OGH 7Ob239/02a

OGH7Ob239/02a28.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois S*****, vertreten durch Waltl & Partner, Rechtsanwälte in Zell am See, gegen die beklagte Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg wegen EUR 31.820,43 (= S 437.858,60) über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 2. Juli 2002, GZ 4 R 88/02t-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 27. Februar 2002, GZ 6 Cg 199/00v-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.566,36 (darin enthalten EUR 261,06 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Ausspruch über die Revisionszulässigkeit damit begründet, dass eine höchstgerichtliche Judikatur zur '40 %-Klausel" (= Klausel 400b Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung von Landwirtschaften Punkt II [Seite 13 in Beilage ./3]: "Ist der Zeitwert einer Sache niedriger als 40 % des Neuwerts, so gilt als Ersatzwert der Zeitwert") nicht bekannt sei; die Entscheidung 7 Ob 375/98t (VR 2001/535) sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar.

Die Revisionswerberin hält demgegenüber daran fest, der Oberste Gerichtshof habe sich in dieser Entscheidung bereits mit der (auch hier entscheidungswesentlichen) Frage beschäftigt, ob für die Ermittlung des Zeitwertes das gesamte Gebäude oder nur der beschädigte Teil (Dach) zu Grunde zu legen sei, und dazu ausgesprochen, es sei - "ungeachtet der Frage ob saniert wurde oder nicht, bzw ob die Frist zur Sanierung bereits abgelaufen war" (Seite 3 der Revision) - der Zeitwert der beschädigten Sache, nämlich des Daches, zu ersetzen.

Demgemäß macht die Revision - im Gegensatz zur Zulassungsbegründung der angefochtenen Entscheidung - als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend, das Berufungsgericht sei von den "tragenden und wesentlichen" Entscheidungsgründen des Urteiles 7 Ob 375/98t abgewichen, wonach bei der Berechnung der Ersatzpflicht ausschließlich der Zeitwert des Daches heranzuziehen und eine gesonderte "Entwertung und Bewertung" von Gebäudeteilen zulässig sei. Tatsächlich hatte sich der erkennende Senat jedoch in der zitierten Entscheidung (VR 2001/535) - wie bereits die Vorinstanzen und auch die Revisionsbeantwortung zutreffend aufzeigen - nicht nur mit einer anders gelagerten Fallgestaltung, sondern auch mit einer anderen Klausel der Versicherungsbedingungen zu befassen:

Zu beurteilen war die von der Versicherung erhobene Einwendung der mangelnden Fälligkeit der Neuwertdifferenz infolge unterbliebener fristgemäßer Wiedererrichtung eines beschädigten Daches, weil der dortige klagende Versicherungsnehmer entgegen der vereinbarten Wiederherstellungsklausel nach Art 2 Punkt 4 der Eigenheim-Versicherungsbedingungen weder Abbruchs- noch Wiederaufbaumaßnahmen hatte vornehmen lassen ihm bedingungsgemäß in diesem Fall nur der Zeitwert zu vergüten war. Die auf den vorliegenden Fall nicht anwendbare, tragende Begründung dieser Entscheidung lautet daher wie folgt:

Nach § 97 VersVG kann der Versicherungsnehmer die Zahlung in dem Fall, in dem der Versicherer nach den Versicherungsbestimmungen nur verpflichtet ist, die Entschädigungssumme zur Wiederherstellung des versicherten Gebäudes zu zahlen, erst dann verlangen, wenn die bestimmungsgemäße Verwendung des Geldes gesichert ist; die Fälligkeit der über den Zeitwert [des beschädigten Daches] hinausgehenden Entschädigungsforderung ist bis dahin aufgeschoben (7 Ob 375/98t, VR 2001/535; insoweit zitiert auch in 7 Ob 8/01d).

Da den Vorinstanzen ein Abweichen von diesen (auf die im vorliegenden Fall vereinbarte 40 %-Klausel nicht anwendbaren) Rechtsprechungsgrundsätzen nicht vorzuwerfen ist, kann sich daraus auch keine erhebliche Rechtsfrage ergeben. Hier lehnt die beklagte Versicherung die Deckung der vom Kläger bereits bezahlten (und von den Vorinstanzen auch zuerkannten) Kosten der Dachreparatur nämlich unter Berufung auf die 40 %-Klausel und mit der Begründung ab, dass der Restwert des Daches nur noch 20 % des Neuwertes betrage. Die Revision war daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen. Davon abgesehen liegt aber ohnehin oberstgerichtliche Judikatur zu der von der Revisionswerberin bekämpften Auslegung des (in der 40 %-Klausel verwendeten) des Begriffes "Zeitwert" einer versicherten Sache (hier: eines landwirtschaftlichen Gebäudes [§ 297 ABGB]) vor:

Gerade was die in der Revision erörterte Frage der Zeitwertberechnung im Falle unterschiedlicher Lebensdauer von Bestandteilen einer versicherten Sache betrifft, hat der erkennende Senat nämlich zu 7 Ob 122/01v (VersR 2003, 355) erst jüngst ausgeführt, dass es (zB) bei der Ausmittlung der Versicherungsleistung für einen gestohlenen Motorbootmotor (im Rahmen der Kaskoversicherung) nicht auf den Wert des Motors isoliert vom Wert des Bootes ankommt. Der Zeitwertberechnung ist vielmehr die Differenz zwischen dem Wert des Bootes vor dem Diebstahl, also mit altem Motor, zum Wert des Bootes mit neuem Motor zugrundezulegen. Der Versicherungsschutz erstreckt sich nämlich nach der Art der Versicherung auf das Boot insgesamt, während dem Wert des gestohlenen, abgrenzbaren Einzelteiles keine Bedeutung zukommt, weil der Motor zweifellos ein ausstattungsmäßig notwendiges Zubehör des kaskoversicherten Bootes ist (7 Ob 122/02v mwN). Nichts anderes kann für den Zeitwert eines versicherten Gebäudes nach der 40 %-Klausel im Rahmen der hier vorliegenden Neuwertversicherung von Landwirtschaften gelten.

Die Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass eine isolierte Bewertung des Daches als unselbständiger Bestandteil der versicherten Sache (des landwirtschaftlichen Gebäudes) abzulehnen sei, was damit begründet wird, dass eine solche Auslegung - nach dem Wortlaut und Sinn der 40 %-Klausel - nicht den Grundsätzen des § 914 ABGB entspräche (vgl dazu: RIS-Justiz RS0050063), weicht von dieser Rechtsprechung nicht ab.

Ergänzend ist nur noch festzuhalten, dass die 40 %-Klausel einen sekundären Risikoausschluss (zur Begriffsbestimmung vgl etwa Schauer, Das österreichische VersVG³, 147 ff) enthält, für dessen Vorliegen den Versicherer die Behauptungs- und Beweislast trifft (Schauer aaO, 148 und die in FN 7 angeführte Judikatur; sowie RIS-Justiz RS0081044; RS0080122; RS0107031; RS0109451). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte aber nicht einmal behauptet, dass (auch) der Zeitwert des gesamten Gebäudes niedriger als 40% des Neuwertes gewesen sei (sodass nicht der Neuwert, sondern der Zeitwert als Ersatzwert iSd 40 %-Klausel zu gelten gehabt hätte); beruft sich die Revision doch (als Argument für die Qualifikation des Daches als "gesonderten Bestandteil") ganz im Gegenteil sogar ausdrücklich darauf, das gegenständliche Dach weise "eine viel stärkere Entwertung auf als das Gebäude als Ganzes" (Seite 5 der Revision). Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt daher auch aus diesem Grund nicht vor.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO; der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen.

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