OGH 8Ob32/03v

OGH8Ob32/03v20.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, Dr. Kuras und Dr. Lovrek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Julia D*****, geboren am 27. Mai 1998 und Sarah D*****, geboren am 14. August 1999, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Ing. Andreas D*****, vertreten durch Mag. DDr. Paul G. Hopmeier, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. Jänner 2003, GZ 43 R 747/02x, 43 R 748/02x, 43 R 28/03s-85, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Soweit in den Ausführungen des Revisionsrekurses auch die Geltendmachung einer Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens dahin erblicken werden könnte, dass die Vorinstanzen den Ausgang des Strafverfahrens gegen den Lebensgefährten der Mutter hätten abwarten müssen, ist darauf zu verweisen, dass es sich um einen vom Rekursgericht verneinten angeblichen Verfahrensmangel erster Instanz handelt. Nicht nur, dass diese im allgemeinen im Revisionsrekurs nicht geltend gemacht werden können (RIS-Justiz RS0042963; OGH 6 Ob 146/02t), kann hier in der Rechtsansicht des Rekursgerichtes, dass für die Zuteilung der Obsorge nicht auch noch der Ausgang des Strafverfahrens abgewartet werden kann, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung gesehen werden. Das konkrete Verhalten der Kinder gegenüber dem Lebensgefährten der Mutter war ohnehin bereits Gegenstand eines ausführlichen Sachverständigengutachtens. Im Übrigen ist festzuhalten, dass der Lebensgefährte der Mutter in erster Instanz gem § 259 Z 3 StPO freigesprochen wurde. Dass das Verhalten der Kinder diesem gegenüber letztlich angstfrei war, wurde ohnehin festgestellt.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen kann keine Rede davon sein, dass die Mutter durch ihr Begehren auf Obsorgezuteilung die Kontinuität der Entwicklung der Kinder nachhaltig störe. Eine einvernehmliche Regelung der Obsorge liegt nicht mehr vor. Mit den Entscheidungen der Vorinstanzen erfolgte die erstmalige Zuteilung der Elternrechte. Der Grundsatz der Kontinuität ist nicht das entscheidende, sondern nur ein zusätzliches Argument für die Zuteilung der Obsorge (6 Ob 315/01v; RIS-Justiz RS0047928). Die Kinder wurden über Jahre hinweg überwiegend von der leiblichen Mutter betreut. Allein in den letzten Monaten vor der Obsorgeentscheidung kam es im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um die Zuteilung der Obsorge dazu, dass die Kinder über einige Monate in der Obsorge des Vaters waren. Die durch einen Milieuwechsel hervorgerufene Belastung der Kinder kann nach den jeweiligen Umständen grundlegend verschieden sein; demgemäß ist diesem Wechsel im Einzelfall auch verschiedenes Gewicht beizumessen (RIS-Justiz RS0047933). Dieses kann hier nicht als ausschlaggebend beurteilt werden.

Oberster Grundsatz bei der Entscheidung über die Obsorge ist die Beachtung des Kindeswohls, das bei Gegenüberstellung der Persönlichkeit, der Eigenschaften und der Lebensumstände der Elternteile ausschlaggebend ist. Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung ist immer eine solche des Einzelfalls, der keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG zukommt, sofern der Grundsatz des Kindeswohls Bedacht gefunden hat (RIS-Justiz RS0007101). Die Mutter hat dabei kein Vorrecht auf die Pflege und Erziehung des Kindes, jedoch entspricht es bei gleicher Einigung der Eltern bei Kleinkindern häufig dem Kindeswohl, der Mutter den Vorzug zu geben (vgl etwa RIS-Justiz RS0047830; RIS Justiz RS0047839). Auch das Verhalten des Lebensgefährten kann nur in dem Gesamtzusammenhang gewichtet werden. In den sorgfältig begründeten, das Für und Wider der Zuteilung der Obsorge an den einen oder den anderen Elternteil abwägenden Entscheidungen der Vorinstanzen kann eine zur Korrektur Anlass gebende Fehlbeurteilung des vorliegenden Falles nicht erblickt werden.

Stichworte