Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Bei dem am 19. 7. 1985 geborenen Kläger liegt nach einer Frühgeburt eine Mehrfachbehinderung im körperlichen und mentalen Bereich vor. Die spastische Lähmung und deren Auswirkungen sind einer leichteren Ausprägung einer spastischen Cerebralparese gleichzusetzen. Der Kläger ist vor allem im Bereich der rechten Körperhälfte gelähmt. Der rechte Arm ist völlig gebrauchsunfähig. Der linke Arm kann aktiv bewegt werden. Die Hände können für einfache Greifbewegungen verwendet werden.
Die spastische Lähmung im Bereich der Beine wirkt sich beim Kläger so aus, dass er nicht alleine gehen kann. Die Beine können das Körpergewicht zwar übernehmen; der Kläger kann aber nur einige unsichere Schritte gehen, wenn er dabei von Hilfspersonen gehalten wird. Die hauptsächliche Fortbewegung erfolgt in einem Rollstuhl. Der Kläger ist innerhalb und außerhalb der Wohnung auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen. Für sämtliche Transfers ist fremde Hilfe erforderlich. Wenn ein technisch entsprechend ausgerüsteter Rollstuhl vorhanden ist, ist es dem Kläger möglich, diesen selbst zu bedienen und sich damit innerhalb der Wohnung ohne fremde Hilfe fortzubewegen. Außerhalb der Wohnung ist eine Begleitung durch eine Pflegeperson aus Gründen der mentalen Einschränkung erforderlich.
Der Kläger kann vorgeschnittene Nahrungsmittel zu sich nehmen. Er kann aus keinem normalen Trinkglas trinken. Es ist ihm möglich, mit einem Strohhalm Flüssigkeit ohne fremde Hilfe zu sich zu nehmen. Es müsste ihm auch möglich sein, aus einem handelsüblichen Schnabelbecher zu trinken. Etwa einmal am Tag kommt es beim Kläger zu einer Harninkontinenz; es wird aber keine Inkontinenzeinlage getragen.
Der Kläger bedarf fremder Hilfe für die Zubereitung von Mahlzeiten, die tägliche Körperpflege, das An- und Auskleiden, die Mobilitätshilfe im engeren und weiteren Sinn, die Verrichtung der Notdurft, die Reinigung bei der fallweise auftretenden Harninkontinenz (im Ausmaß von 10 Stunden monatlich), die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens, die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände, die Pflege der Leib- und Bettwäsche und die Medikamentenverabreichung. Mit Ausnahme der Abweichung bei der Reinigung bei Harninkontinenz sind die in der Einstufungsverordnung zum oöPGG festgelegten Mindest- und Richtwerte anwendbar. Die Pflege des Klägers kann in vorher absehbaren und bestimmbaren Zeitabschnitten erfolgen. Die dauernde Bereitschaft einer Pflegeperson ist derzeit nicht erforderlich. Es besteht keine praktische Bewegungsunfähigkeit.
Der geschilderte Pflegebedarf besteht ab Antragstellung (8. 6. 2000) und wird voraussichtlich dauernd bestehen.
Seit Juli 1993 bezieht der Kläger von der beklagten Partei Pflegegeld der Stufe 4. Seitdem hat sich der Pflegezustand wesentlich verschlechtert, weil beim Kläger Pflegeleistungen erforderlich sind, die gesunde Jugendliche seines Alters inzwischen selbständig durchführen können, wie die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens, die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände sowie die Pflege der Leib- und Bettwäsche.
Mit Bescheid vom 11. 10. 2000 hat die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 8. 6. 2000 auf Erhöhung des Pflegegeldes (über die Stufe 4 hinaus) abgelehnt.
