OGH 8ObA1/02h

OGH8ObA1/02h4.7.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Franz F. H*****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht ua., Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Rainer H. Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kündigungsanfechtung (Streitwert EUR 36.336,42), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. September 2001, GZ 10 Ra 240/01i-44, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 19. Februar 2001, GZ 26 Cga 78/98z-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.754,31 (darin EUR 292,38 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der 1947 geborene Kläger absolvierte nach der Matura das Jus-Studium und trat am 1. 6. 1981 in die Dienste der Boehringer Mannheim GesmbH ein. Das Dienstverhältnis unterlag dem Angestelltengesetz und dem Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs. Zuletzt war der Kläger als Leiter der Rechtsabteilung tätig.

Nach einer weltweiten Fusion der B***** AG mit der H***** GmbH kam es auch zu einem Zusammenschluss der Tochtergesellschaften in den einzelnen Ländern. Infolge einer verschmelzenden Umwandlung, wobei die H***** GmbH aufnehmende Gesellschaft war, ging das Dienstverhältnis des Klägers mit 1. 7. 1998 auf die beklagte Partei über.

Die Konzernentscheidungen wurden nunmehr in Basel getroffen. Die Konzernleitung hatte sich unter anderem entschlossen, die Rechtsabteilungen in den anderen Ländern aufzulassen und deren Agenden entweder außer Haus zu verlagern oder in andere Strukturen überzuleiten. So fiel auch die Entscheidung, die Wiener Rechtsabteilung der durch Verschmelzung entstandenen beklagten Partei mit 31. 12. 1998 ersatzlos aufzulassen.

Der Kläger hat als Leiter der Rechtsabteilung zuletzt S 92.500,-- brutto 14 mal jährlich verdient, sowie eine Prämie im Jahre 1997 von S 11.200,--, im Jahr 1998 S 115.112,-- brutto. Diese Prämie bekamen alle leitenden Angestellten ausbezahlt, wenn die Arbeitsleistung stimmte, sodass auch der Kläger in den Genuss dieser Prämie kam. Bereits im Jahr 1991 wurde die Personalabteilung in eine eigene Abteilung ausgegliedert und 1993 für diese eine eigene Abteilungsleiterin bestellt. Diese Maßnahme ergab sich aus dem Entschluss, von der reinen Personalverwaltung zum Personalmanagement überzugehen.

Ab 1991 verblieben in der Abteilung des Klägers folgende Agenden:

Betreuung von Versicherungsangelegenheiten für alle möglichen Risiken, Betreuung der Distributoren in Osteuropa, Bestellung von örtlichen Anwälten für Rechtsstreitigkeiten, Verwaltung des Fuhrparks (dazu war dem Kläger eine eigene Sekretärin zugeteilt), sowie Teilnahme am "Bauausschuss", den es bis zur Fertigstellung des Betriebsgebäudes der beklagten Partei gab (Juli 1993). Er nahm juristisch auch zu Vertragsentwürfen verschiedener Natur und zu Rechtsfragen Stellung.

Das Aufgabenfeld des Klägers verkleinerte sich im Laufe der Zeit jedoch zusehends: Die Agenden der Versicherung wurden in die Abteilung Finanzen ausgegliedert. Der eigene Fuhrpark wurde 1998 abgebaut. Für jene Leute, welche einen Anspruch auf einen Firmenwagen hatten, wurden die Fahrzeuge geleast. Dies betraf auch das Dienstfahrzeug des Klägers. Die Vertragsangelegenheiten und die Betreuung des Osteuropageschäftes wurden von den örtlichen Firmen der fusionierten neu entstandenen H***** Firmen in den einzelnen Ländern besorgt. Die Weisungen an die osteuropäischen Märkte wurden zentral direkt aus Mannheim erteilt, sodass auch diese Tätigkeit der Rechtsabteilung wegfiel.

