OGH 7Ob215/01w

OGH7Ob215/01w26.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Bernt S*****, gegen die beklagten Parteien 1.) Gerhard K*****, und 2.) Ruth K*****, beide vertreten durch Dr. Klaus Schärmer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Übergabe eines Bestandobjektes, über die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. Mai 2001, GZ 1 R 161/01k-16, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 10. Jänner 2001, GZ 17 C 182/00a-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Klägers auf Ersatz der Kosten seiner Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger ist auf Grund eines Kaufvertrages vom 15. 1. 1992 alleiniger Eigentümer der Liegenschaft St. Sigmund im Sellrain 40, auf der 1982/1983 ein Einfamilienhaus errichtet wurde. Der unmittelbare Rechtsvorgänger des Klägers hatte die Liegenschaft am 13. 12. 1990 durch Zuschlag bei einer Zwangsversteigerung erworben. Zuvor stand sie im Alleineigentum von Monika D*****, die Haus und Garten im Jahre 1990 den Beklagten zu Wohnzwecken vermietete. Man vereinbarte zunächst mündlich eine Vertragsdauer von fünf Jahren. Danach könne die Vermieterin mit ihrer Familie wieder in das Haus zurückziehen, wobei die Beklagten aber zwei Kellerräume und einen Raum oberhalb der Garage ausbauen und insgesamt zehn Jahre (also weitere fünf Jahre lang) weiter benützen könnten. Für den Fall, dass die Vermieterin nach fünf Jahren nicht zurückziehen sollte, wurde eine Gesamtvertragsdauer des Mietverhältnisses von 10 Jahren vereinbart. Das Ergebnis der mündlichen Gespräche wurde von der Zweitbeklagten in einer handschriftlichen Vereinbarung festgehalten, die sowohl von der Vermieterin, als auch von beiden Beklagten unterfertigt wurde. Diese schriftliche Vereinbarung enthält ua folgende Bestimmung:

"... Familie K***** mietet das Haus ab 1. 7. 1990 auf 5 bzw 10 Jahre

und zahlt monatlich S 6.000,--... ."

Die Zweitbeklagte zog im Juni 1990 in das Haus ein und wohnt seither dort. Vereinbarungsgemäß begann das Mietverhältnis am 1. 7. 1990; ab diesem Zeitpunkt bezahlten die Beklagten den vereinbarten Bestandzins.

Das Verhältnis zwischen den Streitteilen ist äußerst gespannt. Der Kläger, der die Liegenschaft seinem Sohn zur Verfügung stellen will, hat daher trotz Kenntnis der über die Vertragsdauer des Bestandverhältnisses getroffenen Vereinbarungen nach fünf Jahren nichts unternommen, weil er nicht wollte, dass sein Sohn die Liegenschaft gemeinsam mit den Beklagten bewohne.

Mit am 24. 3. 2000 eingebrachtem Schriftsatz begehrte der Kläger mit der Behauptung, das Bestandverhältnis sei auf zehn Jahre befristet und ende daher am 30. 6. 2000, den Beklagten gemäß § 567 ZPO die Übergabe des Bestandobjektes und Räumung von ihren Fahrnissen aufzutragen. Das Erstgericht bewilligte mit Beschluss vom 27. 3. 2000 diesen Antrag.

Die Beklagten erhoben dagegen im Wesentlichen die Einwendung, die Vereinbarung über die Dauer des Bestandverhältnisses sei unklar und widersprüchlich; es liege daher kein bestimmter Endtermin iSd § 29 MRG vor; damit sei das Bestandverhältnis als unbefristet anzusehen und könne nur aus wichtigen Gründen aufgekündigt werden.

Das Erstgericht schloss sich dieser Ansicht an, hob den gerichtlichen Übergabsauftrag vom 27. 3. 2000 auf und wies das Räumungsbegehren ab.

