OGH 10ObS92/03g

OGH10ObS92/03g27.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Peter Ammer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Johann Ellersdorfer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hektor A*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Johannes Grund, Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. November 2002, GZ 11 Rs 232/02w-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. Juni 2002, GZ 31 Cgs 207/01w-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die zwischen Margit A***** und dem Kläger am 23. 9. 1983 geschlossene Ehe wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 28. 3. 2002 aus gleichteiligem Verschulden geschieden. Die häusliche Gemeinschaft der ehemaligen Ehegatten ist seit Juni 2001 aufgehoben. Vom 1. 5. 2000 bis 31. 12. 2000 erhielt der Kläger von der Beklagten eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit in der Höhe von 339,25 EUR, ab 1. 1. 2001 in der Höhe von 341,96 EUR. Die vormalige Gattin des Klägers ist bei der L***** AG beschäftigt und bezieht dort seit zumindest 2001 ein Gehalt von 1.688,79 EUR netto. Vertragliche Unterhaltsansprüche hat der Kläger gegenüber seiner Gattin nicht.

Im Bescheid vom 13. 8. 2001, in dem dem Kläger eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zuerkannt wurde, wurde auch ausgesprochen, dass ein Anspruch des Klägers auf Ausgleichszulage nicht bestehe, da dessen Gesamteinkommen den Richtsatz übersteige.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage auf Gewährung einer Ausgleichszulage ab. Dem Kläger stehe bis zur Scheidung ein Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB und nach der Scheidung nach § 68 EheG zu, wobei der Unterhaltsanspruch sowohl vor als auch nach der Scheidung so hoch anzusetzen sei, dass dadurch unter Hinzurechnung der Pension des Klägers jedenfalls der für den Kläger maßgebliche Ausgleichszulagenrichtsatz von 613,14 EUR erreicht werde.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. In rechtlicher Hinsicht führte es - zu dem im Revisionsverfahren allein noch maßgebenden Zeitraum ab 1. 4. 2002 - aus, dass dem Kläger unter Umständen ab der Scheidung (28. 3. 2002), an der beide Ehegatten gleichteilig schuld seien, gegenüber seiner Gattin ein Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG zustehen könne. Auch der "Unterhaltsbeitrag" nach dieser Bestimmung werde als gesetzlicher Unterhalt qualifiziert und sei daher gemäß § 292 Abs 3 ASVG bei Feststellung des Anspruches auf eine Ausgleichszulage dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten mit der vollen Höhe hinzuzurechnen. Bei der nach § 68 EheG vorzunehmenden Billigkeitsbeurteilung seien die Bedürfnisse, Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des anderen Ehegatten sowie sämtliche Lebensumstände beider Parteien zu berücksichtigen. Von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des Klägers könne im Hinblick auf die Höhe seines Pensionsanspruches von 341,96 EUR ab 1. 1. 2001 nicht ausgegangen werden, zumal seine Pension deutlich unter den Richtsätzen des oö Sozialhilfegesetzes liege. Der Richtsatz nach § 1 Abs 1 Z 1 und Abs 3 der oö Sozialhilfeverordnung 1998 liege für alleinstehende Personen inklusive Unterkunftsaufwand bei einem monatlichen Betrag von 590 EUR. Aufgrund der mangelnden Selbsterhaltungsfähigkeit des Klägers sei daher ein Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG grundsätzlich zu bejahen. Der Zuschuss nach § 68 EheG solle nur einen relativ bescheidenen Teil des vollen Unterhalts ausmachen, der nach der Judikatur bei durchschnittlich 10 - 15 % des Nettoeinkommens des Verpflichteten liege. Wie sich aus dem Inhalt des Aktes der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten ergebe, habe die geschiedene Gattin des Klägers im Jahr 2001 nicht nur ein Gehalt von monatlich 1.688,79 EUR netto bezogen, sondern es seien ihr auch Sonderzahlungen im Ausmaß von zwei vollen Monatsgehältern sowie zusätzlich 115,25 % eines Monatsgehaltes zugestanden. Folglich sei den Berechnungen das monatliche Nettoeinkommen der geschiedenen Gattin des Klägers inklusive der gebührenden Sonderzahlungen zugrunde zu legen. Unter Berücksichtigung des verhältnismäßig hohen Einkommens der geschiedenen Ehegattin des Klägers (inklusive Sonderzahlungen ca 2.100 EUR monatlich) erscheine im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung ein Unterhaltsanspruch von 15 % von deren Nettoeinkommen als angemessen, das seien 315 EUR monatlich. Da die Eigenpension des Klägers von 341,96 EUR brutto und der Unterhaltsanspruch gegen die geschiedene Ehefrau von 315 EUR den Ausgleichszulagenrichtsatz von 630,92 EUR übersteigen, gebühre dem Kläger keine Ausgleichszulage.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Kläger ab 1. 4. 2002 eine Ausgleichszulage von 88,96 EUR gewährt wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei amtswegig von "Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten" auf "Pensionsversicherunganstalt" zu berichtigen war, weil mit 1. 1. 2003 alle Rechte und Verbindlichkeiten der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten auf die neu errichtete Pensionsversicherungsanstalt als Gesamtrechtsnachfolger übergingen (§ 538a ASVG idF der 59. ASVGNov BGBl I 2002/1).

