OGH 8ObA96/97v

OGH8ObA96/97v23.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Brigitte Augustin und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Andreas K*****, vertreten durch Dr.Hanns Forcher-Mayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei H***** Baugesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Erwin Bajc und Dr.Peter Zach, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wegen Kündigungsanfechtung (Streitwert RATG S 300.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10.Dezember 1996, GZ 15 Ra 170/96d-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. August 1996, GZ 45 Cga 80/96z-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.725,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.287,50 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 15.11.1939 geborene, daher nunmehr 57-jährige Kläger ist gelernter Schlosser und seit 1.11.1957 bei der beklagten Partei beschäftigt. Er wurde dort am 2.5.1973 ins Angestelltenverhältnis übernommen. Zuletzt verdiente er monatlich durchschnittlich S 24.000,-- netto. Mit Schreiben vom 11.4.1996 wurde er unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt, nachdem mit Schreiben vom 4.4.1996 die beabsichtigte Kündigung dem Betriebsrat mitgeteilt worden und sich der Angestelltenbetriebsrat mit Schreiben vom selben Tag ausdrücklich gegen die Kündigung des Klägers ausgesprochen hat. Unstrittig ist auch, daß die Kündigung den Kläger bei seinem Alter und der derzeitigen Arbeitsmarktsituation sozial hart trifft.

Die beklagte Partei ist hauptsächlich im Kabelbau tätig und beschäftigt je nach Saison insgesamt zwischen 700 und 800 Dienstnehmer. Bis 1995 waren in Tirol etwa 220 Mitarbeiter beschäftigt, jetzt sind es noch etwa 160. Während die beklagte Partei am Standort Innsbruck früher einen Jahresumsatz von etwa S 180 Mio gemacht hat, erwartet sie nun einen solchen von jährlich S 100 bis 120 Mio. Im Jahre 1995 hatte der Innsbrucker Betrieb der beklagten Partei einen Verlust von S 15 Mio, weshalb die beklagte Partei bemüht ist, hier die Fixkosten zu reduzieren.

Der Kläger arbeitet in der Kfz-Werkstätte. Neben ihm sind dort Edgar W*****, ein ausgebildeter Mechanikermeister, und Wendelin K*****, der mit einem Service-Wagen die Baustellen besucht und dort Reparaturen durchführt, beschäftigt. Die in Z***** gelegene Werkstätte hat seit längerer Zeit Schwierigkeiten mit der Gewerbeinspektion. Pläne zur Übersiedlung der Werkstätte haben Anrainerproteste gegen sich und das Verfahren für eine Betriebsanlagegenehmigung ist noch nicht abgeschlossen. Der Kläger wäre in der Lage, die Tätigkeit des Wendelin K*****, der mit dem Servicewagen fährt und diesen Tätigkeitsbereich vom Kläger 1975 übernommen hat, auszuüben. Wendelin K***** ist Betriebsratsobmannstellvertreter und verdient etwa S 17.000,-- bis S 18.000,-- monatlich. Er ist verheiratet, seine Gattin ist nicht berufstätig und er hat für drei Kinder zu sorgen. Er hat ein Eigenheim gebaut, das noch mit S 600.000,-- an Krediten belastet ist. Der weiters in der Werkstätte beschäftigte Edgar W***** hat die Mechanikermeisterprüfung absolviert und ist seit Juni 1996 in der Werkstätte beschäftigt. Er führt dort die Reparaturen an allen Geräten durch. Der Kläger könnte auch die Arbeit des Edgar W***** durchführen. Dieser verdient monatlich durchschnittlich zwischen S 17.000,-- und S 18.000,-- netto ohne Überstunden. Er ist 28 Jahre alt, hat keine Sorgepflichten, ist nicht verheiratet und hat auch keine Kreditverbindlichkeiten.

Der Kläger hat, nachdem seine Kinder bereits selbsterhaltungsfähig sind, noch für seine nicht berufstätige Gattin zu sorgen. Er hat ein Einfamilienhaus mit einem Grundriß von 10 x 11 m gebaut, wofür noch Kreditverbindlichkeiten von S 400.000,-- bei einer monatlichen Rückzahlungsrate von S 4.500 aushaften.

