OGH 7Ob225/02t

OGH7Ob225/02t13.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Vw. Friedrich B*****, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren der S***** GmbH & Co KG, *****, GZl. 3 IN 19/00 des Amtsgerichtes *****, BRD, vertreten durch Dr. Norbert Grill, Rechtsanwalt in Jenbach, wider die beklagten Partei D***** AG & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Fritz Schuler, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen EUR 8.842,11 sA = S 121.670,15 sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 4. Juni 2002, GZ 1 R 91/02w-11, womit der Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 25. Jänner 2002, GZ 5 Cg 338/01p-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.000,98 (darin EUR 166,83 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit der am 7. 12. 2001 beim Landesgericht Feldkirch eingebrachten Klage begehrt der Kläger als Insolvenzverwalter in einem in Deutschland anhängigen Insolvenzverfahren der S***** GmbH & Co KG

1. die Unwirksamerklärung der seitens der Beklagten erlangten Befriedigung durch Zahlung der insolventen S***** GmbH & Co KG in Höhe von DM 17.281,45 an die Beklagte aus Altforderungen zufolge Außenstandes der Beklagten gegenüber der genannten Konkursantin per 24. 3. 2000, sowie

2. Zahlung von DM 17.381,45 (= S 121.670,15 = EUR 8.842,11) sA. Zur örtlichen Zuständigkeit berief er sich auf den allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten. Einen ausschließlichen Gerichtsstand für Anfechtungsansprüche im Zusammenhang mit einem anhängigen Insolvenzverfahren beim Insolvenzgericht in Deutschland gebe es nicht. Die sachliche Zuständigkeit des Landesgerichtes ergebe sich daraus, dass der Rechtsgestaltungsanspruch denselben Wert wie der Leistungsanspruch verkörpere und die beiden Werte zusammenzurechnen seien.

Die Beklagte bemängelte den Streitwert und erhob die Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges sowie der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit. Nach dem richtigen Streitwert (Wert der in ihrer Befriedigung verletzten Forderung), sei das Bezirksgericht sachlich zuständig. Außerdem gehöre die Rechtsstreitigkeit ausschließlich vor das deutsche Konkursgericht.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 24. 1. 2002 wurde ua der Antrag der Beklagten, den Streitwert abweichend von der Bewertung der Klage festzusetzen, abgewiesen und nach Fassung eines Beweisbeschlusses sowie Aufnahme der Urkundenbeweise die Verhandlung geschlossen (ON 4).

Mit der Begründung, Österreich sei international für diese Rechtsstreitigkeit nicht zuständig, weil der - hier noch anzuwendende [Anm: die VO (EG) Nr 1346/2000 des Rates vom 29. 5. 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) trat am 31. 5. 2002 in Kraft und ist auf nach diesem Zeitpunkt eröffnete Insolvenzverfahren anzuwenden: MGA JN-ZPO II Anm 2 vor Art 1 EuInsVO] - Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiete des Konkurs- und Ausgleichs-(Vergleichs-)rechts, BGBl 233/1985 idF BGBl 612/1986 als "direkte Zuständigkeitsregel" anzusehen sei, erklärte sich das Erstgericht für unzuständig, hob das bisherige Verfahren als nichtig auf und wies die Anfechtungsklage zurück.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Klägers nicht Folge "sondern" bestätigte "die Zurückweisung der Klage (wegen sachlicher Unzuständigkeit des Landesgerichtes Feldkirch)" und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die inländische Gerichtsbarkeit gemäß § 27a Abs 1 JN sei (zwar) gegeben, weil keine gesetzliche Regelung existiere, die die Anbringung einer Anfechtungsklage als Folge eines in Deutschland eröffneten Konkurses am allgemeinen Gerichtsstand des Anfechtungsbeklagten in Österreich untersagen würde. Der Streitwert der Anfechtungsklage richte sich jedoch nach dem Leistungsbegehren, weshalb die sachliche Zuständigkeit des Landesgerichtes Feldkirch nicht erreicht werde. Da der Kläger keinen Antrag gemäß § 261 Abs 6 ZPO gestellt habe, sei die Klage zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Klägers mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Das Rekursgericht hat den Revisionsrekurs für zulässig erklärt, weil zur Frage der inländischen Gerichtsbarkeit für Anfechtungsprozesse im Zusammenhang mit im Ausland eröffneten Konkursverfahren keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Diese Ausführungen der Zulassungsbegründung haben, wie der Revisionsrekurs erkennt, keinen "rechtsmittellegitimierten Adressaten", weil sich mangels Rechtsschutzinteresses eine Bekämpfung des die klägerische Ansicht bestätigenden Standpunktes (des Gerichtes zweiter Instanz) hinsichtlich der inländischen Gerichtsbarkeit (für diese Anfechtungsklage) "verbietet". Demgemäß beschäftigt sich das Rechtsmittel - wie bereits die Revisionsbeantwortung zutreffend aufzeigt - überhaupt nicht mit diesem Thema, sodass auf die vom Rekursgericht angesprochene Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht einzugehen ist.

