OGH 8ObA201/01v

OGH8ObA201/01v28.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Carl Hennrich und Peter Scherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mohsen Abdallah M*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Grießer Gerlach Gahleitner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Kündigungsanfechtung (Streitwert S 500.000), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Mai 2001, GZ 9 Ra 73/01y-24, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5. Oktober 2000, GZ 26 Cga 120/99b-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 24.139,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 4.023,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, ein am 22. 5. 1956 geborener Ägypter und nunmehriger Österreicher arbeitete in Österreich zuletzt als Kraftfahrer und ab 1. 7. 1996 bei der beklagten Zeitungsvertriebsgesellschaft als Expeditarbeiter zu einem Bruttomonatsbezug von zuletzt S 27.776 (netto ca ATS 20.000,-). Er ist sorgepflichtig für 3 Kinder und seine nicht berufstätige Ehegattin. Nach der von der Beklagten am 8. 4. 1999 zum 8. 5. 1999 ausgesprochenen Kündigung hat er keinen neuen Arbeitsplatz gefunden. Bei intensiver Arbeitsplatzsuche müsste es dem Kläger möglich sein, binnen 6 Monaten nach der erfolgten Kündigung einen Arbeitsplatz mit einem Monatsgehalt zwischen S 17.000,- bis S 18.000,- brutto zu finden.

Bei der Beklagten hatte er die Daten für die Paketstückzahlen in den Computer einzugeben und auf die richtige Beladung der Paletten zu achten.

Zur Kündigung kam es, nachdem der Bilanzverlust der Beklagten 1996 mehr als S 19 Mio betrug und sich 1997 auf S 25 Mio erhöhte. Der Wirtschaftstreuhänder der Beklagten sowie eine weitere Beratungsgesellschaft schlugen der Beklagten vor, die Personalaufwendungen zu reduzieren. Bezogen auf den Kollektivvertrag für Handelsarbeiter liege eine KV-Überzahlung der Arbeiter zwischen 45 bis 120 vH vor. Bei Lohnzahlungen von 20 vH über dem Kollektivvertrag-Mindestlohn könnte sich eine Kostenentlastung im Geschäftsjahr von S 6,9 Mio ergeben; bei Reduktion der Angestelltengehälter von 20 vH über dem Kollektivvertrag-Mindestlohn eine solche von S 1,7 Mio jährlich. Bei Einsatz von Fremdpersonal bei einer Stundenleistung von S 120 könnten S 16,1 Mio eingespart werden. Dies würde nicht nur eine Verlustminderung, sondern auch einen Ertrag herbeiführen.

Der Geschäftsführer der Beklagten überlegte eine Ausgliederung des Zeitungsvertriebes und nahm auch Kontakt mit Unternehmen auf, die die Vertriebsleistungen anbieten. Schließlich versuchte er die Arbeiter im Betrieb der Beklagten zur Zustimmung zur Änderung ihrer Löhne zu bewegen. Dies kündigte er auch dem Betriebsratsvorsitzenden an. Der Kläger erhielt im Februar 1999 ein Änderungsangebot. Der Grundlohn sollte 20 vH über dem Kollektivvertrag der Handelsarbeiter liegen und S 12.685,- betragen. Dazu konnten noch Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeiten in Höhe von ca ATS 4.000,- monatlich kommen. Der Kläger stimmte der Änderung nicht zu und wurde gekündigt.

Teilweise wurde die Tätigkeit der ausgeschiedenen Mitarbeiter, darunter auch die des Klägers, zuerst von Leiharbeitern einer nicht zugelassenen Leiharbeitsfirma übernommen. Es kam dann zu einer Strafanzeige wegen der Beschäftigung von Ausländern ohne Beschäftigungsbewilligung. Danach wurden Leiharbeitskräfte von einer befugten Leiharbeitsfirma herangezogen. Dafür war dann ein Stundenentgelt von S 186,- am Tag und S 204,- in der Nacht zu entrichten. Die anspruchsvolleren Tätigkeiten, wie sie der Kläger geleistet hatte, wurden teilweise von Stammarbeitern der Beklagten durchgeführt, die im Lohnniveau niedriger als der Kläger waren. An die Stelle der billigeren Stammarbeiter sind Leiharbeiter gerückt. Es wurden auch die Schichten geändert, sodass nicht festgestellt werden kann, dass der Arbeitsplatz des Klägers von einem Leiharbeiter ausgefüllt wurde. Zugestanden wird von der Beklagten, dass die Kündigungen nicht gegenüber allen Arbeitnehmern mit einem dem Kläger vergleichbaren Lohnniveau ausgesprochen wurden.

