OGH 1Ob242/03z

OGH1Ob242/03z16.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Severin V*****, und des mj Nikolaus V*****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Dr. Georg V*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 21. August 2003, GZ 16 R 307/03s-193, womit infolge Rekurses des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 16. Juni 2003, GZ 7 P 121/99p-188, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die darüber hinaus als unangefochten unberührt bleiben, werden, soweit sie dem Unterhaltserhöhungsbegehren der beiden Minderjährigen stattgegeben haben (Punkt 1. des erstinstanzlichen Beschlusses), aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Mit pflegschaftsgerichtlich genehmigtem Scheidungsfolgenvergleich vom 12. 1. 2000 vereinbarten die Eltern, dass die Obsorge für die beiden Minderjährigen künftig der Mutter allein zukomme und der Vater verpflichtet sei, für den älteren der beiden Söhne ATS 6.570 sowie Schulgeld von derzeit monatlich ATS 1.550 und für den jüngeren ATS 5.000 an Unterhalt zu zahlen. Als Bemessungsgrundlage wurde ein Betrag von ATS 463.176 jährlich festgehalten.

Im August 2000 verzog die Mutter mit den beiden Söhnen nach Spanien, wo sie ihrem Beruf nachgeht.

Am 9. 11. 2001 stellte die Mutter beim Erstgericht den Antrag (ON 101), den Vater zu erhöhten Unterhaltszahlungen dergestalt zu verpflichten, dass er rückwirkend ab 1. 9. 2001 zum bisher festgesetzten Unterhalt einen weiteren Betrag von ATS 3.500 je Kind zu zahlen habe. Weiters beantragte sie, den Vater zu verhalten, für den Sonderbedarf des jüngeren Sohnes für eine Psychotherapie von monatlich ATS 2.200 aufzukommen. Die Mutter brachte dazu vor, beide Kinder besuchten eine englische Schule in Madrid, für die je Kind ein monatliches Schulgeld von ca ATS 5.000 zu zahlen sei. Die Psychotherapie des jüngeren Sohnes sei hauptsächlich wegen des Verhaltens seines Vaters notwendig.

Der Vater äußerte sich zu den Anträgen der Mutter dahin, dass diese ausschließlich deshalb mit den Kindern nach Spanien gezogen sei, um die Ausübung seines Besuchsrechts zu erschweren. Er sei nicht gewillt, den dadurch verursachten erhöhten Unterhaltsbedarf zu decken. In seiner Äußerung vom 16. 10. 2002 (ON 158) beantragte er, "für die Unterhaltsbemessung die von der Mutter bezogene bzw beziehbare Kinderbeihilfe sowie ihr eigenes Einkommen nach dessen Feststellung zu berücksichtigen."

Das Erstgericht verpflichtete den Vater mit Punkt 1. seines Beschlusses, "zuzüglich" zu den ihm mit Vergleich vom 12. 1. 2000 auferlegten monatlichen Unterhaltsbeträgen von EUR 477,46 und EUR 363,36 für die Zeit vom 1. 9. 2001 bis 31. 12. 2002 für den älteren Sohn noch einen monatlichen Betrag von EUR 80,54, somit insgesamt EUR 558, und für den jüngeren Sohn einen zusätzlichen Betrag von EUR 114,64, somit insgesamt monatlich EUR 478, sowie für den älteren Sohn für die Zeit ab 1. 1. 2003 einen zusätzlichen Betrag von EUR 52,54, somit insgesamt monatlich EUR 530, und für den jüngeren Sohn für die Zeit vom 1. 1. 2003 bis 31. 1. 2003 zusätzlich EUR 90,64, somit insgesamt EUR 454, und ab 1. 2. 2003 zusätzlich EUR 166,64, somit insgesamt EUR 530, zu zahlen. Das Unterhaltsmehrbegehren wies das Erstgericht ab.

