Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die betreibende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Das Erstgericht erklärte auf Antrag des Betreibenden drei Urteile des polnischen Rayonsgerichts Szczecin für Österreich für vollstreckbar und bewilligte zur Hereinbringung des rückständigen Unterhaltsbetrags von umgerechnet 8.242,49 EUR sA die Fahrnisexekution. Dagegen wies das Erstgericht den Antrag auf Bewilligung der Fahrnisexekution zur Hereinbringung auch der laufenden Unterhaltsbeträge unangefochten ab. Aus dem Urteil des Rayonsgerichts Szczecin vom 28. Mai 1991, AZ RIXC 1430/89 (1. polnisches Titelurteil), hattte der Betreibende einen Unterhaltsrückstand von fünf neue Zloty (PLN) monatlich vom 1. September 1989 bis zum 14. November 1990 (insgesamt 75 PLN) und für die Zeit vom 15. November 1990 bis 31. Mai 1997 einen Unterhaltsrückstand von je 40 PLN monatlich, daher insgesamt von
3.120 PLN geltend gemacht (damals umgerechnet insgesamt 11.507,43 S). Aus dem Urteil desselben Gerichts vom 10. Juni 1997, AZ RIXC 1269/96 (2. polnisches Titelurteil), hatte der Betreibende hinsichtlich eines Rückstands von 409 PLN monatlich vom 1. Juni 1997 bis zum 6. Mai 1998, insgesamt daher 4.409 PLN (= 15.847,40 S = 1.151,68 EUR) Vollstreckbarerklärung und Exekutionsbewilligung begehrt. Letztlich betrifft der Antrag auch das Urteil desselben Gerichts vom 29. Oktober 1998, AZ RIXC 506/98 (3. polnisches Titelurteil), womit die dem Betreibenden zuerkannte Unterhaltsrente auf den Betrag von je 700 PLN monatlich ab 7. Mai 1998 erhöht wurde. In seinem Antrag hatte dieser einen Unterhaltsrückstand von 700 PLN für die Zeit vom 8. Mai 1998 bis zum 10. Jänner 2001, insgesamt daher von 22.400 PLN (= 80.677,90 S = 5.863,09 EUR) sowie einen laufenden Unterhalt von 700 PLN laufend ab 11. Jänner 2001 geltend gemacht.
Zur Begründung führte das Erstgericht aus, es sei geprüft worden, ob die Bestellung eines Kurators für den Verpflichteten im Rahmen des Titelverfahrens ordnungsgemäß erfolgt sei und ob auch die Voraussetzungen für die Bestellung eines solchen gegeben gewesen seien. Diese Erhebungen hätten ergeben, dass für den Verpflichteten, dessen Aufenthalt dem Titelgericht nicht bekannt gewesen sei, zu Recht gemäß Art 143 der polnischen Zivilprozessordnung (poln ZPO) ein Kurator bestellt worden sei. Weitergehende Erhebungen seien nicht mehr möglich.
Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Die zweite Instanz verneinte die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens sowie einen angeblichen Widerspruch des erstinstanzlichen Beschlusses mit sich selbst.
Im Verfahren, das zum 1. polnischen Titelurteil geführt habe, sei dem Verpflichteten eine Abschrift der Klage, eine Belehrung und die Vorladung zur Gerichtsverhandlung zugestellt worden. Er habe sich auf das Verfahren eingelassen und eine Äußerung zur Klage erstattet. Die Voraussetzungen für eine Vollstreckbarerklärung im Inland nach Art 48 des polnisch-österreichischen Rechtshilfevertrags lägen vor. Der Verpflichtete habe den Beweis iS dessen Abs 1 lit d, dass er von dem Verfahren tatsächlich nicht zeitgerecht Kenntnis erhalten habe, und sich daran zu beteiligen, nicht erbracht.
In den zu den beiden späteren Urteilen führenden Verfahren sei jeweils eine Abschrift der Klage und die Ladung zur Gerichtsverhandlung einer mit Anordnung des Rayonsgerichts Szczecin bestellten Kuratorin zugestellt worden, die die Interessen des Verpflichteten in jenen Verfahren vertreten habe. Die Bestellung eines Prozesskurators sei jeweils gemäß Art 143 poln ZPO erfolgt, da dem Rayonsgericht Szczecin der Aufenthaltsort des Verpflichteten und seine aktuelle Zustelladresse nicht bekannt gewesen sei. Diese Zustellungen seien nach Art 144 poln ZPO wirksam erfolgt. Der Verpflichtete sei in beiden Verfahren durch die jeweils bestellten Kuratorinnen vertreten gewesen. Daher lägen auch hier die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung vor. Demgemäß habe das Erstgericht zu Recht auch die Fahrnisexekution zur Hereinbringung des Unterhaltsrückstands bewilligt.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu Art 48 und 53 des polnisch-österreichischen Rechtshilfevertrags Rsp des Obersten Gerichtshofs fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Verpflichteten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
a) Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die Vorinstanzen, was allerdings ohne Auswirkung auf das Ergebnis bleibt, die Anwendbarkeit des LGVÜ im vorliegenden Fall nicht geprüft haben.
