OGH 3Ob31/02h

OGH3Ob31/02h18.7.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der Antragstellerin und betreibenden Partei S.A. T*****, vertreten durch Petsch, Frosch & Klein, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerin und verpflichtete Partei Heinz W***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.917,29 EUR (= 45.374,42 FF) sA, infolge Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 3. Oktober 2001, GZ 22 R 294/01v-7, womit infolge Rekurses der betreibenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 16. Juli 2001, GZ 12 E 3471/01v-2, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekursbeantwortung der verpflichteten Partei wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung der betreibenden Partei werden mit 499,38 EUR (darin enthalten 83,23 EUR USt) als weitere Kosten des Exekutionsverfahrens bestimmt.

Text

Begründung

Nach den Entscheidungsgründen des ausländischen Exekutionstitels, des am 19. November 1999 in Frankreich für vollstreckbar erklärten, kontradiktorischen teilweise abändernden Berufungsurteils (im Folgenden französisches Berufungs- oder Titelurteil) des Cour d´ Appel de Versailles (im Folgenden Titelgericht) vom 15. November 1999 beauftragte die französische Absenderin einen französischen "Transportspediteur" (im Folgenden Spediteur) mit Bestellschein vom 4. August 1994, bis spätestens 12. August 1994 "Kühlmaterial" aus Podensac, Frankreich, nach Linz, Österreich, zu transportieren. Der Spediteur "vergab den Transportvorgang" an einen belgischen Frachtführer (die nun betreibende Partei) und dieser wiederum an einen österr. Frachtführer, dessen Rechtsnachfolger die nun verpflichtete Partei ist. Die beiden Frachtstücke langten erst verspätet am 16. August 1994 beim Empfänger, der die Entgegennahme der Lieferung verweigerte, ein.

Das französische Berufungsgericht wies das Klagebegehren des Spediteurs gegen den Absender auf Zahlung der Provision aus dem Speditionsvertrag ab (iS einer Bestätigung des Ersturteils) und verhielt den Spediteur zur Zahlung von 10.000 FF an Schadenersatz, weiterer 10.000 FF gemäß Art 700 Nouveau Code de Procédure Civile (Neue französische Zivilprozessordnung, im Folgenden nur NCPC) als Ersatz für Kosten und Auslagen und der Verfahrenskosten beider Instanzen einschließlich der Kosten für die Zahlungsaufforderung. Weiters verurteilte es auch die Parteien des vorliegenden Verfahrens, denen der Streit verkündet worden war, als regresspflichitge Dritte: a) Die hier betreibende Partei dazu, dem Spediteur 14.812,65 FF an Kapital zuzüglich Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz aus diesem Betrag ab 21. April 1995, 5.000 FF gemäß Art 700 NCPC sowie die gesamten Verfahrenskosten beider Instanzen einschließlich der Kosten für die "Klage" (assignation) vom 21. August 1995 zu zahlen und den Spediteur in Ansehung aller gegenüber diesem zu Gunsten der Absenderin verhängten Verurteilungen aus dem Titel des Schadenersatzes, aus dem Titel des Art 700 NCPC sowie aus dem Titel der Kosten schad- und klaglos zu halten; b) die Rechtsvorgängerin der nun verpflichteten Partei dazu, die betreibende Partei in Ansehung aller über sie verhängten "Verurteilungen" zu Gunsten des Spediteurs aus dem Titel des Schadenersatzes, des Art 700 NCPC und der Kosten einschließlich der Kosten für die "Klage" vom 21. August 1995 schad- und klaglos zu halten (á relever et garantir). Schließlich wies das Berufungsgericht das Begehren der Parteien im vorliegenden Verfahren auf Zuspruch nach Art 700 NCPC ab und verhielt die Rechtsvorgängerin der verpflichteten Partei zur Zahlung der Kosten dieser "Streitverkündung", offenbar, wie sich aus der Nennung der Anwälte in diesem Punkt ergibt, zu Gunsten der betreibenden Partei und ermächtigte diese Anwälte, den sie betreffenden Teil gemäß Art 699 NCPC direkt einbringlich zu machen.

