OGH 8Ob284/01z

OGH8Ob284/01z24.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Erich T*****, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Schachner ua, Rechtsanwälte in Melk, wider die beklagte Partei Volksbank Ö***** reg GenmbH, *****, vertreten durch Dr. Franz Hofbauer, Rechtsanwalt in Ybbs, wegen EUR 58.138,27 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 30. Juli 2001, GZ 2 R 2/01f-30, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landes- als Handelsgericht St. Pölten vom 13. Oktober 2000, GZ 1 Cg 298/97w-26, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.813,15 (darin EUR 302,20 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger eröffnete im Jänner 1987 bei dem beklagten Kreditunternehmen ein Wertpapierdepot und erteilte ab diesem Zeitpunkt regelmäßig Wertpapier-Kauf- und Verkaufsorders. Am 5. 9. 1991 erwarb der Kläger, der sich bis dahin zwar grundsätzlich mit dem Aktiengeschäft beschäftigt hatte, jedoch über keine Insiderinformationen verfügte, 33.500 Stück Aktien der E***** Inc. Er war auf die kanadischen Aktien von einem Angestellten der beklagten Partei namens R*****, der bei dieser für den Wertpapierbereich zuständig war, aufmerksam gemacht worden. Die Aktien standen weder auf der Empfehlungsliste der beklagten Partei noch auf einer Empfehlungsliste eines anderen österreichischen Kreditinstituts. R***** teilte dem Kläger dazu mit, dass ein in Amerika tätiger und aus der hier näheren Umgebung stammender Unternehmer namens F***** beabsichtige, die Firma E***** zu erwerben und deshalb selbst Aktien gekauft habe. Diese Aktie sei ein Geheimtipp, der von dem genannten Unternehmer F***** stamme. R***** sagte dem Kläger mündlich zu, ihn über die Kursentwicklung zu informieren und ihm Hintergrundinformationen zukommen zu lassen, die er von F***** bekommen sollte. Die Aktien befanden sich bei der nicht näher feststellbaren Emissionsbank in Kanada, was dem Kläger ebenfalls mitgeteilt wurde. Versuche, die gesamten Aktien 1991 und 1992 zu verkaufen, schlugen wegen Nichterreichens des Limits fehl. Dennoch kaufte der Kläger weitere Aktien dieses Unternehmens in großen Mengen. Zuletzt besaß er hievon 384.500 Stück. Diesen Käufen ging die Information R*****s an den Kläger voraus, dass die Übernahme der Aktiengesellschaft durch den amerikanischen Betrieb F*****s unmittelbar bevorstehe. Hiezu legte R***** dem Beklagten auch Ausdrucke aus den Informationsmedien vor. Im April 1994 kam R***** bei einem Verkehrsunfall ums Leben. In der Folge erkundigte sich der Kläger bei den neuen Kundenbetreuern mehrfach über den Kurs dieser Aktien, die diese in der Zentrale erhoben. Soweit der Kläger nach Aktivitäten, Größe und Umsatz der Firma gefragt hatte, versuchten die neuen Kundenberater Informationen zu erhalten und gaben die erhaltenen Informationen an den Kläger weiter. Im Juni 1994 erging ein Rundschreiben der E***** an die Stammaktionäre. Der Kläger erhielt dieses Schreiben im damaligen Zeitpunkt nicht. Ebensowenig erhielt die beklagte Partei dieses Schreiben. Im Sommer 1994 erfolgten zwei Verkäufe zu dem vom Kläger festgesetzten Limit. Die Angestellten der beklagten Partei hatten dem Kläger hiezu keine Empfehlungen (weder dem Grunde noch der Höhe nach) gegeben. Im Herbst 1994 verkaufte F***** seine Aktien, die er an E***** hielt. Die Angestellten der beklagten Partei machten dem Kläger davon keine Mitteilung. Die bis dahin auf der Toronto-Börse gehandelten Aktien wurden ab 13. 1. 1994 nicht mehr amtlich gelistet und in der Folge außerbörslich über "Canadian Dealer Network" gehandelt. Am 6. 6. 1995 wurde der Handel mit diesen Aktien eingestellt.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei S 800.000,-- Schadenersatz wegen schuldhaften Unterlassens der vereinbarten Beratung. Der verstorbene Kundenberater R***** habe ihm Beratung über diese Aktien zugesagt. Nach dessen Tod sei er nicht mehr informiert worden, insbesondere nicht darüber, dass F*****, der ebenfalls eine große Anzahl Aktien gehalten und beabsichtigt habe, die Firma E***** zu erwerben, seine Aktien verkauft habe.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und wandte ein, der als risikofreudig bekannte Kläger habe trotz sinkender Kurse weiterhin Aktien gekauft, obwohl er über die Kurse informiert gewesen sei. Nach Aussetzen des Aktienhandels sei es nicht möglich gewesen, weitere Informationen zu erhalten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision zu, weil oberstgerichtliche Entscheidungen "über die Pflicht von Banken zur Beratung von Kunden im Einzelfall spärlich seien".

