European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2002:0060OB00117.02B.0711.000
Spruch:
Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die klagenden Parteien sind pflichtteilsberechtigte Töchter des am 8. 1. 1997 verstorbenen Robert S*****, die Beklagte ist seine Witwe und eingeantwortete Alleinerbin. Noch zu seinen Lebzeiten hatte der Erblasser der Beklagten nachstehende Liegenschaften geschenkt:
Mit Schenkungsvertrag vom 27. 2. 1990 die Liegenschaft EZ ***** GB A*****, Haus Wien *****, W***** Straße *****, und
mit Schenkungsvertrag vom (15.) 20. 12. 1993 2980/363.400 Anteile an der EZ ***** GB I*****, Haus Wien *****, L*****, mit dem Wohnungseigentum verbunden ist, EZ ***** GB L*****, Haus Wien *****, Z*****gasse ***** und EZ ***** GB W*****, Haus Wien *****, S*****straße *****.
Unter Hinweis auf ihr Pflichtteilsrecht begehren die Klägerinnen den Schenkungspflichtteil im Ausmaß von zuletzt je 4,250.000 S (das sind 308.859,54 EUR). Die Liegenschaften hätten zusammen einen Wert von zumindest 2,180.185 EUR, ihr Pflichtteil betrage jeweils ein Sechstel.
Die Beklagte stellte die Schenkung der Liegenschaften und Liegenschaftsanteile außer Streit, bestritt jedoch die Höhe der geltend gemachten Ansprüche. Der angenommene Wert der Liegenschaften sei weit überhöht; unter Berücksichtigung der Nachlassverbindlichkeiten betrage der Pflichtteilsanspruch lediglich je 1,500.000 S (das sind 109.009,25 EUR). Maßgeblich sei der Wert der geschenkten Liegenschaften zum Schenkungszeitpunkt. Davon müsse ein dem Erblasser gewährtes Darlehen von rund 4,8 Mio S (das sind 348.829,60 EUR) in Abzug gebracht werden. Sollte dieser Darlehensvertrag nicht wirksam zu Stande gekommen sein, stehe der Beklagten dennoch ein Rückforderungsanspruch aus dem Titel der Bereicherung zu. Auch das dem Erblasser anlässlich der Schenkung eingeräumte Fruchtgenussrecht sei bei der Bewertung in Ansatz zu bringen. Mit Rücksicht auf die Überschuldung des Nachlasses seien auch die weiteren Nachlasspassiva zu berücksichtigen; darunter die im Verlassenschaftsverfahren geltend gemachten Steuerrücklagen nach § 28 Abs 5 EStG (über 6 Mio S, das sind über 436.000 EUR zum 31. 12. 1996) und die "fehlende Hauptmietzinsreserve" für die drei Häuser zum Todestag des Erblassers (zusammengerechnet über 4 Mio S das sind über 300.000 EUR). Die Klägerinnen seien an die im eidestättigen Vermögenbekenntnis enthaltenen Passivposten gebunden, weil sie diesem der Verlassenschaftsabhandlung zugrundegelegten Vermögensbekenntnis nicht widersprochen und Inventarerrichtung nicht begehrt hätten. Die darin enthaltenen Passiva seien daher bei der Berechnung des Schenkungspflichtteils zur Gänze abzuziehen. Als weiteres Passivum sei auch ein "rückgestauter Instandhaltungsaufwand" in Höhe mehrerer Millionen S zu berücksichtigen. Im Übrigen habe der Wert des Hauses W***** Straße ***** bei Berechnung des Schenkungspflichtteils außer Ansatz zu bleiben, weil der Erblasser diese Liegenschaft in Ermangelung laufender Alimentation - er habe über kein Einkommen verfügt - der Beklagten habe zukommen lassen wollen. Mangels eines einer Familie vergleichbaren Naheverhältnisses der Klägerinnen zum Erblasser sei der Pflichtteil im Übrigen nach § 773a ABGB auf die Hälfte herabzusetzen.