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend rügt der Kläger unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, dass das Berufungsgericht in Abweichung von den erstgerichtlichen Feststellungen von einem höheren Einkommen der Ehegattin des Klägers ausgehe. Das Erstgericht hat festgestellt, dass die vormalige Gattin des Klägers seit 2001 ein Gehalt von 1.688,79 EUR netto bezieht. In der Beweiswürdigung hat das Erstgericht dazu ausgeführt, dass sich dieses Einkommen aus dem Pensionsakt ergebe und auf den Angaben des Klägers selbst basiere (gemeint offenbar in dem vom Kläger unterfertigten Fragebogen zur Berechnung der Ausgleichszulage); das dementsprechende Vorbringen der beklagten Partei sei nicht bestritten worden. Das Berufungsgericht geht aufgrund des Inhalts des Anstaltsakts (Blatt 144) davon aus, dass die geschiedene Gattin des Klägers im Jahr 2001 neben dem regelmäßigen Gehalt von monatlich 1.688,79 EUR netto noch Sonderzahlungen im Ausmaß von zwei vollen Monatsgehältern sowie zusätzlich 115,25 % eines Monatsgehaltes bezogen habe.

Das Berufungsgericht hat somit fehlende, aus seiner Sicht unproblematische Feststellungen ergänzt. Wie der Oberste Gerichtshof zuletzt in der Entscheidung 10 ObS 273/02y ausgesprochen hat, ist diese Vorgangsweise nur zulässig, soweit es sich zum "unzweifelhaft offenkundige Tatsachen" handelt (SSV-NF 6/87; RIS-Justiz RS0040219 [T4]) Soweit diese Voraussetzung - wie hier - nicht vorliegt, ist es notwendig, ein solches Vorgehen mit den Parteien zu erörtern (RIS-Justiz RS0040219 [T3]). Auch wenn die Richtigkeit der vom Berufungsgericht angenommenen Einkommenshöhe im Hinblick auf den Inhalt des Anstaltsakts nahe liegt, ist es doch notwendig, im fortgesetzten Verfahren die Höhe mit den Parteien zu erörtern, zumal sie nicht so unzweifelhaft ist, dass sie der Entscheidung nur unter Bezugnahme auf den Inhalt des Anstaltsakts zugrunde gelegt werden könnte. Auf dieser Grundlage sind dann Feststellungen zur Höhe des durchschnittlichen Einkommens der geschiedenen Gattin des Klägers auch unter Einbeziehung der Sonderzahlungen zu treffen.

Der Oberste Gerichtshof hat zur Anrechnung von Unterhaltsansprüchen auf die Ausgleichszulage zuletzt in den Entscheidungen 10 ObS 37/02t und 10 ObS 223/02w eingehend Stellung bezogen.

