OGH 8ObA204/02m

OGH8ObA204/02m10.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Kaszanits und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Hemma O*****, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Burgstaller & Preyer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Mai 2002, GZ 9 Ra 112/02k-44, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18. April 2001, GZ 18 Cga 77/99w-33, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes können dahin zusammengefasst werden:

Die zum Zeitpunkt der Kündigung am 15. 3. 1999 (zum 31. 7. 1999) 41-jährige Klägerin absolvierte das Doktoratstudium für Geschichte mit dem Nebenfach Englisch und war danach ohne fachspezifische Ausbildung, etwa im Sinne einer Lehrer-, Übersetzer- oder Dolmetscherausbildung als Sprachlehrerin im Wesentlichen freiberuflich tätig. Bei der Kündigung war nicht zu erwarten, dass die Klägerin, die zuletzt bei der Beklagten ein Gehalt von ca S 26.500,-- netto bezog, innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen annähernd gleichwertigen Arbeitsplatz findet. Sie konnte in absehbarer Zeit nur mit einer Beschäftigung auf freiberuflicher Basis - wie zuvor - rechnen. Das Einstiegsgehalt von entsprechend ausgebildeten Übersetzerinnen, Lehrerinnen, Bibliothekarinnen oder Dolmetscherinnen beträgt unter S 20.000,-- netto.

Bei der Beklagten wurde die Klägerin ab 1. März 1995 zunächst für ein Jahr befristet und dann unbefristet angestellt, und zwar schwerpunktmäßig für die Abhaltung von Englischseminaren für verschiedene Arbeitnehmergruppen der Beklagten und allenfalls auch für Einzelunterricht, zusätzlich aber auch für die Organisation und Durchführung von internationalen Konferenzen in englischer Korrespondenz und für die Betreuung ausländischer Gäste sowie die Mitarbeit an der Erstellung von Unterlagen in englischer Sprache. Der Einsatz als Sprachtrainerin wurde im Hinblick auf die bereits einschlägige Erfahrung als gut und die Klägerin als "sehr kommunikativ und freundlich" beurteilt. "Mit Ausnahme des umfassenden Wissens über die Personalentwicklungsphilosophie der Beklagten" erfülle sie die Aufgaben vollständig. Ihre Mitarbeit bei der Planung, Organisation und Durchführung von Seminaren wurde allerdings nur als "teilweise im akzeptablen Ausmaß" erfüllt bewertet. Die Beklagte entschloss sich dann, die Sprachschulungen wieder an externe Unternehmen auszugliedern. Die Funktion der Klägerin als Sprachtrainerin wurde dann extern auf Basis einer Entlohnung von stündlich S 600,-- mit einem Volumen von S 100.000,-- jährlich wahrgenommen. Die Klägerin wurde mit 1. 10. 1998 in die Bibliothek versetzt. Ihr wurde in diesem Zusammenhang auch das Geschichtsstudium als Voraussetzung für die Verwendung in der Fachbibliothek angerechnet und ihr eine Vorrückung von 66 Monaten gewährt. Für die Bibliothek war extern an einen Lektor der Volkswirtschaft bereits 1994 ein Auftrag vergeben worden, diese neu aufzubauen und zu reformieren. Bis dahin war insbesondere die Verwaltung der Zeitschriften einer anderen Abteilung zugeordnet. Die Bibliothek sollte mit einer besonderen Software ausgestattet werden. Entsprechend dem Konzept waren drei Arbeitsplätze vorgesehen. Im Bibliotheksbereich arbeitete bereits eine unkündbare Arbeitnehmerin im administrativen Bereich und eine weitere im EDV-Bereich. Als Anforderungsprofil war für einen Leiter mit Universitätsausbildung bzw entsprechender Dienstprüfung im Bereich des Bibliothekswesens folgendes vorgesehen:

1.) Umgang mit elektronischer Datenverarbeitung mit Schwerpunkt bibliothekarische Software und Fähigkeit zum Vergleich der angebotenen Produkte.

2.) Fachausbildung im Bereich Bibliotheks- und Archivwesens sowie Dokumentation.