Das Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es den gerichtlichen Übergabsauftrag als wirksam erklärte und dem Räumungsbegehren stattgab, wobei es aussprach, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zwar könne allein aus der von der Zweitbeklagten verfassten Urkunde die Frage der Befristung des Mietverhältnisses auf fünf oder zehn Jahre nicht von vornherein eindeutig beantwortet werden, wenngleich sich auch aus der Formulierung des Dokumentes ergebe, dass das Bestandverhältnis nach zehn Jahren jedenfalls durch Zeitablauf enden sollte. Mit Rücksicht auf die mündlichen Vereinbarungen der Rechtsvorgängerin des Klägers und der Beklagten bestehe jedoch kein Zweifel, dass das Bestandverhältnis zwar vorerst auf die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen, jedoch schon seinerzeit vereinbart wurde, dass sich das Mietverhältnis auf insgesamt höchstens zehn Jahre verlängere, wenn die Vermieterin nach dem Ablauf von fünf Jahren nicht auf die Liegenschaft zurückkehre. Damit hätten die Streitteile ein ursprünglich auf fünf Jahre befristetes Mietverhältnis mit einer weiteren (einmaligen) Verlängerungsmöglichkeit für weitere fünf Jahre abgeschlossen. Damit habe den Beklagten klar sein müssen, dass das Bestandverhältnis nach längstens insgesamt zehn Jahren ab dessen Begründung (1. 7. 1990) durch Zeitablauf enden würde. Auf diese Willenseinigung der seinerzeitigen Vertragsteile weise die von der Zweitbeklagten verfasste Urkunde über die wesentlichen Bestimmungen des Bestandvertrages ausreichend hin, womit nach der sogenannten "Andeutungstheorie" sämtliche Voraussetzungen des § 29 Abs 1 Z 3 MRG erfüllt seien und damit eine rechtswirksame Befristungsvereinbarung vorliege. Dadurch, dass der Kläger den (fünf Jahres-)Termin 30. 6. 1995 verstreichen habe lassen, habe sich das Mietverhältnis im Sinne der zwischen seiner Rechtsvorgängerin und den Beklagten getroffenen Befristungsvereinbarung automatisch um weitere fünf Jahre verlängert. Wegen der rechtswirksamen Befristung des Bestandverhältnis auf damit insgesamt zehn Jahre ab seinem Beginn mit 1. 7. 1990 erweise sich der Übergabsantrag des Klägers als berechtigt.

Zur Begründung seines Zulassungsanspruches führte das Berufungsgericht aus, wenngleich die Frage der Auslegung einer schriftlichen Befristungsvereinbarung anhand formloser Nebenabreden immer auf den Einzelfall zugeschnitten sei, werde im konkreten Fall, da die Beurteilung der Rechtswirksamkeit einer Befristungsvereinbarung mit zwei Endterminen für die Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung von erheblicher Bedeutung sei, die ordentliche Revision für zulässig erachtet.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), ist die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Vorweg ist in prozessualer Hinsicht darauf hinzuweisen, dass auch die Entscheidung über einen Übergabsauftrag, obwohl dieser in § 502 Abs 5 ZPO (idF der WGN 1997) nicht ausdrücklich genannt ist, gleich einer Streitigkeit über eine Kündigung ohne Rücksicht auf den Streitwert revisibel ist (7 Ob 85/99x, RIS-Justiz RS0044915, RS0043001; vgl zur Vorgängerbestimmung des § 502 Abs 3 ZPO aF 1 Ob 569/94, SZ 67/130 = WoBl 1994/45). Das Vorliegen eines zumindest S 52.000,-- übersteigenden Streitwertes (und eine entsprechende Bewertung durch das Berufungsgericht) ist daher nicht erforderlich (Danzl, Der Weg zum OGH nach der WGN 1997, ÖJZ-Sonderheft 5 A, 12; 7 Ob 85/99x).

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurücksweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken:

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht im Einklang mit der oberstgerichtlichen Judikatur, wonach gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG (in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 1990 geltenden Fassung vor dem 3. WÄG 1993, BGBl 800) ein Mietvertrag durch Zeitablauf aufgelöst wird, wenn (ua) in einem Hauptmietvertrag über eine Wohnung in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen (§ 1 Abs 4 Z 2 MRG) vereinbart wurde, dass er durch Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlösche. Eine wirksame Befristung nach der zitierten Gesetzesbestimmung erfordert nur die Vereinbarung, dass der Mietvertrag zu einem bestimmten Zeitpunkt ende, nicht aber die Aufnahme einer ausdrücklichen Bestimmung, dass mit Erreichen dieses Endtermines der Mietvertrag ohne Kündigung erlösche (8 Ob 601/92; 1 Ob 72/98i ua). Die Befristung ist durchsetzbar, wenn der Vertrag schriftlich errichtet wurde und wenn von vornherein durch Datum oder Fristablauf ein Endtermin bestimmt ist (RIS-Justiz RS0090569); der unbedingte Endtermin muss aus der Urkunde selbst hervorgehen (7 Ob 563/90, WoBl 1992, 55 [Hanel] = MietSlg 42.299, 42.533; 4 Ob 2194/96t; Würth in Rummel2 § 29 MRG Rz 5 mwN), wobei jede Formulierung, die der Absicht des Gesetzgebers entspricht, nämlich dass sich der Mieter von vornherein auf eine bestimmte Mietdauer einstellen kann, das Erfordernis des § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG erfüllt (RIS-Justiz RS0070201; zuletzt etwa 7 Ob 85/99x). Ob ein Endtermin bestimmt ist, ist durch Auslegung zu ermitteln (4 Ob 601/95; 1 Ob 72/98i; 7 Ob 85/99x). Auch eine formbedürftige Willenserklärung ist ungeachtet des Wortlautes der Erklärung entsprechend dem tatsächlich übereinstimmenden Verständnis der Beteiligten gültig (EvBl 1980/99; JBl 1985, 681 mwN). Die Berücksichtigung von Begleitumständen und formlosen Nebenabreden hat darin ihre Grenze, dass sich für den wahren Willen der Parteien in der Urkunde irgendein, wenn auch noch so geringer, Anhaltspunkt finden muss ("Andeutungstheorie"; s Rummel in Rummel3 § 886 Rz 13; SZ 61/111 mwN; 4 Ob 601/95; 4 Ob 2194/96t).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hängt die zentrale Frage des vorliegenden Rechtsstreites, ob für das gegenständliche Bestandverhältnis ein Endtermin bestimmt wurde, von der Auslegung des vorliegenden schriftlichen Bestandvertrages ab. Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen und (ua) zu 7 Ob 85/99x unter Bezugnahme auf die Auslegung eines Bestandvertrages unter dem Aspekt der Bestimmung eines Endtermines betont hat, ist aber die Auslegung des Inhaltes einer konkreten vertraglichen Beziehung regelmäßig von der Kasuistik des Einzelfalles geprägt und bildet damit grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (5 Ob 2131/96k; 7 Ob 142/97a; RIS-Justiz RS0042776). Das Spezifikum, dass im vorliegenden Fall zwei Endtermine (im Sinne einer einmaligen Verlängerungsmöglichkeit) vereinbart und auch schriftlich festgehalten wurden, ändert daran nichts, sondern unterstreicht eher noch die bloße Einzelfallbezogenheit der gegenständlichen Vertragsauslegung. Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof im Übrigen bereits ausgesprochen, dass die Vereinbarung einer vorzeitigen Kündigungsmöglichkeit aus bestimmten Gründen einem von vornherein bestimmten Endtermin jedenfalls nicht entgegensteht (MietSlg 35.382/36; 7 Ob 563/90, WoBl 1992/43; Prader/Kuprian, Befristung im MRG, Rz 21 mwN).