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von je 3,827.166,67 S (das sind 278.131,04 EUR). Das Mehrbegehren von je 422.833,33 S (das sind je 30.728,50 EUR) wies es (rechtskräftig) ab. Es stellte die Verkehrswerte der geschenkten Liegenschaften zum 8. 1. 1997 (Tod des Erblassers) wie folgt fest: Eigentumswohnung Wien *****, L***** 3,648.000 S (das sind 265.110,49 EUR); Liegenschaft EZ ***** GB W***** 10,026.000 S (das sind 728.617,83 EUR), Liegenschaft EZ ***** GB L***** 11,866.000 S (das sind 862.335,85 EUR) und Liegenschaft EZ ***** GB A***** 6,423.000 S (das sind 466.777,61 EUR). Daraus ergibt sich ein Verkehrswert der Liegenschaften von insgesamt 31,963.000 S (das sind 2,323.841,70 EUR). Das Erstgericht stellte weiters fest, die Beklagte habe den Klägerinnen zunächst je 120.000 S (das sind 8.720,74 EUR) und dann noch weitere je 1,500.000 S, (das sind je 109.009,25 EUR) auf ihren Pflichtteil bezahlt. Das der Verlassenschaftsabhandlung zugrunde gelegte eidesstättige Vermögensbekenntnis der Beklagten habe Aktiva von 7,467.069,68 S (das sind 542.653,11 EUR) und Passiva von 16,336.864,72 S (das sind 1,187.246,20 EUR), somit eine Überschuldung des Nachlasses von 8,869.795,04 S (das sind 644.593,14 EUR) ausgewiesen. Als Passiva seien unter anderem Steuerrücklagen gemäß § 28 Abs 5 EStG betreffend die Liegenschaften Z*****gasse ***** und S*****straße ***** in Höhe von über 6 Mio S (das sind über 436.000 EUR) und fehlende Hauptmietzinsreserven für diese beiden Liegenschaften für die Jahre 1987 bis einschließlich 8. 1. 1997 in Höhe von insgesamt 3,664.947,32 S (das sind 266.342,10 EUR) berücksichtigt. Dieses Vermögensbekenntnis sei der Verlassenschaftsabhandlung zugrunde gelegt und der Nachlass der Beklagten ohne Errichtung eines Inventars eingeantwortet worden. Dem Vermögensbekenntnis sei überdies eine Vereinbarung zwischen den Streitteilen zugrundegelegt worden, wonach der sich aufgrund des Abhandlungsergebnisses ergebende gemeine Pflichtteil für jede der beiden Töchter 120.000 S (das sind 8.720,74 EUR) betrage und sich die Beklagte zur Zahlung dieser Beträge binnen 14 Tagen nach Zustellung der Einantwortungsurkunde verpflichte. Überdies sei einvernehmlich festgestellt worden, dass der aufgrund der zu Lebzeiten erfolgten Schenkungen zu errechnende zusätzliche Pflichtteil durch diese Vereinbarung nicht betroffen werde, sondern einer gesonderten Vereinbarung vorbehalten bleibe. Die Beklagte habe in das Vermögensbekenntnis auch ein Darlehen in Höhe von 4,748.331 S (das sind 345.074,67 EUR) aufgenommen, das sie dem Erblasser zugezählt habe. Das Erstgericht stellte schließlich noch fest, die Klägerinnen hätten bis zur Trennung des Erblassers von ihrer Mutter im gemeinsamen Haushalt mit ihm gelebt, die Erstklägerin sei dann bei ihrer Mutter aufgewachsen, habe aber zeitweise Kontakt zum Vater gehabt, die Zweitklägerin habe ihren Vater regelmäßig, vor allem bei wichtigen Anlässen gesehen, er sei auch ihr Treuzeuge gewesen.
