Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 2.075,22 (hierin enthalten EUR 345,87 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung
Die klagende Partei (eine inländische Personengesellschaft) ist Bestandnehmerin eines Geschäftslokales (mit Gastronomiebetrieb) in einem Einkaufszentrum in Pasching. Bestandgeberin ist die nicht verfahrensbeteiligte Firma P***** GesmbH & Co KG (im Folgenden kurz: Bestandgeberin). Die beklagte Partei (eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Deutschland) zeigte gegenüber der Klägerin Interesse, deren Geschäftsstandort zu übernehmen, worüber Verhandlungen geführt wurden. Mit Schreiben vom 8. 5. 2002 teilte die beklagte Partei dem Geschäftsführer der Klägerin mit, dass sie dieser "unter der Voraussetzung der Einigung über den Abschluss eines Mietvertrages" mit der Bestandgeberin eine Ablöse von EUR 150.000,-- anbiete; mit weiterem Schreiben vom 24. 5. 2002 wurde der Übernahmepreis auf EUR 155.000,-- bei Mietbeginn ab 1. 9. 2002 erhöht. Die klagende Partei bestätigte ihrerseits mit Schreiben vom 21. 6. 2002 "die verbindliche Annahme" dieses letztgenannten Angebotes und übermittelte gleichzeitig eine schriftliche Zustimmung der Bestandgeberin; am 20. 6. 2002 hatten die Bestandgeberin und die klagende Partei hiezu vereinbart, dass der Bestandgeber dem Bestandnehmer das einmalige Recht einräumt, bis spätestens 21. 12. 2002 einen neuen Bestandnehmer für das Bestandobjekt namhaft zu machen. Mit Schreiben vom 19. 8. 2002 teilte schließlich die beklagte Partei den Klagevertretern mit, sich nicht zur Zahlung der Ablöse (von EUR 155.000,- -) verpflichtet zu sehen, da bisher keine Einigung über den Mietvertrag mit der Bestandgeberin zustandegekommen sei, sodass die im Angebot vom 24. 5. 2002 festgelegte Bedingung des Zustandekommens eines gültigen Mietvertrages nicht erfüllt sei.
Mit der am 4. 10. 2002 eingebrachten Klage begehrt die klagende Partei - unter Hinweis auf diesen (unstrittigen) Sachverhalt - die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung dieses Betrages samt 11 % Zinsen seit 1. 9. 2002 Zug-um-Zug gegen Übernahme der Geschäftsfläche der klagenden Partei; eventualiter wurde das Begehren auf Zahlung von EUR 15.000,-- sA erhoben. Beim Vertrag zwischen den Parteien handle es sich um einen aufschiebend bedingten Vertrag; zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages maßgebliche Bedingung sei hiebei die Frage gewesen, ob die Bestandgeberin bereit sei, mit der beklagten Partei in ein Bestandverhältnis zu gleichen Konditionen wie gegenüber der Klägerin einzutreten. Diese Frage müsse spätestens mit der Erklärung vom 20. 6. 2002 positiv beantwortet werden. Für den Fall, dass man dieser Rechtsauffassung nicht folge, schulde die beklagte Partei der Klägerin jedenfalls den dieser entstandenen Vertrauensschaden insbesondere aus dem Titel der culpa in contrahendo in Höhe des diesbezüglich gestellten Eventualbegehrens.
Zur Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichtes berief sich die Klägerin auf die Art 22 Nr 1 und Art 5 Nr 1 EuGVVO.
Die beklagte Partei wendete die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein und bestritt im Übrigen das Klagebegehren auch meritorisch.