Es stellte fest, beide Kinder seien in Pflege und Erziehung der Mutter, einkommenslos und in Madrid wohnhaft. Der ältere der beiden Minderjährigen besuche eine englische Privatschule in Madrid, deren Kosten sich im Schuljahr 2002/2003 auf EUR 4.050 belaufen hätten. Die Ausgaben für eine Psychotherapie hätten insgesamt EUR 1.599,13 ausgemacht. Der jüngere der beiden Minderjährigen besuche eine kindergartenähnliche Einrichtung in Madrid, für deren Besuch jährlich EUR 3.843 zu zahlen seien. Der Vater habe an monatlichem Nettoeinkommen im Jahr 2000 EUR 3.992,84, im Jahr 2001 EUR 3.956,87 und im Jahr 2002 EUR 3.784,29 bezogen. Er sei weiters sorgepflichtig für seinen am 6. 3. 2001 geborenen Sohn Markus sowie seine geringfügig verdienende Ehegattin.

Rechtlich meinte es, die Erhöhung des Unterhalts sei schon durch die seit dem Vergleich eingetretene Änderung der Verhältnisse und die Tatsache gerechfertigt, dass die Kinder ein "Anrecht" darauf hätten, an den guten wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen teilzunehmen. Die durch den Auslandsaufenthalt hervorgerufenen erhöhten Bedürfnisse seien durch den überdurchschnittlich hohen Unterhaltsbetrag abgedeckt, sodass der Vater insoweit für einen Sonderbedarf nicht aufzukommen habe. Die Höhe der Therapiekosten sei zwar nachgewiesen, nicht jedoch deren Notwendigkeit. Die festgesetzten Unterhaltsbeträge entsprächen, ausgehend von der festgestellten Unterhaltsbemessungsgrundlage, unter Anwendung der üblichen Prozentsätze der Leistungsfähigkeit des Vaters und den Bedürfnissen der Kinder.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Rekurssenat könne sich der Argumentation des Vaters, das Erstgericht habe bei Berechnung der Unterhaltsbeträge die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Anrechnung der Familienbeihilfe übersehen, nicht anschließen. Gemäß § 2 Abs 1 FamLAG hätten Personen, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz haben, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet haben und sich die Kinder dort ständig aufhalten. Nach der teilweisen Aufhebung des § 12a FamLAG durch den Verfassungsgerichtshof werde in der Rechtsprechung die steuerrechtlich gebotene Entlastung des getrennt lebenden Unterhaltspflichtigen durch teilweise Anrechnung der Familienbeihilfe auf den Geldunterhaltsanspruch bewirkt. Den Unterhaltspflichtigen, der eine steuerliche Entlastung seiner Unterhaltsverpflichtung erreichen wolle, treffe die Behauptungs- und Beweislast für die dafür maßgeblichen Umstände. Der Vater habe in erster Instanz nicht einmal konkret behauptet, dass die Mutter für die Kinder Familienbeihilfe oder eine gleichartige Beihilfe in Spanien beziehe. Die Berücksichtigung einer allenfalls tatsächlich nicht bezogenen Beihilfe zu Lasten der Minderjährigen, die keinen eigenen Anspruch darauf haben, komme nicht in Betracht. Da weder die Mutter noch die Minderjährigen ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihren Lebensmittelpunkt im österreichischen Bundesgebiet hätten, bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Zwar werde österreichischen Staatsbürgern, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, dann, wenn diese geringer als die Familienbeihilfe sei, eine Ausgleichszahlung in der Höhe des Unterschiedsbetrags geleistet, doch habe der Rekurswerber dazu, insbesondere zum allfälligen Bezug einer gleichartigen ausländischen Beihilfe, kein Vorbringen erstattet. Das Vorhandensein staatlicher Transferleistungen sei aber Voraussetzung dafür, dass diese zur steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen herangezogen werden könnten.

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist im Ergebnis berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Bis zu den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs vom 27. Juni 2001, B 1285/00, und vom 19. Juni 2002, G 7/02, ging die oberstgerichtliche Rechtsprechung entsprechend dem Wortlaut des § 12a FamLAG davon aus, dass die Familienbeihilfe und der gemeinsam mit ihr auszuzahlende Kinderabsetzbetrag zur Gänze dem Haushalt zukommen sollten, in dem das Kind betreut werde, um die Betreuungslast wenigstens teilweise abzudecken. Diese Leistungen seien nicht dazu bestimmt, den nicht betreuenden geldunterhaltspflichtigen Elternteil zu entlasten. Die Familienbeihilfe sei nicht auf die Unterhaltspflicht anrechenbar.