Das französische Berufungsgericht wendete auf den Versand der Waren von Frankreich nach Österreich die CMR an. Die "Streitverkündung" (appel en garantie) des Spediteurs an die betreibende Partei sei begründet, weil auf ihm die Haftung des Art 17 CMR laste. Daher habe die betreibende Partei u.a. auch jenen Betrag von 14.812,65 FF zu bezahlen, der der Höhe der von der Absenderin nicht bezahlten Rechnung des Spediteurs entspreche, erhöht um die gesetzlichen Zinsen ab der Streitverkündung. Der betreibenden Partei gestand das Berufungsgericht ein Regressrecht gegenüber ihrer Substitutin, der Rechtsvorgängerin der nun verpflichteten Partei zu.

Am 21. Februar 2000 erließ ein französischer Gerichtsvollzieher in der Rechtsform einer Personengesellschaft auf Ersuchen des Spediteurs als Hauptbeklagten im Titelverfahren gegen die hier betreibende Partei einen Zahlungsbefehl mit Androhung der Pfändung ihrer beweglichen Sachgüter, falls binnen einer achttägigen Frist die nachstehend angeführten Beträge nicht bezahlt würden. Der darin angeführte Gesamtsaldo von 45.374,42 FF setzt sich zusammen wie folgt: Hauptbetrag 14.812,65 FF, Art 700 NCPC 5.000 FF, Rückzahlung Zahlungsbefehl klagende Partei 20.860,40 FF, aufgelaufene Zinsen per 17. Februar 2000 (7,74 %) 3.242,76 FF, zu entrichtende Kosten 402,75 FF, Inkassogebühr 317,01 FF, Kosten dieser Urkunde 569,51 FF, Umsatzsteuer 169,34 FF. Mit Schreiben vom 24. Februar 2000 bestätigte der genannte Gerichtsvollzieher gegenüber der betreibenden Partei den Erhalt eines Schecks über 45.374,42 FF.

Mit dem am 6. Juli 2001 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrte die betreibende Partei, das Urteil des französischen Berufungsgerichts für die Republik Österreich für vollstreckbar zu erklären und auf Grund dieses Urteils gegen die verpflichtete Partei zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von 45.374,42 FF an Kapital und kapitalisierten Zinsen, von 7.103,18 FF an Kosten, von 5 % Zinsen aus 14.812,65 FF seit 18. Februar 2000 und der Kosten des Antrags die Fahrnisexekution zu bewilligen. Dazu brachte sie vor, sie habe am 24. Februar 2000 eine Zahlung über insgesamt 45.374,72 FF an den Spediteur geleistet. Dieser Betrag beinhalte 14.812,65 FF an Hauptforderung, 5.000 FF gemäß Art 700 NCPC, 20.000 FF (davon 10.000 FF Schadenersatz und 10.000 FF nach Art 700 NCPC), 860,40 FF an Kosten für die Zahlungsaufforderung, 3.242,76 FF an kapitalisierten gesetzlichen Zinsen aus 14.812,65 FF bis 17. Februar 2000 und weitere 1.458,61 FF an Kosten. Die Kosten für die Ausstellung der Urkunde vom 24. Februar 2000 von 669,05 FF würden im Kostenverzeichnis geltend gemacht. Die Kosten der Rechtsanwälte beim Berufungsgericht (der klagenden und der hauptbeklagten Parteien) betrügen 3.361,58 FF und 3.741,60 FF. Der Zustellnachweis betreffend das Titelurteil werde vorgelegt.

Das Erstgericht wies beide Anträge ab. Der Exekutionstitel entspreche nicht § 7 Abs 1 EO, weil aus ihm der genaue Anspruch nicht hervorgehe.

