OGH 6Ob275/01m

OGH6Ob275/01m31.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Kerres & Diwok, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei B.***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Göbel & Hummer, Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen 10,000.000 US-Dollar, über den ordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 3. August 2001, GZ 2 R 25/01p-34, womit über den Rekurs der klagenden Partei der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 20. November 2000, GZ 23 Cg 52/00y-22, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 13.375,22 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. Der Antrag auf Berichtigung der Kostenentscheidung zweiter Instanz wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die klagende Bank mit dem Sitz in Prag eröffnete über Auftrag der beklagten österreichischen Handelsgesellschaft Akkreditive. Der Rahmenvertrag vom 26. 7. 1999 sieht ein Akkreditivvolumen von 200 Mio USD und nähere Bestimmungen über die Eröffnung und Rückführung der Akkreditive sowie über Sicherheiten vor. P 11. des Rahmenvertrages lautet (in deutscher Übersetzung):

"Dieser Vertrag richtet sich nach dem tschechischen Recht und das zuständige Gericht ist das Kreishandelsgericht in Prag". Die Klägerin begehrt die Zahlung von 10 Mio US-Dollar. Sie habe Akkreditive eröffnet und im Interesse der Beklagten bei Fälligkeit honoriert. Ihr stünden zumindest 55 Mio US-Dollar zu. Ein Teil dieses Anspruchs werde nun geltend gemacht.

Die Beklagte erhob die Einrede der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes im Hinblick auf die Gerichtsstandsvereinbarung, aus der sich die ausschließliche Zuständigkeit eines bestimmten Gerichtes in Prag ergebe.

Die Klägerin replizierte, dass die Vereinbarung sich nur auf künftig eröffnete und nicht auch auf die zum Vertragszeitpunkt bereits bestehenden Akkreditive beziehe. Im Übrigen sei kein ausschließlicher, sondern nur ein Wahlgerichtsstand vereinbart worden. In der Sache selbst bestritt die Beklagte eine Zahlungsverpflichtung.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzuständigkeit und wegen fehlender inländischer Gerichtsbarkeit zurück.