Das Erstgericht sprach - nach hierüber abgeführter Tagsatzung - mit Beschluss (in der zweitinstanzlichen Entscheidung teilweise auch als "Urteil" bezeichnet) seine Unzuständigkeit aus und wies die Klage "wegen internationaler Unzuständigkeit der österreichischen Gerichtsbarkeit" zurück. Der Erfüllungsgerichtsstand sei nicht gegeben, weil ein Erfüllungsort zwischen den Streitteilen nicht vereinbart worden sei, sodass als gesetzlicher Erfüllungsort für Geld- als Schickschulden nur der Schuldnerwohnsitz, sohin Deutschland, zum Tragen komme. Da die Klägerin auch nur einen Anspruch "abseits" eines Mietvertrages, nämlich im Sinne einer Ablösesumme aus der getroffenen Vereinbarung, ableite, liege auch der Zuständigkeitstatbestand des Art 22 Nr 1 EuGVVO nicht vor.
Das Rekursgericht gab dem hiegegen erhobenen Rekurs der klagenden Partei nicht Folge und sprach weiters aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es schloss sich der Auffassung des Erstgerichtes an, dass beide genannten Zuständigkeitstatbestände nicht gegeben seien. Der Abschluss eines Mietvertrages sei nur Vertragsbedingung, nicht aber der von Art 22 Nr 1 EuGVVO vorausgesetzte Streitgegenstand gewesen. Der Erfüllungsort der eingeklagten Verpflichtung liege sowohl nach österreichischem als auch nach deutschem Recht jedenfalls nicht in Österreich, sodass auch der Gerichtsstand nach Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO nicht zur Anwendung komme. Da das Eventualbegehren erst nach der Entscheidung über das Hauptbegehren behandelt werden dürfe und nach der Rechtsprechung für die Zuständigkeitsfrage eines Gerichtes (nur) die "Hauptpflicht" maßgeblich sei, könne der Erfüllungsort für Verpflichtungen aus dem Rechtsgrund der culpa in contrahendo eine Zuständigkeit des Erstgerichtes ebenfalls nicht begründen. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil eine Rechtsprechung dahingehend fehle, ob (auch) ein Eventualbegehren eine Zuständigkeit nach Art 5 Nr 1 EuGVVO begründen könne.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtenen Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichtes festzustellen; hilfsweise die Rechtssache zur ergänzenden Beweisaufnahme und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die beklagte Partei hat eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet, in welcher beantragt wird, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Die Ausführungen der Rechtsmittelwerberin zu den beiden nach wie vor von ihr in Anspruch genommenen Zuständigkeitstatbeständen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Zu Art 22 EuGVVO:
Nach dieser Bestimmung werde für Klagen, welche "die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben", die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates, in dem die unbewegliche Sache belegen sei, normiert; der gegenständliche Anspruch sei "jedenfalls vom Wortlaut des Art 22 Nr 1 EuGVVO erfasst", womit die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes gegeben sei.
b) Zu Art 5 Nr 1 EuGVVO:
Auch dieser Gerichtsstand sei gegeben. Maßgeblich hiefür sei, wo "die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erfüllen" sei. Diese sei aber nicht die Bezahlung des geforderten Geldbetrages, sondern die "Sachleistung der Übernahme der streitgegenständlichen Geschäftsfläche" im Sprengel des angerufenen Erstgerichtes, was vom Rekursgericht "geflissentlich übersehen" worden sei. Auch der auf den Titel des Schadenersatzes gestützte Betrag begründe diese Zuständigkeit, sei doch der der klagenden Partei entstandene Schaden nicht in Deutschland, sondern in Österreich erwachsen. Die getrennte Geltendmachung eines Eventualbegehrens (als Hauptbegehren) getrennt vom sonstigen Klagebegehren in unterschiedlichen Mitgliedstaaten würde zu einer der ratio des EuGVÜ und der EuGVVO widersprechenden Gerichtsstandzersplitterung führen.
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof folgendes erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass für die gegenständliche, nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) am 1. 3. 2002 (Art 76 Abs 1) eingebrachte Klage vom 4. 10. 2002 ausschließlich die Bestimmungen dieser Verordnung anzuwenden sind (Art 66 Abs 1). Davon sind bereits sowohl die Vorinstanzen als auch die Parteien ausgegangen, sodass sich weitere Ausführungen hiezu erübrigen.