Der Kläger wusste, dass nach der Verschmelzung der Firmen B***** AG und H***** GmbH zahlreiche Mitarbeiter abgebaut werden würden, einerseits da verschiedene Abteilungen in beiden Firmen sozusagen parallel geführt wurden, andererseits auch, weil die Konzernzentrale Weisungen vorgab.

Der Kläger wusste aufgrund seiner Teilnahme an den Managementsitzungen, aber auch aufgrund einer Mitteilung von Dkfm. R***** (einer der beiden Geschäftsführer der beklagten Partei) bereits Ende 1997, dass die Rechtsabteilung aufgelöst werden würde und sein Arbeitsplatz dadurch gefährdet war. Es war ihm bekannt, dass die Rechtsabteilungen der kleineren Betriebe geschlossen werden sollten und nur noch eine zentrale Rechtsabteilung vorhanden sein sollte.

Der Kläger nahm die Problematik des möglichen Jobverlustes jedoch nicht ernst. Bei wiederholten Gesprächen sagte ihm Dkfm. R***** während des Jahres 1998, er solle sich unentbehrlich machen in der Geschäftsleitung. Er meinte, der Kläger solle sich bei ihm selbst sowie bei den Geschäftsführern, die für den Ostvertrieb zuständig seien, mit Arbeitsleistung anbieten, damit er neue Aufgaben habe, wenn die Rechtsabteilung aufgelöst werde.

Am 23. 4. 1998 teilte Dkfm. R***** dem Kläger definitiv mit, dass die Rechtsabteilung aufgelöst werden würde. Trotz seines Hinweises, dass der Zeitpunkt wegen der Umstrukturierung im Unternehmen nicht günstig sei, begab sich der Kläger daraufhin auf Kur.

Er nahm erstmalig am 22. 6. 1998 mit dem zweiten Geschäftsführer Kontakt auf. Dieser erklärte dem Kläger, er habe für ihn als Jurist keine Verwendung, da er selbst Jurist sei, und teilte ihm mit, dass die Rechtsabteilung geschlossen werde.

Bereits im Frühjahr 1998 wurden zwei Sozialpläne ausverhandelt, und zwar unter der Beteiligung der Gewerkschaft und der Betriebsräte in Form zweier Betriebsvereinbarungen für beide miteinander verschmolzenen Unternehmen.

Am 4. 7. 1998 entschloss sich der Kläger, als Betriebsrat eine eigene Liste aufzustellen mit dem Ziel der betrieblichen "sozialen Menschlichkeit". Er tat diesen Entschluss im Zeitraum von Juli bis September 1998 in mehreren Gesprächen auch einigen Mitarbeitern aus den verschiedensten Bereichen kund, unter anderem DI S*****, doch nahm dieser den Kläger nicht ganz ernst.

Dkfm. R*****, dem der Kläger als Leiter der Rechtsabteilung direkt unterstellt war, teilte dem Kläger am 21. 8. 1998 mit, dass er nun gekündigt werden würde. Nach diesem Gespräch erhielt Dkfm. R***** vom Kläger ein am selben Tag um 11,30 Uhr verfasstes Schreiben, in dem dieser seine geplante Kandidatur für den Betriebsrat bekanntgab. Dkfm. R***** war über dieses Schreiben nicht erstaunt, da ihm der Kläger schon bei dem Kündigungsgespräch mitgeteilt hatte, dass er daran denke, eine Tätigkeit als Betriebsrat auszuüben. Dieser hat darauf geantwortet, dass derzeit überhaupt keine Wahlen geplant seien.

Nach der Verschmelzung der Firmen entstand ein neuer Betrieb im Sinne des § 34 ArbVG mit einem einheitlichen Betriebsrat im Sinne des § 62c Abs 1 ASVG. Der Betriebsrat teilte der Firmenleitung mit, dass er die einjährige Frist bis zur Durchführung einer neuen Betriebsratswahl weitgehend ausnützen werde, und erst im Frühsommer 1999 ein Betriebsrat gewählt werden solle.

