OGH 10ObS169/89

OGH10ObS169/8912.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar Peterlunger (Arbeitgeber) und Mag. Walter Holub (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Christine S***, Pensionistin, 1150 Wien, Anschützgasse 15a/1/2, vertreten durch Dr. Karl Burka, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER

A*** (L*** W***), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage zur Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Dezember 1988, GZ 34 Rs 64/88-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 29. Oktober 1987, GZ 18 Cgs 1062/87-9, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die einschließlich 257,25 S Umsatzsteuer mit 1.543,50 S bestimmten halben Kosten der Revision zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die seit einem (am 4.9.) 1977 erlittenen Unfall querschnittgelähmte Klägerin bezieht von der beklagten Partei eine Invaliditätspension, die im Jahre 1987 monatlich 1.980 S brutto ausmachte. Dazu bezieht sie den Hilflosenzuschuß. Weiters bezog sie dazu zuletzt vom 1.1.1984 bis Jänner 1987 eine Ausgleichszulage, die im Jänner 1987 2.888 S (Unterschied zwischen der Invaliditätspension von 1.980 S und dem Richtsatz von 4.868 S) betrug.

Bei der Neufeststellung dieser Ausgleichszulage mit Bescheid vom 21.3.1984 wurde nicht berücksichtigt, daß die Klägerin aufgrund des Urteils des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 4.9.1981, 40 b Cg 198/77-52, vom Haftpflichtversicherer des für den erwähnten Unfall verantwortlichen Kraftfahrzeuglenkers Ernst P*** ab 1.5.1981 eine nicht versteuerte monatliche Rente von 3.000 S für den in dieser Höhe unbestrittenen konkreten Verdienstentgang bezieht. Mit Bescheid vom 21.1.1987 sprach die beklagte Partei unter anderem aus, daß der Klägerin ab 1.1.1984 (wegen der noch zu berücksichtigenden erwähnten Verdienstentgangsrente) kein Anspruch auf Ausgleichszulage zur Invaliditätspension zusteht. Nach Einschränkung ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten rechtzeitigen Klage begehrte die Klägerin mit der Begründung, daß die Verdienstentgangsrente bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage nicht zu berücksichtigen sei, ab 1.2.1987 die Ausgleichszulage (zur Invaliditätspension) im gesetzlichen Ausmaß. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung dieses Begehrens. Das Erstgericht wies die (eingeschränkte) Klage ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin in der Hauptsache mit der Begründung nicht Folge, daß die unversteuerte monatliche Verdienstentgangsrente als Einkunft zu berücksichtigen sei.

Dagegen richtet sich die von der beklagten Partei nicht beantwortete Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit dem Antrag, das Berufungsurteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 4 ASGG (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der WGN 1989) ohne die Beschränkungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle (in der erwähnten Fassung) zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Der Standpunkt der Revisionswerberin, ihre monatliche konkrete Verdienstentgangsrente von 3.000 S stelle eine Einkunft im Sinn des § 292 Abs 4 lit d ASVG dar, widerspricht der Rechtslage. Nach der zitierten Gesetzesstelle haben bei Anwendung ihrer Absätze 1 bis 3 Einkünfte außer Betracht zu bleiben, die wegen des besonderen körperlichen Zustandes gewährt werden (Hilflosenzuschüsse, Blindenzulagen, Schwerstbeschädigtenzulagen, Zuschüsse zu den Kosten für Diätverpflegung, Wirtschaftshilfe nach dem Tuberkulosegesetz udgl).

Diese Ausnahmebestimmung geht auf die (erste) ASVGNov BGBl 1956/266 zurück, nach deren Art I Z 4 § 292 Abs 2 zu lauten hatte:

"Gesamteinkommen im Sinne des Abs.1 ist die Summe aller Einkünfte eines Rentenberechtigten nach Abzug des zur Erzielung dieser Einkünfte notwendigen Aufwandes und zuzüglich der nach § 292 a auf Grund von gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigenden Beträge. Als Einkünfte gelten alle Bezüge des Rentenberechtigten in Geld oder Geldeswert, insbesondere derartige Bezüge aus einem gegenwärtigen oder früheren Dienst- oder Lehrverhältnis oder aus Unterhalts- oder Rentenansprüchen öffentlicher oder privater Art. Außer Betracht bleiben bei der Feststellung des Gesamteinkommens: ...... d) Einkünfte, die wegen des besonderen körperlichen Zustandes des Rentenberechtigten gewährt werden (Hilflosenzuschüsse, Blindenzulagen udgl); .....". Dadurch wurde die Stammfassung des § 292 Abs 2 ASVG geändert, in der das Gesamteinkommen im Sinn des Abs 1 als die Summe aller Einkünfte eines Rentenberechtigten definiert wurde, die bei Bemessung einer Fürsorgeunterstützung nach den Vorschriften über die öffentliche Fürsorge zu berücksichtigen waren.