3.) Kenntnisse und laufende Weiterbildung auf dem Gebiet der Wirtschaftsgeschichte.

4.) Kenntnis und laufende Weiterbildung im Bereich der Ökonomie mit Schwerpunktsetzung monetäre Theorie und Politik.

5.) Fremdsprachen, jedenfalls Englisch.

In diesem Bereich wurde nun neben den beiden genannten unkündbaren Mitarbeitern auch eine externe Mitarbeiterin eingesetzt, die die entsprechende Ausbildung und Dienstprüfung besaß. Allerdings sollte ihr Vertrag nicht verlängert werden, weil die Beklagte einen Platz für die Klägerin in der Bibliothek suchte und der Projektleiter sich dagegen nicht durchsetzen konnte. Die Klägerin wurde dann allerdings von dem Bibliotheksteam abgelehnt.

Schließlich verfasste der Leiter dieses Bereiches im Februar 1999 ein Schreiben, wonach die Bibliothek nur deshalb einen Personalbedarf angemeldet habe, weil der Zweijahresvertrag der genannten Fachkraft nicht verlängert werden sollte, jedoch nur diese die erforderliche Fachausbildung besitze. Die Aufnahme der Klägerin in die Bibliothek sei nur darauf zurückzuführen und in der Umstellungsphase auch sinnvoll gewesen. Das Konzept sehe im Bibliotheksbereich aber nur eine Beschäftigung von drei Mitarbeitern vor. Die Bewertung der Leistungen der Klägerin sei nicht positiv. Es fehle ihr an Motivation, Engagement und Interesse an fachlicher Ausbildung. Entsprechende Ermahnungen, Verwarnungen oder dahingehende Mitarbeitergespräche hat es allerdings nicht gegeben. Im Wesentlichen übereinstimmend gehen die Parteien auch davon aus, dass es schließlich zu einer Verlängerung des Vertrages der externen Fachkraft kam.

Zu den von der Klägerin herangezogenen Beschäftigungsmöglichkeiten in der Auslandsanalyseabteilung wurde festgestellt, dass diese eine Übersetzergruppe hat. Es wurden in dieser Abteilung 1997 und 2000 jeweils zwei Personen neu aufgenommen. Die Klägerin hat im Zuge eines Gespräches, bei dem es allerdings nicht um die Beendigung des Dienstverhältnisses ging, dazu einmal gemeint, dass sie kein ausgesprochenes Dolmetschstudium habe und niemand sei, der das von der Picke auf gelernt habe.

Zu einer ebenfalls von der Klägerin relevierten Beschäftigung in dem sogenannten "Visit-Office" wurde festgestellt, dass diese Organisationseinheit mit Jahresende 1999 aufgelöst werden sollte und daher auch der Arbeitsplatz einer im Februar 1999 von dort weg versetzten Arbeitnehmerin nicht nachbesetzt wurde.

