe nicht übersehen werden, daß die Vorschrift des § 105 EO die Überlassung der unentbehrlichen Räume anordne ("... sind ihm ... zu überlassen ..."). Aus ihr ergebe sich, daß bei der Beurteilung der Frage der Gefährdung der Verwertung ein strenger Maßstab angelegt werden müsse. Nur dort, wo die Aufrechterhaltung der Benützung der unentbehrlichen Wohnräume durch den Gemeinschuldner und seine mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder eine wirtschaftlich vertretbare Verwertung unmöglich mache, werde von einer Gefährdung iS des § 105 Abs 1 EO gesprochen werden können.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Masseverwalters nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es trifft zu, daß nach § 5 Abs 3 KO, falls der Gemeinschuldner in einem zur Konkursmasse gehörigen Haus wohnt, auf die Überlassung und Räumung der Wohnung des Gemeinschuldners die Vorschriften des § 105 EO sinngemäß anzuwenden sind. Wenngleich § 5 Abs 3 KO nach seiner Fassung von einem zur Konkursmasse gehörigen Haus ausgeht, so handelt es sich doch um eine Regelung (Schutzbestimmung), die sinngemäß für andere Formen der Benützung von Räumen kraft Eigentums, so insbesondere für das Wohnungseigentum (mit dem das Miteigentum an einem Hausanteil verbunden ist), herangezogen werden kann, denn auch der Miteigentumsanteil des Wohnungseigentümers an der Liegenschaft gehört zur Konkursmasse.

Nach der in § 5 Abs 3 KO bezogenen Bestimmung des § 105 EO sind dem Gemeinschuldner während der Dauer des Konkurses die für ihn und für seine im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebenden Familienmitglieder unentbehrlichen Wohnräume zu überlassen. Nur für den Fall, daß der Gemeinschuldner die Verwertung der Liegenschaft gefährdet, können ihm die überlassenen Wohnräume auf Antrag entzogen werden. Daß die Gemeinschuldnerin mit ihrer Mutter nur noch über die für sie unentbehrlichen Räume verfügt, ergibt sich daraus, daß eines der beiden Zimmer im Zuge des Zwangsverwaltungsverfahrens untervermietet wurde.

Was die Frage der Gefährdung der Verwertung der gegenständlichen Eigentumswohnung anlangt, so vermag die Tatsache ihrer teilweisen Weiterbenützung durch die Gemeinschuldnerin die Verwertung (den Verkauf) der Eigentumswohnung weder zu vereiteln noch zu gefährden. Wohl wird für eine Eigentumswohnung, die sofort bezogen werden kann, ein höheres Entgelt erzielt werden können als für eine solche, die erst vom Wohnungseigentümer geräumt werden muß. Doch handelt es sich dabei um die Frage des wirtschaftlich erzielbaren Erlöses und nicht um eine Gefährdung der Verwertung der Eigentumswohnung. Die Entfernung der Gemeinschuldnerin aus ihrer Eigentumswohnung würde auch den ihr für die Dauer des Konkursverfahrens nach § 5 Abs 3 KO zustehenden Anspruch auf Überlassung der unentbehrlichen Wohnräume vereiteln.

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