Der Kläger macht für die Werkstätte die Schreibarbeiten, holt die Ersatzteile aus Innsbruck, führt Schweißarbeiten durch, arbeitet auf der Drehbank, fertigt Bolzen und Büchsen für Bagger und hat auch die Baustellen abzufahren und die Ölstände zu kontrollieren, welche letztere Aufgabe der Kläger aber an Wendelin K***** delegiert hat. Weiters fährt der Kläger zu Anbotseröffnungen zu Gemeinden. Schließlich hat der Kläger auch die Bauarbeiter, die im Raum Z***** schlafen und essen, zu betreuen, muß die Unterkünfte aufbetten und die Reinigungskraft kontrollieren. Der Kläger ist nur mehr mit etwa einem Drittel seiner Arbeitszeit direkt in der Werkstätte beschäftigt. Den Rest umfassen Nebentätigkeiten wie die Betreuung der Unterkünfte und die Fahrten zu den Gemeinden. Diese Tätigkeiten wurden dem Kläger übertragen, weil er mit seiner Arbeit in der Werkstätte nicht mehr ausgelastet war. Als Polier war der Kläger bei der beklagten Partei nie tätig.

Die Arbeitsstelle des Edgar W***** wurde dem Kläger auf der Basis dessen Entlohnung zuzüglich eines monatlichen Bruttobetrages von S 5.000,-- als Treueprämie angeboten. Der Kläger wäre zwar bereit, die Tätigkeit des Edgar W***** auszuführen, jedoch nicht eine Einkommensbuße in Kauf zu nehmen.

Aufgrund des Umsatzrückganges (zwischen 33 % und 45 %) entstand bei der beklagten Partei die Absicht, die Werkstätte in Z***** so weit "abzumagern", daß lediglich eine Box für Ölwechsel, für Stampfer-Reparaturen, für Reifenwechsel und sonstige kleinere Reparaturen bleibe und nur mehr ein Mitarbeiter in der Werkstätte beschäftigt werde, der auch mit dem Montagewagen fahren solle. Sowohl dann, wenn die Betriebsstättengenehmigung für die Übersiedlung der Werkstätte nicht erteilt wird, als auch dann, wenn sich die hiefür erforderliche Investition wegen der Umsatzsituation nicht rechnet, bleibt der beklagten Partei nur die Alternative, Reparaturen in betriebsfremden Werkstätten durchführen zu lassen. Bereits im März 1996 wurde ein Mitarbeiter aus der Werkstätte abgezogen, der nun als LKW-Fahrer tätig ist. Die beklagte Partei ist dazu übergegangen, Gerätschaften, insbesondere Busse, zu leasen und in betriebsfremden Werkstätten reparieren zu lassen. Außerdem ist die beklagte Partei bemüht, Gerätschaften bereits nach einer Lebensdauer von 5 Jahren auszutauschen, weil ansonsten die Reparaturkosten überdimensional steigen. Durch diese Maßnahmen fällt ein großer Tätigkeitsbereich für die Werkstätte in Z*****, in der der Kläger gearbeitet hat, weg.

Rechtliche Beurteilung

Die Begründung des Berufungsgerichtes, wonach bei der vorzunehmenden Interessenabwägung der Arbeitnehmerinteressen des Klägers (Bestandinteresse, Sozialwidrigkeit der Kündigung) gegenüber den Kündigungsrechtfertigungsgründen der beklagten Partei (betriebsbedingte Gründe im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG) diese überwiegen, weshalb die Kündigungsanfechtung durch den Kläger nicht berechtigt ist, ist zutreffend (§ 48 ASGG).

Den Revisionsausführungen ist entgegenzuhalten:

Eine betriebsbedingte Kündigung hebt als Ausnahmetatbestand die Sozialwidrigkeit nicht schlechthin auf (Arb 10.771 = RdW 1989, 199 = WBl 1989, 217), es hat vielmehr eine Interessenabwägung zu erfolgen (SZ 65/43 = WBl 1992, 232 = ZAS 1994/4, 59 dazu Besprechungsaufsatz Pircher, Die Beeinträchtigung wesentlicher Interessen, ZAS 1994, 51; DRdA 1994/20, 252 [Trost] = WBl 1994, 92). Die betriebsbedingte Kündigung (dazu Tomandl, Die sozialwidrige Kündigung, 49 f) kommt nur als ultima ratio (MünchAR/Berkowsky § 134 RdNr 61) in Betracht und erfordert eine weitgehende soziale Gestaltungspflicht des Arbeitgebers (Tomandl aaO 55; Runggaldier: OGH präzisiert soziale Gestaltungspflicht RdW 1995, 267 zu 8 ObA 335/94 = RdW 1995, 272).