Rechtlich ging das Erstgericht bei Berechnung des Schenkungspflichtteils vom Wert der Liegenschaft im Zeitpunkt des Erbanfalls (8. 1. 1997) aus. Der notwendige Instandhaltungsaufwand und die Anlegung der Hauptmietzinsreserve seien bereits im Zeitpunkt der Schenkung anschlagbar und notwendig gewesen, ihre Berücksichtigung über den vom Sachverständigen ohnehin angenommenen Instandhaltungsabschlag hinaus sei nicht gerechtfertigt. Für die rückständige Mietzinsreserve sei die Beklagte selbst verantwortlich. Der Entscheidung seien daher die vom Sachverständigen ermittelten Werte ohne Berücksichtigung der durch die Beklagte als wertmindernd geltend gemachten Beträge (Mietzinsreserve und rückgestauter Instandhaltungsaufwand) zugrundezulegen. Nach dem zwischen den Streitteilen getroffenen Pflichtteilsübereinkommen ergebe sich unter Berücksichtigung der im Verlassenschaftsverfahren hervorgekommenen Aktiv- und Passivposten und ohne Berücksichtigung der Schenkungen ein Pflichtteilsanspruch der Klägerinnen von jeweils 120.000 S (das sind 8.720,74 EUR). Die Berücksichtigung der Liegenschaftsschenkungen könnte daher den Pflichtteilsanspruch nur noch erhöhen, weil sich vereinbarungsgemäß schon ohne Einbeziehung der Schenkungen unter Berücksichtigung sämtlicher sonstiger Aktiv- und Passivposten bereits ein positiver Pflichtteil errechnet habe. Die neuerliche Berücksichtigung der Passivposten käme einer Doppelverrechnung gleich. Die Hauptmietzinsreserve dürfe für den Zeitraum zwischen Schenkung und Tod des Geschenkgebers nicht als Passivposten berücksichtigt werden, weil in diesem Zeitraum bereits die Beklagte als Geschenknehmerin Eigentümerin und Vermieterin gewesen sei; es handle sich dabei nicht um Verbindlichkeiten des Nachlasses. Bei der Vereinbarung zwischen den Streitteilen über die Höhe des gemeinen Pflichtteils sei ausdrücklich der Wert der geschenkten Liegenschaft ausgenommen und die Berechnung des Schenkungspflichtteils einer gesonderten Vereinbarung vorbehalten worden, die jedoch nicht getroffen worden sei. Unter Berücksichtigung des Werts der geschenkten Liegenschaften, der sich daraus ergebenden Höhe des Pflichtteils abzüglich der bereits geleisteten Zahlung von 1,500.000 S (das sind 109.009,25 EUR) ergebe sich ein noch zu entrichtender Schenkungspflichtteil von je 3,827.166,67 S (das sind 278.131,04 EUR). Eine Minderung des Pflichtteils nach § 773a Abs 1 ABGB komme schon mangels Anordnung des Erblassers nicht in Betracht; davon abgesehen seien auch die übrigen Voraussetzungen nicht gegeben.
Die Beklagte ließ einen Zuspruch von je 851.296,77 S (das sind 61.866,15 EUR) unbekämpft. Ihre Berufung richtete sich nur gegen die darüber hinausgehende Verpflichtung.
Das Berufungsgericht hob die bekämpfte Entscheidung im angefochtenen Umfang auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zur Frage, ob "fehlende Mietzinsreserven" und ausfallende Abschreibungsmöglichkeiten bei lang zurückliegenden Liegenschaftsschenkungen bei Ermittlung des "Schenkungspflichtteils" zu berücksichtigen seien, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle. Das Berufungsgericht übernahm die zur Vereinbarung zwischen den Streitteilen getroffenen Feststellungen nicht, wonach der Pflichtteil - dem Abhandlungsergebnis entsprechend - für jede der Klägerinnen 120.000 S betrage und dass dabei die in das Vermögensbekenntnis aufgenommenen Passiva berücksichtigt worden seien. Diese Feststellung sei überschießend, sie finde im wechselseitigen Parteienvorbringen keine Deckung und könne daher nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen führte das Berufungsgericht aus, der Schenkungspflichtteil sei ein Ergänzungsanspruch, sodass eine Überschuldung des Nachlasses grundsätzlich vom Wert der Schenkungen in Abzug zu bringen sei. Weder die Klägerin noch das Erstgericht seien jedoch an das dem Verlassenschaftsverfahren zugrundegelegte, von der Erbin einseitig vorgelegte eidesstättige Vermögensbekenntnis gebunden, dieses entfalte über das Abhandlungsverfahren hinaus keine Wirkung. Das dem Erblasser bei der Übergabe vorbehaltene lebenslange Fruchtgenussrecht sei bei der Bemessung der