Die EB zur RV zur (ersten) ASVGNov 150 BlgNR 8.GP 6 führten zu Art 1 Z 2 unter anderem aus, im § 292 Abs 2 ASVG werde der Begriff Gesamteinkommen näher umschrieben. Die gegenwärtige gesetzliche Regelung schließe sich hiebei eng an die Vorschriften über die Bemessung einer Fürsorgeunterstützung nach den Vorschriften über die öffentliche Fürsorge an. Diesen Vorschriften zufolge sei zu den eigenen Mitteln, die der Hilfsbedürftige einsetzen müsse, ehe ihm die Fürsorge Hilfe gewähre, sein gesamtes verwertbares Vermögen und Einkommen zu rechnen, unter anderem auch Bezüge aus Unterhalts- oder Rentenansprüchen öffentlicher oder privater Art (§ 8 Abs 1 der (Reichs)Grundsätze über Voraussetzungen, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge vom 4.Dezember 1924, DRGBl S 765, in der zuletzt geltenden Fassung). Der Entwurf lasse die bisherige Beziehung zum Einkommensbegriff der öffentlichen Fürsorge fallen und schaffe einen eigenen Einkommensbegriff. Das bei der Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage zu berücksichtigende Einkommen solle sich demnach aus der Summe aller Einkkünfte des Rentenberechtigten nach Abzug des zur Erzielung dieser Einkünfte notwendigen Aufwandes und aus dem Betrag zusammensetzen, der aufgrund von gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen entsprechend der im Art I Z 5 (§ 292 a) vorgesehenen Regelung zu berücksichtigen sei. Bei der Anführung von Einkünften, die bei der Feststellung des Gesamteinkommens außer Betracht zu bleiben hätten, übernehme der Entwurf in lit a bis d die bisherige Regelung des § 292 Abs 2 letzter Satz und in lit e, f und g die Regelung, wie sie nach der 9. Arbeitslosenversicherungsgesetznovelle BGBl 1956/162 für den Bereich der Arbeitslosenversicherung gelte.

Der in den EB bezogene § 8 Abs 1 der Reichsgrundsätze lautete:

"Zu den eigenen Mitteln, die der Hilfsbedürftige einsetzen muß, ehe ihm die Fürsorge Hilfe gewährt, ist sein gesamtes verwertbares Vermögen und Einkommen zu rechnen, besonders Bezüge in Geld oder Geldeswert aus gegenwärtigem oder früherem Arbeits- oder Dienstverhältnis und aus Unterhalts- oder Rentenansprüchen öffentlicher oder privater Art".

Abs 4 dieses Paragraphen bestimmte: "Bei Prüfung der Hilfsbedürftigkeit, der Art und des Umfanges der Hilfe bleiben Zuwendungen außer Ansatz, die die freie Wohlfahrtspflege oder ein Dritter zur Ergänzung der öffentlichen Fürsorge gewährt, ohne dazu eine rechtliche oder eine besondere sittliche Pflicht zu haben. Dies gilt nicht, wenn die Zuwendung die wirtschaftliche Lage des Unterstützten so günstig beeinflußt, daß öffentliche Fürsorge ungerechtfertigt wäre."

Abs 5 dieses Paragraphen der Reichsgrundsätze bestimmte: "Ebenso soll bei Personen, die trotz vorgerückten Alters oder trotz starker Beschränkung ihrer Erwerbsfähigkeit unter Aufwendung besonderer Tatkraft einem Erwerbe nachgehen, ein angemessener Betrag des Arbeitsverdienstes außer Ansatz bleiben; das gilt besonders bei Blinden, Hirnverletzten oder anderen Schwererwerbsbeschränkten." Als schwererwerbsbeschränkt waren nach den amtlichen Erläuterungen Personen anzusehen, die wenigstens um 50 vH. in ihrer Erwerbsfähigkeit beschränkt waren.