Die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit der Rationalisierungsmaßnahmen (vgl Arb 10.771; Personalreduktion DRdA 1994/20, 252 [Trost] = WBl 1994, 92; dazu Tomandl aaO, 62 f) ist grundsätzlich vom Gericht nicht zu überprüfen; es besteht insoweit unternehmerische Entscheidungsfreiheit (Berkowsky aaO RdNr 37 ff) bei gegebener Dringlichkeit der betrieblichen Erfordernisse (Berkowsky aaO RdNr 52 ff). Die festgestellte Entwicklung der Unternehmensdaten (Umsatzrückgang in der Größenordnung von 33 bis 45 %, Verminderung der Zahl der Mitarbeiter um 27 %) macht die Betriebsbedingtheit von Personalreduktionen im Falle der Werkstatt, in der der Kläger beschäftigt war, in Verbindung mit dem erheblich verminderten Bedarf nach Reparaturleistungen im Bauunternehmen (Umstellung des Fuhrparks auf Leasingfahrzeuge, Verjüngung des Fuhrparks auf weniger reparaturanfällige Fahrzeuge) plausibel. Die beklagte Partei bzw deren Geschäftsführer sind für das wirtschaftliche Schicksal des Unternehmens verantwortlich und haben schon vor einer fahrlässigen Krida (vgl § 159 Abs 2 StGB) Sparmaßnahmen zu ergreifen, um die übrigen Arbeitsplätze und das Unternehmen zu sichern (vgl auch die Ziele der Betriebsverfassung in § 39 Abs 1 ArbVG). Daher sind auch hochrentierliche Unternehmen frei in ihrer Entscheidung, rentabilitätserhöhende Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen (Berkowsky aaO RdNr 49).

Der zuvor erwähnten sozialen Gestaltungspflicht hat die beklagte Partei entsprochen, indem sie dem Kläger sogar eine "Treueprämie" von S 5.000,-- monatlich angeboten hat, durch die sein zu erwartender Einkommensverlust am Arbeitsplatz eines jüngeren Mitarbeiters, der erst gekündigt werden müßte, erheblich gemildert werden könnte (eine durchschnittliche Einbuße von S 6.000,-- netto monatlich wird durch ein Treueprämie von S 5.000,-- brutto überschlägig geschätzt nahezu halbiert; die Einkommensverminderung würde etwa 12 bis 15 % des früheren Entgelts des Klägers ausmachen). Eine gewisse Einkommensreduktion muß sich der Kläger als Beitrag zu seiner Arbeitsplatzsicherung gefallen lassen, bzw hätte er die ausgesprochene Kündigung schon im Vorfeld einer drohenden (Änderungs-)Kündigung durch seine Zustimmung zu einer maßvollen Entgeltkürzung vermeiden können.

Der Einwand des Klägers, die beklagte Partei habe nicht alle zumutbaren Maßnahmen zu seiner Weiterbeschäftigung ausgeschöpft, geht fehl, weil der Kläger es unterläßt, solche konkret darzulegen. Die Verwendungsmöglichkeit des Klägers als Polier scheitert an seiner fehlenden Eignung hiefür sowie an einem freien Arbeitsplatz. Die beklagte Partei hat den Kläger schon in der Werkstatt, die nur eine unzureichende Auslastung des Klägers ermöglichte, zusätzlich mit anderen Aufgaben beschäftigt, die seiner eigentlichen Tätigkeit fremd waren und zu einem für diese Aufgabenkombination vermutlich überhöhten Entgelt führten.

Der gebotenen Interessenabwägung zwischen persönlichen und betrieblichen Interessen hat die beklagte Partei entsprochen, insbesondere durch ihr Anbot eines Ersatzarbeitsplatzes in Verbindung mit der Gewährung einer Treueprämie. Dadurch wird auch der Anschein vermieden, die beklagte Partei würde die beabsichtigte Einsparung von Personalkosten rücksichtslos auf dem Rücken des Klägers durchführen. Die nachteiligen Folgen der Kündigung hat sich der Kläger zum nicht unerheblichen Teil durch die Ablehnung der Vorschläge der beklagten Partei zur Abwendung einer Kündigung selbst zuzuschreiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Gemäß § 23 Abs 3 RATG beträgt der Einheitssatz ab einem Streitwert von über S 100.000,-- nur 50 %; das Begehren eines Einheitssatzes von 60 % ist daher unberechtigt.

Stichworte