Pflichtteilsgrundlage nicht zu berücksichtigen, weil bereits im Übergabszeitpunkt mit völliger Sicherheit feststand, dass in dem für die Beurteilung der Pflichtteilswidrigkeit maßgebenden Zeitpunkt des Erbanfalls die Belastung weggefallen sein werde. Die "fehlende Hauptmietzinsreserve" im Todeszeitpunkt ebenso wie die infolge der seinerzeitigen Schenkungen nicht mehr weiter wirkenden Steuerrücklagen nach § 28 Abs 5 EStG beträfen nicht die Verlassenschaft und stellten daher keinesfalls Passivposten im Verlassenschaftsverfahren dar. Beide Positionen könnten allenfalls den Wert der Liegenschaften im Zeitpunkt der Schenkung beeinflussen, was die Beklagte in erster Instanz vorgebracht habe, ohne diese Positionen entsprechend aufzuschlüsseln und zu differenzieren. Dazu werde ihr im fortgesetzten Verfahren Gelegenheit zu geben sein; es werde eine mögliche Beeinflussung der Liegenschaftswerte mit den Parteien zu erörtern sein. Maßgeblich könnten aber nur Abgänge im Schenkungszeitpunkt sein, nicht jedoch Abgänge, die im Zeitraum nach den Schenkungen bis zum Tod des Erblassers fehlten. für die Bewertung selbst sei vom Zustand der geschenkten Sache im Empfangszeitpunkt, jedoch bezogen auf den Zeitpunkt des Erbanfalls auszugehen. Davon werde ein Abzug für die durchschnittliche Abnützung zwischen beiden Zeitpunkten vorgenommen; Nutzungen, Erträgnisse sowie Wertsteigerungen und Wertverminderungen, die auf die Tätigkeit des Empfängers zurückgingen, blieben jedoch unberücksichtigt. Das Erstgericht habe zutreffend als Bewertungsstichtag den Todestag des Erblassers angenommen. Die Wertveränderungen und Wertverschiebungen seit den Schenkungszeitpunkten seien auch mit dem vom Erstgericht bestellten Sachverständigen ausführlich erörtert worden. Das Berufungsgericht übernehme die auf Grundlage dieses Gutachtens festgestellte Bewertung. Allerdings könnten sich im fortgesetzten Verfahren noch Wertveränderungen durch die dem Erstgericht aufgetragenen Ergänzungen ergeben. Es werde an der Beklagten liegen, allenfalls konkretes Vorbringen zum Zustand der Häuser im Zeitpunkt der Schenkung zu erstatten, damit auch dieser in die Wertermittlung allenfalls einfließen könne. Beweisergebnisse dazu könnten aber Vorbringen nicht ersetzen. Wertsteigerungen aus Investitionen der Beklagten seien ebensowenig zu berücksichtigen, wie die Investitionsausgaben der Beklagten seit dem Schenkungszeitpunkt. Zur allfälligen Berücksichtigung des dem Erblasser zugezählten Darlehens vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, mangels eines Notariatsaktes sei ein Darlehensvertrag zwischen den Ehegatten nicht zustandegekommen. Sollten diese Mittel zur Tilgung von Schulden des Erblassers verwendet worden sein, wären er und damit auch die Verlassenschaft bereichert, der Beklagten stünde ein Rückzahlungsanspruch gegen die Verlassenschaft zu. Unterstellte man die vom Erstgericht überschießend festgestellte und zunächst unbeachtliche Vereinbarung über den gemeinen Pflichtteil, so könne die Beklagte aus dem Darlehen und einer allfälligen weiteren Überschuldung des Nachlasses nichts mehr fordern. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgehe, dass die Vereinbarung über den gemeinen Pflichtteil nicht habe bedeuten sollen, dass die Streitteile von einem aktiven reinen Nachlass ausgehen wollten, wäre für die Beklagte daraus nichts gewonnen. Von den Aktiven der Verlassenschaft laut Vermögensbekenntnis ausgehend verbliebe ohne Berücksichtigung der Schenkungen und ohne Berücksichtigung der Steuerrücklagen und der fehlenden Hauptmietzinsreserven sowie der Beratungskosten auch dann noch ein positiver Nachlass, wenn das von der Beklagten behauptete Darlehen in Abzug gebracht würde. Der Nachlass wäre auch in diesem Fall nicht überschuldet, sodass die Klägerinnen Anspruch auf den ungekürzten Schenkungspflichtteil hätten. Dass der Erblasser eine Schenkung in Erfüllung einer sittlichen Pflicht vorgenommen hätte, sei weder behauptet noch festgestellt worden.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen den Aufhebungsbeschluss gerichteten Rekurse der Klägerinnen sind zulässig, aber nicht berechtigt.