Die Vereinbarung der Zuständigkeit des Kreishandelsgerichtes in Prag umfasse alle Ansprüche aus dem Vertrag vom 26. 7. 1999. Zur Frage, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung einen ausschließlichen oder einen Wahlgerichtsstand nach sich ziehe, fehle eine ausdrückliche gesetzliche Regelung. Analogiefähig könnten § 104 JN, oder aber auch die Art 17 LGVÜ und EuGVÜ sein. § 104 Abs 1 JN regle die Möglichkeit der Vereinbarung der inländischen Gerichtsbarkeit sowie der örtlichen Zuständigkeit von inländischen Gerichten erster Instanz, nicht aber den gegenständlichen Fall der Vereinbarung der Zuständigkeit eines ausländischen Gerichtes. Art 17 Abs 1 LGVÜ (und EuGVÜ) regle Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit. Dieser Artikel sei im Verhältnis zu Tschechien als Nichtvertragsstaat aber nicht unmittelbar anwendbar. Vor dem Inkrafttreten der beiden Abkommen sei § 104 JN analog auf die Vereinbarung der örtlichen Zuständigkeit eines ausländischen Gerichtes angewendet worden. Danach schaffe die Vereinbarung nur einen Wahlgerichtsstand. Diese Judikatur sei nicht zwingend begründet. Gemäß § 102 JN habe der Kläger unter mehreren zuständigen Gerichten die Wahl. Diese Bestimmung finde sich vor derjenigen des § 104 JN. Wenn der Gesetzgeber mit einer Zuständigkeitsvereinbarung ebenfalls bloß einen Wahlgerichtsstand schaffen hätte wollen, hätte er eine andere systematische Einordnung vorgenommen. Nach der Erweiterung des österreichischen Normenbestandes durch das Inkraftreten des LGVÜ und des EuGVÜ seien die Vertragsbestimmungen als Analogiegrundlage heranzuziehen. Aus Art 17 Abs 1 der Abkommen folge die Ausschließlichkeitswirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung. Die Parteien hätten hier auch die Anwendung des tschechischen Rechts vereinbart, was für die Vereinbarung einer ausschließlichen Zuständigkeit spreche. Es sei nunmehr zu prüfen, ob die Problematik der Vollstreckbarkeit eines tschechischen Urteils in Österreich ein Hindernis für die Bejahung der Ausschließlichkeitswirkung darstelle. Nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung (EvBl 1960/259; SZ 32/160; EvBl 1967/440) sei die Vereinbarung eines ausländischen Gerichtes als ausschließlicher Gerichtsstand nicht wirksam, wenn das ausländische Urteil im Inland nicht vollstreckbar ist. Dem Kläger müsse das Recht zugebilligt werden, den Gegner beim Gericht seines Wohnsitzes zu belangen. Im Sinne einer Auslegung nach § 914 ABGB könne beim Ausschluss der inländischen Gerichtsbarkeit nicht von der Parteienabsicht ausgegangen werden, dass Ansprüche in Österreich nicht durchgesetzt werden können. Der inländische Staat könne es kraft seiner Ordnungsgewalt nicht zulassen, dass die Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts vereinbart wird, wenn dessen Entscheidung im Inland nicht anerkannt werde. Das Erstgericht könne sich dieser Argumentation des Obersten Gerichtshofes nicht anschließen. Bei vergleichbarer Prozessrechtslage judiziere der BGH, dass die Parteien auch bei fehlender Vollstreckbarkeit im Inland die ausschließliche Zuständigkeit eines ausländischen Gerichtes vereinbaren können (NJW 1968, 356). Das alleinige Vorhandensein von Vollstreckungsobjekten im Inland ändere nichts an der Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung. Der Kläger werde dadurch nicht rechtlos gestellt. Sein Anspruch scheitere lediglich am Fehlen eines vollstreckungsfähigen Vermögens im Urteilsstaat. Damit habe sich der Kläger einverstanden erklärt. Eine solche Vereinbarung sei nach der Rechtsordnung gestattet (NJW 1971, 985). Das Erstgericht halte die Argumente der deutschen Rechtsprechung für überzeugender. Es sei nicht von einem Eigeninteresse des Staates auf gerichtliche Ordnung im Inland auszugehen. Die Parteien könnten über ihre Rechte disponieren. Die Nachteiligkeit einer Vereinbarung sei für sich allein kein Kriterium für den Inhalt und die Gültigkeit der Vereinbarung. Hier könne unterstellt werden, dass die Klägerin auf Grund ihrer Infrastruktur allfällige Vollstreckungsprobleme ausreichend bedenken habe können. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die Beklagte in Österreich oder aber auch in der Tschechischen Republik über Vermögen verfüge.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge und änderte den erstinstanzlichen Beschluss dahin ab, dass die von der Beklagten erhobenen Einreden der Unzuständigkeit und der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit verworfen werden. Nach herrschender Rechtsprechung werde im Zweifel nur ein Wahlgerichtsstand begründet. Die Parteienabsicht, einen ausschließlichen Gerichtsstand zu vereinbaren, müsse aus der Vereinbarung selbst hervorgehen. Eine Ausschließlichkeit werde selbst bei einer Formulierung nicht angenommen, wenn für alle aus einem Schuldverhältnis entspringenden Streitigkeiten ein bestimmtes Gericht vereinbart wurde. Hier genüge es daher nicht, wenn die Parteien nur vereinbarten, dass das zuständige Gericht das Kreishandelsgericht in Prag sein solle. Es verblieben daher bei der Auslegung des Vertragspunktes Zweifel über die Absicht der Parteien. Deshalb könne nur ein Wahlgerichtsstand als vereinbart angesehen werden. Im Übrigen schließe selbst die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes die Klage im Inland dann nicht aus, wenn die Urteile des ausländischen Gerichtes im Inland nicht vollstreckbar wären. Dies sei hier nach einem Schreiben des Bundesministeriums für Justiz vom 18. 11. 2000 der Fall. Danach seien handelsgerichtliche Entscheidungen tschechischer Gerichte in Österreich mangels eines entsprechenden zwischenstaatlichen Übereinkommens nicht vollstreckbar. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung nach Änderung der Rechtslage durch die WGN 1997, das LGVÜ und das EuGVÜ nicht existiere. Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Beklagte die Abänderung dahin, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt werde, hilfsweise die Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung durch das Rekursgericht. Sie stellt ferner einen Kostenberichtigungsantrag.