Der Kläger begehrt, die am 8. 4. 1999 zum 8. 5. 1999 ausgesprochene Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären. Im Rahmen einer "Änderungskündigung" sei ihm der Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses nur zu einem gegen seinen bisherigen Verdienst halbieren, unzumutbaren, unter dem Existenzminimum liegenden geringeren Entgelt von S 12.000,- brutto angeboten worden. Dieses liege auch unter dem zumindest vergleichsweise heranzuziehenden Kollektivvertrag für das grafische Gewerbe und auch der sonst bei Zeitungsunternehmen üblichen Entlohnung. Es handle sich um eine unzulässige Austauschkündigung, die auch nur gegenüber einzelnen Arbeitnehmern durchgeführt worden sei. Die Kündigung sei sozialwidrig. Der Arbeitsplatz des Klägers sei mit wesentlich billigeren Leiharbeitskräften besetzt worden, deren Beschäftigung teilweise auch gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz verstoßen habe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Unternehmen habe 1998 einen Verlust von S 15 Mio erwirtschaftet. Zur Sanierung sei die Senkung der durchschnittlich 49 % über den KV für Handelsarbeiter liegenden Löhne auf Löhne und Gehälter, die nicht mehr als 20 vH über den kollektivvertraglichen Mindestentgelten liegen, erforderlich. Andernfalls sei eine Betriebsschließung unvermeidlich. Der Kläger habe dieses betriebsnotwendige geringere Lohnangebot abgelehnt. Dieses sei noch über dem Lohnniveau der Konkurrenz gelegen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es bejahte zwar eine massiven Beeinträchtigung der Interessen des Klägers durch die Kündigung durch die ca 30 %ige Einkommenskürzung. Die Kündigung sei jedoch betriebsbedingt gerechtfertigt. Zur Sanierung des Unternehmens sei die Kündigung der teuren Arbeitnehmer unvermeidbar gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Urteil im klagsstattgebenden Sinne ab. Es bejahte ebenfalls die wesentliche Interessensbeeinträchtigung des Klägers. Die Annahme des Angebotes der Beklagten zur Änderung der Arbeits- und Entgeltbedingungen bei einer Einkommensbuße von bis zu maximal 40 vH sei jedenfalls unzumutbar. Die Beklagte sei auch ihrer sozialen Gestaltungspflicht nicht nachgekommen, weil der Arbeitsplatz des Klägers nicht weggefallen sei, sondern infolge einer Umschichtung die Arbeit des Klägers durch Stammarbeiter der Beklagten mit einem niedrigeren Lohnniveau verrichtet werde und anstelle der billigeren Stammarbeiter Leiharbeiter nachgerückt seien. Deren Beschäftigung komme dem Einstellen von Arbeitskräften gleich. Es ergebe sich überdies, dass die Beklage die Änderungskündigung offensichtlich nicht allen Arbeitnehmern mit einem dem Kläger vergleichbaren Lohnniveau gegenüber ausgesprochen habe. Sie habe nicht ins Treffen geführt, dass der Einsatz der beschäftigten Arbeitskräfte durch Leiharbeitnehmer eine notwendige Rationalisierungsmaßnahme gewesen sei. Die Beklagte habe den Verdacht der Beschäftigung unzulässiger Arbeitskräfte nicht von der Hand weisen können.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Diese Ausführungen des Berufungsgerichtes hinsichtlich des mangelnden Vorbringens zum Einsatz von Leiharbeitskräften beziehen sich nicht auf die allgemeinen Einsparungsargumente, sondern spezifische betriebswirtschaftliche Erfordernisse.