Das Ausgleichszulagenrecht des ASVG wurde mit der 29. Novelle zum ASVG (BGBl 1973/31) neu gefasst (s etwa Sedlak, Aus dem Pensionsversicherungsrecht nach der 29. ASVG-Novelle, DRdA 1973, 106 [112 f]), ohne dass damit allerdings an dem bis dahin geltenden System der Unterhaltsanrechnung Wesentliches geändert worden wäre; diese wurde damals in den § 294 ASVG aufgenommen. Dessen Abs 1 lautete in der Fassung der 29. ASVG-Novelle:

"Bei Anwendung des § 292 sind Unterhaltsansprüche des Pensionsberechtigten gegen

a) den Ehegatten, sofern er mit dem Pensionsberechtigten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt,

b) den geschiedenen Ehegatten,

c) die Eltern, sofern sie mit dem Pensionsberechtigten im gemeinsamen Haushalt leben,

gleichviel ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht wird, dadurch zu berücksichtigen, dass dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten in den Fällen der lit a 30 vH und in den Fällen der lit b und c 15 vH des monatlichen Nettoeinkommens der dort genannten Personen zuzurechnen sind."

§ 292 Abs 2 sah eine Verminderung dieser Prozentsätze um 2 vH bei Vorhandensein weiterer unterhaltsberechtigter Angehöriger vor.

Die Hundertsätze, nach denen der dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten zuzurechnende Pauschalbetrag bemessen wird, sollten - so die Erläuterungen zur Regierungsvorlage wörtlich - in ihrer Höhe ungefähr den üblichen Unterhaltsverpflichtungen entsprechen. Dabei wurde davon ausgegangen, dass erfahrungsgemäß die Unterhaltsverpflichtung gegenüber einer Ehegattin in aufrechter Ehe höher bemessen wird, als im Falle einer geschiedenen Ehe (RV 404 BlgNR XIII. GP 115, rechte Spalte 3. Absatz).

Nach "geschlechtsneutraler" Formulierung des § 294 ASVG mit der 36. ASVG-Novelle (BGBl 1981/282) verminderte die 48. Novelle zum ASVG (BGBl 1989/642) die Pauschalsätze für Ehegatten von 30 vH auf 25 vH und für geschiedene Ehegatten sowie für Kinder von 15 vH auf 12,5 vH. Dies wird in den Gesetzesmaterialien (RV 1098 BlgNR XVII. GP iVm RV 1102 BlgNR XVII. GP) nicht näher begründet.

Mit Erkenntnis vom 17. 6. 2000, G 26/00-7 (VfSlg 15.819 = ZASB 2000, 46 = ARD 5142/22/2000), hat der Verfassungsgerichtshof über Antrag des Oberlandesgerichts Wien die Wortfolgen "a) den Ehegatten (die Ehegattin), sofern er (sie) mit dem Pensionsberechtigten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt" sowie "in Fällen der lit a 25 vH und" in § 294 Abs 1 ASVG als verfassungswidrig aufgehoben. In seiner Begründung hat der VfGH darauf hingewiesen, die Aufhebung bewirke, dass der der Klägerin des damaligen Ausgangsverfahrens tatsächlich nach § 94 ABGB zustehende Unterhalt bei Ermittlung des Nettoeinkommens im Sinne des § 292 Abs 1 ASVG anzurechnen sei. Diese Aufhebung des § 292 Abs 1 lit a ASVG erfolgte nicht deshalb, weil die Anrechnung von Unterhaltsansprüchen an sich verfassungswidrig wäre, sondern weil der seinerzeit vorgesehene Pauschalsatz für die Unterhaltsanrechnung nur in seltenen Fällen zu mit der zivilrechtlichen Unterhaltsbemessung übereinstimmenden Ergebnissen führte.

Weiters hat der VfGH über Antrag des Oberlandesgerichts Innsbruck mit Erkenntnis vom 27. 2. 2001, G 104/00-9 (ARD 5217/17/2001) die Wortfolgen "b) den geschiedenen Ehegatten (die geschiedene Ehegattin)" sowie "b und" in § 294 Abs 1 erster Satz ASVG als verfassungswidrig aufgehoben. Unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 17. 6. 2000, G 26/00-7, führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass eine Regelung der sachlichen Rechtfertigung entbehre, die die Anrechnung eines fiktiven Unterhalts anordne, der von jenem abweiche, der sich mittels der von den ordentlichen Gerichten entwickelten, einen Durchschnittsfall ausdrückenden Berechnungsformel (40 vH des Familieneinkommens unter Abzug des Eigeneinkommens) ergibt, sodass diese Regelung im Ergebnis nicht den Regel-, sondern den Ausnahmefall zugrunde lege.