Die Klägerin beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Mit einer Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN wird nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung im Zweifel nur ein Wahlgerichtsstand vereinbart (Simotta in Fasching, Zivilprozessgesetze2 Rz 90 zu § 104 JN mwN; Mayr in Rechberger, ZPO2 Rz 8 zu § 104 JN; RS0046791). Die Vereinbarung wird als Prozesserklärung aufgefasst, die gemäß § 6 ABGB nach dem Wortlaut der Urkunde und dem Sinn der Erklärung auszulegen ist (Simotta aaO Rz 91). Soll der vereinbarte Gerichtsstand als ausschließlicher gelten, bedarf es entweder einer ausdrücklichen Abrede oder eines solchen, sich eindeutig aus dem Gesamtzusammenhang der Gerichtsstandsvereinbarung ergebenden rechtsgeschäftlichen Willens. Eine Vereinbarung, die Parteien würden sich der Gerichtsbarkeit eines bestimmten Gerichts unterwerfen, genügt für die Annahme eines ausschließlichen Gerichtsstandes bei diesem Gericht nicht (1 Ob 221/00g mwN). Dass im Zweifel nur von einem vereinbarten Wahlgerichtsstand auszugehen ist, wurde auch für die Vereinbarung eines ausländischen Gerichtes angenommen (EvBl 1960/259).

2. Im Anwendungsbereich des EuGVÜ und des LGVÜ gilt anderes. Wenn die Parteien, von denen zumindest eine im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates ihren Wohnsitz hat, vereinbaren, dass ein Gericht eines Vertragsstaates über einen Rechtsstreit entscheiden soll, ist dieses Gericht ausschließlich zuständig (Art 17 Abs 1 EuGVÜ). Diese Bestimmung wird nach den überwiegenden Lehrmeinungen und der Rechtsprechung des EuGH (zitiert von Simotta aaO Rz 311) dahin ausgelegt, dass eine widerlegliche Vermutung für die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes spricht, im Zweifel also von einem solchen auszugehen ist.

3. Nach der Ratifizierung der zitierten Abkommen stellte die Lehre (Oberhammer, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen:

Konkurrierende oder ausschließliche Zuständigkeit? JBl 1997, 434; Simotta aaO Rz 97; Mayr aaO) die Anwendung der zu § 104 JN judizierten Zweifelsregel für internationale Zuständigkeitsvereinbarungen, mit denen ein ausländisches Gericht in einem Drittstaat (der also kein Vertragsstaat nach dem EuGVÜ oder dem LGVÜ ist) als zuständig vereinbart wird, in Frage; sie befürwortet eine analoge Anwendung des Art 17 EuGVÜ. Darauf beruft sich auch die Revisionsrekurswerberin. Art 17 EuGVÜ ist auf die Prorogation eines Gerichtes in einem Nichtvertragsstaat nicht unmittelbar anwendbar (Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht6 Rz 14 zu Art 17 EuGVÜ). Da die Tschechische Republik kein Vertragsstaat ist, könnten die Bestimmungen des EuGVÜ (oder des LGVÜ) nur im Wege der Analogie angewendet werden, die grundsätzlich möglich ist (vgl die von der Revisionsrekurswerberin zitierte Entscheidung 6 Ob 557/94 = WBl 1995, 165 = SZ 67/188).