Die Republik Österreich hat das am 16. September 1988 in Lugano abgeschlossene Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LGVÜ) am 26. Februar 1992 unterzeichnet, nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunde am 27. Juni 1996 und Veröffentlichung in BGBl 1996/448 trat es am 1. September 1996 (völkerrechtlich) in Kraft und gilt seit diesem Zeitpunkt. Auch Polen hat dieses Übereinkommen unterzeichnet und die Beitrittsurkunde am 1. November 1999 hinterlegt (BGBl III 2000/104). Damit ist es seit 1. Februar 2000 auch in Polen in Kraft. Der vorliegende Antrag wurde beim Erstgericht erst danach, nämlich am 8. Februar 2001, gestellt. Unterhaltssachen fallen in den sachlichen Anwendungsbereich des LGVÜ/EuGVÜ (3 Ob 20/02s = JBl 2003, 191 = ÖA 2002, 187). Nach Art 54 Abs 1 LGVÜ sind aber die Vorschriften dieses Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Entscheidungen nur auf solche Klagen anzuwenden, die erhoben worden sind, nachdem das Übereinkommen im Ursprungsstaat von dem Vollstreckungsstaat in Kraft getreten ist. Es gilt somit das Prinzip der Nichtrückwirkung (3 Ob 31/02h = RdW 2003, 90; 3 Ob 20/02s, Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Brüssel und Lugano, Art 54 Rz 1). Im vorliegenden Fall sind alle drei Titelentscheidungen bereits vor Inkrafttreten des LGVÜ im Ursprungsstaat (Polen) ergangen, weshalb die Voraussetzungen des Art 54 Abs 1 LGVÜ hier nicht vorliegen. Dasselbe gilt aber auch für Art 54 Abs 2 LGVÜ, der ebenfalls voraussetzt, dass bei vorher eingebrachter Klage zumindest die Entscheidung nach Inkrafttreten zwischen Ursprungsstaat und ersuchtem Staat erlassen wurde. Damit kann aber das LGVÜ auf die vorliegende Entscheidung nicht angewendet werden.
b) Nach dem Datum der Einleitung des vorliegenden Verfahrens ist allerdings § 84 EO bereits idF der EO-Nov 2000 anzuwenden. Nach dessen Abs 4 ist ein weiterer Rekurs gegen die Entscheidung über einen wegen der Erteilung der Versagung der Vollstreckbarerklärung erhobenen Rekurs nicht deshalb unzulässig, weil das Gericht zweiter Instanz die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung zur Gänze bestätigt hat. Die übrigen Beschränkungen des Zugangs zum Obersten Gerichtshof nach § 528 Abs 2 ZPO iVm § 78 EO gelten aber auch im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung ausländischer Exekutionstitel (3 Ob 20/02s; Jakusch in Angst, EO, § 84 Rz 9 und § 65 Rz 21; Burgstaller/Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 84 Rz 30). Insbesondere ist daher die Anrufung des OGH (nunmehr) bei einem 4.000 EUR nicht übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstands jedenfalls unzulässig (wie Burgstaller/Höllwerth aaO zutreffend, wenn auch bedauernd ausführen). Schließlich sind nach § 83 Abs 2 EO auf das Vollstreckbarerklärungsverfahren die Bestimmungen über die Exekution inländischer Akte und Urkunden sinngemäß anzuwenden, soweit nicht im betreffenden Titel etwas anderes bestimmt ist. Daraus folgt aber weiters, dass auch auf die Vollstreckbarerklärung jene Rsp anwendbar ist, wonach die einzelnen Ansprüche bei Beurteilung der Frage der Zulässigkeit des Revisionsrekurses gesondert behandelt werden, wenn aufgrund mehrerer Exekutionstitel zur Hereinbringung verschiedener Forderungen Exekution geführt wird, selbst wenn die dem Titel zugrunde liegenden Forderungen im tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (zuletzt 3 Ob 232/03v; RIS-Justiz RS0002316). Was nun die beiden älteren Exekutionstitel angeht, war nach dem eindeutigen Inhalt des Antrags Gegenstand des Verfahrens nicht etwa laufender Unterhalt, sondern nur rückständiger Unterhalt jeweils bis zum Wirksamwerden des nächsten, den früheren jeweils abändernden Unterhaltsexekutionstitels. Die jeweiligen Beträge erreichen nun nach dem im Antrag angegebenen Umrechnungskurs der polnischen Währung bei weitem nicht die Grenze von 4.000 EUR, weshalb insoweit der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist (§ 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO).