Das Rekursgericht verfügte die Zustellung des Rekurses ON 3 der betreibenden Partei an die verpflichtete Partei. Nach dem Stempelaufdruck auf dem Rückschein wurde u.a. dieser Rekurs am 14. August 2001 einer Arbeitnehmerin einer Speditionsgesellschaft unter der Adresse der verpflichteten Partei ausgefolgt. Wie die vom erkennenden Senat veranlassten Erhebungen ergaben, hat die betreffende Arbeitnehmerin die Schriftstücke, insbesondere auch den Rekurs ON 3 noch an diesem Tag dem Geschäftsführer der verpflichteten Partei übergeben. Damit ist aber der zunächst vorgelegene Zustellmangel gemäß § 7 ZustG geheilt. Die entsprechende Verfügung lautete ja korrekt auf Zustellung an die verpflichtete Partei und nicht an jene Gesellschaft, deren Dienstnehmerin die Schriftstücke tatsächlich vorerst übernahm. Die verpflichtete Partei erstattete keine Rekursbeantwortung.

Mit dem angefochtenen Beschluss änderte Rekursgericht den erstinstanzlichen Beschluss teilweise dahin ab, dass es 1.) das Titelurteil in Ansehung von 43.055,41 FF samt 5 % Zinsen aus 14.812,65 FF seit 18. Februar 2000 für das Gebiet der Republik Österreich für vollstreckbar erklärte, 2.) die Kosten der betreibenden Partei mit 21.171,68 S bestimmte und ihr 3.) auf Grund des Titelurteils zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von 43.055,51 FF samt 5 % Zinsen aus 14.812,65 FF seit 18. Februar 2000 und der Kosten 21.171,68 S die Fahrnisexekution bewilligte. In Ansehung des Mehrbegehrens bestätigte es inhaltlich den erstinstanzlichen Beschluss sowohl in Ansehung der Vollstreckbarkeitserklärung als auch der Exekutionsbewilligung

Nach der Rechtsauffassung des Rekursgerichts erkenne Art 6 EuGVÜ die Möglichkeit einer Klage auf Gewährleistung und einer Interventionsklage vor dem Gericht des Hauptprozesses an. Zwar habe Österreich gegen den Gerichtsstand der Gewährleistungs- und Interventionsklage in dem in der Entscheidung SZ 70/60 dargelegten Sinn einen Vorbehalt erhoben, weshalb dieser Gerichtsstand hier nicht beansprucht werden könne, doch müssten Österreicher, die auf Grund dieser Bestimmung vor ein ausländisches Gericht gezogen würden, dies dulden und müssten daraufhin ergangene Entscheidungen in Österreich auch anerkannt und vollstreckt werden. Sei das französische Gericht daher nach Art 6 EuGVÜ zuständig gewesen, dann müsse nach Art 54 Abs 2 EuGVÜ auch das nach dem Inkrafttreten des EuGVÜ (in Österreich am 1. Dezember 1998) am 15. November 1999 ergangene Titelurteil nach den Bestimmungen des III. Titels des EuGVÜ vollstreckt werden. Nach herrschender Meinung sei einem ausländischen Urteil im Anwendungsbereich des EuGVÜ grundsätzlich dieselbe Wirkung zuzubilligen wie im Urteilsstaat. Eine Anpassung bzw Beschränkung an die vom österr. Verfahrensrecht vorgesehenen Entscheidungsformen und -wirkungen finde daher insoweit nicht statt. Damit komme es primär darauf an, ob und in welchem Umfang das Titelurteil in Frankreich vollstreckbar sei. Ein solches französisches (Garantie)Urteil sei nach der Entscheidung des OLG Hamburg IPRax 1995, 391 unter den Voraussetzungen der Artt 27 f, 34 Abs 2 EuGVÜ wie ein Zahlungstitel zu vollstrecken, soweit das Haupturteil selbst einen Zahlungsanspruch tituliere, ohne dass es auf den Nachweis des Garantieverpflichteten darüber ankäme, dass er den Garantiebegünstigten freiwillig oder im Wege der Vollstreckung befriedigt habe. Dem schließe sich das Rekursgericht an, weshalb das Titelurteil anzuerkennen und zu vollstrecken sei. Der Nachweis der Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat liege vor, ebenso ein Zustellnachweis (hier vom 13. Juni 2000). In Ansehung der gesetzlichen Zinsen könne zur näheren Bestimmung auf den Zahlungsbefehl vom 21. Februar 2000 zurückgegriffen werden. Das Urteil sei daher für insgesamt 43.055,41 FF (39.812,65 FF aus dem Titel selbst hervorgehend zuzüglich gesetzlicher Zinsen aus 14.812,65 FF seit 21. April 1995) für vollstreckbar zu erklären. In Ansehung der "Kostenbekanntgaben" über 3.361,58 FF und 3.741,60 FF, die dem Titelurteil selbst nicht entnommen werden könnten, sei kein Kostenfestsetzungsbeschluss eines Urkundsbeamten iSd Art 25 EuGVÜ vorgelegt worden, weshalb mangels Bestimmtheit des Kostenbetrags aus dem Urteil selbst insoweit keine Vollstreckbarerklärung zu erfolgen habe. Der Beweis der Rechtsnachfolge (§ 9 EO) der verpflichteten Partei gegenüber der im Titelurteil genannten Personenhandelsgesellschaft nach § 142 HGB sei erbracht.