Im erstgenannten Erkenntnis vertrat der Verfassungsgerichtshof eine gegenteilige Ansicht. Es sei schon auf der Grundlage des geltenden Rechts eine steuerliche Entlastung der Unterhaltsleistungen an nicht haushaltszugehörige Kinder durch Anrechnung eines Teiles der gesetzlichen Leistungen (Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG und Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 2 FamLAG) verfassungsrechtlich geboten. Der Oberste Gerichtshof beantragte daraufhin gemäß § 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) aus Anlass anhängiger Revisionsrekurse beim Verfassungsgerichtshof, § 12a FamLAG 1967 idFd BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Mit seinem zweitgenannten Erkenntnis vom 19. Juni 2002, G 7/02, hob der Verfassungsgerichtshof in § 12a FamLAG die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig auf und sprach aus, die aufgehobene Wortfolge sei nicht mehr anzuwenden und frühere gesetzliche Bestimmungen träten nicht wieder in Wirksamkeit. Der Verfassungsgerichtshof wiederholte seine schon im vorher ergangenen Erkenntnis erläuterte Auffassung, dass auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen zu dienen habe.

Der Oberste Gerichtshof hat seither in zahlreichen Entscheidungen die nach Aufhebung der Wortfolge im § 12a FamLAG eingetretene neue Rechtslage bei der Unterhaltsfestsetzung berücksichtigt (RIS-Justiz RS0117015).

Angesichts des erwähnten Ausspruchs im verfassungsgerichtlichen Erkenntnis vom 19. Juni 2002 ist bei jeder diesem nachfolgenden Gerichtsentscheidung die durch die Aufhebung der Wortfolge in § 12a FamLAG geänderte Rechtslage anzuwenden (6 Ob 91/03f mwH). Seit der Entscheidung des verstärkten Senats vom 9. Juni 1988, 6 Ob 544/87 = SZ 61/143, können noch nicht verjährte Unterhaltsansprüche auch für die Vergangenheit (rückwirkend auf drei Jahre) geltend gemacht werden. Der Verfassungsgerichtshof hat in Punkt III. seines Erkenntnisses vom 19. Juni 2002 ausgeführt, er sehe keine Veranlassung, dem Antrag der Bundesregierung zu folgen, eine Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Wortfolge zu bestimmen, weil er davon ausgehe, dass mit der Aufhebung des zweiten Halbsatzes im § 12a FamLAG für die Zivilgerichte kein Hindernis mehr bestehe, im Fall entsprechend begründeter Herabsetzungsanträge die Familienbeihilfe im verfassungsrechtlich gebotenen Ausmaß auf die Unterhaltsverpflichtung des Geldunterhaltsverpflichteten anzurechnen. Zu diesem Vorgehen wären die Zivilgerichte schon nach dem Erkenntnis B 1285/00 berechtigt gewesen, sofern sie bereit wären, der Interpretation des Verfassungsgerichtshofs in diesem Erkenntnis zu folgen. Eine Aufhebung unter Fristsetzung hätte somit das unbefriedigende Ergebnis zur Folge, dass jene Gerichte, die sich der Auffassung des Verfassungsgerichtshofs angeschlossen haben bzw anzuschließen bereit sind, bereits auf der Basis dieser Entscheidung eine teilweise Anrechnung der Familienbeihilfe auf die Unterhaltsverpflichtung vornehmen könnten, während jene, die eine verfassungskonforme Interpretation des § 12a FamLAG im Sinne dieses Erkenntnisses ablehnten, Derartiges bis zum Ablauf der gesetzten Frist bzw bis zu einer gesetzlichen Neuregelung einer solchen Anrechnung unterlassen müssten. Da die Fristsetzung somit voraussichtlich die Judikaturdivergenz innerhalb der Zivilgerichte verlängern würde und die Grundsätze der gebotenen Anrechnung im Erkenntnis zu B 1285/00 vorgezeichnet seien, bestehe für eine Fristsetzung kein Anlass. In Übereinstimmung mit diesen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs ist daher ohne Weiteres davon auszugehen, dass jedenfalls in Verfahren über die Unterhaltsfestsetzung, die im Zeitpunkt der Kundmachung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs bereits anhängig waren, die neue Rechtslage anzuwenden ist (1 Ob 135/02p; 3 Ob 56/03m; vgl auch Gitschthaler, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kinderunterhaltsansprüche, JBl 2003, 9, 13).

Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass in dem seit 9. 11. 2001 anhängigen Unterhaltserhöhungsverfahren die neue Rechtslage, die zu einer Anrechnung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag auf die Unterhaltspflicht führen könnte, ohne zeitliche Schranke anzuwenden ist.

Der erkennende Senat hat jüngst in seiner Entscheidung 1 Ob 208/03z klargestellt, dass zumindest in jenen Fällen, in denen der als Regelfall zu unterstellende Bezug von Transferleistungen durch die Mutter nicht strittig ist und sich die für die Ermittlung der Unterhaltshöhe maßgeblichen Umstände im Verfahren eindeutig ergeben haben, die amtswegige Anrechnung von Teilen der Transferleistungen auf die Geldunterhaltspflicht des Vaters nicht als Verletzung des "Antragsprinzips" angesehen werden kann. Im hier zu beurteilenden Fall hat nun der Vater in einer seiner Äußerungen zum Unterhaltserhöhungsbegehren der Mutter ohnedies beantragt, "die von der Mutter bezogene bzw beziehbare Kinderbeihilfe sowie ihr eigenes Einkommen" zu berücksichtigen. Soweit die zur Beurteilung dieses Antrags erforderlichen rechtlichen Grundlagen vom Gericht ohne Weiteres ermittelt werden können, bedarf es keiner weiteren Behauptungen, sodass die diese Grundlagen vermissende Begründung des Rekursgerichts die Außerachtlassung des jedenfalls rechtzeitig erhobenen Einwands, bei der Unterhaltsbemessung sei die "Kinderbeihilfe" zu berücksichtigen, nicht zu tragen vermag.

Der Auffassung des Rekursgerichts, der Vater sei der ihn treffenden Behauptungs- und Beweislast nicht nachgekommen, ist lediglich insoweit zuzustimmen, als er auch das Einkommen der Mutter bei der Bemessung seiner Unterhaltspflicht berücksichtigt wissen will. Für die Geldunterhaltspflicht eines Elternteils bei getrennt lebenden Eltern sind die Lebensverhältnisse des betreuenden Elternteils grundsätzlich nur im Fall eines krassen Missverhältnisses von Bedeutung (Stabentheiner in Rummel, ABGB3 § 140 Rz 4 mwN aus der Rsp). Behauptungen in dieser Richtung hat der Revisionsrekurswerber im Verfahren nicht aufgestellt. Der andere Elternteil müsste zum Unterhalt des Kindes gemäß § 140 Abs 2 letzter Satz ABGB nur dann beitragen, wenn der geldunterhaltspflichtige Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist oder mehr leisten müsste, als seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen ist. In Anbetracht des festgestellten Einkommens des Revisionsrekurswerbers kann davon im Sinne einer Reduzierung des vom Erstgericht festgesetzten Unterhalts keine Rede sein.

Vor Eingehen auf die Frage, ob der Mutter staatliche Transferleistungen zukommen und bejahendenfalls, ob diese auf die Unterhaltspflicht des Vaters anzurechnen sind, ist klarzustellen, dass der Anspruchsausschluss in § 5 Abs 3 FamLAG, nach dem kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder besteht, die sich ständig im Ausland aufhalten, in Anbetracht des Aufenthaltsorts in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht zum Tragen kommt. Gemäß § 53 Abs 1 letzter Satz FamLAG ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

Gemäß § 2 Abs 8 FamLAG haben Personen, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz haben, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet haben und sich die Kinder ständig im Bundesgebiet aufhalten. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Gemäß § 4 Abs 1 FamLAG haben Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, keinen Anspruch auf Familienbeihilfe. § 5 Abs 4 (früher: Abs 5) zufolge besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, für die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe besteht. Österreichische Staatsbürger, die nach den eben zitierten Gesetzesstellen vom Anspruch auf die Beihilfe ausgeschlossen sind, erhalten nach § 4 Abs 2 FamLAG eine Ausgleichszahlung, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person (§ 5 Abs 5 - richtig wohl: Abs 4) Ansprüche haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre. Gemäß Abs 3 wird die Ausgleichszahlung in der Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der Familienbeihilfe, die nach diesem Bundesgesetz zu gewähren wäre, geleistet. § 4 Abs 6 FamLAG ordnet an, dass die Ausgleichszahlung als Familienbeihilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes zu gelten habe. Entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Ansicht besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Mutter, sollte sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen tatsächlich nicht mehr im Bundesgebiet haben, Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach den soeben zitierten Bestimmungen des FamLAG haben könnte, wird doch der Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs 8 FamLAG schlechthin ausgeschlossen, und steht die Ausgleichszahlung ausdrücklich nur in den Fällen zu, in denen Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe besteht. Auch die Gleichstellung der Ausgleichszahlung mit der Familienbeihilfe führt wieder zu der Ausschlussbestimmung des § 2 Abs 8 FamLAG zurück.