c) Was die Vollstreckbarerklärung des 3. polnischen Titelurteils betrifft, haben nach dem einleitend Gesagten die Vorinstanzen zu Recht das Übereinkommen zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Polen über die wechselseitigen Beziehungen in bürgerlichen Rechtssachen und Urkundenwesen BGBl 1974/79 (im Folgenden nur Rechtshilfevertrag) angewendet, wogegen auch der Revisionsrekurswerber keinen Einwand erhebt. Es handelt sich hier ja um die Geltendmachung von Unterhalt, also einer mit dem Personen- und Familienrecht zusammenhängenden vermögensrechtlichen Angelegenheit (Duchek/Schütz/Tarko, Zwischenstaatlicher Rechtsverkehr2 965 Anm 29a). Unter dieser Voraussetzung sind nach Art 51 des Rechtshilfevertrags Entscheidungen der Gerichte eines der Vertragsstaaten im anderen Vertragsstaat zu vollstrecken, wenn sie im Vertragsstaat, in dem sie gefällt worden sind, vollstreckbar sind und gemäß Art 48 bis 50 anzuerkennen sind.
Der Revisionsrekurs bezieht sich ausschließlich auf das Fehlen der positiven Anerkennungsvoraussetzungen nach Art 48 Abs 1 lit c des Rechtshilfevertrags. Demnach müssen die Rechte der Verteidigung gewahrt worden sein, insbesondere müssen die Parteien dem Gesetz entsprechend vertreten gewesen oder als säumig behandelt worden sein. Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers kann aber von einer Säumnisentscheidung hier keine Rede sein, hat doch das Titelgericht im allein noch zu beurteilenden Verfahren eine Kuratorin für ihn bestellt, der auch die Klage zugestellt wurde. Es kommt daher Art 53 des Rechtshilfevertrags gar nicht zur Anwendung. Ob der Verpflichtete in jenem Verfahren dem Gesetz (gemeint kann hier nur das polnische Gesetz sein) entsprechend vertreten war, ist, was auch von ihm nicht bezweifelt wird, nach dem Verfahrensrecht des Urteilsstaats, somit nach polnischem Recht zu prüfen. Im vorliegenden Verfahren sind die Vorinstanzen übereinstimmend zur Auffassung gekommen, dass dem Titelgericht der Aufenthalt des Verpflichteten nicht bekannt war. Diese Feststellung kann vom Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht überprüft werden (Kodek in Rechberger2 § 503 ZPO Rz 1; RIS-Justiz RS0042903). Der einzige Ausnahmefall, dass Feststellungen auf Schlussfolgerungen beruhen, die mit den Denkgesetzen unvereinbar wären (ZVR 1988/130; 1 Ob 256/01f, RIS-Justiz RS0043307), liegt hier evident nicht vor. Bei seiner Auffassung, es sei ihm der Beweis gelungen, seine Wohnanschrift sei dem Titelgericht nicht unbekannt gewesen, übersieht der Verpflichtete offensichtlich, dass er nicht nur mit von ihm selbst vorgelegten Urkunden in Widerspruch stehende Angaben gemacht hat, sondern dass auch diese Urkunden miteinander in Widerspruch stehen. Während eine Wohnungsgesellschaft bestätigte, er habe in einer bestimmten Wohnanlage vom 1. Juni 1989 bis zum 10. März 1999 gewohnt, ergibt sich aus einer Meldebestätigung des Meldeamts der betreffenden Gemeinde, dass er dort zwischen 15. Mai 1990 und 5. Jänner 1995 nicht gemeldet war. Während die Wiederanmeldung von einer Schweizer Adresse erfolgte, war die Abmeldung nach Wien ohne Angabe einer Adresse erfolgt. Im Hinblick auf die aktenkundigen Erhebungsergebnisse des Vertreters des Verfahrenshelfers des Betreibenden kann ein Verstoß gegen die Denkgesetze, wie dargestellt, in der Tatsachenfeststellung der Vorinstanzen nicht gesehen werden.
Damit zeigt sich aber, dass erhebliche Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO in Wahrheit nicht zu beantworten sind. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass offensichtlich zu § 48 Abs 1 lit c des Rechtshilfevertrags keine Rsp des Obersten Gerichtshofs existiert. Auch im vorliegenden Fall ist keine erhebliche Rechtsfrage zu beantworten, wenn das Gesetz selbst eine klare, dh eindeutige Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656). Darüber hinaus releviert auch der Revisionsrekurswerber keine derartige Rechtsfrage, läuft doch seine Argumentation im Wesentlichen nur darauf hinaus, es seien in Wahrheit Schwierigkeiten iSd Art 143 poln ZPO, die die Bestellung eines Kurators für ihn gerechtfertigt hätten, gar nicht gegeben gewesen. Damit wird, wie schon dargelegt, lediglich unzulässigerweise versucht, die vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen zu bekämpfen. Auch die Beurteilung, dass im konkreten Fall keine Säumnisentscheidung vorliegt, erfordert keine Entscheidung in der Sache.
Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung betreffend die Revisionsrekursbeantwortung beruht auf § 78 EO iVm §§ 50, 40 ZPO. Die Revisionsrekursbeantwortung war zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht erforderlich, weil der Betreibende auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Revisionsrekurses nicht hingewiesen hat.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)