Zu a):
Wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, fallen unter die bezogene Bestimmung (ebenso wie unter die insoweit inhaltsgleichen Art 16 Nr 1 EuGVÜ/LGVÜ) nur Rechtsstreitigkeiten, welche die sich unmittelbar aus einem Miet- oder Pachtvertrag ergebenden Verpflichtungen des Bestandgebers und Bestandnehmers betreffen (EuGH Rs 241/83; Simotta in Fasching I2 Rz 9 zu § 83 JN). Dass ein dingliches Recht an einer unbeweglichen Sache von der Klage bloß berührt wird, reicht für die Anwendbarkeit von Art 22 Nr 1 EuGVVO nicht aus; die Klage muss auf ein dingliches Recht und nicht auf einen (bloßen) schuldrechtlichen Anspruch gestützt sein (EuGH Slg 1994 I 1717 Nr 14 - webb/webb; Tiefenthaler in Czernich/Tiefenthaler/G. Kodek, Kurzkommentar Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht2 Rz 13 zu Art 22). Das dingliche Recht muss sohin Streitgegenstand sein (Czernich/Tiefenthaler, Art 16 EuGVÜ: Liegenschaftstreitigkeiten mit Auslandsbezug, woBl 1999, 255 [259]; Czernich/Tiefenthaler/G. Kodek, aaO und Rz 17). Es genügt nicht, dass die Klage ein dingliches Recht bloß berührt oder nur im Zusammenhang mit einem solchen steht (Czernich/Tiefenthaler, aaO woBl 1999, 259). Die vorliegende, auf Zahlung der (nach den Klagebehauptungen vertraglich) vereinbarten Ablösesumme gerichtete Klage ist damit sowohl hinsichtlich ihres Haupt- als auch des auf Schadenersatz ex contractu (Vertrauensschaden) gerichteten Eventualbegehrens nicht von der zitierten Zuständigkeitsnorm erfasst.
Zu b):
Zwar kann am Gerichtsstand des Erfüllungsortes auch dann geklagt werden, wenn das Zustandekommen eines Vertrages zwischen den Parteien strittig ist (RIS-Justiz RS0108679; Czernich/Tiefenthaler/G. Kodek, aaO Rz 13 zu Art 5), jedoch haben die Vorinstanzen ebenfalls zutreffend erkannt, dass die eingeklagte (RIS-Justiz RS0108474; EuGH Rs 14-76, C-420/97; Czernich/Tiefenthaler/G. Kodek, aaO Rz 45 zu Art 5) Verpflichtung, deren Erfüllung (als primäre oder Hauptleistung: 4 Ob 116/02s; EuGH Rs 266/85) begehrt wird, jedenfalls eine Geldschuld ist, die sowohl nach österreichischem (§ 905 ABGB) als auch nach deutschem Recht (§ 269 BGB) am (Wohn-)Sitz des Schuldners, also der beklagten Partei, zu erfüllen ist (4 Ob 233/97m; 6 Ob 216/98b; Klauser, Europäischer Zivilprozess, E 62 und 63 zu Art 5; Czernich/Tiefenthaler/G. Kodek, aaO Rz 49 und 50 zu Art 5); dies schlägt damit auch auf den - nicht gleichrangig, sondern hilfsweise - begehrten vertraglichen Schadenersatz durch (6 Ob 27/01s; 5 Ob 312/01w).
Liegt aber der Sitz der beklagten Partei in Deutschland, dann wurde die internationale Zuständigkeit von beiden Vorinstanzen zu Recht verneint. Außerhalb ihres Sitzstaates darf die Beklagte gegen ihren Willen (vgl Art 24 EuGVVO) nur in den von der Verordnung geregelten Fällen gerichtspflichtig gemacht werden (9 ObA 247/98h); solche sind im vorliegenden Fall - wie ausgeführt - jedoch nicht gegeben. Die klagende Partei hat die beklagte Partei daher nach der Grundregel des Art 2 (iVm Art 60) EuGVVO in deren Sitzstaat zu klagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 , 50 ZPO.
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