Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind wie weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.
Text
Begründung
Die Klägerin war seit 1986 Patientin des beklagten Chirurgen. Dieser war der "Arzt ihres Vertrauens". Sie konsultierte ihn sowohl wegen ihrer Migräne als auch wegen Darm-, Verdauungs- und Venenproblemen. Bei einer Untersuchung am 5. 12. 1986 stellte der Beklagte nicht nur gestielte Divertikel, verengte Venen und Verdauungsprobleme, sondern auch einen Senk-Spreizfuß sowie eine Exostese der Großzehe fest. Bereits damals wurde die Möglichkeit einer Operation zur Beseitigung dieses Problems erörtert. Die Klägerin bekam 1986 Einlagesohlen verordnet.
1995 verordnete der Beklagte ihr wiederum Einlagesohlen. Zu diesem Zeitpunkt hatten sowohl der rechte als auch der linke Fuß der Klägerin einen mittelgradigen Hallux valgus, rechts in einem Winkel von etwa 25 Grad, links in einem solchen von etwa 30 Grad. Beim linken Fuß bestand eine Überbelastung im Bereich des ersten, zweiten und dritten Mittelfußköpfchens. Die Stellung der Zehen war derart, dass sämtliche den Boden berührten.
Am 2. 5. 1996 suchte die Klägerin die Ordination des Beklagten auf. Sie verwies auf Schmerzen im Bereich der Großzehen, im Bereich der Wade und des Mittelfußes sowie darauf, dass sie im linken Fuß Gefühllosigkeit, Kälte und auf der Fußsohle ein Kribbeln verspüre. Der Beklagte verwies darauf, dass nun die Situation so sei, dass auf Grund der sich nach innen neigenden großen Zehen eine Operation erforderlich sei. Zum Hergang der Operation erklärte er, dass er kein Metall verwende.
Die Klägerin sah den Beklagten als Spezialisten für Ballenoperationen an, sie vertraute ihm voll. Ihre Frage, ob ihm bei solchen Ballenoperationen je etwas passiert sei, verneinte er und wies darauf hin, dass das Ergebnis der Operation so sein werde, dass die Klägerin unmittelbar nach der Operation, versehen mit speziellen Verbänden, auftreten und aufs Klo gehen könne. In der Folge müsse sie ruhen. Bei derselben Ordination wurde auch erörtert, dass nicht nur der linke Fuß, sondern auch der rechte Fuß operiert werden könnte, da sich auch hier die Zehen nach innen neigten. Irgendwelche Beschwerden wie Kribbeln hatte die Klägerin bei diesem Fuß nicht.
Nach der Erklärung der Klägerin, in die Operation beider Großzehen einzuwilligen, wurde für den 13. 5. 1996 die stationäre Aufnahme der Klägerin veranlasst. Am 14. 5. 1996 erfolgte die Operation an der linken Großzehe und am 17. 5. 1996 die am rechten Vorfuß.
Die Klägerin begehrte vom Beklagten S 380.000 Schmerzengeld, S 7.549 anteilige Operations- und Therapiekosten sowie nach Ausdehnung S 840 an anteiligen Operationskosten, insgesamt daher S 388.389, und die Feststellung, dass der Beklagte für alle künftigen Schäden, die ihr aus den Operationen der Überbeine und der Großzehen am linken und rechten Fuß am 14. 5. und 17. 5. 1996 erwachsen, hafte.
Dazu brachte sie im Wesentlichen vor, sie habe im April 1996 dem Beklagten mitgeteilt, dass sie am linken Fuß Gefühlsstörungen (Ameisenlaufen) und ein Kältegefühl habe. Er habe ihr erklärt, dass die große Zehe links einen Nerv abklemme und dass ein "Überbein" links Schuld an dieser Gefühlsstörung sei. Er habe ihr einen chirurgischen Eingriff mit dem Hinweis darauf empfohlen, dass sie ohne solchen Eingriff "Hammerzehen" bekommen würde, wobei er ihr diese Operation nicht nur links, sondern auch rechts als notwendig erklärt habe, weil auch dort ein Überbein vorliege. Sie sei weder über ein besonderes Risiko dieser Operation noch über die Tatsache aufgeklärt worden, dass es verschiedene Operationsmethoden gebe bzw welche Methode der Beklagte anwenden werde. Die Operation sei vom Beklagten dringendst nahegelegt worden, sie habe in diese eingewilligt.