Das Erstgericht sprach dem Kläger Pflegegeld der Stufe 5 zu. Es ging von folgenden Verrichtungen aus, zu denen ständig Betreuung und Hilfe benötigt wird, samt dem sich daraus ergebenden zeitlichen Betreuungs- und Hilfeaufwand:
Zubereitung von Mahlzeiten 30 Stunden/Monat
Tägliche Körperpflege 25 Stunden/Monat
An- und Auskleiden 20 Stunden/Monat
Mobilitätshilfe im engeren Sinn 15 Stunden/Monat
Verrichtung der Notdurft 30 Stunden/Monat
Reinigung bei Inkontinenz 10 Stunden/Monat
Medikamentenverabreichung 3 Stunden/Monat
Herbeischaffung von Nahrungsmitteln etc 10 Stunden/Monat Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände 10 Stunden/Monat
Pflege der Leib- und Bettwäsche 10 Stunden/Monat
Mobilitätshilfe im weiteren Sinn 10 Stunden/Monat
173 Stunden/Monat
Damit werde der als Voraussetzung für die Stufe 5 normierte Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich nicht erreicht, sodass Pflegegeld der Stufe 5 aufgrund der funktionsbezogenen Beurteilung des Pflegebedarfs nicht zustehe. Allerdings habe eine diagnosebezogene Einstufung in die Stufe 5 zu erfolgen. Die Erkrankung des Klägers und deren Auswirkungen seien einer leichteren Ausprägung einer spastischen Cerebralparese gleichzuhalten. Außerdem sei der Kläger überwiegend, das heißt innerhalb und außerhalb der Wohnung auf den Gebrauch eines Rollstuhls angewiesen, den er mit einer technischen Adaptierung selbst bedienen könne. Wegen des Ausfalls von Funktionen der oberen Extremitäten sei ein selbständiger Transfer in und aus dem Rollstuhl nicht möglich. Der Rollstuhl ermögliche es dem Kläger, die Mobilitätseinschränkung teilweise zu überwinden und verhelfe ihm zu einer eigenständigen Lebensführung innerhalb der Wohnung. Für außerhalb der Wohnung gelte dies nur hinsichtlich der körperlichen Eignung zur Rollstuhlbedienung; in diesem Bereich sei jedoch wegen der beim Kläger bestehenden mentalen Einschränkung eine Begleitperson erforderlich. Das Kriterium der Ermöglichung der eigenständigen Lebensführung sei schon dann erfüllt, wenn in wesentlichen Teilbereichen der Lebensführung Selbständigkeit ermöglicht werde. Dies sei beim Kläger dadurch der Fall, dass er sich innerhalb der Wohnung mit dem Rollstuhl selbständig fortbewegen könne. Würde man die Meinung vertreten, dass nur eine umfassende Selbständigkeit eine diagnosebezogene Einstufung nach § 4a oöPGG rechtfertigen würde, würde eine Person, die innerhalb und außerhalb der Wohnung aufgrund geistiger Gesundheit keine Begleitperson benötigte, ein höheres Pflegegeld erhalten als eine geistig behinderte Person, die bei sonst gleichem Pflegebedarf zusätzlich eine Begleitung außerhalb der Wohnung benötige. Eine solche Auslegung erscheine gleichheitswidrig und werde daher abgelehnt.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Begehrens auf Zuerkennung von Pflegegeld der Stufe 5 ab. In seiner rechtlichen Beurteilung führte es aus, dass sich die Mindesteinstufungen nach § 4a oöPGG auf Personen beziehen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben und aufgrund einer Querschnittlähmung, einer beidseitigen Beinamputation, einer Muskeldystrophie, einer Encephalitis disseminata oder einer Cerebralparese zur eigenständigen Lebensführung überwiegend auf den selbständigen Gebrauch eines Rollstuhls oder eines technisch adaptierten Rollstuhls angewiesen seien; für diese Personen sei ein Pflegebedarf entsprechend der Stufe 3 anzunehmen (§ 4a Abs 1 oöPGG). Liege bei diesen Personen ein deutlicher Ausfall von Funktionen der oberen Extremitäten vor, sei mindestens ein Pflegebedarf entsprechend der Stufe 5 anzunehmen (§ 4a Abs 3 oöPGG). Diese Regelung der Mindesteinstufungen entspreche inhaltlich § 4a BPGG. Nach den EB zur RV 1186 BlgNR 20. GP 12 sollten auch Personen Aufnahme in das BPGG finden, die nicht pflegebedürftig im klassischen Sinn seien, darunter auch diejenigen schwer behinderten Menschen, die zur selbständigen Lebensführung auf den aktiven Gebrauch eines Rollstuhls angewiesen seien. Die Mindesteinstufung stelle nicht nur auf das Hilfsmittel Rollstuhl ab, sondern werde mit dem Vorliegen bestimmter Diagnosen verknüpft. So könne sichergestellt werden, dass bei der Mindesteinstufung jener Personenkreis an behinderten Menschen erfasst werde, der zur selbstbestimmten Lebensführung