4. Analogie setzt eine planwidrige Gesetzeslücke voraus. Wenn man die Zweifelsregel des Art 17 EuGVÜ etwa wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes als verallgemeinerungsfähig erachtet, kommt - entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin - der fehlenden Vollstreckbarkeit einer tschechischen Gerichtsentscheidung wesentliche Bedeutung zu. Im Bereich der zitierten Abkommen ist die Vollstreckbarkeit des Urteils eines prorogierten Gerichtes kein Thema, weil die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen der Gerichte der Vertragsstaaten den Zweck der Abkommen, also den Regelfall, bilden (Art 25 ff EuGVÜ). Dies ist die rechtfertigende Grundlage dafür, dass im Zweifel ein vereinbarter ausschließlicher Gerichtsstand vorliegt. Ohne diese Grundlage fehlt aber ein vergleichbarer Sachverhalt, der zu einer Lückenschließung im Wege der Analogie Anlass gibt. Davon abgesehen widerlegt schon die Vertragsauslegung eine - hier jetzt nur unterstellte - Vermutung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung, weil ohne triftige Gründe und mangels einer ausdrücklichen Formulierung nicht davon ausgegangen werden darf, dass sich eine Partei der ausschließlichen Zuständigkeit eines Gerichtes unterwirft, dessen Entscheidung dort nicht vollstreckt werden kann, wo bei vernünftiger Beurteilung die Hereinbringung einer erwirkten Titelforderung am ehesten möglich erscheint (hier also im Sitzstaat der Beklagten). Der Verzicht auf die exekutive Durchsetzbarkeit ist nicht anders zu beurteilen, als der Verzicht auf den Anspruch selbst. Hier sind sich Lehre und Rechtsprechung einig, dass auf den nicht ausdrücklich - also zweifelsfrei - erklärten Verzicht ein strenger Maßstab anzulegen ist (Apathy in Schwimann ABGB2 Rz 25 zu § 863 mwN; SZ 71/179 uva).

5. Nach den vom Erstgericht zitierten älteren oberstgerichtlichen Entscheidungen (EvBl 1960/259; EvBl 1967/440) wäre die Prorogation eines ausländischen Gerichtes, dessen Urteil im Inland nicht vollstreckt werden kann, unwirksam. Dieser Standpunkt wird von der Lehre, die im Übrigen für eine analoge Anwendung des Art 17 EuGVÜ bei der Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung eintritt, geteilt (Simotta aaO Rz 94; im Ergebnis wohl auch Oberhammer aaO 443 f). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob diese Rechtsprechung nach der Ratifizierung der zitierten Abkommen aufrecht zu erhalten ist. Bei einer von der Rekurswerberin angestrebten analogen Anwendung der aus Art 17 EuGVÜ ableitbaren Zweifelsregel ist die Widerlegung der Vermutung eines ausschließlichen Gerichtsstandes möglich. Dann spielt aber die Vollstreckbarkeit der Gerichtsentscheidung eine wesentliche Rolle, auch wenn diese Frage nicht anhand des ansonsten für die Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung allein maßgeblichen Urkundeninhalts geprüft werden kann. Die ständige oberstgerichtliche Rechtsprechung fasst die Zuständigkeitsvereinbarung nicht als materiellrechtlichen Vertrag auf, der nach §§ 914 f ABGB auszulegen wäre, und unterwirft die Erklärung den Regeln des Prozessrechts (SZ 63/188; JBl 1994, 546; RS0046779). Die Beschränkung auf den Wortlaut der Urkunde gilt für die nach § 104 JN zu beurteilenden Gerichtsstandsvereinbarungen, nicht aber für diejenigen im Anwendungsbereich des EuGVÜ oder des LGVÜ. Dort ist die Willenseinigung von den Parteien zu beweisen (1 Ob 149/00v). Außerhalb der Urkunde liegende Umstände können also erheblich sein. Wenn das Fehlen der Vollstreckbarkeit der Entscheidung des Gerichtes, dessen ausschließliche Zuständigkeit in Frage steht, feststeht, kann von einer Widerlegung der Vermutung der Ausschließlichkeit ausgegangen werden, es sei denn, es würden andere gewichtige Umstände gegen dieses Ergebnis sprechen. Dies hätte aber dann derjenige zu beweisen, der sich auf die Ausschließlichkeit des Gerichtsstandes beruft.