Die Klägerin stützt ihre Kündigungsanfechtung gemäß § 105 ArbVG im Wesentlichen darauf, dass sie durch die Kündigung sozial beeinträchtigt sei. Sie sei für die Tätigkeit in der Bibliothek durchaus geeignet gewesen. Ihr Studium sei dafür sogar positiv bewertet worden. Sie könne anstelle der von der Beklagten im Rahmen eines "Personalleasings" beigezogenen Fachkraft eingesetzt werden. Auch gebe es Verwendungsmöglichkeiten im Rahmen des "Visit-Office", der Statistik oder der Auslandsanalyseabteilung.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und stützte sich im Wesentlichen darauf, dass der Hauptarbeitsbereich der Klägerin als Sprachtrainerin mit der Auslagerung gewisser Bereiche weggefallen sei. Der Versuch, die Klägerin im Bereich der Bibliothek einzusetzen, sei gescheitert. Für die Verwendung im Rahmen der Auslandsanalyseabteilung fehle es der Klägerin an der entsprechenden Qualifikation. Hinsichtlich des "Visit-Office" sei die Klägerin überqualifiziert. In der Statistik bestehe kein ständiger Bedarf für Übersetzungen. Der Klägerin habe auch ein entsprechendes Engagement gefehlt. Sie habe einen chaotischen Arbeitsstil und führe lange private Telefonate.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte im Wesentlichen rechtlich, dass zwar die Beeinträchtigung wesentlicher Interessen der Klägerin durch die Kündigung zu bejahen sei. Hier habe nun die Beklagte durch die vorgenommene Ausgliederung der Sprachlehrertätigkeit den früheren Zustand hergestellt. Die Beklagte sei ihrer sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen und habe die Klägerin in die Bibliothek versetzt, die dort eine nicht angestellte externe Mitarbeiterin ("Sachaufwand") vorübergehend verdrängt habe. Der bisherigen Tätigkeit der Klägerin entsprechende Ersatzarbeitsplätze seien aber nicht feststellbar gewesen. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin Folge und änderte es im klagsstattgebenden Sinne ab. Es übernahm ohne Wiedergabe die Feststellungen des Erstgerichtes. Rechtlich erachtete das Berufungsgericht ebenfalls die wesentliche Interessenbeeinträchtigung bei der Klägerin als erwiesen. Es ging jedoch davon aus, dass die Beklagte in Wahrheit gar keine betriebsbedingten Gründe für die Kündigung vorgebracht habe, weil sie ja durch Wegfall ihres Hauptarbeitsbereiches in die Bibliothek versetzt wurde ohne festzuhalten, dass dies nur für die Dauer der Nichtweiterbeschäftigung der Fachkraft erfolgen sollte. Die Ausbildung der Klägerin als Historikerin sei offenbar als ausreichend und sogar für die Einstufung maßgeblich angesehen worden. Durch die Kündigung der Klägerin sollte der Arbeitsplatz offensichtlich für diese Fachkraft frei gemacht werden, was eine unzulässige "Austauschkündigung" darstelle. Dass dieser Austausch aus betrieblichen Gründen notwendig gewesen wäre, habe die Beklagte nicht ins Treffen geführt. In der Person der Klägerin gelegene Kündigungsgründe, die eine Weiterbeschäftigung unzumutbar machten, hätten nicht festgestellt werden können. In der Bibliothek seien weiterhin drei Arbeitsplätze vorhanden, jedoch einer davon von der Fachkraft bekleidet, die nicht in Form eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt werde. Notwendigkeiten dafür habe die Beklagte nicht ins Treffen geführt. Der Wegfall des ursprünglichen Arbeitsplatzes könne von der Beklagten nicht geltend gemacht werden, weil er nicht zur Kündigung der Klägerin geführt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist gemäß § 46 Abs 3 Z 2 ASGG jedenfalls zulässig und auch berechtigt. Nicht berechtigt ist allerdings die von der Beklagten geltend gemachte Aktenwidrigkeit bzw Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens. Die Beklagte wendet sich dabei im Wesentlichen dagegen, dass das Berufungsgericht von einer "Austauschkündigung" ausging. Dabei handelt es sich um eine Frage der rechtlichen Bewertung des festgestellten Sachverhaltes, den das Berufungsgericht - ohne nähere Darstellung - vom Erstgericht übernommen hat. Es handelt sich also um eine rechtliche Schlussfolgerung, die nicht unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit bekämpft werden kann (vgl RIS-Justiz RS0043256 mwN).