auf den aktiven Gebrauch eines Rollstuhls angewiesen sei. Der Rollstuhl diene dieser Personengruppe zur Überwindung der Mobilitätseinschränkung und werde völlig selbständig allenfalls unter Ausnützung technischer Adaptierungen (wie etwa einem elektrischen Antrieb) gehandhabt. Damit werde dieser Gruppe die selbstbestimmte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, die Integration bei der Ausbildung und Berufsausübung usw erleichtert. Als Abgrenzungskriterium würden die Ausfallserscheinungen bei bestimmten Krankheits- und Behinderungsmustern herangezogen. Die im Regelfall typischen Pflegemaßnahmen, die grundsätzlich auch bei der funktionellen Beurteilung des Pflegebedarfs relevant seien, würden beim Mobilitätsbedarf dieser Gruppe entsprechend berücksichtigt. Nach dieser Absicht des Gesetzgebers bei der Neufassung der diagenosebezogenen Einstufung von Rollstuhlfahrern komme eine Einbeziehung des Klägers in diesen Personenkreis nicht in Betracht. Die diagnosebezogene Einstufung setze nämlich voraus, dass der Betroffene durch den selbständigen Gebrauch des Rollstuhls zu einer eigenständigen selbstbestimmten Lebensführung befähigt werde und ihm damit die selbstbestimmte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, die Integration bei der Ausbildung und Berufsausübung erleichtert werde. Diese Voraussetzungen träfen beim Rollstuhlgebrauch des Klägers nicht zu. Er sei wohl in der Lage, innerhalb der Wohnung die bestehende Mobilitätseinschränkung durch den Gebrauch eines elektrisch betriebenen Rollstuhls teilweise zu kompensieren. Dies verhelfe ihm aber aufgrund seiner körperlichen und geistigen Einschränkungen nicht zu einer eigenständigen selbstbestimmten Lebensführung, weil er trotz der teilweisen Beseitigung der Bewegungseinschränkung auch innerhalb des Wohnbereichs für nahezu alle lebensnotwendigen Verrichtungen - ausgenommen das Einnehmen mundgerecht hergerichteter Nahrungsmittel und die Flüssigkeitsaufnahme mittels Strohhalm oder Schnabeltasse - die Hilfe durch eine Betreuungsperson benötige. Die Ansicht des Erstgerichts, dass dem Kläger durch die Benützung des Rollstuhls innerhalb des Wohnbereichs die eigenständige Lebensführung in wesentlichen Teilbereichen ermöglicht würde, finde keine Grundlage im festgestellten Sachverhalt. Da der Kläger nicht zum Kreis der „aktiven" Rollstuhlfahrer gehöre scheide eine diagnosebezogene Einstufung nach § 4a Abs 1 und 3 oöPGG aus. Im Hinblick auf den Umstand, dass der funktionsbezogene Pflegebedarf unter 180 Stunden monatlich liege, bestehe kein Anspruch auf eine Erhöhung des gewährten Pflegegeldes der Stufe 4.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Weiters wird die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des § 4a oöPGG angeregt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Revision geht in erster Linie davon aus, dass der Kläger als „aktiver" Rollstuhlfahrer zu qualifizieren sei. Wäre er dagegen als „passiver" Rollstuhlfahrer anzusehen, würde er ohne sachliche Gründe gegenüber einem „aktiven" Rollstuhlfahrer benachteiligt. Die in § 4a oöPGG enthaltene Unterscheidung widerspreche im Übrigen dem Gleichheitsgrundsatz, weil eine Person, die innerhalb und außerhalb der Wohnung aufgrund geistiger Gesundheit keine Begleitperson benötige, ein höheres Pflegegeld erhalten würde als eine geistig behinderte Person, die bei sonst gleichem Pflegebedarf zusätzlich eine Begleitung außerhalb der Wohnung benötige. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, dem „aktiven" Rollstuhlfahrer ein höheres Pflegegeld als dem „passiven" Rollstuhlfahrer zu bezahlen, liege nicht vor.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Nach § 8 der Einstufungsverordnung zum oöPGG, LGBl 1993/65, in der bis 23. 3. 1999 geltenden Fassung war bei Personen, die zur Fortbewegung überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen sind, ohne weitere Prüfung nach § 4 oöPGG ein bestimmter Mindestpflegebedarf anzunehmen. In seiner Judikatur zur gleichlautenden Bestimmung des § 8 der Einstufungsverordnung zum BPGG hat der Oberste Gerichtshof nicht danach differenziert, ob eine Person mit Hilfe des Rollstuhls "aktiv" ihren Bewegungsradius erweitern konnte oder ob sie durch Dritte fortbewegt wurde (SSV-NF 10/131, 11/103).