Am 28. 8. 1998 informierte die Leiterin der Personalabteilung den Betriebsrat von der beabsichtigten Kündigung des Klägers. Davor war die Beratungsfrist des § 105 Abs 1 ArbVG auf 15 Arbeitstage verlängert worden.

Darauf antwortete der Betriebsrat am 10. 9. 1998, dass er sich der Stimme enthalte.

Mit Schreiben vom 14. 9. 1998, welches Dkfm. R***** dem Kläger persönlich überreichte, wurde der Kläger gekündigt. Gleichzeitig mit der Kündigung wurde dem Kläger jedoch zur gesetzlichen Abfertigung auch die freiwillige Abfertigung laut Sozialplan angekündigt und zusätzliche Leistungen wie folgt:

"Privatnutzung des Firmenwagens bis 31. 3. 1999, Übernahme des Dienstwagens zu den firmenüblichen Konditionen, Outplacement-Beratung, die Möglichkeit, während der Kündigungsfrist ein anderes Dienstverhältnis einzugehen, Eintritt in die Arbeitsstiftung B***** AG."

Dkfm. R***** hatte den Kläger schon im Frühjahr 1998 auf diese Möglichkeiten hingewiesen und ihm eine professionelle Outplacement-Beratung angeboten, wobei die Kosten von rund S 50.000,-- von der beklagten Partei getragen werden sollten. Die Chance, dass die Arbeitssuche des Klägers erfolgreich gewesen wäre, wäre bei dem von der beklagten Partei in Anspruch genommenen Unternehmen sehr hoch gewesen, jedenfalls wesentlich höher als nach Beendigung des Dienstverhältnisses.

All diese Vergünstigungen, die die beklagte Partei dem Kläger anbot, griff dieser nicht auf; er wurde schließlich, nachdem für ihn in der Rechtsabteilung de facto keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr vorhanden war, mit 13. 11. 1998 dienstfrei gestellt. Zwischen den Gesprächen über die bevorstehende Kündigung des Klägers durch Herrn Dkfm. R***** und dem tatsächlichen Zugang des Kündigungsschreibens am 14. 9. 1998 nahm der Kläger weder persönlich Kontakt mit dem Betriebsrat auf, noch setzte er Handlungen, die konkret auf eine Ernsthaftigkeit seines Wunsches, als Betriebsrat zu kandidieren, schließen ließen. Auch die Kündigungszeit bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses am 31. 3. 1999 verlief diesbezüglich vom Kläger ungenutzt. Er schrieb weder die Mitarbeiter an, noch arbeitete er ein Programm für eine eigene Betriebsratsliste aus, noch sucht er sich andere Personen, die mit ihm kandidieren wollten.

Im Februar 1999 fanden die ersten Gruppenverhandlungen und Betriebsversammlungen zur Wahl des Wahlvorstandes statt, der neue Betriebsrat wurde Mitte März 1999 gewählt. Der Kläger wurde von der Leiterin der Personalabteilung brieflich rekommandiert davon verständigt, doch holte der Kläger diese Briefsendung nicht ab und nahm an der Betriebsratswahl nicht teil.

Neben seiner Gattin ist der Kläger auch noch für einen im Zeitpunkt der Kündigung 27-jährigen studierenden Sohn unterhaltspflichtig, dem er S 5.000,-- im Monat gibt. Dieser Sohn hat ein Kind, das einen subsidiären Unterhaltsanspruch gegenüber dem Großvater, nämlich dem Kläger, hat. Die Unterhaltspflicht gegenüber der Tochter des Klägers ist bereits im Herbst 1998 nach Ausspruch der Kündigung weggefallen, da diese nach Ablegung der Lehramtsprüfung eine Arbeit gefunden hat. Da der Kläger auch dem Sozialplan unterlag, erhielt er nicht nur die gesetzliche Abfertigung von brutto S 1,099.650,--, sondern auch die freiwillige Abfertigung von S 2,449.912,50; gemeinsam mit seinen Beendigungsansprüchen wurde ihm ein Nettobetrag von S 2,647.897,18 ausbezahlt.