Zwischen der Republik Österreich und Spanien steht seit 1. 7. 1983 das Abkommen über Soziale Sicherheit (BGBl Nr 305/1983) in Kraft. Gemäß dessen Art 1 Abs 1 Z 10 bedeutet der in diesem Abkommen verwendete Ausdruck "Familienbeihilfen" in Bezug auf Österreich die Familienbeihilfe und in Bezug auf Spanien die Leistungen für den Familienschutz. Nach Art 28 Abs 1 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates auch für Kinder, deren Wohnort im anderen Vertragsstaat liegt. Abs 2 dieses Artikels bestimmt, dass Dienstnehmer für den Anspruch auf Familienbeihilfen so behandelt werden, als hätten sie ihren Wohnort ausschließlich in dem Vertragsstaat, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird. Gemäß Art 29 betragen Familienbeihilfen, die nach österreichischen Rechtsvorschriften für Kinder gewährt werden, die sich ständig in Spanien aufhalten, monatlich 600 S für jedes Kind. Dieser Betrag erhöht oder vermindert sich um denselben Prozentsatz, um den sich in Österreich die Familienbeihilfen für ein Kind jeweils nach dem 1. Jänner 1978 erhöhen oder vermindern. Nach Art 32 gebühren dann, wenn nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten unter Berücksichtigung dieses Abkommens Anspruch auf Familienbeihilfen für ein Kind in beiden Vertragsstaaten besteht, die Familienbeihilfen für dieses Kind ausschließlich nach den Rechtsvorschriften des Vertragsstaates, in dessen Gebiet das Kind seinen Wohnort hat.

Aus den Bestimmungen dieses Abkommens ist vorerst abzuleiten, dass Spanien der österreichischen Familienbeihilfe vergleichbare Leistungen (für den Familienschutz) kennt. Art 28 Abs 1 des Abkommens korrespondiert insoweit mit dem bereits zitierten Art 53 Abs 1 letzter Satz FamLAG, als die Tatsache des Aufenthalts eines österreichischen Kindes in Spanien (ebenso wie umgekehrt eines spanischen Kindes in Österreich) allein den Anspruch auf Familienbeihilfe nicht vernichten kann (vgl auch: Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, ARD-HB 1985, 23). Abs 2 des zuletzt genannten Artikels definiert den im bereits zitierten § 2 Abs 8 FamLAG verwendeten Begriff des Mittelpunktes der Lebensinteressen dahin, dass ausschließlich auf den Beschäftigungsort abzustellen ist.

Seit Inkraftreten des EWR-Abkommens mit 1. 1. 1994 sind im Verhältnis zwischen Österreich und anderen Mitgliedstaaten die Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, sowie die Verordnung (EWG) Nr 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 maßgebend. Im Rahmen ihres persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs tritt die Verordnung (EWG) 1408/71 an die Stelle der bi- und multilateralen Abkommen über Soziale Sicherheit. Diese Abkommen sind damit aber nicht außer Kraft getreten. Sie werden durch die Verordnung nur verdrängt, wenn sie EU-Bürger betreffen und die Regelungen der Abkommen ungünstiger sind. Vom Gemeinschaftsrecht nicht geregelte Punkte solcher Abkommen bleiben unberührt (EuGH C-471/99 = WBl 2002/378; 10 ObS 357/99v = ZAS B 2000, 35; Haselberger, Zu Problemen der Anrechnung und des Ausgleiches von Familien- und anderen Sozial- und Sozialversicherungsleistungen in der EG und im EWR, RZ 2003, 99).