Im Anschluss an die Operationen sei es zu einer Schwellung am linken Fuß gekommen. Sie habe an beiden Füßen, insbesondere jedoch links, regelmäßig Schmerzen gehabt. Wegen der durch die Operationen aufgetretenen Probleme habe sie in der Folge mehrere Ärzte aufgesucht und sei auch wiederholt nachoperiert worden. Nach und nach habe sie erkannt, dass die seinerzeitigen Gefühlsstörungen nicht von der Fehlstellung der großen Zehe ausgegangen, sondern Symptome eines Bandscheibenvorfalls gewesen seien, wobei der Beklagte offensichtlich eine Fehldiagnose gestellt habe. Für sie sei somit klar, dass die Operationen durch den Beklagten nie notwendig gewesen seien. Er habe einerseits eine falsche Operationsmethode angewendet und nach einer Fehldiagnose eine nicht notwendige Operation durchgeführt und andererseits der Klägerin eine risikoreiche Operation empfohlen, ohne sie in irgendeiner Weise über allfällige Risken aufzuklären oder ihr auch nur anzudeuten, dass es unterschiedliche Operationsmethoden mit unterschiedlichen Risken gebe. Hätte er sie über die großen Risken und über die unterschiedlichen Operationsmethoden aufgeklärt, hätte sie keine Zustimmung zur Operation erteilt.
Zuletzt sei sie am 9. 2. 2000 an der zweiten und dritten Zehe links operiert worden. Alle Folgeoperationen seien auf Grund der Fehlbehandlung des Beklagten notwendig geworden. Ein Schmerzengeld von S 380.000 sei insgesamt gerechtfertigt.
Es liege nach wie vor kein Endzustand vor, weitere Operationen und Unkosten seien nicht auszuschließen, weshalb sie ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung des Beklagten für alle zukünftigen Folgen habe.
Vor einer der Nachoperationen habe sie sich einer ambulanten Untersuchung unterziehen müssen, wofür sie S 840 bezahlt habe. Den Betrag habe sie nicht ersetzt erhalten.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wendete im Wesentlichen ein, er habe mit der Klägerin eingehend die von ihm bevorzugte Operationsmethode nach Mayo-Platzgummer erörtert und die Vor- und Nachteile dieser von ihm in zahlreichen Fällen erfolgreich angewandten Methode besprochen. Er habe auch erklärt, dass es andere Methoden gebe, die insbesondere von Orthopäden durchgeführt würden. Nach dem Entschluss der Klägerin, sich von ihm operieren zu lassen, sei die Operation an beiden Großzehen durchgeführt worden. Die Operationen seien komplikationslos verlaufen. Er habe der Klägerin auch stets erklärt, dass die Zehenoperationen die Wadenschmerzen nicht beheben würden. Zwischen 14. und 16. 4. 1997 sei die Klägerin wiederum von ihm am Darm operiert worden und habe sich davor äußerst positiv über die Operationen des Hallux valgus geäußert. Die nachfolgend bei der Klägerin aufgetretenen Probleme und Schmerzen hätten neurologische Gründe und es sei auch offenkundig deshalb zu einer Kontraktur der Sehne des Extensor hallucis longus gekommen. Diese Beschwerden und Probleme stünden in keinem Zusammenhang mit der Zehenoperation. Die Operation der Großzehen sei indiziert gewesen und er sei auch lege artis vorgegangen. Auch habe die Klägerin eine entsprechende Aufklärung erfahren.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren auch der Höhe nach. Weiters brachte er vor, dass die Klägerin 1996 nicht wegen eines "Ameisenlaufens" in seine Ordination gekommen sei. Damals sei keine neurologische Störung vorgelegen. Er habe der Klägerin die Zehenoperation 1996 nicht eingeredet. Bei einer zumindest seit 10 Jahren bestehenden Deformität des Großzehengrundgelenks sei auch einem Laien verständlich, dass eine Operation Abhilfe schaffen könne. Der seiner Operation nachfolgende Eingriff mit Einbau eines Spacers sei kontraindiziert gewesen.
