OGH 10ObS160/03g

OGH10ObS160/03g16.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strimitzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erich K*****, vertreten durch die Sachwalterin Gisela K*****, ebendort, diese vertreten durch Dr. Walter Breitwieser und Mag. Paul Max Breitwieser, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Rückersatz der Ausgleichszulage, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Februar 2003, GZ 11 Rs 2/03y-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Oktober 2002, GZ 19 Cgs 1/02v-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung, wonach Zinserträge aus veranlagtem Schmerzengeld und veranlagter Verunstaltungsentschädigung bei der Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage als Einkünfte zu berücksichtigen sind, weil sie nicht unter den Ausnahmekatalog des § 292 Abs 1 bis 3 ASVG (wegen des besonderen körperlichen Zustandes gewährte Einkünfte) fallen, ist zutreffend, sodass gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO auf deren Richtigkeit verwiesen werden kann.

Rechtliche Beurteilung

Den Revisionsausführungen ist noch folgendes entgegenzuhalten:

Das Ausgleichszulagenrecht geht - ähnlich wie die Sozialhilfegesetze der Länder, die ebenfalls nur bestimmte Einkünfte von einer Anrechnung auf die Sozialhilfe ausnehmen - von einem umfassenden Einkommensbegriff aus. Sämtliche Einkünfte des Pensionsberechtigten in Geld oder Geldeswert iSd § 292 Abs 1 bis 3 ASVG, die nicht im Abs 4 dieser Gesetzesstelle aufgezählt sind, sind bei Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen. Es kommt daher - abgesehen von den im letztgenannten Absatz genannten Ausnahmen - nach stRsp nicht darauf an, aus welchem Titel und von wem die Einkünfte dem Pensionsberechtigten zufließen und ob sie dem Empfänger für oder ohne eine Gegenleistung zukommen (SSV-NF 7/80; 6/141 ua; RIS-Justiz RS0085296; zuletzt: 10 ObS 196/03a).

Nach der Ausnahmebestimmung des § 292 Abs 4 lit d ASVG haben bei Anwendung der Abs 1 bis 3 Einkünfte außer Betracht zu bleiben, "die wegen des besonderen körperlichen Zustandes gewährt werden (Pflegegeld, Blindenzulagen, Schwerstbeschädigtenzulagen, Zuschüsse zu den Kosten für Diätverpflegung und dergleichen)". Der Kläger bestreitet die Berechtigung der von den Vorinstanzen gebilligten Anrechnung des oa Zinseneinkommens auf seinen Anspruch auf Ausgleichszulage unter Hinweis auf diese Norm. "Berechnungsweise und Höhe" des dadurch entstandenen Überbezugs stehen außer Streit (ON 12). Der Revisionswerber beruft sich nur noch darauf, dass es sich hier um Einkünfte handle, die nach leg cit nicht zu berücksichtigen seien, weil die veranlagte Vermögensmasse ohne seine körperliche Beeinträchtigung "nicht existent" wäre, und somit darauf Bedacht zu nehmen sei, aus welchen Kapitalbeträgen die Zinseneinkünfte resultierten.

Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO mit der Begründung für zulässig erklärt, dass - soweit überblickbar - keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, inwieweit Zinserträgnisse aus veranlagtem Schmerzengeld und (veranlagter) Verunstaltungsentschädigung Einkünfte seien, die (iSd zit Ausnahmebestimmung) wegen des besonderen körperlichen Zustands gewährt werden. Die Revision verweist dazu auf die Entscheidung 10 ObS 169/89, wonach unter § 292 Abs 4 lit g ASVG auch "Geldrenten fallen könnten", mit denen im Fall der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Kosten aus einer Vermehrung der Bedürfnisse des Verletzten ersetzt werden, und vertritt den Standpunkt, das Schmerzengeld solle den Verletzten (als Ausgleich für Schmerzen und Unlustgefühle) in die Lage versetzen, sich auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen, sodass durch die Erfüllung anderer Bedürfnisse (Annehmlichkeiten) künftig (seelische oder körperliche) Schmerzzustände ausgeglichen werden. Der Kläger hält daran fest, dass jene Kapitalerträge, die er durch die Veranlagung von Schmerzengeld oder Verunstaltungsentschädigung "zur Sicherung künftiger Bedürfnisse und Erfordernisse lukriert", als Einkünfte zu betrachten seien, die iSd § 292 Abs 4 lit d ASVG ausschließlich wegen seines besonderen körperlichen Zustandes "(Zerstörung der Persönlichkeit und körperliche Verkrüppelung)" gewährt würden.

Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden.

Richtig ist, dass nach leg cit - wie bereits ausgeführt - bei Anwendung des § 292 Abs 1 bis 3 ASVG Einkünfte außer Betracht zu bleiben haben, "die wegen des besonderen körperlichen Zustandes gewährt werden (Pflegegeld, Blindenzulagen, Schwerstbeschädigtenzulagen, Zuschüsse zu den Kosten für Diätverpflegung und dergleichen)". Auch diese Ausnahmebestimmung, deren Entwicklung bereits in der Entscheidung SSV-NF 3/97 eingehend dargestellt wurde, steht jedoch in engem Zusammenhang mit der besonderen sozialen Funktion der Ausgleichszulage. Es soll dadurch gewährleistet werden, dass die Bezieher der (beispielhaft) aufgezählten, wegen des besonderen körperlichen Zustandes (zB Blindheit) gewährten besonderen Einkünfte diese ungeschmälert zur Deckung der mit einem solchen Zustand verbundenen und im Vergleich zu nicht behinderten Personen besonderen Bedürfnissen (insbesondere nach Hilfe und Betreuung) verwenden können (RIS-Justiz RS0085356; RS0085387; zuletzt: 10 ObS 34/02a mwN).

Was nun Zinsen betrifft, die aus der Veranlagung von Kapitalbeträgen (hier: Schmerzengeld und Verunstaltungsentschädigung) gewonnen werden, ist der Revision lediglich zuzugestehen, dass der Kläger vor Inanspruchnahme der Ausgleichszulage nicht zur Verwertung seines Vermögens verpflichtet ist, und dass er auch nicht gezwungen werden könnte, die genannten Kapitalbeträge zinsbringend anzulegen; wenn er jedoch sein Vermögen aktiviert und dadurch Einkünfte in Geld oder Geldeswert erzielt, dann sind diese nach stRsp bei der Feststellung der Ausgleichszulage als Einkommen zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0085101; RS0085284; RS0085406; zuletzt: 10 ObS 223/02w; vgl auch R. Resch, Rechtsfragen der Ausgleichszulage, DRdA 2000, 370 ff [378, 381], wo der Genannte eine Anrechnung von Zinseneinkünften - wenn auch nur im Ausmaß über der Inflationsrate - ausdrücklich als "Ausgleichszulagen-rechtlich geboten" erachtet).

Da dem Kläger die hier strittigen Zinseneinkünfte nicht aufgrund seines körperlichen Zustandes "gewährt", sondern - wie die Revision selbst festhält - von ihm infolge Veranlagung seines Vermögens "lukriert" werden, können sie der zitierten Ausnahmebestimmung bereits nach ihrem Wortlaut nicht unterfallen. Vorliegend geht es aber auch nicht um eine Geldrente, mit der im Fall der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die (auf Seite 4 der Revision angesprochen) Kosten aus einer Vermehrung der Bedürfnisse des Verletzten "ersetzt" werden sollen (vgl dazu 10 ObS 169/98 = SSV-NF 3/97 und RIS-Justiz R0085368); der Kläger erzielt vielmehr durch Einsatz seines Vermögens ein - von seinem Zustand und seinen besonderen Bedürfnissen unabhängiges - Einkommen ("Zinsertrag"), das bei Feststellung seines Anspruches auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen ist.

Die Revision verkennt, dass zwischen der Herkunft der Mittel, die den Gegenstand einer Veranlagung bilden und den hieraus lukrierten Zinsen zu unterscheiden ist. Es kann daher hier dahingestellt bleiben, ob Schmerzengeld uä den Ausnahmebestimmungen des § 292 Abs 4 ASVG zu unterstellen ist, weil die aus der Veranlagung dieser Beträge lukrierten Zinsen jedenfalls als Einkommen zu berücksichtigen sind. Zum gleichen Ergebnis würde es nämlich auch führen, wenn jemand Pflegegeld bezieht, aber keine Aufwendungen für seine Betreuung hat, weil diese von Familienangehörigen unentgeltlich geleistet wird und er daher die Pflegegeldzahlungen zinsbringend anlegt. Auch in diesem Fall müssten - ungeachtet des Umstandes, dass die Pflegegelder in § 292 Abs 4 ASVG ausdrücklich genannt sind - die Zinsen aus dieser Veranlagung bei der Einkommensermittlung für die Ausgleichszulage berücksichtigt werden.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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