Auch trifft es zwar zu, wenn die Beklagte weiters ausführt, dass das Gericht in seiner Entscheidung die Partei nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen darf (vgl RIS-Justiz RS0037300 mwN). Das kann aber dem Berufungsgericht nicht vorgeworfen werden, da sich die Klägerin stets darauf gestützt hat, dass ihre Kündigung nur dazu gedient habe, statt ihr die oben genannte Fachkraft einzusetzen. Berechtigt ist jedoch die von der Beklagten erhobene Rechtsrüge. Nach ständiger Judikatur setzt die Kündigungsanfechtung nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG voraus, dass mit der Kündigung wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt sind, die unter Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen und sozialen Lage des Arbeitnehmer beurteilt werden müssen (vgl zuletzt etwa OGH 29. 8. 2002, 8 ObA 177/02s mwN etwa 9 ObA 174/01f = Arb 10.155, DRdA 1989/24 [Floretta]; DRdA 1992/53 [Mosler]; DRdA 1994/20 [Trost]; RIS-Justiz RS0051703 uva). Soweit Gerlach (Zur Zulässigkeit von Austauschkündigungen, ZAS 2000, 97), kritisch dazu anmerkt, dass verstärkt auch die Interessen der Arbeitssuchenden zu berücksichtigen wären, ist darauf zu verweisen ist, dass § 105 Abs 3 ArbVG selbst für den Sozialvergleich von bereits im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern ganz spezifische Voraussetzungen festlegt (vgl im Übrigen Tinhofer in seiner Entscheidungsbesprechung DRdA 2003/14 mwN). Übereinstimmend und zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass der 41-jährigen Klägerin der Nachweis der Interessenbeeinträchtigung im dargestellten Sinn hier geglückt ist. Ist doch davon auszugehen, dass sie frühestens in einem Jahr eine Anstellung erlangen kann und auch dann nur mit einem verringerten Entgelt. Allerdings ist bei der Beurteilung der Schwere der Interessenbeeinträchtigung doch vorweg darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof bei Berufen, die häufig auch selbständig ausgeübt werden, in die Beurteilung der Interessenbeeinträchtigungen auch Möglichkeiten der selbständigen Berufsausübung miteinbezogen hat (vgl OGH 20. 9. 2000, 9 ObA 179/00i = Arb 12.040 = RdW 2001/250). Dies fällt bei der Klägerin deshalb ins Gewicht, da vom Erstgericht auch festgestellt wurde, dass das von der Klägerin geleistete Sprachtraining häufig auf freiberuflicher Basis erfolgt und auch von der Klägerin in ihrem gesamten Berufsleben vor dem Eintritt bei der Beklagten offensichtlich in dieser Weise erbracht wurde.

Da der Klägerin im Ergebnis aber der Nachweis einer wesentlichen Interessenbeeinträchtigung gelungen ist, kann die Kündigung nur dann nicht sozialwidrig sein, wenn der Arbeitgeber nunmehr den Nachweis des Vorliegens eines Ausnahmetatbestandes im Sinne der Betriebsbedingtheit der Kündigung oder des Vorliegens von Gründen in der Person der Klägerin für die Kündigung erbringt. Gelingt ihm dies, treten die beiderseitigen Interessen in eine Wechselwirkung und es sind die Interessen des Arbeitgebers an der Kündigung und des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsplatzes einander gegenüberzustellen und abzuwägen (vgl RIS-Justiz RS0051818, RS0051719 mwN, zuletzt etwa 9 ObA 189/01m mwN, ebenso RIS-Justiz RS0051994). Je nach dem Überwiegen der Interessen ist die Kündigung dann gerechtfertigt oder sozial ungerechtfertigt (vgl RIS-Justiz RS0052004 mwN, zuletzt etwa 8 ObA 1/02h).

Aus betrieblichen Gründen wird die Kündigung nur dann als gerechtfertigt angesehen, wenn im gesamten Betrieb gerade für den betreffenden Arbeitnehmer kein Bedarf mehr gegeben ist und der Arbeitgeber auch durch keine anderen sozialen Maßnahmen den Arbeitsplatz erhalten kann, die Kündigung also "erforderlich" ist (vgl RIS-Justiz RS0051942; RIS-Justiz RS0052025; RIS-Justiz RS0051899).