Auch die Revision geht grundsätzlich davon aus, dass ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch des Klägers gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau gemäß § 68 in Betracht kommen könnte; er sei aber nach Ansicht des Klägers im konkreten Fall - ausgehend von der Judikatur zu § 68 EheG - ausgeschlossen. Die Revision wendet sich auch nicht generell gegen eine Anrechnung von Unterhaltsansprüchen auf den Anspruch auf Ausgleichszulage.

Bei dieser Anrechnung der dem Pensionsberechtigten gebührenden Unterhaltsansprüche ist zwischen den nach § 294 Abs 1 ASVG zu berücksichtigenden Pauschalbeträgen und den sonstigen Unterhaltsansprüchen zu differenzieren. Dass auch die zweitgenannte Kategorie eine anzurechnende Einkunft darstellt, lässt sich § 292 Abs 4 lit e ASVG entnehmen, worin als vom Nettoeinkommen auszuklammernder Bezug nur die ohnedies nach § 294 ASVG einzubeziehenden Unterhaltspauschalbeträge erwähnt werden. Diese Bestimmung zeigt klar, dass die in § 292 Abs 3 ASVG statuierte Legaldefinition des Einkommens auch den Komplex der Unterhaltsforderungen umfasst (SSV-NF 4/47 und 7/28; Binder, Probleme der pensionsversicherungsrechtlichen Ausgleichszulage, ZAS 1981, 89 [96]; Barnas, ZAS 1988, 205 [207] in der Anmerkung zu ZAS 1988/28 = DRdA 1990/7 [Ivansits] = SSV-NF 2/15 = SZ 61/26; Teschner/Widlar, BSVG [32. ErgLfg] 378). Die pauschalierte Anrechnung von Unterhaltsansprüchen in einzelnen Fällen findet ihren Zweck darin, dass eine Pauschalierung speziell dann eingreifen soll, wenn die objektive und aktuelle Feststellung der Höhe zufließender Leistungen einen unvertretbaren Aufwand hervorruft (vgl Barnas aaO 207). Dies ist gerade bei einem gemeinsamen Haushalt zwischen dem unterhaltsberechtigten Kind und dem Unterhaltsverpflichteten der Fall.

Greift - wie im vorliegenden Fall - keine Pauschalierung ein, kann als Einkunft iSd § 292 Abs 3 ASVG nur ein tatsächlich anfallender Bezug gewertet werden ("Bezüge aus Unterhaltsansprüchen"; SSV-NF 10/77 und 12/77; RIS-Justiz RS0106714; Radner ua, Bauernsozialversicherung3 [2. Lfg] 710 f). Der bloße Anspruch auf bestimmte Geld- und Sachleistungen reicht dafür nicht aus. Auf Unterhaltsansprüche, die nicht der Pauschalanrechnung unterliegen, ist daher nur insoweit Bedacht zu nehmen, als sie auch tatsächlich realisiert wurden (Binder aaO 93, 96; Barnas aaO 208). Insoweit differenziert das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. 6. 2000, G 26/00 (VfSlg 15.189) nicht genau, wenn unter Punkt II.1.3. auf den "tatsächlich zustehenden Unterhalt" Bezug genommen wird.

Der subsidiäre sozialhilfeähnliche Charakter der Ausgleichszulage verbietet es jedoch im Allgemeinen, dass der Berechtigte von sich aus auf realisierbare Einkünfte verzichtet (SSV-NF 9/76; RIS-Justiz RS0040296, RS0038599). Die Judikatur hat aus dem Gedanken des Verbots rechtsmissbräuchlicher Rechtsausübung gefolgert, dass der Verzicht auf bestehende, im Rahmen der Ausgleichszulagenfeststellung zu berücksichtigende Ansprüche (worunter auch das bloße Nichtgeltendmachen und Nichteintreiben offener Forderungen zu verstehen ist) für die Ausgleichszulagenfeststellung unbeachtlich ist, sofern dieser Verzicht (bzw die Rechtsaufgabe) offenbar den Zweck hatte, den Träger der Ausgleichszulage zu schädigen (10 ObS 152/91 = ZAS 1995/2, Brodil = JBl 1994, 191; 10 ObS 161/91 = SSV-NF 7/19 = DRdA 1994/5, [tw krit] Binder), indem die Leistungslast vom persönlich haftenden Schuldner auf die öffentliche Hand abgewälzt werden soll (Binder, ZAS 1981, 94).