Die Klägerin befinde sich seit Jahrzehnten in ständiger neurologisch-psychiatrischer Behandlung. Es lägen bei ihr schwere psychiatrisch-neurologische Erkrankungen vor, die nicht außer Acht gelassen werden könnten. Die Schmerzen der Klägerin seien tatsächlich auf eine Polyneuritis zurückzuführen. Wegen dieser Leiden sei sie wiederholt bei Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie in Behandlung gewesen. Schließlich wandte der Beklagte noch ein, dass sich der Zustand der Klägerin ohne die von ihm 1996 vorgenommenen Operationen schicksalhaft derart verschlechtert hätte, dass ihre Leiden zumindest in gleichem Umfang eingetreten wären.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt.
Es traf neben den am Beginn dieser Entscheidung wiedergegebenen unter anderem folgende Feststellungen:
Vor der Operation der Klägerin durch den Beklagten wurden keine Röntgenbilder der Füße angefertigt. Ob die Operation durch den Beklagten medizinisch indiziert war, ist nicht feststellbar.
Dass der Beklagte zur Ausübung der Operation kein Röntgenbild zur Verfügung hatte, stellte für ihn kein Problem dar und änderte auch nichts an der Ausführung der Operation selbst. Vor der Operation wurde die Klägerin auf Grund der geschilderten Sensibilitätsstörung am linken Fuß keiner neurologischen Untersuchung zugeführt. Dies wäre ebenso wie eine Röntgenaufnahme vor Durchführung einer operativen Korrektur des Hallux valgus erforderlich gewesen. Weiters traf das Erstgericht Feststellungen über Nachfolgeoperationen der Klägerin, die auf Grund der Fehlstellung der ersten Zehe mit einer Stellung 45 Grad nach oben notwendig geworden seien, sowie über die durch sämtliche Operationen entstandenen Schmerzen der Klägerin.
Zu der vom Beklagten angewendeten Operationstechnik stellte das Erstgericht fest, dass diese als modifizierte Mayo-Platzgummer-Operation in der Literatur nicht auffindbar sei und weder heute noch zum Zeitpunkt der Operation der Technik der operativen Korrektur des Hallux valgus entsprochen habe.
In der Beweiswürdigung heißt es hiezu, dass die Ausführungen der beigezogenen Sachverständigen, wonach eine derartige Technik nicht dem Stand der Wissenschaft entsprochen habe, schlüssig seien und mit dem von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten übereinstimmten.
In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, dass die vom Beklagten gewählte Operationsmethode zum Zeitpunkt der Durchführung der Operation keineswegs dem Stand der Technik entsprochen habe. Eine Behandlungsmethode könne so lange als fachgerecht angesehen werden, als sie von einer anerkannten Schule medizinischer Wissenschaft vertreten werde. Dies treffe auf die vom Beklagten gewählte Methode keineswegs zu. Deren Verwendung sei daher als fahrlässiges Verhalten zu werten. Da die nicht fachgerechte Methode zu einer Fehlstellung der Großzehe links geführt habe, seien auch sämtliche weiteren Operationen und die damit verbundenen Beeinträchtigungen als kausal zu werten.