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zurückzuweisen, weil ausreichende und vom Berufungsgericht ohnedies zitierte oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Beratungspflicht von Kunden existiert (1 Ob 649/81 = SZ 54/161 = EvBl 1982/69; 3 Ob 526/83 = SZ 56/81 uva). Dass der Ankauf von Aktien, Optionen usw - insbesondere dann, wenn Aktien als "Geheimtipp" gehandelt werden -, auch im hohen Maße risikoträchtig sein kann, ist eine allgemein bekannte Tatsache (10 Ob 528/94 = SZ 69/86; 10 Ob 44/97m ua). Bei der Frage, ob die Bank, über die der Verkauf dieser Aktien erfolgte, ihre Aufklärungspflicht verletzt hat, handelt es sich letztlich um eine solche des Einzelfalles (6 Ob 268/00f = ÖBA 2001, 723; 6 Ob 15/01a). Die angefochtene Entscheidung hält sich im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zu Aufklärungspflichten von Banken bei risikoträchtigen Rechtsgeschäften, wobei dem Berufungsgericht bei der Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Einzelfall keine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist:

Zwar haftet die Bank für unrichtige oder mangelhafte Beratung des Vertragspartners durch ihre Angestellten (3 Ob 507/57 = EvBl 1958/56; 2 Ob 524/86 = NZ 1987, 150; 4 Ob 516/93 = ÖBA 1993, 987 = RdW 1993, 331 = ecolex 1993, 669) und darf der Kunde bei der Wertpapierberatung durch einen Anlageberater grundsätzlich darauf vertrauen, dass dieser im Rahmen der ihm eingeräumten Vertretungsmacht tätig wird (7 Ob 362/97d = ÖBA 1998, 889). Es besteht aber keine allgemeine Rechtspflicht, den Geschäftspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Entscheidungen Einfluss haben könnten; eine Aufklärungspflicht besteht in aller Regel nur dann, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs eine Aufklärung

erwarten durfte (6 Ob 565/85 = SZ 59/193; 1 Ob 548/92 = ÖBA 1993, 408

[Koch] = JBl 1992, 711 = RdW 1993, 40 uva; zuletzt 7 Ob 154/00y).

Dem Berufungsgericht ist keine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es eine Verletzung der Aufklärungs- und Informationspflicht der beklagten Partei verneinte. Diese tat auch nach dem Tod des ursprünglichen Anlageberaters R***** alles, was man von ihr erwarten konnte. Dem Kläger musste klar sein, dass die ursprünglichen Informationen R*****s, die ihn zum Kauf der Aktien bewegten, auf dem Missbrauch von Insiderinformationen oder mangelnder Wahrung des Bankgeheimnisses beruhten. Es musste ihm nämlich klar sein, dass ein Mitarbeiter eines Kreditunternehmens die Veranlagungsentscheidungen eines anderen Kunden ihm als Dritten nicht hätte preisgeben dürfen. Dies gesteht der Kläger in seiner Revision auch ausdrücklich zu. Seiner Schlussfolgerung, dass ihn die Bank bzw deren nunmehrige Kundenberater auch weiterhin mit derartigen rechtswidrigen Informationen versorgt würden, insbesondere dass diese hiezu verpflichtet wären, kann nicht beigetreten werden. Er konnte vielmehr nur erwarten, dass ihn die beklagte Partei mit allen üblichen Informationen versorgt, was aber ohnedies geschehen ist. Wie sich aus den oben wiedergegebenen Feststellungen ergibt, waren auch die neuen Kundenberater der beklagten Partei sogar in überdurchschnittlichem Ausmaß bemüht, ihn mit Informationen zu versorgen. Die vom Revisionswerber zitierte Entscheidung 4 Ob 365/97y = ÖBA 1998, 556 betraf keinen vergleichbaren Fall; zwar wurde auch dort ein Insidertipp, jedoch nicht unter Verletzung des Bankgeheimnisses gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, weil die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.

Stichworte