Demnach sind Unterhaltsansprüche, die nicht der Pauschalanrechnung des § 294 Abs 1 lit c ASVG unterliegen, bei der Ausgleichszulagenbemessung als sonstiges Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie tatsächlich zufließen oder rechtsmissbräuchlich nicht realisiert werden.

In Betracht kommt nur ein unrealisiert gebliebener Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG (idF des EheRÄG 1999). Dieser geht als gesetzlicher Unterhaltsanspruch einem Anspruch auf Sozialhilfe oder Ausgleichszulage vor (Stabentheiner in Rummel 3, § 68 EheG Rz 6 mwN; Zankl in Schwimann, ABGB I2, § 68 EheG Rz 2 und 7; vgl auch SZ 60/71 und 8 Ob 63/02a zum Bezug von Sozialhilfe).

Nach den Feststellungen kann aber weder beurteilt werden, ob ein Anspruch des Klägers auf Billigkeitsunterhalt bestünde noch ob der Kläger einen solchen Anspruch rechtsmissbräuchlich nicht realisiert hat. Wie bereits dargestellt wäre der Verzicht auf bestehende, im Rahmen der Ausgleichszulagenfeststellung zu berücksichtigende Ansprüche (worunter auch das bloße Nichtgeltendmachen und Nichteintreiben offener Forderungen zu verstehen ist) für die Ausgleichszulagenfeststellung unbeachtlich, sofern dieser Verzicht (bzw die Rechtsaufgabe) offenbar den Zweck hatte, den Träger der Ausgleichszulage zu schädigen, indem die Leistungslast vom persönlich haftenden Schuldner auf die öffentliche Hand abgewälzt werden soll.

Hinsichtlich der zuvor zu beurteilenden Frage, ob ein Anspruch des Klägers auf Billigkeitsunterhalt bestünde oder nicht, stellt das Einkommen des potentiell Unterhaltspflichtigen (allenfalls in Relation zu einem Einkommen des möglicherweise Unterhaltsberechtigten) nur eine Komponente für die Bemessung des Unterhalts dar. Vielmehr sind - wie bereits der Gesetzestext zum Ausdruck bringt - alle Bedürfnisse (einschließlich weiterer Unterhaltspflichten) und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des Unterhaltspflichtigen in die Billigkeitsabwägung einzubeziehen. Neben dem Einkommen des Unterhaltsberechtigten selbst können auch die Dauer der Ehe und der Grund der Selbsterhaltungsunfähigkeit von Bedeutung sein (8 Ob 63/02a). Zu beachten ist schließlich, dass nach § 68 EheG dem Unterhalt fordernden Teil im Regelfall auch die Heranziehung des Stammes seines Vermögens zur Deckung seines Unterhaltsbedarfs auferlegt wird. Eine schematische Halbierung des sich nach § 66 errechnenden Unterhalts ist jedenfalls abzulehnen (Stabentheiner in Rummel 3, § 68 EheG Rz 2; Zankl in Schwimann, ABGB I2, § 68 EheG Rz 8) wie eine generelle Bemessung in Höhe von 15 % des Nettoeinkommens der unterhaltspflichtigen Gattin, da dabei ein Einkommen des Unterhaltsberechtigten zu Unrecht außer Betracht bleibt.

Da es zur Abklärung der aufgezeigten Feststellungsmängel einer Verhandlung erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Im fortgesetzten Verfahren sind die genaue Höhe des Einkommens der geschiedenen Gattin des Klägers (nach Erörterung mit den Parteien), die Umstände, die für die Billigkeitsabwägung nach § 68 EheG von Bedeutung sind, und allfällige Gründe für eine Nichtgeltendmachung eines Unterhaltsanspruchs durch den Kläger zu klären.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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