Ein weiterer Rechtszug sei zuzulassen, weil der Entscheidungsgegenstand 52.000 S übersteige und Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Vollstreckbarerklärung eines französischen "Garantieurteils" fehle und ein Teil der österr. Lehre die Ansicht vertrete, dass eine Entscheidung nur insoweit als vollstreckbar anzuerkennen wäre, als sie zumindest ihrer Art nach dem Zweitstaat nicht fremd wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse beider Parteien sind zulässig, aber nicht berechtigt, die Revisionsrekursbeantwortung der verpflichteten Partei ist verspätet.

a) Zur Revisionsrekursbeantwortung der verpflichteten Partei: Beide Parteien erstatteten jeweils Revisionsrekursbeantwortungen, von denen die der verpflichteten Partei als verspätet zurückzuweisen ist. Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei wurde dem Vertreter der verpflichteten Partei am 30. November 2001 zugestellt. Nach § 84 Abs 1 EO in der hier bereits anzuwendenden Fassung der EO-Novelle 2000 betragen die Fristen für Rekurs und Rekursbeantwortung jeweils einen Monat (§ 521a ZPO). Die erst am 29. Jänner 2002 zur Post gegebene Revisionsbeantwortung ist somit verspätet. Subsidiär sind nämlich auf das Verfahren zur Vollstreckbarerklärung (wie ohnehin selbstverständlich auf das Verfahren zur Bewilligung der Exekution) die Bestimmungen über die Exekution inländischer Akte und Urkunden sinngemäß anzuwenden (§ 83 Abs 2 EO). Damit gelten aber die Gerichtsferien auch im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen nicht (§ 223 Abs 2 EO). Die auf § 84 Abs 3 EO (idF vor der EO-Novelle 2000) gestützte Entscheidung zu dem mit dieser Novelle abgeschafften Widerspruchsverfahren 3 Ob 229/97s = SZ 70/204 steht dem nicht entgegen, weil die genannte Bestimmung, nach der die §§ 431 ff ZPO auf das Widerspruchsverfahren anzuwenden waren, ebenfalls für nach dem 30. September 2000 eingeleitete Verfahren nicht mehr gilt. Das vorliegende Verfahren erweist sich damit als reines Exekutionsverfahren und nicht als Zivilprozess.

Der verpflichteten Partei, die ihren Sitz in Österreich hat, kommt auch die Verlängerung der Rekursfrist nach § 84 Abs 2 Z 1 EO nicht zugute, weil dies nur für den Rekurs gegen die Stattgebung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung durch einen Antragsgegner mit Sitz im Ausland, aber nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung nicht für die Rekursbeantwortung gilt.