6. Die Revisionsrekurswerberin bestreitet nicht die Richtigkeit des erst vom Rekursgericht ausdrücklich festgestellten Umstandes, dass ein Urteil des tschechischen Gerichts in Österreich nicht vollstreckt werden könnte, führt aber das Fehlen von Parteibehauptungen der Klägerin und eine Verletzung des Neuerungsverbotes und des Unmittelbarkeitsgrundsatzes ins Treffen. Richtig hält dem die Klägerin in ihrer Rechtsmittelbeantwortung entgegen, dass es bei der Prüfung der internationalen Zuständigkeitsvereinbarung um die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes und die inländische Gerichtsbarkeit geht, bei dieser also um eine Prozessvoraussetzung, die das Gericht in jeder Lage des Verfahrens zu überprüfen hat. Sowohl für die Wirksamkeit der Zuständigkeitsvereinbarkeit als auch für ihre Auslegung ist die Vollstreckbarkeit der Entscheidung des vereinbarten Gerichts eine wesentliche Vorfrage, die anhand der dem Gericht bekannten völkerrechtlichen Verträge - insofern also als Rechtsfrage - zu prüfen ist. Bei Fehlen eines Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischen Gerichtsentscheidungen ist grundsätzlich vom Mangel der Vollstreckbarkeit auszugehen. Gegenteiliges hätte schon nach dem allgemeinen Beweisgrundsatz, dass jede Partei die für sie günstigen Tatsachenvoraussetzungen zu behaupten und zu beweisen hat (Rechberger in Rechberger ZPO2 Rz 11 vor § 266 mwN), derjenige zu beweisen, der sich zur Stützung seines Rechtsstandpunktes auf eine dennoch gegebene Vollstreckbarkeit, also eine tatsächlich geübte Gegenseitigkeit bei der Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen, beruft. Der gerügte Verstoß gegen das Neuerungsverbot liegt schon deshalb nicht vor, weil das Erstgericht die Frage der Vollstreckbarkeit von Amts wegen aufgegriffen und ausführlich behandelt hat und dabei offenkundig vom Fehlen der Vollstreckbarkeit einer tschechischen Gerichtsentscheidung im Inland ausgegangen ist.

7. Aus der vom Erstgericht zitierten deutschen Judikatur (NJW 1968, 356 und NJW 1971, 985) lassen sich - eine vergleichbare Rechtslage vorausgesetzt - keine Argumente für die Ansicht gewinnen, dass der Mangel der Vollstreckbarkeit kein Kriterium bei der Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung darstellen könnte. In der Entscheidung NJW 1968, 356 ging es um die Zulässigkeit der Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes trotz fehlender Vollstreckungsmöglichkeit, also um die Wirksamkeit der Vereinbarung unter dem Gesichtspunkt des Verzichts auf die Rechtsdurchsetzung. Der BGH bejahte die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung, hob die Entscheidung der Vorinstanzen aber zur Klärung der Frage auf, ob überhaupt ein ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart worden war. Auch in Deutschland ist also - wie im vorliegenden Fall - zunächst eine Auslegung der konkreten Gerichtsstandsklausel vorzunehmen. Dass dabei die Vollstreckbarkeit der Gerichtsentscheidung eine Rolle spielt, wurde schon erläutert.

8. Die Revisionsrekurswerberin führt für ihren Standpunkt eines vereinbarten ausschließlichen Gerichtsstands noch ins Treffen, dass die Klägerin nicht einseitig begünstigt werden dürfe (diese hätte zwei Gerichtsstände zur Verfügung, die Beklagte nur den nach dem Sitz der Klägerin, der gleichzeitig Erfüllungsort wäre) und dass die Anwendung tschechischen Rechts vereinbart worden sei. Es ist auf die Bedenklichkeit des prozessualen Einwands der Beklagten, es sei ein ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart worden, hinzuweisen. Es widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl dazu auch die Judikatur zur Unbeachtlichkeit des Verjährungseinwandes wegen Arglist: RS0014826), wenn sich eine Partei einer auslegungsbedürftigen Formulierung bedient, um dann unter Inanspruchnahme aller prozessualen Möglichkeiten dem Gegner die Durchsetzung seines materiellen Anspruchs zu verwehren. Grundsätzlich bestehen gegen eine Wahlgerichtsstandsvereinbarung nur zu Gunsten einer Partei keinerlei Bedenken. Die Beklagte vermag nicht darzutun, dass ihr aus der notwendigen Durchsetzung ihrer (Gegen-)Ansprüche vor dem tschechischen Gericht Nachteile drohen. Ein von ihr erwirkter Exekutionstitel wäre im Gerichtsstand, in dem die Klägerin ihren Sitz und prima facie ihr Vermögen hat, vollstreckbar. Die einseitige Begünstigung ist hier nur bei der von der Beklagten angestrebten Auslegung eines vereinbarten ausschließlichen Gerichtsstandes denkbar. Das dafür ins Treffen geführte Argument der Vereinbarung tschechischen materiellen Rechts mag zwar ein Indiz für einen ausschließlichen Gerichtsstand darstellen, ist aber gegenüber dem schon dargelegten primären Interesse an der Vollstreckbarkeit der Gerichtsentscheidung von minderer Bedeutung.