Für die Ausmittlung des Schenkungspflichtteils ist nach ständiger Rechtsprechung der Zeitpunkt des Erbanfalls maßgeblich. Es ist nicht danach zu fragen, um welchen Wert das Vermögen des Erblassers (als Berechnungsgrundlage) durch den Vorempfang seinerzeit vermindert wurde, sondern danach, welchen Wert die Verlassenschaft besäße, wäre die pflichtteilswidrige Verfügung unterblieben (NZ 1988, 281; NZ 1992, 130; SZ 65/39; RIS‑Justiz RS0012973). Maßgeblich ist daher der Wert des Geschenks zum Zeitpunkt des Erbanfalls; dabei sind der Zustand der Sache im Zeitpunkt des Empfanges und alle danach bereits veranschlagbar gewesenen Umstände zugrundezulegen (NZ 1988, 281; RIS‑Justiz RS0012922). Basis der Berechnung, welchen Wert die Verlassenschaft besessen hätte, wenn die Verfügung unterblieben wäre, ist daher der Verkehrswert der Liegenschaft zum Todfallszeitpunkt (7 Ob 188/01z; RIS‑Justiz RS0012973).
Nach Lehre und Rechtsprechung erfolgt die Berücksichtigung von Schenkungen des Erblassers dadurch, dass sie den reinen Nachlass rechnerisch zugeschlagen werden. Auf dieser Basis wird neuerlich der Pflichtteil ermittelt; der Mehrbetrag, der sich im Vergleich zum Nachlasspflichtteil ergibt, heißt Schenkungspflichtteil oder Pflichtteilserhöhung (SZ 70/107 - RIS‑Justiz RS0107684; Koziol/Welser II12, 513; Welser in Rummel ABGB3 § 785 Rz 22 mwN). Der Schenkungspflichtteil ist somit ein Ergänzungsanspruch, sodass eine allfällige Überschuldung des Nachlasses zu berücksichtigen ist (SZ 65/39 - RIS‑Justiz RS0012960). Es ist daher erforderlich zu prüfen, welche Nachlassschulden im Zeitpunkt des Erbanfalls vorhanden waren.
Auf die vom Berufungsgericht als überschießende Feststellung beurteilte und unbeachtet gebliebene Vereinbarung der Streitteile über den gemeinen Pflichtteil nehmen die Kläger in ihrem Rekurs nicht mehr Bezug, sodass sich ein Eingehen darauf erübrigt.
Die Vorinstanzen haben eine Bindung an den Inhalt des der Verlassenschaftsabhandlung zugrundegelegten eidesstättigen Vermögensbekenntnisses der Beklagten zutreffend verneint. Nach der Rechtsprechung besteht keine Bindung des Prozessgerichtes an einzelne Positionen eines der Abhandlung zugrundegelegten Inventars (SZ 49/149; RIS‑Justiz RS007928), noch viel weniger daher an das von der berufenen Erbin selbst abgegebene eidesstättige Vermögensbekenntnis. Die darin angegebenen Passiva der Verlassenschaft sind daher im Verfahren über die Bestimmung des Schenkungspflichtteils überprüfbar.
Beide Rekurse machen übereinstimmend geltend, einer Aufhebung zur Klärung allfälliger Wertminderungen der geschenkten Liegenschaften bedürfe es nicht: Weder das Fehlen einer Mietzinsreserve noch der Wegfall der steuerlichen Begünstigung des § 28 Abs 5 EStG minderten den Wert der geschenkten Sache "Haus". Diese Positionen hätten mit dem Verlassenschaftsverfahren nichts zu tun (gemeint wohl seien auch nicht Passiva der Verlassenschaft).
