OGH 7Ob8/01d

OGH7Ob8/01d18.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosemarie P*****, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr. Christoph Lassmann-Wichtl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,401.374,-- samt Anhang, über den Rekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse: S 656.000,--) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26. September 2000, GZ 2 R 49/00s-36, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 23. November 1999, GZ 16 Cg 158/96a-32, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin und ihr nunmehr verstorbener Mann Gerhard P***** waren am 14. 1. 1996 je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, KG M*****, auf der ein Einfamilienhaus steht. Diese Liegenschaft war von beiden Eigentümern zur Polizze Nr. ***** bei der Beklagten mit einer Gebäudeschutz-Versicherung, wovon auch eine Feuerversicherung umfasst war, der die Allgemeinen Feuerversicherungs-Bedingungen (AFB 1984) zu Grunde lagen, versichert worden. Die Versicherungssumme betrug nach Erhöhung am 26. 5. 1995 S 1,945.000. Am 14. 1. 1996 legte Gerhard P***** unter Alkoholeinfluss, aber nicht in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand, im Haus einen Brand, wodurch dieses erheblich beschädigt wurde. Am 10. oder 11. 3. 1996 nahm er sich das Leben.

Die Klägerin begehrt nun - soweit dies hier noch von Bedeutung ist - Zahlung aus dem Feuerversicherungsvertrag (über den Anspruch aus der Haushaltsversicherung wurde bereits rechtskräftig entschieden) und führt aus, dass das Einfamilienhaus zur Gänze zerstört worden sei. Vom Schaden bzw von der Versicherungssumme in der Höhe von S 1,945.000 entfalle auf den Hälfteanteil der Klägerin S 972.500.

Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung mit der Begründung, dass die Klägerin und Gerhard P***** ein einheitliches Interesse, nämlich das gemeinschaftliche Eigentum am Einfamilienhaus, versichert hätten. Die vorsätzliche Brandstiftung durch Gerhard P***** schließe Ansprüche der Klägerin aus der Feuerversicherung zur Gänze aus. Nach Art 5 Abs 2 der AFB 1984 sei - wenn wie hier das Gebäude nicht innerhalb von drei Jahren ab Schadenstag wieder aufgebaut werde - höchstens der Verkehrswert zu ersetzen. Dieser belaufe sich nur auf S

763.897. Bei Ermittlung des Verkehrswertes sei die Verwendbarkeit der Reste des Hauses für die Wiederherstellung zu berücksichtigen.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte (aus dem Titel der Feuerversicherung) unter Abweisung des Mehrbegehrens zur Zahlung von S 656.000 sA. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, dass sich der Versicherer einem Miteigentümer gegenüber nicht auf die Leistungsfreiheit einem anderen Miteigentümer gegenüber berufen könne, wenn dieser nicht an der Herbeiführung des Versicherungsfalles vorsätzlich oder grob fahrlässig mitgewirkt habe. Der Klägerin stehe daher die Hälfte der gerechtfertigten Versicherungsleistung zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils - soweit hier gegenständlich - Folge (die Abweisung des Mehrbegehrens erwuchs in Rechtskraft) und hob das angefochtene Urteil in diesem Umfang auf. Es bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass sich der Versicherer gegenüber den anderen Miteigentümern nicht auf Leistungsfreiheit berufen könne, wenn bei einer im Miteigentum stehenden gemeinsam versicherten Sache der Versicherungsfall von nur einem Miteigentümer vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden sei. Es fehlten aber noch Feststellungen dazu, ob das Gebäude innerhalb von drei Jahren wieder aufgebaut worden sei, verneinendenfalls, ob die Unterlassung des Wiederaufbaus auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhe. Sollte dies nicht der Fall sein, werde als Ersatzwert der ortsübliche Bauwert unter Abzug eines dem Zustand des Gebäudes entsprechenden Betrages zuzusprechen sein. Sollte das Erstgericht zum Ergebnis kommen, dass die Verletzung der Wiederherstellungsklausel vorsätzlich oder (bei Einfluss auf den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung) grob fahrlässig erfolgt sei, werde es den anteiligen Verkehrswert festzustellen haben. Dabei werde zu berücksichtigen sein, dass nach dem Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. Alexander H***** Teile des Gebäudes, wie etwa der Keller oder der Dachstuhl, nicht zerstört worden seien. Ergänzend zum bislang ermittelten Verkehrswert werde noch der Verkehrswert des durch den Brand beschädigten Gebäudes festzustellen sein, wobei sich aus der Differenz der Verkehrswerte des Gebäudes unmittelbar vor und nach dem Brand der anteilige Verkehrswert ergebe, der der Klägerin zur Hälfte zu bezahlen sei.