Die Revisionsrekursbeantwortung der verpflichteten Partei muss daher zurückgewiesen werden.

b) Zum Revisionsrekurs der verpflichteten Partei:

Die Republik Österreich hat das am 16. September 1988 in Lugano abgeschlossene Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LGVÜ) am 26. Februar 1992 unterzeichnet, nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunde am 27. Juni 1996 und Veröffentlichung in BGBl 1996/448 trat es am 1. September 1996 (völkerrechtlich) in Kraft und gilt seit diesem Zeitpunkt u.a. im Verhältnis zu Frankreich (1. Jänner 1992). Das 4. Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zum Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen von 1968 (EuGVÜ) vom 20. November 1996, ABl. 1997 Nr. C 15, 1 (BGBl III 1998/167) bedarf nach seinem Art 15 der Ratifikation durch die Unterzeichnerstaaten, Frankreich hat am 30. Mai 2000 seine Ratifikationsurkunde zum 4. Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich zum EuGVÜ hinterlegt (BGBl III 2000/126). Liegt sowohl das Ursprungsgericht als auch das ersuchte Gericht in einem EuGVÜ-Staat, der das 4. Beitrittsabkommen ratifiziert hat, ist gemäß Art 54b Abs 1 LGVÜ das EuGVÜ anzuwenden (Czernich/Tiefenthaler, Neue Aspekte im internationalen Verfahrensrecht in JBl 1998, 745 ff [750]). Beide Übereinkommen gehen den entsprechenden innerstaatlichen Vorschriften der EO vor.

Nach Art 54 Abs 1 LGVÜ/EuGVÜ sind dessen Vorschriften nur auf solche Klagen anzuwenden, die erhoben worden sind, nachdem das Übereinkommen im Ursprungsstaat und, wenn - wie hier - die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung geltend gemacht wird, im ersuchten Staat in Kraft getreten ist. Es gilt somit das Prinzip der Nichtrückwirkung. Die Regeln über die Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Entscheidungen kommen grundsätzlich nur dann zur Anwendung, wenn im Zeitpunkt der Erhebung der Klage das LGVÜ/EuGVÜ nicht nur im Ursprungsstaat, sondern auch im Vollstreckungsstaat bereits in Kraft getreten war. Es ist also nicht ausreichend, wenn das Übereinkommen im Zeitpunkt der Klageerhebung im Erststaat und im Zeitpunkt der Anerkennung auch im Vollstreckungsstaat gegolten hat. Eine Entscheidung eines französischen Gerichts aus dem Jahr 1999 (mit Klagseinbringung 1995) kann also in Österreich auch nach der Ratifizierung durch Frankreich nicht nach den Vorschriften des LGVÜ/EuGVÜ anerkannt und vollstreckt werden. Aus dem vorgelegten Exekutionstitel ergibt sich nun, dass die "Streitverkündungen" auch an die verpflichtete Partei am 21. April 1995, somit noch vor Inkrafttreten des LGVÜ in Österreich und vor Inkrafttreten des EuGVÜ in Österreich im Verhältnis zu Frankreich erfolgten, woraus zu folgern ist, dass auch die Hauptklage jedenfalls nicht später eingebracht wurde. Es ist daher für die vorliegende Entscheidung unerheblich, ob es für die Vollstreckbarkeit eines französischen "Garantieurteils" auf die Erhebung der Klage iSd Art 54 LGVÜ/EuGVÜ im Hauptverfahren oder gegenüber der Partei ankommt, gegen die eine Vollstreckbarkeitserklärung begehrt wird.

