OGH 5Ob520/59

OGH5Ob520/599.12.1959

SZ 32/160

Normen

ZPO §577
ZPO §577

 

Spruch:

An Schiedsverträge, in denen ein ausländisches Schiedsgericht vereinbart ist, sind die Parteien im Inland nicht gebunden, wenn der Spruch des vereinbarten Schiedsgerichtes im Inland nicht vollstreckbar wäre.

Entscheidung vom 9. Dezember 1959, 5 Ob 520/59.

I. Instanz: Bezirksgericht für Handelssachen Wien; II. Instanz:

Handelsgericht Wien.

Text

Der Kläger behauptete, die beklagte Partei habe auf Grund seines Auftrages bei einer Bank in Wien ein bis zum 15. April 1945 befristetes Akkreditiv auf 7650 RM erstellt. Er habe den Deckungswert bei der beklagten Partei erlegt. Da das Akkreditiv nicht ausgenützt worden sei, habe er gegenüber der beklagten Partei Anspruch auf Ersatz des Deckungswertes. Er verlangte von der beklagten Partei die Zustimmung, daß die Bank den Gegenwert des nicht ausgenützten Akkreditivs bzw. die allenfalls darauf entfallenden 2%igen Bundesschuldverschreibungen an ihn ausfolge, und nahm für die Klage die örtliche Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien auf Grund des § 99 JN. in Anspruch.

Die beklagte Partei erhob die Einrede der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit. Auf Grund der Geschäftsbedingungen der beklagten Partei, die der Kläger im Jahre 1942 unterfertigt habe, sei für alle Streitigkeiten aus der Geschäftsverbindung die ausschließliche Zuständigkeit des Schiedsgerichtes der Zagreber Waren- und Effektenbörse und allenfalls des Schiedsgerichtes der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie in Zagreb vereinbart worden. Die beklagte Partei bestritt auch die Behauptung des Klägers, daß sie ein Guthaben bei der Bank besitze.

Das Erstgericht hat die Einrede verworfen. Die sachliche Zuständigkeit sei gegeben, weil in Jugoslawien gefällte Schiedssprüche in Österreich nicht vollstreckbar seien. Dem Kläger müsse die Möglichkeit geboten werden, ein inländisches Gericht in Anspruch zu nehmen, damit er im Inland Exekution führen könne. Die örtliche Zuständigkeit sei nach § 99 JN. zu bejahen, weil sich der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand in Wien befinde. Die Bank habe der beklagten Partei den Deckungsbetrag für das Akkreditiv, um den der Streit geht, gutgeschrieben.

Das Rekursgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Durch die Unterfertigung des Schiedsvertrages habe der Kläger auf die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung allfälliger Streitigkeiten aus den Geschäftsbeziehungen mit der beklagten Partei verzichtet. Diese habe die sich daraus ergebende sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes rechtzeitig geltend gemacht. Sollten die Schiedsgerichte, die im Schiedsvertrag bestellt wurden, nicht mehr bestehen, hätte der Kläger die Möglichkeit, gemäß § 583 ZPO. die Außerkraftsetzung des Schiedsvertrages zu beantragen. Solange der Schiedsvertrag nicht außer Kraft getreten ist, bleibe er wirksam. Die Ansicht, auf Grund eines Schiedsspruches eines jugoslawischen Schiedsgerichtes könne im Inland nicht Exekution geführt werden, treffe nicht zu, weil Jugoslawien am 13. März 1959 die Ratifikationsurkunde zum Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 26. September 1927, BGBl. Nr. 343/1930, beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen hinterlegt habe und das Abkommen am 13. Juni 1959 für Jugoslawien in Kraft getreten sei. Jugoslawien habe am 13. März 1959 auch das Protokoll über die Schiedsklauseln vom 24. September 1923, BGBl. Nr. 57/1928, ratifiziert, und dieses sei am 24. April 1959 für Jugoslawien in Kraft getreten. Aus dem Abkommen und aus dem Protokoll ergebe sich, daß seit dem Beitritt Jugoslawiens der Vollstreckung von in Jugoslawien ergangenen Schiedssprüchen in Österreich kein Hindernis entgegenstehe. Der Gerichtsstand des § 99 JN. könne daher vom Kläger nicht in Anspruch genommen werden. Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Für Jugoslawien ist das Genfer Abkommen betreffend die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche am 13. Juni 1959 und das Genfer Protokoll über Schiedsklauseln am 24. April 1959 in Kraft getreten. Die Klage ist schon am 10. Februar 1959 beim Erstgericht angebracht worden. Gemäß § 29 JN. bleibt jedes Gericht in Rechtssachen, die rechtmäßigerweise bei ihm anhängig gemacht wurden, bis zu deren Beendigung zuständig, wenn sich auch die Umstände, die bei Einleitung des Verfahrens für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgebend waren, während des Verfahrens geändert hätten. Dies gilt jedoch nicht von solchen Änderungen, durch die die Rechtssache der inländischen Gerichtsbarkeit überhaupt oder doch dem Wirkungskreis der ordentlichen Gerichte entzogen werden. Zur Zeit der Einbringung der Klage waren in Jugoslawien gefällte Schiedssprüche im Inland mangels eines entsprechenden Staatsvertrages nicht vollstreckbar (§ 79 EO.). An Schiedsverträge, in denen ein ausländisches Schiedsgericht vereinbart ist, sind die Parteien im Inland dann nicht gebunden, wenn der Spruch des vereinbarten Schiedsgerichtes im Inland nicht vollstreckbar wäre, denn in solchen Fällen ist anzunehmen, daß der Ausschluß der inländischen staatlichen Gerichte nicht beabsichtigt war. Es kann nicht angenommen werden, daß es die Parteien in ihre Vertragsabsicht (§ 914 ABGB.) einbezogen haben, daß sie in Österreich, also gerade dort, wo das Akkreditiv zu erstellen und der Vertrag zu erfüllen war, ihre Ansprüche weder mit Hilfe des vereinbarten Schiedsgerichtes noch mit Hilfe der staatlichen Gerichte durchsetzen können (ZBl. 1934 Nr. 165, ZBl. 1931 Nr. 222, SZ. VII 354 und SZ. XIII 110). Nun ist allerdings zwischen dem Einlangen der Klage bei Gericht und der Entscheidung der ersten Instanz über die Einrede insofern eine Änderung der Rechtslage eingetreten, als Jugoslawien dem Genfer Abkommen beigetreten ist und seither in Jugoslawien gefällte Schiedssprüche in Österreich vollstreckt werden. Nach ständiger Rechtsprechung begrundet aber ein verabredeter Schiedsvertrag nicht die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges oder des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit, sondern die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit (s. die zahlreichen unter Nr. 5 bei § 240 ZPO., Große Manz-Ausgabe, angeführten Entscheidungen). Durch die veränderte Rechtslage wurde daher die Rechtssache weder der inländischen Gerichtsbarkeit noch dem Wirkungskreis der ordentlichen Gerichte entzogen. Der Grundsatz der perpetuatio fori ist demnach anzuwenden, weshalb der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen ist.

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