Überdies sei der Beklagte keineswegs der ihm auferlegten Aufklärungspflicht nachgekommen. Das begehrte Schmerzengeld sei gerechtfertigt. Zwar sei von der Versteifung her ein Endzustand eingetreten, es könnten jedoch Reizzustände auftreten und es sei auch die Verwendung orthopädischen Schuhwerks erforderlich. Dies bringe mit sich, dass in Zukunft Unkosten nicht ausgeschlossen werden könnten, weshalb der Klägerin ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung des Beklagten nicht abgesprochen werden könne.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der vom Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Das Berufungsgericht gab das zum Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erstattete Vorbringen des Beklagten dahin wieder, dass "eine Kausalität der Ansprüche der Klägerin zu den Operationen vom 14. 5. und 17. 5. 1996 nicht gegeben sei". Eine Auseinandersetzung mit den geltend gemachten Verfahrensmängeln (Unterlassung der Einvernahme zweier behandelnder Ärzte der Klägerin und der Einholung eines neuroorthopädischen und psychiatrischen Sachverständigengutachtens) hielt es mangels rechtlicher Relevanz nicht für erforderlich, weil die diesbezüglichen Beweisanbote nur den Themenkreis "Behandlungs- bzw ärztliche Kunstfehler und deren Folgen" beträfen, nicht jedoch den Themenkreis "Aufklärungspflicht des Arztes, Aufklärungspflichtverletzung und Beweislast", der im Rahmen der Rechtsrüge vom Berufungsgericht behandelt werde.
Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen, soweit sie ihm für seine rechtliche Beurteilung von Belang schienen, als unbedenklich.
In rechtlicher Hinsicht gelangte das Berufungsgericht zur Auffassung, dass die spärlichen Feststellungen des Erstgerichtes zur vorgenommenen Aufklärung der Klägerin in Verbindung mit den aufgestellten Behauptungen unter Heranziehung der Beweislastregeln doch ausreichten, um zu einer Bejahung der Haftung dem Grunde nach zu gelangen.
Der Oberste Gerichtshof vertrete in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, im Falle der Verletzung der Aufklärungspflicht treffe den Arzt bzw den Krankenhausträger die Beweislast dafür, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zum Eingriff erteilt hätte, gehe es doch darum, das Vorliegen eines die Rechtswidrigkeit des Eingriffes ausschließenden Rechtfertigungsgrundes zu behaupten und zu beweisen (SZ 69/199; JBl 1995, 453; 2 Ob 197/97b; 6 Ob 126/98t; Hofmann, Die Aufklärungspflicht des Arztes im Lichte der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, RZ 1998, 80 ff [82 mwN]; Harrer in Schwimann, ABGB2 Rz 52 f zu § 1300 mwN).
Der Arzt sei weiters verpflichtet, den Operationsverlauf zu dokumentieren (Operationsberichte etc). Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung führe nach der neueren Judikatur dazu, dass dem Patienten zum Ausgleich der durch die Verletzung der Dokumentationspflicht eingetretenen größeren Schwierigkeiten, einen ärztlichen Behandlungsfehler nachzuweisen, eine der Schwere der Dokumentationsverpflichtung entsprechende Beweiserleichterung zukomme (JBl 1995, 245, 247; Harrer aaO). Eine nicht dokumentierte Maßnahme begründe in diesem Sinn die Vermutung, dass sie nicht getroffen wurde (JBl 1995, 247).
Somit treffe den Patienten lediglich die Behauptungslast dafür, dass der Arzt ihn nicht hinreichend informiert habe, dass er bei ausreichender Aufklärung nicht in den Eingriff eingewilligt hätte und dass ihm dadurch körperliche Unbill entstanden sei. Dieser Behauptungslast sei die Klägerin nachgekommen. Der Arzt hingegen habe zu beweisen, seiner Aufklärungspflicht genügt zu haben oder - je nach Fall - einen Aufklärungsverzicht eines Patienten, Kontraindikation, vor allem auch den Umstand, der Patient hätte bei ausreichender Aufklärung eingewilligt.
Im gegenständlichen Fall habe das Erstgericht zwar nicht festgestellt, über welche Risken der Beklagte im Einzelnen aufklären hätte müssen und auch nicht, ob andere, weniger riskante Operationen (spezifisch auf das "Aufstehen der Zehe" bezogen) zur Wahl gestanden wären. Dass allerdings die Möglichkeit des Unterbleibens der Operation überhaupt bestanden hätte, habe der Beklagte der Klägerin gegenüber nicht aufgezeigt. Vielmehr sei festgestellt, dass er ihr gegenüber die Ansicht vertreten habe, die Operation müsse sein. Keine Feststellung finde sich im Ersturteil, ob dagegen auf die allfällige Möglichkeit des Unterbleibens der Operation hingewiesen hätte werden müssen, wohl aber die Negativfeststellung hinsichtlich der Indikation der Operation.