Der enge Anwendungsbereich des Art 54 Abs 1 LGVÜ/EuGVÜ wird freilich durch dessen Abs 2 etwas erweitert: Danach werden Entscheidungen, die nach dem Inkrafttreten des LGVÜ/EuGVÜ zwischen dem Ursprungsstaat und dem ersuchten Staat aufgrund einer vor deren Inkrafttreten erhobenen Klage ergangen sind, nach Maßgabe des Titels III des EuGVÜ anerkannt und zur Zwangsvollstreckung zugelassen, vorausgesetzt, dass das Gericht aufgrund von Vorschriften zuständig war, die mit den Zuständigkeitsvorschriften des Titels II oder eines Abkommens übereinstimmen, das im Zeitpunkt der Klageerhebung zwischen dem Ursprungsstaat und dem Staat, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, in Kraft war. Das bedeutet, dass eine Entscheidung, die in Frankreich nach dem 1. September 1996 (Inkrafttreten des LGVÜ in Österreich; die Anwendung des Art 54 Abs 2 EuGVÜ scheitert hier daran, dass das Titelurteil bereits vor dem Inkrafttreten des EuGVÜ in Österreich im Verhältnis zu Frankreich erging) aufgrund einer schon früher erhobenen Klage - wie hier - ergangen ist, zur Vollstreckung im Inland zugelassen werden kann, wenn das französische Gericht auch nach den Vorschriften etwa eines multilateralen Übereinkommens international zuständig gewesen wäre. Die Überprüfung dieser Voraussetzungen obliegt dem Vollstreckungsgericht. Entgegen dem grundsätzlichen Nachprüfungsverbot des Art 28 Abs 4 LGVÜ hat in solchen Übergangsfällen also der Vollstreckungsrichter die internationale Zuständigkeit des Titelgerichts - selbstständig und ohne Bindung an die vom Titelgericht geprüften Normen - zu überprüfen. Besteht eine Zuständigkeit nach einem Abkommen, so ist es gerechtfertigt, Anerkennung und Vollstreckung nach dem EuGVÜ abzuwickeln.

Ein "Spezialübereinkommen" iSd Art 54 Abs 2 LGVÜ ist das Übereinkommen vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art 57 Rz 44). Die Regelungen des CMR, die in Österreich und Frankreich seit 2. Juli 1971 gelten, über die sogenannte internationale Zuständigkeit bei den, den CMR unterliegenden Beförderungsverträgen sind lex specialis zum LGVÜ/EuGVÜ, gehen zufolge deren Art 57 den Zuständigkeitsbestimmungen der beiden Übereinkommen vor (stRsp, 8 Nd 518/01 u.v.a.; RIS-Justiz RS0107256), Art 31 CMR verdrängt somit die entsprechenden Bestimmungen des LGVÜ/EuGVÜ. Bereits im Zeitpunkt der Klageeinbringung lag hier die internationale Zuständigkeit des französischen Gerichts nach Art 31 Abs 1 CMR vor, ist doch der nach dessen erstem Satz lit b) maßgebliche Übernahmeort auch für Klagen gegen einen Unterfrachtführer jener der Übernahme beim ursprünglichen Absender, auch wenn der Unterfrachtführer das Gut an einem anderen Ort übernommen hat (4 Nd 503/99 = SZ 72/62 = RdW 1999, 659 [zust Csoklich] = TranspR 2000, 34). Dass entgegen den Vereinbarungen, die sich aus dem Titelurteil ergeben, die Übernahme tatsächlich an einem anderen Ort als dem vereinbarten (in Frankreich) erfolgt wäre, ist im Verfahren vor den Tatsacheninstanzen nicht hervorgekommen. Damit konnte aber die verpflichtete Partei auch vor dem 1. September 1996 vor einem nach Art 31 CMR zuständigen französischen Gericht belangt werden.

Auf die Anwendung des Zuständigkeitsvorschrift des Art 39 Abs 2 CMR kommt es nicht mehr an.