Den Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage des Anspruches aus der (Gebäude-)Feuerversicherung hinsichtlich der Wiederherstellungsklausel sowie hinsichtlich der Höhe des Ersatzwertes bei Teilschäden an Gebäuden spärlich sei bzw fehle.

Dagegen richtet sich der als Revision bezeichnete Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen, in eventu das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an dieses zur Verfahrensergänzung und Neuschöpfung des Urteils zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Art 5 der AFB 1984 lautet:

"Ersatzleistung

(1) Der Ermittlung der Ersatzleistung wird unbeschadet der Bestimmungen des Art 10 ABS der Versicherungswert zur Zeit des Eintrittes des Schadenfalles (Ersatzwert) zu Grunde gelegt, bei beschädigten Sachen der Unterschied zwischen diesem Wert und dem Wert der Reste, bei dessen Ermittlung die Verwendbarkeit der Reste für die Wiederherstellung zu berücksichtigen ist. ...

(2) Als Ersatzwert gelten:

a) Bei Gebäuden der ortsübliche Bauwert unter Abzug eines dem Zustande des Gebäudes, insbesondere dem Alter und der Abnützung entsprechenden Betrages; wenn das Gebäude nicht innerhalb dreier Jahre, gerechnet vom Schadenstag, wieder aufgebaut wird, ist höchstens dessen Verkehrswert (bei Teilschäden dessen anteiliger Verkehrswert) zu ersetzen. Bei Ermittlung des Verkehrswertes bleibt der Wert des Grundstückes außer Ansatz; ..."

Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass infolge Ablehnung der Haftung für Repräsentanten mangels ausreichender gesetzlicher Grundlage im österreichischen Recht das Verschulden eines Versicherungsnehmers dem anderen nicht zuzurechnen ist, wenn ihn kein Vorwurf eigenen Verschuldens trifft. Das versicherte Eigentümerinteresse wird durch die Größe seines Miteigentumsanteils beschränkt (7 Ob 241/97k = SZ 70/230 mwN).

Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Frage der Rechtsnatur einer Wiederherstellungsklausel wie in Art 5 Abs 2 lit a der AFB (AFB 1980 wortgleich im hier relevanten Bereich wie 1984) auseinandergesetzt und die Ansicht vertreten, dass nur bei einer Neuwertversicherung die Wiederherstellungsklausel eine Risikobegrenzung begründe (auch VersR 1993, 273, VersR 1993, 199), dass aber andernfalls (ortsüblicher Bauwert unter Abzug eines dem Zustand des Gebäudes entsprechenden Betrages bzw Verkehrswert) die Wiederherstellungsklausel als ein Gebot, dessen Einhaltung die Erlangung der Entschädigung bedinge, also als eine Obliegenheit zu betrachten sei. Die Wiederherstellungsklausel sei eine Voraussetzung für die Erhaltung des Anspruchs aus dem Versicherungsvertrag und aus diesem Grund sei sie ihrer Rechtsnatur nach als Obliegenheit statuiert (SZ 58/207; VR 1993, 273). Eine Auseinandersetzung damit und den daraus resultierenden Rechtsfolgen hat aber im vorliegenden Fall entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes deshalb zu unterbleiben, weil es die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren unterlassen hat, ein Vorbringen dazu zu erstatten, dass sie den Wiederaufbau des Gebäudes überhaupt in Erwägung ziehe. Vielmehr lässt ihr bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz unverändertes Vorbringen, bloß die Hälfte des Versicherungswertes (§ 88 VersVG) zu begehren, den Schluss zu, dass sie eine Wiederherstellung nicht anstrebe. Im Rechtsmittelverfahren verstößt ein davon abweichendes Vorbringen gegen das Neuerungsverbot (§ 482 ZPO). Ob und inwieweit die Klägerin für den Fall einer Wiederherstellung auch der Zustimmung des anderen nicht verfahrensbeteiligten Miteigentümers bedurft hätte (vgl Martin, Sachversicherungsrecht3, R IV, Rz 89), kann dahingestellt bleiben.

