OGH 7Ob188/01z

OGH7Ob188/01z17.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heidemarie M*****, vertreten durch Dr. Anton Keuschnigg, Rechtsanwalt in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei Birgit A*****, vertreten durch Dr. Manfred Trentinaglia und Dr. Clemens Winkler, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen S 226.062,13 samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse S 156.397,66 samt Anhang) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. Mai 2001, GZ 2 R 100/01z-50, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 16. Februar 2001, GZ 57 Cg 24/99m-44, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden abgeändert, sodass sie, einschließlich der in Rechtskraft erwachsenen Teilabweisung zu lauten haben wie folgt:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution in die Liegenschaft EZ ***** GB ***** den Betrag von S 20.499,98 samt 4 % Zinsen seit 16. 9. 1998 zu bezahlen.

Das Mehrbegehren, die Beklagte sei schuldig, weitere S 205.562,15 samt 4 % Zinsen aus S 293.274,60 vom 16. 9. 1998 bis 8. 2. 1999, aus S 229.500,02 vom 9. 2. 1999 bis 8. 6. 2000 und aus S 205.562,15 seit 6. 9. 2000 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 86.439,72 (darin enthalten S 14.406,62 an USt und S 68,60 an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

15.873 (darin enthalten S 2.645,50 an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die anteilig mit S 21.620,-- (darin enthalten S 3.175,-- an USt und S 13.250,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien sind die Töchter des am 23. 12. 1995 vermögenslos verstorbenen Kaspar Jakob A*****. Eine Verlassenschaftsabhandlung wurde von Amts wegen nicht eingeleitet (§ 72 Abs 2 und 3 AußStrG).

Mit Vertrag vom 19. 2. 1990 schenkte Kaspar Jakob A***** der Beklagten die Liegenschaft EZ ***** GB ***** samt dem darauf errichteten Wohnhaus. Im Punkt IV des Vertrages ist festgehalten, dass der Schenkungsgegenstand mit den näher bezeichneten Servituten des Gehens und Fahrens belastet ist sowie mit einem Pfandrecht in der Höhe von S 25.000 für den T***** Landeswohnbaufonds, für den auch ein Vorkaufsrecht einverleibt ist, und mit dem Pfandrecht über S 145.000 für die Raiffeisenbank K***** reg Genossenschaft mbH. Diese Belastungen verbleiben auf dem Schenkungsgegenstand. Die weitere Abstattung der den Pfandrechten zu Grunde liegenden Forderungen der Pfandgläubiger erfolge weiterhin durch den Geschenkgeber.

Im Punkt V des Schenkungsvertrages wird dem Geschenkgeber das Recht des Fruchtgenusses am Schenkungsgegenstand eingeräumt. Im Falle seines Vorablebens gehe das Fruchtgenussrecht auf die Ehegattin Helga A***** über. Das Fruchtgenussrecht sei zu Gunsten des Geschenkgebers und seiner Ehegattin in dieser Reihenfolge zu verbüchern. Wie bereits oben festgestellt, haben die Fruchtgenussberechtigten die Rückzahlung der auf dem Schenkungsgegenstand haftenden Pfandrechte zu leisten, ebenso wie sie die mit dem Schenkungsgegenstand verbundenen Abgaben und Betriebskosten für die Dauer des Fruchtgenussrechtes zu tragen haben. Der Geschenknehmerin stehe das Recht der Mitbenützung des Schenkungsgegenstandes im bisherigen Umfang zu, wozu festgestellt werde, dass die Geschenknehmerin den Schenkungsgegenstand mitbewohne.

Darlehensnehmer der beiden pfandrechtlich sichergestellten Forderungen war der Erblasser (diesbezüglich unbestrittenes Beilagenkonvolut Beilage ./41). Die Beklagte benützt nicht nur ihr Zimmer, sondern auch die gemeinschaftlichen Räume.