Mit dem Landesgesetz LGBl 1999/8 wurden die Mindesteinstufungen in § 4a oöPGG aufgenommen. Die Absätze 1 - 3 dieser Bestimmung befassen sich mit Personen, die auf den Gebrauch eines Rollstuhls angewiesen sind. Demnach ist bei Personen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben und aufgrund bestimmter Diagnosen zur eigenständigen Lebensführung überwiegend auf den selbstständigen Gebrauch eines Rollstuhls oder eines technisch adaptierten Rollstuhls angewiesen sind, mindestens ein Pflegebedarf entsprechend der Stufe 3 anzunehmen (Abs 1). Bei Vorliegen eines deutlichen Ausfalls von Funktionen der oberen Extremitäten ist mindestens ein Pflegebedarf entsprechend der Stufe 5 anzunehmen (Abs 3).
Nach den Gesetzesmaterialien zum gleichlautenden § 4a BPGG (RV 1186 BlgNR 20. GP 12) soll mit den diagnosebezogenen Mindesteinstufungen ua erreicht werden, dass anhand einer bestimmten medizinischen Diagnose und den damit verbundenen Funktionsausfällen der weitgehend gleichartige typische Pflegebedarf - wie er grundsätzlich auch bei der funktionellen Beurteilung relevant ist - in Form einer Mindesteinstufung berücksichtigt wird (Heckenast, Zur analogen Anwendung von § 4a BPGG, DRdA 2002, 172 [173]). Bei Rollstuhlfahrern rückt noch ein weiterer Gesichtspunkt ins Bild: Mit Hilfe des Rollstuhls sollen Mobilitätseinschränkungen überwunden werden, damit der Gruppe der Rollstuhlfahrer die selbstbestimmte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird. Dieses spezielle Bedürfnis nach Mobilität unterscheidet sich grundsätzlich vom Mobilitätsbedarf der im klassischen Sinn Pflegebedürftigen, insbesondere was die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und die Integration bei der Ausbildung und Berufsausübung betrifft (Heckenast aaO 174). Wie bereits das Berufungsgericht dargestellt hat, hat sich der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen 10 ObS 110/00z (SSV-NF 14/55), 10 ObS 153/00y (SSV-NF 14/72) und 10 ObS 280/00z (ARD 5241/21/2001) eingehend mit der diagnosebezogenen Einstufung von Rollstuhlfahrern auseinandergesetzt und auf die - der früheren Judikatur entgegenstehende - Absicht des Novellen-Gesetzgebers hingewiesen, wonach nur sogenannte "aktive" Rollstuhlfahrer, nicht aber "passive" Rollstuhlfahrer in den Personenkreis des § 4a Abs 1 BPGG einbezogen sind. Diese Absicht geht auch klar aus dem Wortlaut des § 4a oöPGG hervor. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht unter den Personenkreis der „aktiven" Rollstuhlfahrer fällt, weil er die Voraussetzung nicht erfüllt, durch den selbständigen Gebrauch des Rollstuhls zu einer eigenständigen selbstbestimmten Lebensführung befähigt zu werden. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob der Kläger eine den in § 4a Abs 1 oöPGG angeführten Diagnosen vergleichbare und in ihren Auswirkungen gleichzusetzende Diagnose aufweist.