Der Senat hat dazu erwogen: § 28 Abs 5 EStG in der bis 1996 geltenden Fassung begünstigte natürliche Personen (hier den Erblasser) bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Danach konnte der Erblasser als Vermieter steuerfreie Rücklagen schaffen. § 28 Abs 5 Z 3 EStG sah vor, dass diese Rücklagen mit Instandsetzungsaufwendungen zu verrechnen waren, die in den auf die Bildung der Rücklagen folgenden neun Jahren erforderlich werden sollten. Steuerfreie Beträge (oder Teile davon), die nicht bis zum Ende der Neun‑Jahresfrist zu verrechnen waren, mussten einkünfteerhöhend aufgelöst werden; mit anderen Worten, sie wurden dann in die Einkommensteuerbemessungsgrundlage einbezogen, die zunächst ersparte Einkommenssteuer war nachzuzahlen. § 28 Abs 5 Z 5 EStG ermöglichte eine Fortführung der steuerfreien Beträge bei Erwerb von Todes wegen. Im Falle eines Erwerbs durch Schenkung - wie hier - waren sie jedoch einkünfteerhöhend aufzulösen, wodurch sich eine Erhöhung der Einkünfte des Erblassers und damit seiner Steuerbelastung im Zeitpunkt der Schenkung ergeben musste. Die daraus dem Geschenkgeber und späteren Erblasser persönlich erwachsene Steuerschuld wirkt sich auf die Bewertung der Liegenschaften ebensowenig aus, wie die Höhe der seinerzeit von ihm gebildeten steuerfreien Rücklage selbst. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung können diese steuerfrei gebildeten Beträge bei der Berechnung des Schenkungspflichtteils auch nicht als Passiva der Verlassenschaft berücksichtigt werden. Sie waren schon zum Zeitpunkt der Schenkung (1990 und 1993) aufzulösen und führten zu einer Einkommensteuernachzahlung des Erblassers. Gegebenenfalls könnten nur im Todeszeitpunkt noch offene Steuerschulden des Erblassers die Aktiva der Verlassenschaft mindern. Eine derartige Verbindlichkeit der Verlassenschaft wurde aber nicht geltend gemacht. Insoweit erweist sich daher eine Ergänzung des erstgerichtlichen Verfahrens als nicht erforderlich.
Zur Frage einer allfälligen Auswirkung der fehlenden Mietzinsreserve auf die Berechnung des Schenkungspflichtteils ist zunächst vom Wesen der Mietzinsreserve ausgehend ein Passivum der Verlassenschaft in Höhe nicht vorhandener Mietzinsreserven zu verneinen. Die aus der Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben errechnete Mietzinsreserve (§ 20 Abs 2 MRG) ist eine reine Rechnungsgröße, die bestimmt, wie weit der jeweilige Vermieter Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten durchzuführen hat und wann er eine Mietzinserhöhung begehren kann; sie ist kein etwa an das Eigentum am Haus gebundenes Sondervermögen (EvBl 1998/204). Im Fall eines Eigentümerwechsels ist der frühere Eigentümer zwar verpflichtet, die Rechnungsunterlagen, nicht aber die Mietzinsreserve als Aktivum auszufolgen (WoBl 2000/144; RIS‑Justiz RS0070634; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 20 Rz 18 mwN). Ihr Fehlen im Zeitpunkt der Schenkung kann daher schon deshalb nicht als Passivum der Verlassenschaft in Anrechnung gebracht werden.