Der Sachwert der Liegenschaft beträgt zum Stichtag 23. 12. 1995 (Erbfall) S 2,161.189. Der Wert des der Ehefrau des Erblassers eingeräumten Fruchtgenussrechtes beträgt zum selben Stichtag S 1,296.127, der sich daraus ergebende Verkehrswert der Liegenschaft (unter Berücksichtigung eines Abschlages wegen eingeschränkter Verwertbarkeit und Verkäuflichkeit) S 761.000.

Die Beklagte beglich die Todfallskosten in der Höhe von S 35.366,50 und die noch offenen Forderungen aus den auf der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellten Darlehen in der Höhe von S 72.036 und S 4.350, sohin insgesamt S 76.386.

Auf den Pflichtteilsanspruch der Klägerin leistete die Beklagte bereits S 63.770,05 und S 23.937,87, sohin S 87.707,92.

Die Klägerin begehrt nun von der beschenkten Beklagten die Bezahlung von S 226.062,13 samt Anhang als Ergänzung des Pflichtteils durch Anrechnung der Schenkung mit der Begründung, dass der Wert der geschenkten Liegenschaft unter Berücksichtigung des der Ehegattin eingeräumten Fruchtgenussrechtes, das aber durch das Mitbenützungsrecht der Beklagten eingeschränkt sei, S 2,731.842 betrage. Soweit die Beklagte Darlehen zurückbezahlt habe, die auf der Liegenschaft sichergestellt gewesen seien, habe es sich um freiwillige Leistungen gehandelt, die ebensowenig wie die Todfallskosten anzurechnen seien.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, dass sie mit ihren Zahlungen den Pflichtteilsanspruch der Klägerin abgegolten habe. Vom Wert der Liegenschaft sei der Wert des Fruchtgenussrechtes ebenso abzuziehen wie die von der Beklagten getragenen Darlehensrückzahlungen und die Todfallskosten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren vollinhaltlich ab. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, dass der Klägerin 1/6 des Wertes der Liegenschaft als Schenkungspflichtteil zustehe. Gemäß § 794 ABGB sei vom Wert zum Zeitpunkt des Empfanges auszugehen. Vom damaligen Verkehrswert mit Stichtag 19. 2. 1990 in der Höhe von S 578.000 seien die Nachlasspassiven, nämlich die Darlehensrückzahlungen und die Todfallskosten, in Abzug zu bringen. Durch die Zahlungen der Beklagten sei 1/6 vom reinen Nachlass bereits abgegolten.