Der Kläger erhielt im Jahr 1999 das Schreiben Beilage ./2, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass die Diagnostikaaktivitäten der beklagten Partei mit 1 .1. 1999 von der R***** GmbH übernommen wurden. Sein Dienstverhältnis sei somit mit allen Rechten und Pflichten auf die R***** Di***** GmbH übergegangen.

Nach Erhalt seines Nettoauszahlungsbetrages mit der Endabrechnung schrieb der Kläger an den Geschäftsführer Dkfm. R***** das Schreiben Beilage ./6 mit folgendem Inhalt: "Ich danke für die Überweisung der Nettomonatsgehälter bis zum Jahr 2002, das ist S 49.000,-- für 54 Monate". Gleichzeitig teilte er mit, dass er für R***** Di***** GmbH gerne weiter tätig sein werde, sobald er wieder gesund sei und dankte dafür, dass er das Dienstauto weiter behalten dürfe. Dkfm. R***** fühlte sich nach Erhalt dieses Schreibens "auf den Arm genommen".

Der Kläger bezog in der Folge nach Beendigung des Dienstverhältnisses Arbeitslosenunterstützung und arbeitet seither als Konsulent mit fallweisen Aufträgen. Mehrere Bewerbungsschreiben als Jurist bei verschiedenen Firmen blieben erfolglos und führten zu keiner dauerhaften Anstellung.

Im April 1999 erhielt die damalige Leiterin der Personalabteilung ein internationales Angebot, dem sie folgen wollte, weshalb sie ihr Dienstverhältnis mit Ende August 1999 einvernehmlich auflöste. Der Kläger wäre nicht befähigt gewesen, den Posten des Leiters der Personalabteilung auszufüllen.

Es wären bei der beklagten Partei bzw. bei der Nachfolgefirma R***** Di***** GmbH keine Tätigkeiten vorhanden gewesen, in denen der Kläger hätte arbeiten können. Im Finanzbereich fehlte ihm die diesbezügliche Praxis als Controller bzw. ein entsprechendes Studium, für den Vertrieb der Produkte fehlte ihm eine technische bzw. biochemische Ausbildung; außerdem wurden keine neuen Posten geschaffen, sondern vorhandene Posten abgebaut.

Der Kläger hat einen Marktwert, in den er primär nur seine ausgeübte Beschäftigung als Leiter der Rechtsabteilung seit 1993 einbringen kann. Seine sonstigen ausgeübten Tätigkeiten (Bauausschuss, Protokollführertätigkeiten etc) verbessern seine Chancen auf Erlangung eines Arbeitsplatzes nicht; erschwerend kommt sein Lebensalter von knapp 52 Jahren (zum Zeitpunkt der Kündigung 51 Jahren) hinzu. Selbst bei erfolgreicher Arbeitsplatzsuche kann der Kläger nicht mit einem Gehalt von S 92.000,-- brutto monatlich rechnen; eine langjährige Berufserfahrung ist für eine andere Firma nicht von so großer Bedeutung, sodass neue potenzielle Dienstgeberbetriebe nicht bereit sind, ein nur annähernd so hohes Gehalt zu bezahlen, wie es der Kläger beim ehemaligen Dienstgeberbetrieb bezogen hatte.

Eine Tätigkeit als freiberuflicher Konsulent, wie der Kläger einer ist, ist ein gangbarer Weg aus der Arbeitslosigkeit. Der Kläger war bereits bei Erstellung des Gutachtens im Juni 2000 ein Jahr arbeitslos; seine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt wird, je länger diese Arbeitslosigkeit dauert, erschwert. Er ist als Langzeitarbeitsloser zu betrachten.