Für die Bejahung der Haftung des Beklagten reiche die Negativfeststellung zur medizinischen Indikation der Operation aus, weil dies Folge einer Verletzung der Dokumentationsverpflichtung des Beklagten sei und dem Patienten eine der Schwere der Dokumentationsverpflichtung entsprechende Beweiserleichterung zu Gute komme. In diesem Sinne sei zu Lasten des Beklagten zu unterstellen, dass keine (unbedingte) Indikation zur Operation bestanden habe. Auf Grund dieser Negativfeststellung hätte der Beklagte beweisen müssen, dass er auch über die Möglichkeit des Unterbleibens der Operation überhaupt aufgeklärt und sich die Klägerin trotz dieser Aufklärung zur Operation entschlossen habe. Diese Aufklärung sei nach den Feststellungen nicht erfolgt. Somit sei die grundsätzliche Haftung des Beklagten wegen Verletzung der Aufklärungspflicht zu bejahen. Auf den darüber hinaus behaupteten Behandlungsfehler müsse daher nicht eingegangen werden. Diesbezüglich wäre das Ersturteil - und zwar jenseits der Argumentation der Verfahrensrüge - wegen sekundärer Mangelhaftigkeit noch nicht spruchreif. Es fehlten Feststellungen dazu, ob die Operationsmethode des Beklagten doch vertretbar gewesen sei, wofür das Ergebnis am rechten Fuß spreche, sowie zur Frage, was die angewendete Operationsmethode bewirkt habe, was bei anderen Methoden nicht eingetreten oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu vermeiden gewesen wäre. Auch Widersprüchlichkeiten im Sachverständigengutachten müssten einer Klärung zugeführt werden. Demnach sei derzeit noch keineswegs abschließend geklärt, ob dem Beklagten überhaupt ein Behandlungsfehler vorwerfbar sei.
Die Stattgebung des Feststellungsbegehrens sei notwendige Folge der getroffenen Feststellungen. Die unbekämpfte Feststellung über die Notwendigkeit, Hilfsmittel wie orthopädische Schuhe immer wieder anzupassen, und über die Möglichkeit künftiger Reizzustände bei Überbelastung schließe jedenfalls den rechten Fuß nicht aus, auch wenn dort zugegebenermaßen eine gute Beweglichkeit und keine Versteifung, sondern lediglich eine Überlänge der zweiten Zehe vorliege.
Die ordentliche Revision sei gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, da eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Frage nicht vorliege, ob die Beweisbelastung des Arztes im Zusammenhang mit der Verletzung der Aufklärungspflicht so weit gehe, dass er auch die (wegen mangelnder Dokumentation nicht feststellbare) Indikation der vorgenommenen Operation zu beweisen habe oder ob die Negativfeststellung zur Indikation der Klägerin zur Last falle, da sie zu beweisen habe, dass in diesem Punkt die Aufklärung falsch war.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er in erster Linie die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Rechtssache an die Vorinstanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung begehrt. Erst in zweiter Linie wird beantragt, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde.
Die Klägerin erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Die Zulässigkeit ergibt sich allerdings nicht schon aus der vom Berufungsgericht als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO angesehenen Rechtsfrage. Die entsprechenden Ausführungen im Berufungsurteil werden in der Revision des Beklagten zwar zitiert, aus dem gesamten Vorbringen in diesem Rechtsmittel ergibt sich aber in keiner Weise, dass der Beklagte die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zur Beweislast in diesem Punkt als unrichtig bekämpfen würde. Vielmehr vertritt er auch in der Revision die Auffassung, dass es bei richtiger Würdigung der vorliegenden Beweise und Umstände nicht zweifelhaft sein könne, dass die Indikation zur Operation gegeben gewesen sei.