Das Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil dahingehend ab, dass es die Beklagte unter Abweisung des Mehrbegehrens schuldig erkannte, der Klägerin S 156.397,66 samt Anhang zu bezahlen. Die Bemessung des Schenkungspflichtteils sei vom maßgeblichen Wert der Liegenschaft zum Zeitpunkt des Erbanfalls zu bemessen, wobei aber der Zustand der Sache beim Empfang und alle damals bereits veranschlagbaren, wenn auch erst beim Erbanfall aktuell werdenden Umstände zu Grunde zu legen seien. Bei der Bemessung des Fruchtgenussrechtes der Ehegattin sei aber die Mitbenützung der Liegenschaft durch die Beklagte mindernd in Anschlag zu bringen. Der Beklagten sei das Recht der Mitbenützung des Schenkungsgegenstandes ausdrücklich eingeräumt worden, sodass ihr ein dem Fruchtgenussrecht vergleichbares Recht zukomme. Dass dieses Recht nicht so umfassend sein möge wie ein verbüchertes Fruchtgenussrecht, werde dadurch kompensiert, dass die Fruchtgenussberechtigte nach dem Inhalt des Schenkungsvertrages auch höhere Lasten zu tragen habe, nämlich die Rückzahlung der auf dem Schenkungsgegenstand haftenden Pfandrechte sowie die Bezahlung der mit dem Schenkungsgegenstand verbundenen Abgaben und Betriebskosten. Das der Beklagten vertraglich eingeräumte Recht auf Mitbenützung beschränke daher das Recht des Fruchtgenussberechtigten auf nicht unerhebliche Weise, wobei das Berufungsgericht unter Anwendung des § 273 ZPO davon ausgehe, dass der Wert des Fruchtgenussrechtes zum Stichtag 23. 12. 1995 nur die Hälfte des (ohne Berücksichtigung dieser Belastung) festgestellten Wertes betrage. Wiederum unter Anwendung des § 273 ZPO gehe das Berufungsgericht davon aus, dass der für die Berechnung des Schenkungspflichtteiles maßgebliche Verkehrswert der Liegenschaft zum Stichtag 23. 12. 1995 S 1,500.000 betrage. Die Todfallskosten mindern den Pflichtteilsanspruch der Klägerin, weil diese die Nachlassaktiva vermindert hätten, wenn die geschenkte Liegenschaft in den Nachlass gefallen wäre. Zur Rückzahlung der auf der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellten Darlehen sei aber die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, weil diese Pflicht ausdrücklich der Fruchtgenussberechtigten auferlegt worden sei. Dass die Übernahme dieser Verpflichtung durch die Beklagte unbedingt erforderlich gewesen sei, um die Liegenschaft lastenfrei zu stellen, sodass also die Fruchtgenussberechtigte nicht in der Lage gewesen wäre, die vereinbarten Rückzahlungen zu leisten, sei nicht behauptet worden. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass es zur Frage, ob ein den Wert des Geschenkes minderndes Fruchtgenußrecht wiederum durch ein Mitbenützungsrecht des Beschenkten vermindert werde, oberstgerichtliche Judikatur fehle.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil durch Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern, in eventu die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch teilweise berechtigt.

Im Revisionsverfahren ist ausschließlich strittig, wie im vorliegenden Fall der Schenkungspflichtteil zu berechnen ist. Nach der für die Bewertung von Schenkungen gemäß § 785 Abs 1 ABGB maßgebenden Bestimmung des § 794 ABGB sind unbewegliche Sachen grundsätzlich mit dem Wert zum Zeitpunkt des Empfanges, also nach dem damaligen Preis einzusetzen. Lehre und Rechtsprechung haben diese Bestimmung aber einer berichtigenden Auslegung dahin unterzogen, dass der dem Pflichtteilsrecht zu Grunde liegende Ausgleichsgedanke, entgegen dem Wortlaut des § 794 ABGB auch bei unbeweglichen Sachen eine Berücksichtigung der seit dem Empfang eingetretenen Wertveränderungen rechtfertigt, sodass bei der Schätzung des Nachlassvermögens sowohl hinsichtlich beweglicher als auch unbeweglicher Sachen auf den Todestag des Erblassers abzustellen ist (1 Ob 530/94, 3 Ob 47/97a, RIS-Justiz RS0012984, RS0012952 ua). Bei der Ausmittlung des Schenkungspflichtteiles ist demnach nicht zu fragen, um welchen Wert das Vermögen des Erblassers durch den Vorempfang seinerzeit vermindert worden ist, sondern danach, welchen Wert die Verlassenschaft besäße, wenn die Verfügung unterblieben wäre (SZ 57/7, NZ 1986, 277). Bei der Bewertung der übergebenen Liegenschaften sind alle Belastungen, die der Übernehmer - einschließlich der vom Übergeber für sich oder andere bedungenen Rechte - zu übernehmen hatte, als wertmindernd anzusehen. Nur dann, wenn bereits im Übergabszeitpunkt mit völliger Sicherheit feststeht, dass in dem für die Beurteilung der Pflichtteilswidrigkeit maßgebenden Zeitpunkt des Erbanfalls die dem Übernehmer aufgebürdete Belastung weggefallen sein werde, ist diese bei Bemessung der Pflichtteilsgrundlage außer Ansatz zu lassen (SZ 57/7, 1 Ob 530/94).