9. Die Revisionsrekurswerberin erblickt in der Entscheidung des Rekursgerichtes einen Verstoß gegen § 405 ZPO, weil es die Entscheidung des Erstgerichtes abänderte und die Einreden der Beklagten verwarf, obwohl von der Klägerin nur ein Aufhebungsantrag gestellt worden war. Auch wenn in einem Aufhebungsantrag grundsätzlich ein Abänderungsantrag (implicit) noch nicht erblickt werden kann, ist hier nach dem Inhalt des Rekursantrages der Klägerin (sie beantragte neben der Aufhebung für das fortgesetzte Verfahren auch die "Abstandnahme von dem geltend gemachten Zurückweisungsgrund") nicht zweifelhaft, dass sie eine Behebung des erstinstanzlichen Beschlusses und die Zurückweisung der Einreden der Beklagten anstrebte. Dies entspricht einem Abänderungsantrag. Der gerügte Verfahrensverstoß liegt nicht vor.

10. Zuletzt rügt die Revisionsrekurswerberin noch den Kostenausspruch des Rekursgerichtes. Dieses hätte die angesprochene österreichische Umsatzsteuer nicht zusprechen dürfen, weil die Leistung des inländischen Rechtsvertreters der Klägerin gemäß § 3a Abs 9 lit a UStG als im Ausland erbracht anzusehen sei und daher keine österreichische Umsatzsteuer angefallen sei. Dazu wird wegen der Unzulässigkeit der Anfechtung der Kostenentscheidung zweiter Instanz (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO) kein Rekursantrag, aber ein Berichtigungsantrag gestellt. Wohl hat der Oberste Gerichtshof in einem vergleichbaren Fall seine eigene Kostenentscheidung gemäß § 419 ZPO berichtigt (7 Ob 165/00s = EvBl 2001/140, 603). Eine Berichtigung der Kostenentscheidung des Rekursgerichtes scheitert hier aber daran, dass eine Berichtigung nur zulässig ist, wenn der Entscheidungswille des Gerichtes feststeht, der mangelhafte Willensausdruck also offensichtlich nicht mit dem wahren Willen übereinstimmt (Rechberger aaO Rz 3 zu § 419 mwN). Dem Obersten Gerichtshof ist es verwehrt, über den Entscheidungswillen des Rekursgerichtes Mutmaßungen anzustellen, die in der Entscheidungsbegründung keine Grundlage haben. Der Berichtigungsantrag ist daher zurückzuweisen.

11. Die Kostenentscheiduing beruht auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Klägerin verzeichnet auch für ihre Revisionsrekursbeantwortung Umsatzsteuer von 20 %, also den österreichischen Steuersatz. Die Leistungen des österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Klienten unterliegen als "Katalogleistungen" nach § 3a Abs 10 Z 3 UStG 1994 nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Sie gelten als am Ort des Empfängers erbracht (Empfängerlandprinzip) und unterliegen daher jener Umsatzsteuer, die dort, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt, zu entrichten ist (7 Ob 320/00k mwN). Dazu hat die bescheinigungspflichtige Klägerin nichts vorgebracht. Ihr zum Berichtigungsantrag der Beklagten gegebener Hinweis auf die fehlende Vorsteuerabzugsberechtigung von Banken ist im Hinblick auf die dargelegte gesetzliche Regelung nicht schlüssig. Ob - und allenfalls in welcher Höhe - die Klägerin (oder ihr inländischer Vertreter selbst) für die erbrachten anwaltlichen Leistungen in Tschechien Umsatzsteuer abzuführen hat, bedarf keiner näheren Prüfung, weil mit der kommentarlosen Verzeichnung von 20 % USt in der Revisionsrekursbeantwortung ohne Zweifel nur die inländische USt angesprochen worden ist. Dass die Klägerin für die angesprochenen Leistungen in Tschechien umsatzsteuerpflichtig ist, wäre dem Grunde und der Höhe nach zu behaupten und zu bescheinigen gewesen (§ 54 Abs 1 ZPO; ebenso 4 Ob 199/01w). Der Klägerin waren daher nur die Vertretungskosten ohne Umsatzsteuer zuzusprechen.

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