Dabei haben die Gerichte grundsätzlich nicht die Zweckmäßigkeit oder objektive Richtigkeit der vom Betriebsinhaber getroffenen Maßnahmen zu überprüfen oder den Betriebsinhaber wirtschaftliche Maßnahmen vorzuschreiben, jedoch müssen dessen Maßnahmen und die jeweils abgeleitete Erforderlichkeit der Kündigung des Arbeitnehmers rational nachvollziehbar sein (vgl RIS-Justiz RS0051649; OGH 5. 9. 2001, 9 ObA 199/01g). Kommt es zu Einstellungen oder Stilllegung von Abteilungen, so hat der Arbeitgeber die Möglichkeiten auszuschöpfen, seine bisherigen Arbeitnehmer in einer anderen Abteilung oder statt neu eingestellten Arbeitnehmern weiter zu beschäftigen (RIS-Justiz RS0051983 mwN = Arb 10.771 und 8 ObA 1/02h). Bei Einführung neuer Maschinen oder Arbeitsmethoden hat der Arbeitgeber primär die schon im Betrieb befindlichen Arbeitnehmer zu beschäftigen, wenn sie nach der Einarbeitungszeit bzw einer zumutbaren Einschulung (vgl RIS-Justiz RS0051707) zumindest eine Durchschnittsleistung erbringen. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber die weitere Verwendungsmöglichkeit des Arbeitnehmers im gesamten Betrieb zu überprüfen, wobei dies umso intensiver zu fordern ist, wenn es sich um ältere, lang im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer handelt (vgl RIS-Justiz RS0052008 mwN, etwa zuletzt 8 ObA 1/02h). Als verpönt wird es angesehen - und darauf hat das Berufungsgericht offenbar Bezug genommen - wenn der Arbeitgeber ohne trifftigen Grund Arbeitnehmer kündigt, um dafür neue einzustellen (vgl RIS-Justiz RS0051827; RIS-Justiz RS0051984, zuletzt 8 ObA 1/02h).

Im vorliegenden Fall ist nun unstrittig, dass der bisherige Arbeitsplatz der Klägerin als interne Sprachtrainerin durch die von ihr gar nicht bekämpfte (im Übrigen sogar als sinnhaft bezeichnete vgl AS 205 f) Ausgliederung des Sprachtrainings weggefallen ist. Der wesentliche Auffassungsunterschied zwischen den Streitparteien liegt nun darin, dass die Klägerin auf den neuen Arbeitsplatz in der Bibliothek abstellt und davon ausgeht, dass es unzulässig sei, dem Einsatz der im Rahmen eines Personalleasing beschäftigten Fachkraft zu verlängern und die Klägerin zu kündigen, sie also durch die kostengünstigere und "beliebtere" Fachkraft zu ersetzen. Durch die Verlängerung von deren Vertrag habe die Beklagte die Klägerin überflüssig gemacht und ihre soziale Gestaltungspflicht verletzt. Wenngleich von drei Stellen in der Bibliothek zwei durch unkündbare Arbeitnehmerinnen besetzt gewesen seien, sei die Stelle der Leiterin für die Klägerin frei gewesen.

Die Beklagte hingegen releviert in ihrer Revision, dass gerade diese Fachkraft schon länger in der Bibliothek tätig gewesen sei und auch über eine einschlägige Ausbildung verfügt habe, während man die Klägerin dort eingesetzt habe, weil sich sonst keine Verwendung bei der Beklagten angeboten habe. Der Einsatz der Klägerin sei im Wesentlichen bloß versuchweise erfolgt. Die Klägerin habe dafür auch keinerlei einschlägige Ausbildung und Vorerfahrung. Es sei nicht einzusehen, warum die Beklagte dafür "büßen" müsse, dass sie die Kündigung der Klägerin nicht bereits anlässlich der Auslagerung des Sprachtrainings ausgesprochen habe. In der Bibliothek seien von vornherein nur drei Arbeitsplätze vorgesehen gewesen, weshalb man sich letztlich für die Fachkraft und nicht für die umstrittene Klägerin entschieden habe.

Dieser Argumentation ist im Kern zu folgen.