Die verpflichtete Partei bestreitet in ihrem Rechtsmittel eine auf Art 31 CMR gestützte internationale Zuständigkeit des französischen Berufungsgerichts. Denn wie sich aus dem in Kopie mit dem Revisionsrekurs vorgelegten CMR-Frachtbrief ergebe, sei sie von einer deutschen Speditions GmbH beauftragt gewesen, 20 Colli Sammelgut aus Deutschland nach Österreich zu befördern. Ein anderes Vertragsverhältnis zwischen dem im Titelurteil genannten anderen Vertragsparteien könne zur Beurteilung der Zuständigkeitsfrage nicht herangezogen werden. Im Hinblick auf den gemäß Art 41 leg.cit. zwingend anzuwendenden Art 31 Abs 1 CMR verbiete sich eine Anwendung des Art 6 LGVÜ/EuGVÜ. Soweit die verpflichtete Partei damit erstmals im Revisionsrekurs behauptet, entgegen den dargelegten Feststellungen im Titelurteil habe sie keinen Vertrag mit der betreibenden Partei geschlossen, vielmehr mit einer den gleichen Personennamen in der Firma tragenden deutschen Gesellschaft mbH kontrahiert, kann darauf wegen Verletzung des Neuerungsverbots ebensowenig eingegangen werden wie auf die nun erfolgte Vorlage eines entsprechenden Frachtbriefs. Denn nach § 84 Abs 2 Z 2 EO können im Rekurs gegen die Vollstreckbarerklärung Gründe für deren Versagung auch dann geltend gemacht werden, wenn sie in erster Instanz nicht aktenkundig waren. Die Neuerungserlaubnis gilt aber nur für Rekurse an die zweite Instanz und nicht für Revisionsrekurse an die dritte Instanz (vgl Jakusch in Angst, EO, § 84 Rz 27; Burgstaller/Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 84 Rz 15). Auf die eingeschränkte Neuerungsmöglichkeit, die Jakusch (aaO) für die Rechtsmittelgegenschrift zum Revisionsrekurs des betreibenden Gläubigers vertritt, ist hier nicht weiter einzugehen, weil die Revisionsrekursbeantwortung der verpflichteten Partei, wie dargelegt, verspätet erstattet wurde. Die Frage, ob es sich tatsächlich um eine CMR-Streitsache handelte, ist daher hier einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen.

Nach Art 31 Abs 3 CMR ist ein iSd Abs 1 ergangenes Urteil eines Gerichts eines Vertragsstaats, dass dort vollstreckbar geworden ist, auch in allen anderen Vertragsstaaten vollstreckbar, sobald die in dem in Betracht kommenden Staat hiefür vorgeschriebenen Formerfordernisse erfüllt sind. Stammt ein solches Urteil nun aus einem Vertragsstaat des LGVÜ/EuGVÜ, bestimmt sich die Vollstreckung wiederum nach den Art 31 ff, 27 f LGVÜ/EuGVÜ (Basedow im Münchener Kommentar zum HGB, VII Art 31 CMR Rz 38; Helm, Frachtrecht II CMR2, Art 31 CMR Rz 52; ähnlich Herber/Piper, CMR, Art 31 Rz 32).

Zu Unrecht wendet die verpflichtete Partei im Revisionsrekurs schließlich noch ein, ein Urteil auf Grund einer französischen "Garantieklage" sei schon deshalb in Österreich nicht vollstreckbar, weil eine solche der österr. Rechtsordnung unbekannt sei. Schon in den Regierungsvorlagen zu beiden Übereinkommen wird deutlich gemacht, der Umstand, dass die österr. Rechtsordnung weder eine Klage auf Gewährleistung noch eine Interventionsklage iS mehrerer romanischer Rechtsordnungen kennt, stelle keinen Versagungsgrund dar. Das ist auch die einhellige Meinung in Rsp und Lehre (vst Senat 1 Ob 2123/96d = SZ 70/60 = JBl 1997, 368 [krit Klicka 611]; OLG Hamburg IPRax 1995, 391; Mansel in IPRax 1995, 362; Mansel, Gerichtspflichtigkeit von Dritten: Streitverkündigung und Interventionsklage (Deutschland), in Bajons/Mayr/Zeiler (Herausgeber), Die Übereinkommen von Brüssel und Lugano, 177 ff [205]; Neumayr, EuGVÜ.LGVÜ, 39; Simotta in Fasching, Kommentar2 § 94 JN Rz 23; Musger in RZ 1993, 192 ff [196]; Burgstaller/Ritzberger in Burgstaller, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rz 2.96). Demnach kann auch keine Rede davon sein, dass die bereits in den Regierungsvorlagen für die Ratifikation beider Übereinkommen berücksichtigte Vollstreckbarkeit derartiger Garantieurteile gegen den österr. ordre public verstoßen würde.