Auf dem aktuellen Arbeitsmarkt besteht ein Überangebot von arbeitssuchenden Juristen in sämtlichen Wirtschaftszweigen. Dort wird ein Gehalt von nicht über S 50.000,-- brutto monatlich bezahlt. Dies betrifft auch größere Abteilungen, als sie der Kläger bei der beklagten Partei leitete. Eine Arbeitssuche aus einer gekündigten Position wird von potenziellen Dienstgebern als Makel einer gekündigten Führungskraft erkannt. Solche Leute werden häufig von vornherein ohne Führung eines Erstgespräches bei einer Bewerbung ausgeschieden.

Der Kläger hätte es leichter gehabt, hätte er bei ungekündigter Stellung ein Personalvermittlungsunternehmen kontaktiert bzw wenn er von einem anderen Unternehmen abgeworben worden wäre. Für den Kläger wäre es leichter, in eine Nichtführungsposition zu gelangen, und zwar auch als sachbearbeitender Jurist. Auch hiebei ist mit einer Arbeitslosigkeit von ca. einem Jahr mindestens zu rechnen, da hier jüngeren, aufstiegsorientierten Kräften üblicherweise der Vorzug gegeben wird. Als Sachbearbeiter würde der Kläger brutto ca. S 35.000,-- bis S 38.000,-- als Einstiegsgehalt erlangen können. Insgesamt haben sich die Zeiten so geändert, dass auch Führungspersonen niedrigere Grundgehälter und leistungsorientierte Prämien oder sonstige Begünstigungen (Telefon, Firmenauto, Aktienanteile) erhalten. Der Kläger übte keine Personalleitertätigkeit aus, wie sie heutzutage vorkommt und bei der beklagten Partei auch gehandhabt wird.

Der Personalchef im heutigen Sinn ist im Bereich der Personalentwicklung und des Personalmanagements tätig. Neben dem entsprechenden Persönlichkeitsprofil (sehr gute Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit für die Zusammenarbeit mit allen Ebenen der Betriebsbelegschaft) sind auch überdurchschnittlich gute Personalführungsfähigkeiten gefragt, sowie soziale Führungskompetenz und eine geschulte umfassende Fachkompetenz für Mitarbeiterkommunikation. Dazu gehört auch Gesprächskultur (Rhetorik, sowie Mitarbeiterführung und Personalorganisation). Der Kläger verfügt weder über die fachlichen, noch über die persönlichen Fähigkeiten (insbesondere Kommunikationsfähigkeit). Er war für Personalverwaltung im Sinne der Führung von Personalakten, Gewährung von Urlauben, Aufzeichnung von Krankenständen etc., nicht jedoch für über die Personalverwaltung hinausgehende Tätigkeiten geeignet. Er wäre somit kein potenzieller Nachfolger für den ab September 2000 frei gewordenen Posten als Leiter der Personalabteilung gewesen.

Der Kläger beantragte mit der vorliegenden Klage, die Kündigung vom 14 .9. 1998 für rechtsunwirksam zu erklären. Zum einen bezog er sich dabei auf § 105 Abs 3 Z 1 lit e ArbVG und brachte dazu vor, dass er sich um ein Mandat als Betriebsrat beworben habe und aufgrund dessen sein Dienstverhältnis aufgelöst wurde. Zum anderen berief er sich auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung gemäß § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte betriebsbedingte Kündigungsgründe vor. Der alleinige Grund für die Kündigung des Klägers sei, dass es bei der beklagten Partei keinerlei zumutbare Einsatzmöglichkeit für den Kläger mehr gebe. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Im Wesentlichen begründete es sein Urteil damit, dass der Kläger zum einen im Prozess nicht habe darlegen können, dass er sich tatsächlich ernstlich für ein Betriebsratsmandat habe bewerben wollen. Weiters führte es aus, dass der Arbeitsplatz des Klägers betrieblichen Umstrukturierungsmaßnahmen zum Opfer gefallen sei und eine anderweitige Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb aufgrund der mangelnden persönlichen Eignung des Klägers nicht mehr möglich sei. Der Kläger sei nicht dazu legitimiert, die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit anzufechten, da er zwar Langzeitarbeitsloser sei, diese Langzeitarbeitslosigkeit aber selbst verschuldet habe. Die betriebliche Notwendigkeit der Kündigung sei ausreichend nachgewiesen worden.

Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil des Erstgerichtes und bejahte eine Beeinträchtigung der wesentlichen Interessen des Klägers durch die Kündigung, ging aber ebenso vom Vorliegen betrieblicher Erfordernisse aus, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen würden. Die daraufhin vorgenommene Interessensabwägung verlief zugunsten der beklagten Partei, da ihr die wirtschaftliche Belastung, den Kläger weiterhin zu beschäftigen, obwohl mangels Einsetzbarkeit des Klägers der Lohnzahlung durch die beklagte Partei keine verwertbare Arbeitsleistung gegenüberstehe, nicht zumutbar sei. Aus diesem Grund sei die Kündigung nicht als sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG anzusehen. Ebensowenig sei der Anfechtungsgrund nach § 105 Abs 3 Z 1 lit e ArbVG gegeben, da der Kläger nicht glaubhaft machen habe können, dass er wegen seiner Bewerbung um eine Mitgliedschaft zum Betriebsrat gekündigt worden war. Ein solcher Kausalzusammenhang ergebe sich nicht aus dem zeitlichen Ablauf der Geschehnisse.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, sie im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise stellte er einen Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 46 Abs 3 Z 2 ASGG zulässig, aber nicht berechtigt.

In seiner Revision machte der Kläger geltend, dass der Beschluss der Konzernzentrale keinen ausreichenden betrieblichen Grund für die Kündigung eines älteren Dienstnehmers darstelle. Im konkreten Fall treffe den Arbeitgeber eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger, da jener selbst die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung zu vertreten habe. Weiters führt der Kläger an, dass die mangelnde Einsetzbarkeit seiner Person nicht vorliege. Die Konzernzentrale habe nicht einmal einen schlechten Geschäftsgang, Rationalisierungsmaßnahmen oder überhöhte Personalkosten behauptet, die die Kündigung notwendig gemacht hätten. Es fehle jegliches Vorbringen zur notwenigen Rationalisierung; die beklagte Partei habe auch keinerlei personenbezogenen Gründe vorgebracht. Daher liege keine betriebliche Rechtfertigung für die Kündigung des Klägers vor. Selbst wenn diese jedoch vorläge, so schlage jedenfalls die Interessenabwägung zu seinen Gunsten aus.

In der Revisionsbeantwortung weist die beklagte Partei im Wesentlichen darauf hin, dass die Entscheidung der Konzernzentrale, die Rechtsabteilung in Wien aufzulassen, weil eine konzernweite Regelung bestand, wonach in keiner Tochtergesellschaft eine eigene Rechtsabteilung zu unterhalten sei, eine unternehmerische Maßnahme sei, die nicht der Überprüfung durch das Gericht unterliege. Durch die Auflösung der österreichischen Rechtsabteilung sei nur der im H*****-Konzern bereits seit längerer Zeit bestehende Zustand hergestellt worden; es handle sich nicht um eine anlassbezogene Maßnahme. Die besondere Fürsorgepflicht des Arbeitgebers finde dort ihre Grenze, wo der Arbeitnehmer im Betrieb nicht eingesetzt werden könne und die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses zur Zahlung eines arbeitslosen Einkommens führen würde. Ein Vorbringen der beklagten Partei betreffend die Notwendigkeit von Rationalisierungsmaßnahmen sei nicht erforderlich gewesen, da es eben in der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit liege, bestimmte Tätigkeitsbereiche einzustellen; diese Entscheidung sei durch das Gericht nicht überprüfbar. Lediglich die vom Unternehmen zur Erreichung der Maßnahme eingesetzten Mittel seien auf ihre Zweckmäßigkeit und Angemessenheit hin überprüfbar.