Würde der Beklagte keine andere Rechtsfrage der im § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität geltend machen, wäre seine Revision ungeachtet der Zulassung durch das Berufungsgericht zurückzuweisen. Dies gilt ganz allgemein, wenn im Rechtsmittel nur solche Gründe geltend gemacht werden, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt (1 Ob 610/95; ÖA 1998, 26 F 146; ÖA 1998, 27 F 151; EFSlg 91.561 = EvBl 1999/131 uva E zu RIS-Justiz RS0102059; 4 Ob 604/95; Kodek in Rechberger, ZPO2 vor § 502 Rz 3). Das ist insbesondere auch der Fall, wenn die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage vom Revisionswerber nicht releviert wird (2 Ob 281/98g).
Mit Recht macht allerdings der Revisionswerber geltend, dass das Berufungsgericht bei der Behandlung der Verfahrensrüge in seiner Berufung zu Unrecht meinte, dass die in erster Instanz gestellten Beweisanbote lediglich den Themenkreis Behandlungs- bzw ärztliche Kunstfehler und deren Folgen betroffen hätten. Wie in der Revision richtig dargelegt wurde, und was auch aus der Wiedergabe des entsprechenden Vorbringens in der Berufung durch das Berufungsgericht selbst hervorgeht, hat der Beklagte, der auch bereits in erster Instanz "die Kausalität der klägerischen Ansprüche zu den Operationen vom 14. 5. und 17. 5. 1996" bestritten und in diesem Zusammenhang geltend gemacht hatte, dass insbesondere die von der Klägerin vorgebrachten Beschwerden und Schmerzen in keinem Zusammenhang mit der durch ihn durchgeführten Operation stünden, das Unterbleiben der Einvernahme von zwei Ärzten und der Einholung eines Sachverständigengutachtens gerügt. Damit ergibt sich aber, dass - sieht man von den mit den Operationen des Beklagten selbst verbundenen Schmerzen ab - ein Verfahrensmangel geltend gemacht wurde, der darin bestanden haben soll, dass in erster Instanz vom Beklagten beantragte Beweise zum Umfang der von der Klägerin erlittenen Schäden nicht durchgeführt wurden. Diese Mängelrüge kann keineswegs damit abgetan werden, dass diese Rüge mit dem "Themenkreis" Aufklärungspflicht nichts zu tun hätten. Vielmehr kann es - ungeachtet der Frage der hiefür bestehenden Beweislast - keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass für das Ausmaß einer Schadenersatzpflicht auf Grund einer Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit Operationen die Frage erheblich ist, ob und welche Schmerzen durch diese Operation(en) verursacht wurden. Damit im Zusammenhang steht aber notwendigerweise auch die Frage, inwieweit die weiteren Operationen der Klägerin durch die Erstoperation durch den Beklagten verursacht wurden.
Auch Verfahrensfehler der zweiten Instanz können erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO haben, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stehen (MR 1986, H 5, 26 [Korn] = ÖBl 1987/102; SZ 65/145 und viele weitere E zu RIS-Justiz RS0041032). Zu solchen tragenden Grundsätzen gehört es auch, dass gemäß § 496 Abs 1 Z 2 ZPO geltend gemachte Verfahrensmängel der ersten Instanz vom Berufungsgericht sachlich behandelt werden und nicht infolge Verkennung des Inhalts der entsprechenden Rüge unbeachtet bleiben. Da das Berufungsgericht nicht etwa den Verfahrensmangel erster Instanz verneinte, vielmehr dessen Behandlung bewusst unterließ, steht der Wahrnehmung der Mangelhaftigkeit des Berufungsurteils die Rechtsprechung (N bei Kodek in Rechberger, ZPO2 § 503 Rz 3) nicht entgegen, wonach vom Berufungsgericht verneinte Mängel erster Intanz nicht mehr mit Revision geltend gemacht werden können.
Der hier dem Berufungsgericht unterlaufene Verfahrensmangel gemäß § 503 Z 2 ZPO hindert eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache, steht doch dadurch noch gar nicht fest, welche Folgen das dem Beklagten vorgeworfene Verhalten verursacht hat. Dieser Verfahrensmangel erfordert die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht, welches nunmehr auch die Rüge von Verfahrensmängeln in der Berufung zu behandeln haben wird.