Basis der Berechnung, welchen Wert die Verlassenschaft besessen hätte, wenn die Verfügung unterblieben wäre, ist daher der Verkehrswert der Liegenschaft (1 Ob 530/94, 6 Ob 359/97f, 6 Ob 108/97v, 1 Ob 701/85 ua) zum Todfallszeitpunkt, dem 23. 12. 1995. Als mindernd zu berücksichtigen ist das anlässlich der Schenkung eingeräumte Fruchtgenussrecht für die ebenfalls pflichtteilsberechtigte Ehegattin des Erblassers. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist aber hier nicht als wertmindernd zu berücksichtigen, dass die Fruchtgenussberechtigten ihrerseits der beschenkten Beklagten ein vertragliches Wohnrecht einräumten. Dies stellt nämlich nicht eine Einschränkung des auf der gesamten Liegenschaft und dem Haus lastenden Fruchtgenussrechtes dar, sondern ist als Verfügung im Rahmen des Fruchtgenussrechtes durch die Fruchtgenussberechtigten zu verstehen.

Es ist daher vom Verkehrswert unter Berücksichtigung des verbücherten Fruchtgenussrechtes in der vom Erstgericht festgestellten Höhe von S 761.000 auszugehen. Von diesem Betrag sind unstrittig S 35.366,50 an Todfallskosten nachlassmindernd in Abzug zu bringen.

Das Berufungsgericht übersieht weiters, dass - wie bereits oben angeführt - alle Belastungen, die der Übernehmer mitzuübernehmen hatte (hier: 2 Hypotheken) , als wertmindernd anzusehen sind (vgl 1 Ob 530/94). Die geschenkte Liegenschaft wurde durch die aushaftenden Pfandrechte - soweit diesen offene Forderungen gegen den Darlehensnehmer entsprachen - gemindert. Abgesehen davon war der Erblasser Darlehensnehmer und nach dem festgestellten Sachverhalt allein den Darlehensgebern gegenüber verpflichtet, die Darlehen zu bedienen. An dieser Nachlassschuld ändert sich nichts, wenn sich nun die Gattin des Erblassers im Rahmen des Schenkungsvertrages und des Vertrages über die Begründung ihres Fruchtgenussrechtes der Beklagten gegenüber verpflichtet, für die Rückzahlung der Darlehensforderungen der Beklagten gegenüber zu haften. Es handelt sich um eine vom Erbanfall unabhängige Zuwendung einer dritten Person. Wenn nun die Beklagte für die Verlassenschaft die Darlehen zurückzahlt, so hat sie gegen die Verlassenschaft eine Forderung nach § 1042 ABGB. Die Darlehensrückzahlungen sind daher als Nachlasspassiva in Abzug zu bringen. Zieht man nun von dem Verkehrswert der Liegenschaft in der Höhe von S 761.000 die Nachlasspassiva in der Höhe von S 111.752,50 ab, verbleibt ein Reinnachlass von S 649.247,50. Unbestrittenermaßen entfällt auf die Klägerin ein Pflichteilsanspruch von einem Sechstel, das sind S 108.207,90. Auf diesen Betrag hat die Klägerin bereits S 87.707,92 beglichen, sodass noch ein Betrag von S 20.499,98 unberichtigt aushaftet.

Die Kostenentscheidung gründet sich im erstinstanzlichen Verfahren auf § 43 Abs 2 1. Fall ZPO. Die Klägerin obsiegte auch unter Berücksichtigung der Zahlung während des Verfahrens mit nur rund 10 % ihres Anspruchs. Die Beklagte ist damit nur verhältnismäßig geringfügig unterlegen, sodass die Klägerin zum Ersatz der gesamten Kosten zu verpflichten war.

Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren und Revisionsverfahren gründet sich aus den oben genannten Gründen auf §§ 50, 43 Abs 2 1. Fall ZPO. Es stehen lediglich 50 % Einheitssatz zu (§ 23 RATG).

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