Zu der vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage, ob die (fehlende) Mietzinsreserve den Verkehrswert der geschenkten Liegenschaft beeinflusst, muss zunächst auf die bei Ermittlung des Verkehrswertes von Liegenschaften anzuwendenden Grundsätze abgestellt werden. Für die Bewertung von Liegenschaften gilt in allen gerichtlichen Verfahren das Liegenschaftsbewertungsgesetz. Nach dem Bewertungsgrundsatz des § 2 Abs 1 LBG ist - sofern durch Gesetz oder Rechtsgeschäft nichts anderes bestimmt wird - der Verkehrswert der Sache zu ermitteln. Für die Bemessung des Schenkungspflichtteils gelten keine abweichenden Bestimmungen (JBl 1995, 320; 5 Ob 55/01a). Gemäß § 3 Abs 1 LBG sind für die Bewertung Wertermittlungsverfahren anzuwenden, die dem jeweiligen Stand der Wissenschaft entsprechen; insbesondere das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren und das Sachwertverfahren. Wenn es zur vollständigen Berücksichtigung aller den Wert der Sache bestimmenden Umstände erforderlich ist, sind gemäß § 3 Abs 2 LBG mehrere Wertermittlungsverfahren anzuwenden. Die Auswahl der maßgeblichen Verfahren hat durch den Sachverständigen zu erfolgen, welcher dabei den jeweiligen Stand der Wissenschaft und die im redlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten zu beachten hat (5 Ob 55/01a mwN; RIS‑Justiz RS0066223).
Der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige hat mehrere Wertermittlungsverfahren angewendet, so auch das Ertragswertverfahren (§ 5 LBG). Dass diese Wertermittlungsmethode angesichts der hier zu beurteilenden Objekte (eine Eigentumswohnung und drei Althäuser mit Mietwohnungen) nicht zielführend wäre, wird von keinem der Streitteile behauptet. Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens ist es aber nicht von der Hand zu weisen, dass - dringende Erhaltungsarbeiten vorausgesetzt - die fehlende Mietzinsreserve für die Zukunft Einbußen bei den Mietzinserträgen mit sich bringen und sich daher auf die Wertermittlung auswirken könnte. Ob dies hier der Fall ist (das Gutachten gibt keinen Aufschluss darüber, ob die fehlende Mietzinsreserve bei der Bewertung Berücksichtigung fand) ist eine Tatfrage und gehört, ebenso wie die Ermittlung des Verkehrswertes selbst (SZ 60/269; 5 Ob 55/01a), dem Tatsachenbereich an. Zum Tatsachenbereich gehört auch die von der Beklagten angesprochene Frage, ob der Verkehrswert deshalb gemindert ist, weil - wie die Beklagte meint - allfällige Kaufinteressenten wegen des Nichtvorhandenseins einer Mietzinsreserve nur zur Zahlung eines geminderten Kaufpreises bereit wären.
Soweit daher das Berufungsgericht zur Höhe des Verkehrswertes der geschenkten Liegenschaften eine Ergänzung des Sachverhalts für erforderlich hält, entzieht sich seine Begründung der Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof. Der Oberste Gerichtshof ist nicht Tatsacheninstanz; ist daher die zweite Instanz der Ansicht, der Sachverhalt sei in der dargestellten Richtung noch nicht genügend aufgeklärt, kann dem nicht entgegengetreten werden (SZ 62/190 uva).
Die von der Beklagten in ihrer Rekursbeantwortung (wie schon in der Berufung) vermissten Feststellungen über den Zustand der Liegenschaft im Zeitpunkt der Schenkung und über die von der Beklagten zwischen Erhalt der Liegenschaft und Erbanfall getätigten Investitionen konnte das Berufungsgericht schon mangels eines entsprechenden Vorbringens in erster Instanz nicht treffen. Die Beklagte hatte in erster Instanz nicht einmal behauptet, nach Erhalt der Liegenschaften tatsächlich investiert zu haben. Den von ihr angesprochenen "rückgestauten Erhaltungaufwand" hat der Sachverständige durch entsprechende Abschläge bei der Bewertung der Liegenschaften im Zeitpunkt des Erbanfalls ohnehin berücksichtigt.
Dem Berufungsgericht ist daher zusammenfassend darin zuzustimmen, dass die bisherigen Verfahrensergebnisse eine abschließende Beurteilung des den Klägerinnen zustehenden Schenkungspflichtteils nicht zulassen, sodass sich die vom Berufungsgericht angeordnete Verfahrensergänzung (ausgenommen zur Berücksichtigung der Steuerrücklagen nach § 28 Abs 5 EStG) als erforderlich erweist.
Die gegen den Aufhebungsbeschluss gerichteten Rekurse der Klägerinnen sind nicht berechtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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