Die erstgenannte Verordnung, die in ihrem Art 3 Abs 1 die Gleichbehandlung der von der Verordnung erfassten Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, mit den Staatsangehörigen dieses Staates normiert, erfasst in ihrem sachlichen Geltungsbereich gemäß Art 4 Abs 1 lit h auch Familienleistungen. Art 13 Abs 1 der Verordnung legt die anzuwendenden Rechtsvorschriften grundsätzlich dahin fest, dass ein Arbeitnehmer, für den diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegt. Soweit nicht die in den folgenden Artikeln 14 bis 17 genannten Ausnahmen gegeben sind, unterliegt Abs 2 lit a dieser Bestimmung zufolge unter anderem ein Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaats beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates auch dann, wenn er im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder sein Arbeitgeber oder das Unternehmen, das ihn beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat. Ausgenommen von diesem Grundsatz sind gemäß Art 14 Abs 1 lit a sublit i der Verordnung unter anderem Arbeitnehmer, die im Gebiet eines Mitgliedstaats von einem Unternehmen beschäftigt werden, dem sie gewöhnlich angehören, und von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt werden. Diese unterliegen weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Staates, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und sie nicht einen anderen Arbeitnehmer ablösen, für den die Entsendezeit abgelaufen ist. Überschreitet diese Arbeit aus unvorhersehbaren Gründen die ursprünglich vorgesehene Dauer derart, dass sie über zwölf Monate hinausgeht, so gelten die Rechtsvorschriften des ersten Staates bis zur Beendigung dieser Arbeit weiter, sofern die zuständige Behörde des Staates, in dessen Gebiet der Arbeitnehmer entsandt wurde, oder die von ihr bezeichnete Stelle dazu ihre Genehmigung erteilt; die Genehmigung darf nicht für länger als zwölf Monate erteilt werden. Ein Arbeitnehmer, der überwiegend im Gebiet des Mitgliedstaats beschäftigt wird, in dem er wohnt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates auch dann, wenn das Unternehmen, das ihn beschäftigt, dort weder seinen Sitz noch eine Zweigstelle oder eine ständige Vertretung hat (lit b sublit ii). Gemäß Art 73 Abs 1 dieser Verordnung hat ein Arbeitnehmer, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, für seine Familienangehörigen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob die Familienangehörigen in diesem Staat wohnten. Art 75 Abs 1 lit a ordnet für diesen Fall an, dass die Familienleistungen vom zuständigen Träger des Staates gewährt werden, dessen Rechtsvorschriften für den Arbeitnehmer gelten.

Wie der EuGH entschieden hat (Slg 1996, I-4895), hängt die Unterscheidung zwischen Leistungen, die vom Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 ausgeschlossen sind, und solchen, die von ihm erfasst werden, im Wesentlichen von den grundlegenden Merkmalen der jeweiligen Leistung ab, insbesondere von ihrem Zweck und den Voraussetzungen ihrer Gewährung, nicht dagegen davon, ob eine Leistung von den nationalen Rechtsvorschriften als eine Leistung der Sozialen Sicherheit eingestuft wird. Eine Leistung fällt dann in den Geltungsbereich der Verordnung, wenn sie dem Begünstigten aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands gewährt wird, ohne dass im Einzelfall eine in das Ermessen gestellte Prüfung des persönlichen Bedarfs erfolgt, und wenn sie sich auf eines der in Art 4 Abs 1 der Verordnung ausdrücklich aufgezählten Risken bezieht (VwGH in RdW 2000/330). Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass zu den in der Verordnung in Art 4 Abs 1 lit h genannten Familienleistungen auch die Familienbeihilfe zählt (vgl Familienbeihilfe im Europäischen Wirtschaftsraum, ARD 4605/46/94).

Für den hier zu beurteilenden Fall hat das zur Folge, dass der Mutter aufgrund der unmittelbar anzuwendenden Verordnung in teilweiser Verdrängung der Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes und des bilateralen spanisch-österreichischen Abkommens die Familienbeihilfe dann weiter zustünde, wenn sie im Sinne des Art 14 Abs 1 der Verordnung als entsendete Dienstnehmerin für die Dauer von maximal 24 Monaten anzusehen wäre. Aufgrund des sogenannten Ausstrahlungsprinzips (vgl Shubshizky, Anzuwendende Rechtsvorschriften nach der Verordnung 1408/71 /EWG; Erwerbstätigkeit(en) mit Auslandsbezug und Sozialversicherungszuständigkeit, ASok 2001, 283) hätte sie in diesem Fall weiterhin Anspruch auf Auszahlung der Familienbeihilfe. Anderenfalls, somit bei Geltung der Grundsatzregel des Art 13 der Verordnung, unterläge die Mutter den Rechtsvorschriften des Beschäftigerstaats und erhielte die dort gewährten Familienleistungen.