Aber auch mit ihrer Rechtsrüge kann die Beklagte nicht durchdringen. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung vom 5. 9. 2001 zu GZ 9 ObA 199/01g zu einer eine inhaltsgleiche Entscheidung des Berufungsgerichtes betreffenden Revision der Beklagten den auch hier ausgeführten Argumenten der Rechtsrüge folgendes erwidert:

"Die Revisionswerberin wendet sich nicht gegen die Annahme der wesentlichen Interessenbeeinträchtigung des Klägers, sodass hiezu nichts weiterauszuführen ist.

Die betriebswirtschaftliche Notwenigkeit von Rationalisierungsmaßnahmen ist grundsätzlich nicht vom Gericht zu prüfen. Insoweit besteht unternehmerische Entscheidungsfreiheit bei gegebener Dringlichkeit der betrieblichen Erfordernisse (SZ 70/112; 8 ObA 96/97v; 8 ObA 80/99v). Die festgestellte Unternehmenssituation mit einem Bilanzverlust von mehr als S 19 Mio 1996 und S 25 Mio 1997 im Zusammenhang mit dem vom Wirtschaftstreuhänder und der A***** GmbH empfohlenen Maßnahmen wie, die überkollektivvertraglichen Personalaufwendungen zu reduzieren, machte den Entschluss der beklagten Partei zur Änderungskündigung und zur Kostenreduzierung durch Einschränkung besonders hoher Gehälter plausibel (DRdA 1988/10 [Floretta]; SZ 70/112). Dass als Alternative der Einsatz von Leiharbeitskräften in Frage kam, hat die Beklagte vorgebracht. Wird berücksichtigt, das nach der vorgenommenen Prognose bei der Reduktion der Löhne und Gehälter sich Kostenentlastungen von S 6,9 Mio bzw S 1,7 Mio ergeben, dann müsste die Maßnahme zu einer Verbesserung der Marktposition der Beklagten führen und es läge eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Rationalisierungsmaßnahme vor (Karl, Anfechtung einer Änderungskündigung wegen Sozialwidrigkeit DRdA 2000, 363 f).

Die wirtschaftliche Bedingtheit der Kündigung ist vom Arbeitgeber jedoch in rational nachvollziehbarer Weise darzutun (DRdA 1989/24; Arb 10.874; 9 ObA 310/93). Eine Kündigung ist nur dann betriebsbedingt, wenn sie eine normale und für jedermann nachvollziehbare betriebswirtschaftliche Konsequenz einer unternehmerischen Disposition, wobei die Kündigung, nicht jedoch die sie auslösende Unternehmensdisposition der Rechtfertigung bedarf. Der Arbeitgeber muss sich daher gefallen lassen, dass das Gericht überprüft, ob die Kündigung tatsächlich zur Kostensenkung führt. Ist dies nicht der Fall, ist sie ein zur Zweckerzielung ungeeignetes Mittel und sachlich unbegründet (Tomandl, Die sozialwidrige Kündigung 69 f). Die Notwendigkeit der Kostenreduktion durch Lohn- und Gehaltsreduktion und ob die vom Arbeitgeber gewünschte und vom Arbeitnehmer verhinderte Veränderung des Vertragsinhaltes keinen ausreichenden Grund darstellt, das Arbeitsverhältnis dieses Arbeitnehmers zu beenden, ob gerade durch die Kündigung dieses Arbeitnehmers die erwünschte Auswirkung auf die Wirtschaftslage des Unternehmens erzielt wird (Strasser, Problematik der sogenannten Änderungskündigung DRdA 1988, 1 ff) ist daher im Rahmen des Vorbingens des Arbeitgebers und der Feststellungen zu prüfen.

Gerade bei Sanierungsmaßnahmen muss dies zur Prüfung führen, ob die Kündigung Auswirkungen auf die Wirtschaftslage des Unternehmens hat. Dies bedeutet aber, weil der Verzicht des einzelnen Arbeitnehmers regelmäßig keine oder so gut wie keine Auswirkungen auf die erforderliche Senkung des Lohn- und Gehaltsaufwandes zu einer sinnvollen Sanierung des Gesamtunternehmens haben wird (Strasser aaO), dass, wie es auch dem Zweck der Maßnahme zu entnehmen ist, die Kündigung bzw Änderungskündigung aller überentlohnter Arbeitnehmer erforderlich gewesen wäre, weil sich erst dann die Kostensenkung auf das gesamte Ergebnis auswirken kann. Dies hat aber wieder nichts mit einem nur über Einwendung des Arbeitnehmers zu berücksichtigenden Sozialvergleich zu tun (9 ObA 310/93), weil es nicht um die Kündigung eines anderen Arbeitnehmers geht, sondern darum, ob die Sanierungsmaßnahme als solche durch die Kündigung verwirklicht werden konnte.