Die behauptete Verfassungswidrigkeit des § 4a oöPGG liegt nicht vor. Ebenso wie das BPGG geht das oöPGG grundsätzlich vom Konzept der funktionsbezogenen Beurteilung des Pflegebedarfs, das heißt von der individuell erforderlichen Betreuung und Hilfe aus (RIS-Justiz RS0106384; Gruber/Pallinger, BPGG § 4 Rz 59; Pfeil, Bundespflegegeldgesetz 99). § 4a oöPGG sieht ebenso wie § 4a BPGG diagnosebezogene Mindesteinstufungen für bestimmte Behindertengruppen mit weitgehend gleichartigem Pflegebedarf vor. Diese Vorgangsweise des Gesetzgebers kann nicht als unsachlich angesehen werden, wird doch durch den erforderlichen Zusammenhang zwischen einer bestimmten Diagnose und einer bestimmten Funktionseinschränkung gewährleistet, dass die Angehörigen von Behindertengruppen mit weitgehend gleichartigem Pflegebedarf auch gleich behandelt werden. Die diagnosebezogenen Einstufungen sollen somit aus Gründen der Vereinfachung sowie auch der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle typisierend die funktionsbezogene Ermittlung des Pflegebedarfs substituieren. Der Umstand, dass die gesetzgeberische Vorgangsweise nicht in allen Fällen zu befriedigenden Ergebnissen führt, macht ein Gesetz noch nicht gleichheitswidrig (vgl etwa VfSlg 10.455, 14.301, 15.031).
Die vom Revisionswerber in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht des Erstgerichts geäußerte Ansicht, „passive" Rollstuhlfahrer würden gegenüber „aktiven" Rollstuhlfahrern benachteiligt, lässt außer Betracht, dass eine Person, die aufgrund von Behinderungen im mentalen Bereich einer Begleitperson bei der Fortbewegung außer Haus bedarf, einen pflegegeldrelevanten Aufwand hat, der schon bei der in erster Linie maßgeblichen funktionsbezogenen Einstufung (zB Mobilitätshilfe im weiteren Sinn) zum Tragen kommt. In den Gesetzesmaterialien (vgl RV 1186 BlgNR 20. GP 13) ist auch ausdrücklich festgehalten, dass eine Addition der bei einer funktionellen Beurteilung ermittelten Stundenwerte mit den einer Mindesteinstufung zugrunde liegenden Zeitwerten ausgeschlossen ist (RIS-Justiz RS0111678, RS0113680); möglich ist nur eine höhere Einstufung aufgrund einer funktionsbezogenen Beurteilung (RIS-Justiz RS0113680).
In Bezug auf „aktive" Rollstuhlfahrer (mit einer bestimmten Diagnose) geht die aus den Gesetzesmaterialien hervorgehende Wertung des Gesetzgebers dahin, dass Personen, die Einschränkungen ihrer Mobilität durch entsprechende Hilfsmittel (Rollstuhl, allenfalls mit technischen Adaptierungen) kompensieren, sodass ihnen die selbstbestimmte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird, nicht dadurch einen Nachteil haben, dass aufgrund dieser eigenen Aktivität ein Bedarf vor allem nach Mobilitätshilfe im weiteren Sinn verneint würde. Wie bereits dargestellt wurde, haben "aktive" Rollstuhlfahrer außerdem einen anderen Pflegebedarf als Pflegebedürftige im klassischen Sinn. Wenn deren Mobilitätsbedarf und in der Folge der Pflegebedarf unterschiedlich bewertet wird, werden unterschiedliche Einstufungen an Unterschiede im Tatsächlichen geknüpft (Heckenast aaO 174 mit Hinweis auf VfSlg 9524 zur Bevorzugung blinder Kleingewerbetreibender im Umsatzsteuerrecht gegenüber anderen Behindertengruppen).
Es mag sein, dass es durch eine diagnosebezogene Einstufung im Einzelfall zu Besserstellungen „aktiver" Rollstuhlfahrer gegenüber einer funktionsbezogenen Einstufung kommt. Dies ist jedoch eine Konsequenz der diagnosebezogenen Mindesteinstufung bestimmter Personengruppen im Einzelfall und vermag eine (unsachliche) Ungleichbehandlung nicht zu begründen.
Ein Anlass zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens besteht daher nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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