Vorweg ist zu beurteilen, inwieweit die Beklagte bei Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin im Rahmen des Sprachtrainings unter Beachtung ihrer sozialen Gestaltungsverpflichtung auch verpflichtet war, der Klägerin die Position in der Bibliothek anzubieten. Im Sinne der oben dargestellten Judikatur ist entscheidend, ob zu erwarten war, dass die Klägerin nach einer gewissen Einarbeitungszeit zumindest eine durchschnittliche Leistung erbringt. Dazu ist ergänzend auch noch festzuhalten, dass die soziale Gestaltungspflicht den Arbeitgeber nur insoweit zum Anbot freier Arbeitsplätze verpflichtet, als diese der bisherigen Berufspraxis des Arbeitnehmers entsprechen. Hingegen bedarf es zur Erlangung anderer Arbeitsplätze der Initiative des Arbeitnehmers, den dann auch die Behauptungs- und Beweislast für seine - trotz mangelnder einschlägiger Berufsausbildung und Berufspraxis - gegebene Eignung trifft (vgl in diesem Sinne Pircher, Soziale Gestaltung und Prinzipen im allgemeinen Kündigungsschutz JBl 2001, 694 ff, 698; ähnlich schon OGH 1. 6. 1988, 9 ObA 110/88 = DRdA 1989/23 [Floretta] = ZAS 1989/21 [Hainz - auch schon zur Behauptungs- und Beweislast]).Hier ist nun darauf zu verweisen, dass ausgehend von dem Konzept und dem bereits bestehenden Personalstand für die Klägerin auf Dauer gesehen, offensichtlich nur die Position einer Leiterin der Bibliothek in Betracht gekommen wäre. Weiters ist hervorzuheben, dass nach den Feststellungen die Klägerin das Anforderungsprofil nicht erfüllte und auch nicht die entsprechenden Dienstprüfungen besaß. Wesentlich scheint auch, dass es sich im Ergebnis um eine Führungsaufgabe gehandelt hat und die Klägerin nach den Feststellungen über keine einschlägigen Erfahrungen verfügte. Regelmäßig wird die soziale Gestaltungspflicht aber nicht die Verpflichtung umfassen, statt einer weggefallenen Sachbearbeitertätigkeit in einem völlig anderen Bereich trotz mangelnder Qualifikation eine allfällige Führungsposition anzubieten. Insoweit wäre auch die Akzeptanz der übrigen Mitarbeiter zu berücksichtigen.

Ausgehend vom Zeitpunkt der Beendigung der Tätigkeit der Klägerin als Sprachtrainerin bestanden also in der Berufsausbildung und der Berufsqualifikation der Klägerin keine objektiven Anhaltspunkte, die die Beklagte verpflichtet hätten, der Klägerin die Position als Bibliotheksleiterin anzubieten. Allerdings hätte die Klägerin die Möglichkeit gehabt, den Nachweis anzutreten, dass sie im Zusammenhang mit einer zumutbaren Ein- und Umschulung doch die erforderliche Eignung besitzt (auf Grund der auf einer gewissen Einarbeitungszeit) und somit eine zumindest durchschnittliche Arbeitsleistung zu prognostizieren wäre. Eine besonders umfangreiche Ein- und Umschulung konnte die Klägerin allerdings nicht erwarten, da - wie oben dargestellt - die Beeinträchtigung ihrer Interessen zwar als wesentlich zu beurteilen ist, sich das Gewicht aber durch die langjährige freiberufliche Tätigkeit und die doch erst relativ kurze Betriebszugehörigkeit relativiert.