Nach § 97 VVG kann der Versicherungsnehmer die Zahlung in dem Fall, in dem der Versicherer nach den Versicherungsbestimmungen nur verpflichtet ist, die Entschädigungssumme zur Wiederherstellung des versicherten Gebäudes zu zahlen, erst dann verlangen, wenn die bestimmungsgemäße Verwendung des Geldes gesichert ist. Die Fälligkeit der Entschädigungsforderung ist bis dahin aufgeschoben (7 Ob 375/98t).

Da Zweck des Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz in jeder Richtung durch den Obersten Gerichtshof ist (Kodek in Rechberger2 § 519 ZPO, Rz 5 mwN), ist aufzugreifen, dass das Berufungsgericht seiner Rechtsansicht ein Vorbringen der Klägerin zu Grunde gelegt hat, das diese gar nicht erstattet hat. Die in Art 5 der AFB verwendeten Begriffe stellen in erster Linie versicherungsrechtliche Begriffe dar (vgl zum Begriff "Zeitwert" in SZ 61/81 = WBl 1988, 406 = VersE 1384). Auf die Schadenersatzbegriffe des bürgerlichen Rechts ist dann, wenn die AFB ausdrücklich darauf verweisen, oder wenn ihr Wortlaut sonst keine sinnvolle Auslegung erlaubt, zurückzugreifen (vgl 7 Ob 86/99v). Dies gilt auch für die in Art 5 AFB verwendeten Begriffe "ortsüblicher Bauwert unter Abzug eines dem Zustand des Gebäudes, insbesondere dem Alter und der Abnützung entsprechenden Betrages" und "Verkehrswert " (vgl 7 Ob 314/00b). Die Klägerin hatte von vornherein die Wahl zwischen dem Begehren auf Ersatz des ortsüblichen Bauwerts unter Abzug eines dem Zustand des Gebäudes entsprechenden Betrages bei Wiederaufbau und dem (anteiligen) Verkehrswert unabhängig vom Wiederaufbau. Stützt sie sich nicht ausdrücklich auf den Wiederaufbau des Gebäudes, macht sie damit lediglich den Verkehrswert geltend. Sekundäre Feststellungsmängel können aber nur vorliegen, wenn ein entsprechendes Vorbringen von den Parteien im erstinstanzlichen Verfahren erstattet wurde. Wurde ein entsprechender Sachverhalt nicht behauptet, darf das Berufungsgericht nicht das Urteil aufheben, um den Parteien die Nachholung versäumten Vorbringens zu ermöglichen (Kodek in Rechberger2, § 496 ZPO, Rz 4 mwN). Es erübrigen sich daher Feststellungen, ob das Haus von der Klägerin wieder aufgebaut wurde bzw im Hinblick auf § 6 VVG, ob sie dies vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassen hat. Die Klägerin begehrt schon ihrem Vorbringen nach nur den Ersatz des halben Verkehrswerts des versicherten Gebäudes.

Zutreffend zeigt aber das Berufungsgericht auf, dass der Wert der verwendbaren Reste des Hauses im Sinne des Art 5 Abs 1 und 2 AFB 1984 berücksichtigt werden müssen. Insoferne erweist sich die Teilaufhebung des erstinstanzlichen Urteils und die Zurückverweisung der Rechtssache in diesem Umfang in die erste Instanz zur Verfahrensergänzung als berechtigt.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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