Was aber die als Nichtigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung - allein - bekämpfte Bestätigung der Klagszurückweisung infolge der vom Rekursgericht erblickten sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes Feldkirch betrifft, sind zunächst folgende Klarstellungen vorzunehmen:

Der in der Revisionsrekursbeantwortung vertretenen Auffassung, dass es dem erkennenden Senat schon infolge absoluter Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gemäß § 45 JN verwehrt wäre, auf diese Rechtsmittelausführungen einzugehen, kann nicht beigetreten werden. Nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht, sind zwar iSd letzen Halbsatzes leg cit dann unanfechtbar, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz in derselben Gemeinde hat; wobei es für den Rechtsmittelausschluss nach stRsp ausreicht, wenn dieses Gericht eindeutig bestimmbar ist (RIS-Justiz RS0046280; RS0046283; RS0046295 [T2]; EvBl 1985/128; 6 Ob 591/86; 9 ObA 135/91; 6 Ob 598/91 mwN; 7 Ob 344/99k; 5 Ob 322/00i; Mayr in Rechberger2 Rz 2 zu § 45 JN mwN; Ballon in Fasching I² Rz 3 Abs 2 zu § 45 JN). Insoweit kam hier aber nur das (nach dem Sitz der Beklagten in 6921 Wolfurt) zuständige Bezirksgericht Bregenz in Betracht, das seinen Sitz in einer anderen Gemeinde als das Landesgericht Feldkirch hat, sodass der von der Beklagten reklamierte Rechtsmittelausschluss nicht vorliegt. Zu Recht hat der Kläger die Zuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes Feldkirch allerdings nicht daraus ableitet, dass es nach § 43 Abs 5 KO als Konkursgericht ausschließlich zur Verhandlung und Entscheidung über Anfechtungsklagen berufen wäre; wurde diese individuelle Zuständigkeit doch - wie bereits das Rekursgericht aufzeigt - geschaffen, um während eines inländischen Konkursverfahrens Anfechtungsprozesse zu beschleunigen und eine einheitliche Beurteilung des Zeitpunktes des Eintrittes der Zahlungsunfähigkeit zu ermöglichen (RIS-Justiz RS0046571). Demgegenüber wird die vorliegende Klage ausdrücklich nicht beim (ausländischen) Konkursgericht sondern am allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten erhoben.

Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurses ist es jedoch weder als Nichtigkeit noch als unrichtige rechtliche Beurteilung zu beanstanden, dass das Rekursgericht nicht von der - vom Erstgericht übernommenen - Bewertung des Streitgegenstandes in der vorliegenden Klage ausging, sondern den durch die begehrte Geldsumme bestimmten (richtigen) Streitwert zugrundelegte; wobei es sich insoweit auf die (in der Rekursentscheidung zitierte) Rechtsprechung stützen konnte:

Wenn der Anfechtungskläger - wie hier - im selben Verfahren sowohl die (rechtsgestaltende) Unwirksamerklärung der Rechtshandlung begehrt, als auch den aus dieser Rechtsgestaltung abgeleiteten Leistungsanspruch erhebt, ist nämlich nach stRsp als Gesamtwert des Streitgegenstandes nur der Wert des Leistungsbegehrens anzusehen (RIS-Justiz RS0042521 insb [T1]; zuletzt: 7 Ob 282/01y und 7 Ob 84/02g). Eine Zusammenrechnung ist daher nicht vorzunehmen und die im Revisionsrekurs angesprochene Bindung der "Instanzgerichte" an einen (unrichtigen) Bewertungsausspruch kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine Bewertung des durch die begehrte Geldsumme bestimmten Streitgegenstandes gar nicht zu erfolgen hatte (RIS-Justiz RS0114182; Mayr in Rechberger² Rz 1 zu § 56 JN); auch der Oberste Gerichtshof wäre an eine trotzdem vorgenommene Bewertung (die das Rekursgericht zu Recht unterlassen hat) jedenfalls nicht gebunden (RIS-Justiz RS0042294 und RS0042385 [T3]; EFSlg 34.438; SZ 63/117 mwN; ÖBA 1996/528; MietSlg 51.712; MGA JN-ZPO15 E 42 zu § 500 ZPO und Kodek in Rechberger² Rz 3 zu § 500 ZPO jeweils mwN). Der Kläger missversteht die Grundsätze dieser Rechtsprechung wenn er meint, dass ihm die Bewertung des Rechtsgestaltungsanspruches, der aus den dargestellten Gründen keiner gesonderten Bewertung bedarf, "freigestellt" sei (Seite 3 des Revisionrekurses unter Zitierung von RZ 1989/43).

Aber auch auf den im vorliegenden Rechtsmittel zuletzt gestellten Eventualantrag, die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Bregenz zu überweisen (§ 261 Abs 6 ZPO), ist nicht weiter einzugehen. Abgesehen davon, dass der Kläger die Überweisung erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede und ausdrücklich nur für den Fall der "Unzuständigkeit" (= Erfolglosigkeit des Revisionsrekurses und Rechtskraft der Unzuständikeitsentscheidung) begehrt, sodass der (insoweit bedingte) Überweisungsantrag nach stRsp so zu behandeln

wäre, als sei er nicht gestellt worden (RIS-Justiz RS0039863 [T5] = 4

Ob 1639/95; RS0040186; zuletzt: 1 Ob 2115/96b = JBl 1997, 326 = EvBl

1997/73 mwN), kommt (auch ein analog zu § 230a ZPO gestellter) Überweisungsantrag jedenfalls nicht in Betracht, wenn der Kläger - wie hier (vgl AS 19 ff) - die Gelegenheit hatte, einen Antrag nach § 261 Abs 6 ZPO zu stellen. Ein solcher kann nämlich nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede gestellt werden (RZ 1996/44 = MietSlg 47.641; Rechberger aaO Rz 9 zu § 261 ZPO; MGA JN-ZPO15 E 36 zu § 261 ZPO; RIS-Justiz RS0036926 [T2]; RS0036937 [T1 und T2]).

Der Revisionsrekurs ist daher mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte wies auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hin und hat daher Anspruch auf Ersatz der Kosten der Rechtsmittelbeantwortung.

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