Gegen den Umfang der Vollstreckbarerklärung werden im Revisionsrekurs keine Einwände erhoben. Auch die zweitinstanzliche Rechtsansicht, der vorliegende Exekutionstitel sei hinreichend bestimmt, wird im Rechtsmittel nicht in Zweifel gezogen.

Dem Rechtsmittel der verpflichteten Partei kann daher kein Erfolg beschieden sein.

c) Zum Revisionsrekurs der betreibenden Partei:

Die betreibende Gläubigerin wendet sich gegen die Ansicht des Rekursgerichts, keine Kostenfestsetzungsbeschlüsse von Urkundsbeamten iSd Art 25 LGVÜ/EuGVÜ für die Kosten von 3.361,58 FF und 3.741,60 FF vorgelegt zu haben. Auf die Richtigkeit dieses Vorbringens ist allerdings nicht einzugehen. Die beiden (summierten) Kostenbeträge scheinen nur im Antrag auf Exekutionsbewilligung auf. Da aber die Exekution auf Grund ausländischer Exekutionstitel eine Vollstreckbarerklärung voraussetzt (§ 79 Abs 1 EO), hat das Rekursgericht zu Recht insoweit die Exekution nicht bewilligt. Es ergibt sich aus der Aufstellung der Teilbeträge im Antrag, dass diese Beträge im Zahlungsbefehl vom 21. Februar 2000, der Grundlage für die Zahlung von 45.374,42 FF durch die betreibende Partei war, jedenfalls nicht zur Gänze enthalten sind. Eine Vollstreckbarerklärung der beiden Kostentitel (falls es sich tatsächlich um solche handeln sollte) wurde nicht begehrt. Weder aus dem genannten Zahlungsbefehl noch aus den vorgelegten Urkunden ergibt sich, dass jene Kosten, in Ansehung derer das Gericht zweiter Instanz die Vollstreckbarerklärung verweigerte, zu jenen zählten, die Gegenstand der Titelentscheidung in Ansehung der verpflichteten Partei waren. Im Revisionsrekurs werden auch keine Argumente vorgetragen, aus denen sich ableiten ließe, die Kostensumme von etwa 2.320 FF (Differenz zwischen dem Ausmaß der Vollstreckerklärung durch die zweite Instanz und dem erschließbaren Antrag der betreibenden Partei in erster Instanz) entspreche jenen Kosten, zu deren Zahlung die Rechtsvorgängerin der verpflichteten Partei vom Titelgericht verurteilt worden wäre.

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass das französische Berufungsurteil auch die Auslegung erlaubt, die im viertletzten und letzten Absatz seines Spruchs bezeichneten Kosten wären nicht der nun betreibenden Partei, sondern direkt den dort genannten Rechtsanwälten zugesprochen worden, enthält der Ausspruch doch die Erlaubnis, die dort genannten Anwaltsgesellschaften könnten den sie betreffenden Teil der Kosten direkt einbringlich machen.

Im Übrigen geht die betreibende Partei selbst davon aus, es handle sich bei den über die beiden Kostenbeträge ausgestellten Urkunden um Kostenfestsetzungsbeschlüsse eines Urkundsbeamten iSd Art 25 LGVÜ. Dann unterliegen sie aber der Anerkennung und Vollstreckung nach dem Titel III des LGVÜ, weshalb ihre Vollstreckung eine Vollstreckbarerklärung iSd Art 31 Abs 1 LGVÜ voraussetzen würde, die aber von der betreibenden Partei nicht beantragt wurde.

Auch dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist daher nicht zu Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 83 Abs 2, § 78 EO iVm §§ 50, 41 ZPO.

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