Der nunmehr im § 292 Abs 4 ASVG geregelte Ausnahmekatalog steht in engem Zusammenhang mit der besonderen sozialen Funktion der Ausgleichszulage. Diese soll nicht dadurch eingeengt oder gar aufgehoben werden, daß Leistungen, die schon aufgrund anderer Bestimmungen - etwa wegen des Familienstandes oder wegen der besonderen persönlichen Verhältnisse - zu gewähren sind, in die Berechnung des Nettoeinkommens einbezogen werden und damit einen Ausgleichszulagenanspruch vermindern oder gar nicht erst entstehen lassen würden. Das gilt besonders für solche Zuwendungen, die dem Pensionisten zur Deckung eines bestimmten Aufwandes zukommen (so auch MGA ASVG 48. ErgLfg § 292 FN 5).

Weil die bei der Ermittlung des Nettoeinkommens außer Betracht zu lassenden Einkünfte im § 292 Abs 4 ASVG - soweit nicht anderswo diesbezüglich ausdrücklich etwas anderes bestimmt wird (zB im § 5 Abs 2 Tapferkeitsmedaillen-Zulagengesetz 1962

BGBl 146) - abschließend aufgezählt sind, zählen alle darin nicht genannten Bezüge in Geld oder Geldeswert zum Einkommen (MGA ASVG

48. ErgLfg § 292 FN 5; SSV-NF 2/37).

Aus den im Klammerausdruck des § 292 Abs 4 lit d ASVG gebrauchten Wörtern "und dergleichen" ergibt sich allerdings, daß es sich bei den in der Klammer angeführten Einkünften nur um eine beispielsweise Aufzählung handelt. Daher fallen auch andere Einkünfte, die - wie die im Klammerausdruck erwähnten Einkünfte - wegen des besonderen körperlichen Zustandes gewährt werden, unter diese Gesetzesstelle.

Damit soll gewährleistet werden, daß der Pensionist die wegen seines besonderen körperlichen Zustandes (Hilflosigkeit, Blindheit udgl) gewährten besonderen Einkünfte ungeschmälert zur Deckung der mit diesem Zustand verbundenen und im Vergleich zu nicht gebrechlichen Pensionisten besonderen Bedürfnisse, insbesondere nach Wartung und Hilfe verwenden kann (ähnlich Teschner in Tomandl, SV-System 4. ErgLfg 411).

Unter § 292 Abs 4 lit d ASVG könnten daher zB Geldrenten fallen, mit denen im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Kosten aus einer Vermehrung der Bedürfnisse des Verletzten ersetzt werden (§ 13 Z 3 und § 14 Abs 1 Z 2 EKHG und infolge Größenschlusses auch § 1325 ABGB !Reischauer in Rummel, ABGB § 1325 Rz 12 und 13 mit Judikatur- und Literaturzitaten ). Die Geldrente, durch die im Fall der Verletzung des Körpers oder Gesundheit der Vermögensnachteil zu ersetzen ist, den der Verletzte dadurch erleidet, daß infolge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert ist (§ 13 Z 2 und § 14 Abs 1 Z 1 EKHG und § 1325 ABGB), fällt jedoch nicht unter § 292 Abs 4 lit d ASVG. Eine solche Rente soll dem Verletzten, der den Schaden nicht teilweise mitzutragen hat, soviel als Verdienstentgang ersetzen, daß ihm jener Nettobetrag verbleibt, der ihm bei weiterer Ausübung der Beschäftigung verbleiben würde (Reischauer aaO Rz 25 mit Judikaturzitaten). Sie wird aber nicht zur Abgeltung der wegen des besonderen Zustandes vermehrten Bedürfnisse des Verletzten gewährt.

Die von der Revisionswerberin bezogene monatliche Rente von 3.000 S ersetzt daher bloß ein entsprechendes Erwerbseinkommen und ist daher - wie ein solches - als ein aus übrigen Einkünften der Pensionsberechtigten erwachsendes, nicht um gesetzlich geregelte Abzüge zu verminderndes Nettoeinkommen nach § 292 Abs 1 und Abs 3 ASVG der Pension zuzurechnen. Da die Summe aus Pension und diesem Nettoeinkommen im Jahr 1987 den Richtsatz überschritt, hatte die Revisionswerberin seit 1.2.1987 keinen Anspruch auf die begehrte Ausgleichszulage.

Daß die Revisionswerberin wegen ihres besonderen körperlichen Zustandes ständig der Wartung und Hilfe bedarf, wird pensionsversicherungsrechtlich dadurch berücksichtigt, daß ihr zur Invaliditätspension ein Hilflosenzuschuß gewährt wird, der nach § 292 Abs 4 lit d ASVG bei Anwendung der Abs 1 und 3 leg cit außer Betracht zu bleiben hat, also nicht den Einkünften zugerechnet wird. Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG (SSV-NF 1/66).

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