Damit stellt sich nun die Frage, ob dann, wenn ein Arbeitgeber über seine Verpflichung zum Anbot von Arbeitsplätzen hinaus bei Wegfall eines Arbeitsplatzes einen Arbeitnehmer versuchsweise in einen Bereich einsetzt, für den er nach den für den Arbeitgeber ersichtlichen objektiven Kriterien keine Eignung nachzuweisen vermag, auch schon daran gebunden ist und der neue Arbeitsplatz dann die wesentliche Grundlage für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit der Kündigung darstellt.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich sowohl aus den Bestimmungen über die Kündigungsanfechtung selbst, aber auch etwa aus sozialversicherungsrechtlichen Regelungen ableiten lässt, dass bestimmte an die Innehabung eines Arbeitsplatzes anknüpfende soziale Schutzbestimmungen erst nach einer bestimmten Dauer greifen sollen. So legt etwa § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG für die Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit selbst fest, dass diese erst bei Arbeitnehmern greifen kann, die bereits mehr als sechs Monate im Betrieb oder Unternehmen beschäftigt sind. Auch die sozialrechtliche Judikatur zur Berufsunfähigkeitspension geht davon aus, dass das Verweisungsfeld grundsätzlich durch die Berufsgruppe, unter die der Versicherte zuletzt gefallen ist, bestimmt wird, allerdings nur dann, wenn er dieser nicht nur vorübergehend angehört hat (vgl SSV-NF 7/51). Nun war die Klägerin schon länger bei der Beklagten beschäftigt. Alle allein darauf bezugnehmenden Anfechtungsvoraussetzungen (etwa die 6-Monatsfrist des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG) sind auch erfüllt. Anders stellt sich dies jedoch dar, soweit bei der Beurteilung der Anfechtung auf den konkreten Arbeitsplatz abzustellen ist. Der Arbeitgeber kann sich dann, wenn er im Zuge eines Wegfalls eines Arbeitsplatzes einen Arbeitnehmer auf einen dem Qualifikationssprofil eigentlich gar nicht entsprechenden und zusätzliche Führungsaufgaben erfordernden Arbeitsplatz "versuchsweise" versetzt, einen gewissen Zeitraum zur Rechtfertigung der Kündigung auch auf den betriebsbedingten Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes stützen. Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn der Arbeitgeber Gründe nachweisen kann, warum dieser "Versuch" als gescheitert anzusehen ist. An den Nachweis dieses "Scheiterns" sind aber nicht die sonstigen strengen Voraussetzungen für den Nachweis von Kündigungsgründen zu stellen. Andernfalls würde wohl einer weiten Auslegung der sozialen Gestaltungspflicht durch Arbeitgeber der Boden entzogen (vgl zur Ausgestaltung von Rechtsinstituten Pircher aaO, 702 mwN in FN 74). Hier erfolgte die Einleitung des Kündigungsverfahrens rund viereinhalb Monate und deren Ausspruch fünfeinhalb Monate nach der Versetzung in die Bibliothek. Dass diese nur als "versuchsweise" im obigen Sinne zu beurteilen ist, ergibt sich schon aus dem völlig anderen Anforderungsprofil, woran auch die mit dieser neuen Position verbundene bessere Entlohnung nichts ändert.

Die Beklagte konnte nachweisen, dass die von ihren fachlichen Qualifikationen ja auch für diese Position nicht geeignete Klägerin weder von den sonstigen Mitarbeitern noch von den Vorgesetzten akzeptiert wurde. Es ist daher vom Scheitern dieses Versuches auszugehen.

Entscheidend ist demgemäß, dass als betriebsbedingter Grund für die Kündigung der Klägerin der - von ihr auch gar nicht bekämpfte - Wegfall des innerbetrieblichen Sprachtrainings nachgewiesen wurde. Allerdings ist der Klägerin die Möglichkeit zu eröffnen, nachzuweisen, dass sie mit einer zumutbaren Ein- bzw Umschulung im obigen Sinne doch die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für die offene Position gehabt hätte. Dass es sich dabei offenbar um eine Führungsposition handeln sollte, steht hier diesem Nachweis schon deshalb nicht von vornherein entgegen, weil es nur um eine kleine Einheit von insgesamt drei Arbeitnehmern ging und die konkreten Führungsaufgaben auch noch nicht näher festgestellt wurden. Es ist daher zu erörtern, ob die Klägerin den Nachweis antritt, dass sie entgegen den vorliegenden objektiven Anhaltspunkten im Zusammenhang mit einer nicht zu umfangreichen Ein- und Umschulung doch objektiv die erforderliche Berufsqualifikation für die Position einer Bibliotheksleiterin besitzt, die (ausgehend vom Zeitpunkt der Auflassung des internen Sprachtrainings) eine zumindest durchschnittliche Arbeitsleistung hätte erwarten lassen. Dann stellte sich die Versetzung der Klägerin in die Bibliothek ja nicht als bloßer Versuch dar, sondern wäre die Beklagte nur ihrer sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen.

Sollte der Klägerin der Nachweis gelingen, so wäre diese neue Position für die Beurteilung der Kündigungsgründe maßgeblich. Andere - freie (vgl RIS-Justiz RS0051841 mwN) - Arbeitsplätze, für die die Klägerin geeignet gewesen wäre, konnte sie für den hier maßgeblichen Zeitpunkt im Zusammenhang mit der Versetzung bzw Kündigung nicht nachweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG und 52 ZPO.

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