Gemäß § 105 Abs 1 ArbVG hat der Betriebsinhaber vor jeder Kündigung eines Arbeitnehmers den Betriebsrat zu verständigen, der innerhalb von fünf Tagen zu dieser Kündigung Stellung nehmen kann. Hat der Betriebsrat innerhalb der Frist des Abs 1 keine Stellungnahme abgegeben, so kann der Arbeitnehmer innerhalb einer Woche nach Zugang der Kündigung diese beim Gericht selbst anfechten; in diesem Fall ist ein Vergleich sozialer Gesichtspunkte im Sinne des Abs 3 nicht vorzunehmen (Abs 4).

Im vorliegenden Fall hat der Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung innerhalb der (verlängerten) Frist des § 105 Abs 1 ArbVG keine Stellungnahme abgegeben. Dem Arbeitnehmer steht es somit offen, die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit selbst bei Gericht anzufechten; ein Sozialvergleich ist in diesem Fall allerdings nicht mehr vorzunehmen. Das Gericht hat bei einer Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit zunächst zu prüfen, ob durch die Kündigung wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt werden. Ist dies der Fall, so ist das Vorliegen von subjektiven oder objektiven Kündigungsrechtfertigungsgründen zu prüfen und anschließend eine Interessenabwägung vorzunehmen. Bei Vorliegen objektiver Rechtfertigungsgründe ist zu fragen, ob der Arbeitgeber seiner sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen ist; die objektiv betriebsbedingte Kündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie als letztes Mittel eingesetzt wird. Kann der Arbeitnehmer auf einem anderen - freien - Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden, so ist ihm dieser Arbeitsplatz vor Ausspruch der Kündigung anzubieten. Unterlässt der Arbeitgeber dieses Anbot, so ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt (für alle Schrammel in Tomandl, Arbeitsrecht II4, 229; in diesem Sinne auch Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht, I4 388).

Die Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des Klägers ist im vorliegenden Fall evident: Nach den Feststellungen des Erstgerichts ist der Kläger als Langzeitarbeitsloser zu betrachten. Insbesondere aufgrund seines Lebensalters von 52 Jahren, aber auch aufgrund seiner eher einseitigen Berufserfahrung stellt sich eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt als schwierig dar. Jedenfalls aber hat er bei Annahme einer neuen Arbeitsstelle mit einer Gehaltseinbuße von rund 40 % zu rechnen.

Entgegen der Ansicht des Klägers liegen jedoch Kündigungsrechtfertigungsgründe vor:

Das Vorbringen des Klägers, die beklagte Partei habe die Notwendigkeit der Kündigung nicht mit schlechtem Geschäftsgang, Rationalisierungsmaßnahmen oder überhöhten Personalkosten begründet, ist irrelevant. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein Unternehmen erst in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sein muss, damit es Rationalisierungsmaßnahmen ergreifen kann. Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, können wirtschaftliche Gründe im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG Gründe wirtschaftlicher Art im engeren Sinn, aber auch technischer, organisatorischer oder sonstiger wirtschaftlicher Art sein. Neben mangelnden Aufträgen, Rückgang des Absatzes, geringer Ertragslage, veralteten Betriebsanlagen, Mängel in der Rohstoff- und Materialbelieferung, dem Ausfall von Maschinen, Gas oder Strom kommen auch organisatorische und Gründe des Wettbewerbs in Frage (vgl. hierzu 9 ObA 233/93 = DRdA 1994, 252 [Trost] = WBl 1994, 92; 8 ObA 236/94). Wirtschaftliche Schwierigkeiten gleich welcher Art werden jedoch nicht vorausgesetzt; unabhängig davon sind Unternehmen in ihrer Entscheidung, rentabilitätserhöhende Rationalisierungsmaßnahmen

durchzuführen, frei (8 ObA 96/97v = RdW 1998, 153 = Arb 11.611 =

ecolex 1998, 155; 8 ObA 153/97a = SZ 70/112 = Arb 11.621 = RdW 1998,

155). Jedenfalls aber müssen diese Gründe der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen (so 9 ObA 279/88 = RdW 1989, 199 = Arb 10771).