Hiezu hat die beklagte Partei vorgebracht, dass die Überzahlungen typisch für die Mitarbeiter des Expedits waren und die Beklagte zur Senkung der Lohnkosten "ihrer" Expeditarbeiter zur Änderungskündigung geschritten sei. Sie hat über Einwand des Klägers, dass nicht bei allen Arbeitnehmern eine Gehaltsänderung versucht wurde, dargelegt, dass dieser Frage und ob namentlich bestimmte Arbeitnehmer nach wie vor mit dem überhöhten Entgelt beschäftigt seien, keine Relevanz bei Beurteilung der konkreten Kündigung des Klägers zukomme. Die Feststellung, dass die beklagte Partei offensichtlich nicht allen Arbeitnehmern gegenüber mit einem dem Kläger vergleichbaren Lohnniveau eine Änderungskündigung ausgesprochen hat, lässt sie insofern unbestritten, als sie nur ausführt, dass in diesem Zusammenhang kein "Gruppenvergleich" stattzufinden habe und die soziale Gestaltungspflicht anhand des konkreten Falles zu prüfen sei. Der Arbeitgeber könne entscheiden, welche Gehälter er kürzt.

Im Gegensatz zur Meinung der Revisionswerberin kann die Art der Maßnahme zur Kostensenkung dem Arbeitgeber zwar nicht vorgeschrieben werden und unterliegt seiner Entscheidungsfreiheit; wählt er aber eine bestimmte Maßnahme, muss geprüft werden, ob die konkrete Kündigung zur Verwirklichung der Maßnahme und des beabsichtigten Erfolgs geeignet ist. Zur Verwirklichung bedurfte es nach den Feststellungen aber der Senkung "der" (und somit aller) Überentlohnungen. Beachtet der Arbeitgeber dies nicht, so ist dies bei Prüfung der Betriebsbedingtheit zu berücksichtigen (DRdA 1988/10 [Floretta]).

Da nach den Ausführungen des Berufungsgerichtes nicht allen Arbeitnehmern gegenüber der Weg der Änderungskündigung und damit der Lohn- und Gehaltsreduktion beschritten wurde, hat der Arbeitgeber, weil die allein gegenüber dem Kläger oder einigen Arbeitnehmern ergriffene Maßnahme nicht dem Sanierungsplan entsprach, seiner Verpflichtung zur Darlegung und zum Beweis der wirtschaftlichen Betriebsbedingtheit der Kündigung in rational nachvollziehbarer Weise nicht entsprochen.

Ob der Arbeitsplatz des Klägers in der Folge nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (RIS-Justiz RS0051772) mit billigeren Arbeitnehmern besetzt wurde oder die Aufnahme billigerer Leiharbeiter eine notwendige Rationalisierungsmaßnahme war oder "unzulässige" illegale Arbeitskräfte beschäftigt wurden, ist nicht mehr von Belang, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichtes wie auch die Revision nicht mehr eingegangen werden muss."

Der erkennende Senat schließt sich diesen Ausführungen, die auch auf das vorliegende, teilweise mit dem zu 9 ObA 199/01g entschiedenen Verfahren teilweise verbundenen Verfahren zutreffen, an. Gerade die grundsätzliche Freiheit des Arbeitgebers bei der unternehmerischen Disposition über die wirtschaftliche Führung des Betriebes (vgl allerdings auch §§ 108 ff ArbVG) bedingt, dass nur solche Kündigungen dem einzelnen Arbeitnehmer gegenüber als betriebsbedingt angesehen werden können, die sich konkret und rational nachvollziehbar aus diesen wirtschaftlichen Dispositionen ableiten lassen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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