Im fortgesetzten Verfahren wird somit vorerst die Natur der Beschäftigung der Mutter zu klären sein. Sollte sich dabei herausstellen, dass die Mutter österreichische Transferleistungen bezieht oder diese nicht bezieht, obwohl sie darauf einen nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften gesicherten Rechtsanspruch hat, so wären diese im Sinne der eingangs dargestellten Rechtsprechung im gebotenen Umfang auf die Geldunterhaltspflicht des Vaters anzurechnen. Sollte ein solcher Inlandsbezug fehlen, sollte also etwa die Mutter nicht die nach den österreichischen Bestimmungen zustehenden, sondern die nach den spanischen Rechtsvorschriften gewährten Leistungen erhalten, so wäre eine unterhaltsmindernde Berücksichtigung dieser Familienleistungen weder im Gesetz noch in der dargestellten Rechtsprechung begründet:

Die Anrechnung von Teilen der Familienbeihilfe auf die Unterhaltspflicht wurde hauptsächlich mit deren Zielsetzung begründet, die sonst steuerlich nicht ausreichend abgegoltene Mehrbelastung zu mindern (vgl RIS-Justiz RS0058747); ihr wurde überhaupt erst durch die Aufhebung der Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" im § 12a FamLAG durch den Verfassungsgerichtshof der Weg freigemacht. Es ist nun keineswegs ausgeschlossen, dass die Zweckwidmung vergleichbarer Leistungen in anderen Staaten völlig anders gestaltet ist und dass dort weiterhin gesetzliche Hindernisse für die Anrechnung derartiger staatlicher Transferleistungen auf den Unterhaltsanspruch bestehen. Es käme somit bei der Unterhaltsbemessung zu teils krasser Ungleichbehandlung, je nachdem, ob im anderen Staat vergleichbare Beihilfen überhaupt, und bejahendenfalls, in welcher Höhe sie gewährt werden und ob nach dessen Rechtsordnung eine Anrechnung gesetzlich zulässig oder gar - wie in Österreich - aus abgabenrechtlichen Gründen geboten ist. Abgesehen davon steht § 33 Abs 4 Z 3 lit b EStG zufolge dem Steuerpflichtigen, dessen Kind sich ständig im Ausland aufhält, ein Unterhaltsabsetzbetrag zu, sofern das Kind nicht seinem Haushalt zugehört und für das weder dem Steuerpflichtigen noch seinem im gemeinsamen Haushalt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird. Auch ist es nicht ausgeschlossen, Unterhaltsleistungen für sich ständig im Ausland aufhaltende Kinder nach den allgemeinen Regeln des § 34 EStG als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. § 34 Abs 7 Z 4 EStG steht dem nicht entgegen, weil diese Vorschrift auch bloß als Aussage über das Ausmaß der steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen für die vorstehend geregelten Fallgruppen interpretiert werden kann. Der Verfassungsgerichtshof hat daher in seinem Erkenntnis vom 4. 12. 2001, B 2366/00, eine gesetzliche Regelung, die den Anspruch auf eine der Familienförderung dienende Transferleistung an eine Nahebeziehung des anspruchsvermittelnden Kindes zum Inland bindet und hiebei auf dessen Aufenthalt abstellt, als verfassungsrechtlich nicht bedenklich erachtet. Schließlich ist noch auf die Bestimmung des § 2 Abs 2 FamLAG zu verweisen, wonach unter Beachtung des bereits erwähnten § 53 Abs 1 letzter Satz FamLAG eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, dann Anspruch auf Familienbeihilfe hat, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist. Sollte somit eine in Spanien gewährte gleichartige Beihilfe niedriger als die Familienbeihilfe sein, hätte der Vater gemäß § 5 Abs 4 iVm § 4 Abs 2 FamLAG Anspruch auf eine Ausgleichszahlung.

Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben.

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