Die beklagte Partei führt schlüssig aus, dass die Reorganisation durch die Konzernstruktur der aufnehmenden österreichischen R*****-Konzerngesellschaft bedingt war: Diese Konzerngesellschaft hatte schon vor der Fusionierung mit der B***** GmbH, welche über eine eigene Rechtsabteilung in Wien verfügte, nämlich die durch den Kläger geleitete, keine Rechtsabteilung, da die konzernweite Regelung, in den einzelnen Tochtergesellschaften keine eigenen Rechtsabteilungen zu unterhalten, bereits seit längerer Zeit bestand. Die Auflassung der Rechtsabteilung des Klägers war eine organisatorische Maßnahme zur Herstellung des im R*****-Konzern bereits bestehenden Zustandes.

Diese wirtschaftliche Entscheidung, insbesondere ihre Zweckmäßigkeit und Richtigkeit der betrieblichen Rationalisierungsmaßnahme, ist durch das Gericht nicht zu überprüfen und ist Bestandteil der unternehmerischen Freiheit (so auch 9 ObA 289/99m = RdW 2000/461; zuletzt 8 ObA 201/01v).

Überprüfbar ist lediglich, ob die konkrete Kündigung zur Verwirklichung der Maßnahme und des beabsichtigten Erfolges geeignet ist (9 ObA 199/01g, 8 ObA 197/01f, 8 ObA 201/01v). Im vorliegenden Fall besteht an dieser Voraussetzung kein Zweifel, da zur Auflösung der Rechtsabteilung die Kündigung ihrer Mitarbeiter notwendig ist und betrieblichen Erfordernissen entspricht.

Da für den Kläger, der im Übrigen gar nicht geltend macht, dass er - allenfalls nach Ein- oder Umschulung - in einer anderen als der bisherigen Verwendung einsetzbar wäre, mangels persönlicher Eignung keine anderen von der beklagten Partei im Rahmen ihrer sozialen

Gestaltungspflicht (siehe RIS-Justiz RS0051827, insbes 9 ObA 279/88 =

Arb 10771 = RdW 1989, 199 = DRdA 199/24 [Floretta] = ZAS 1989/21

[Hainz]; zuletzt 9 ObA 289/99m) anzubietenden Arbeitsplätze vorhanden sind, ist die Kündigung als betriebsbedingt im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG anzusehen.

Im Rahmen der sodann noch vorzunehmenden Abwägung zwischen den betrieblichen Interessen des Arbeitgebers und den wesentlichen Interessen des Arbeitnehmers (9 ObA 279/88 = Arb 10771 = RdW 1989, 199 = DRdA 1989/24 [Floretta] = ZAS 1989/21 [Hainz]; 9 ObA 151/90 = SZ 63/199 = Arb 10874 = WBl 1991, 27; 9 ObA 142/97s = RdW 1998, 57) ist daher davon auszugehen, dass der Kläger im Unternehmen der beklagten Partei nicht mehr einsetzbar ist, sodass bei Weiterbeschäftigung des Klägers bis zu seinem voraussichtlichen Pensionsantritt der Entgeltzahlung durch die beklagte Partei keine Leistung des Klägers gegenüberstünde. Da dies der beklagten Partei - die aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weit über die gesetzliche Abfertigung hinausgehende finanzielle Leistungen laut Sozialplan erbracht und eine vom Kläger allerdings nicht genutzte Hilfestellung zur Erlangung eines anderen Arbeitsplatzes (Outplacement-Beratung, Möglichkeit, während der Kündigungsfrist ein anderes Arbeitsverhältnis einzugehen und Eintritt in eine Arbeitsstiftung) angeboten hat -, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, unzumutbar ist, ergibt sich ein Überwiegen der betrieblichen Interessen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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