In der Sache ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass den beklagten Arzt die Beweislast dafür trifft, dass er seine Aufklärungspflicht erfüllt hat (JBl 1994, 336 = RdM 1994/2, 28 [Kopetzki] und weitere Entscheidungen zu RIS-Justiz RS0026777). Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung JBl 1999, 531 = RdM 1999/12, 117 [Kletecka]) im Anschluss in Engljähringer (Ärztliche Aufklärungspflicht 132) ausgeführt hat, ist es Aufgabe der ärztlichen Aufklärungspflicht, dem Patienten die erforderliche rechtswirksame Zustimmung zum Eingriff in seine Körperintegrität zu ermöglichen; sie soll ihm die für seine Entscheidung maßgebenden Kriterien liefern und ihn in die Lage versetzen, die Tragweite seiner Zustimmung zum fremden Eingriff zu überblicken. Insbesondere muss der Arzt auch über mehrere zur Wahl stehende diagnostisch oder therapeutisch adäquate Verfahren informieren und die Vor- und Nachteile mit dem Patienten abwägen, wenn jeweils unterschiedliche Risken eine verschieden starke Intensität des Eingriffes, differierende Folgen, insbesondere der Schmerzbelastung oder verschieden hohe Erfolgssicherheiten damit verbunden sind, damit der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat (RdM 1994/1, 27 [Kopetzki]). Es ist nun geradezu selbstverständlich, dass ärztliche Aufklärung diesen Anforderungen nur dann genügen kann, wenn sie richtig und vollständig ist, weil eben sonst die Wahlmöglichkeit bzw freie Entscheidung des Patienten unmöglich ist. Dementsprechend wurde auch bereits entschieden (5 Ob 557/81 = KRSlg 685; SZ 62/18), dass eine vom Kranken auf Grund unrichtiger oder unvollständiger Belehrung durch den Arzt erteilte Einwilligung unwirksam ist. In ähnlicher Weise wurde jüngst in der Entscheidung 8 Ob 103/01g (mit Hinweisen auf zahlreiche Vorjudikatur) ausgesprochen, dass der Arzt für die nachteiligen Folgen einer ohne Einwilligung oder ausreichende Aufklärung vorgenommene Behandlung haftet und der Patient nur dann seine Einwilligung wirksam abgeben kann, wenn er über die Bedeutung des vorgesehenen Eingriffs und seine möglichen Folgen hinreichend aufgeklärt wurde. Demnach umfasst die Beweislast des Arztes (oder allenfalls des Trägers der Krankenanstalt) ohne Zweifel auch die Richtigkeit der gegebenen Aufklärung. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass es zum Nachteil des Beklagten ausschlägt, dass nicht feststeht, ob eine Operation bei der Klägerin tatsächlich geboten war. Nur wenn feststünde, dass dies der Fall gewesen wäre, hätte für ihn keine Verpflichtung bestanden, auf alternative Behandlungsmöglichkeiten nicht chirurgischer Art hinzuweisen. Dass derartige Hinweise unterblieben, ergibt sich aus den Feststellungen. Damit steht aber gleichfalls nicht fest, dass die Aufklärung richtig und vollständig gewesen ist. Daher ist die Haftung des Beklagten für die durch seine Operationen unmittelbar verursachten Schmerzen jedenfalls gegeben.
Soweit der Beklagte in seiner Rechtsrüge ungeachtet des Umstandes, dass das Berufungsgericht die betreffende Negativfeststellung des Erstgerichts für unbedenklich erachtet hatte, nicht von dieser, sondern davon ausgeht, dass die von ihm durchgeführte Operation sehr wohl indiziert gewesen wäre, ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil eine Rechtsrüge von den getroffenen Feststellungen auszugehen hat (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 9 zu § 471 mN). Dasselbe gilt auch für die Ausführungen zum Feststellungsbegehren betreffend die Operation am rechten Fuß der Klägerin.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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