Eine erhebliche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt worden wäre (RIS-Justiz RS0042936 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Davon kann aber im vorliegenden Fall gar keine Rede sein: Die Revisionswerber führen zur Auslegungsproblematik im Wesentlichen nur ins Treffen, dass ein Teil des Bestandgegenstandes auf fünf Jahre, ein anderer (drei Zimmer) von vornherein auf zehn Jahre vermietet worden sei, bringen aber dazu nichts vor, was die Richtigkeit des Auslegungsergebnisses des Berufungsgerichtes ernstlich in Frage stellen könnte.

Den Schwerpunkt der Revisionsausführungen legen die Beklagten auf den Einwand, das Berufungsgericht habe § 1120 ABGB unberücksichtigt gelassen und daher nicht bedacht, dass nach dieser gesetzlichen Bestimmung die Vereinbarung der ursprünglichen Vermieterin mit den Beklagten hinsichtlich der Geltungsdauer des Mietvertrages für den Kläger und auch schon für dessen unmittelbaren Rechtsvorgänger wirkungslos sei und daher sowohl der Kläger als auch sein Rechtsvorgänger verhalten gewesen wären, eine "ordnungsgemäße" Kündigung einzubringen. Dabei wird von den Revisionswerbern übersehen, dass das gegenständliche Mietverhältnis gemäß § 1 Abs 4 Z 2 MRG den Kündigungsschutzbestimmungen des MRG unterliegt und in den Anwendungsbereich des § 2 Abs 1 MRG fällt. Diese Bestimmung ist zwar unter den in § 1 Abs 4 MRG für solche Mietgegenstände anzuwendenden Bestimmungen nicht genannt, gehört aber zum "Allgemeinen Teil" dieses Gesetzes und nach richtiger Systematik vor den Ausnahmekatalog des § 1 Abs 4 MRG (4 Ob 556/90, WoBl 1991/60; RIS-Justiz RS0108981, zuletzt 9 Ob 35/01i). Gemäß § 2 Abs 1 S 2 und 3 MRG tritt der Erwerber (Einzelrechtsnachfolger hinsichtlich der Vermieterstellung; ua auch der Ersteher im Zwangsversteigerungsverfahren - 7 Ob 633, 634/94, WoBl 1995/57 = MietSlg 46.211/36; RIS-Justiz RS0025173), auch wenn der Vertrag nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist, ohne Kündigungsmöglichkeit in das Mietverhältnis ein und ist an alle Bestimmungen des Mietvertrages (insbesondere auch betreffend die Mietdauer) ab der Übergabe des Mietgegenstandes an den Hauptmieter gebunden, sofern es sich nicht um Nebenabreden "ungewöhnlichen Inhaltes" handelt, die er weder kannte noch kennen musste (4 Ob 556/90, WoBl 1991/60 = MietSlg 42.187; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 2 MRG Rz 9 mwN; zur absoluten Bindung des Erwerbers an "Hauptabreden" s etwa RIS-Justiz RS0107966, zuletzt 10 Ob 310/00m). Da die Derogation des § 1120 ABGB durch § 2 Abs 1 MRG für Mietverhältnisse, wie das vorliegende, gesicherter Judikatur entspricht (RIS-Justiz RS0069594), stellt sich auch in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage von iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblicher Bedeutung.

In der Revision werden auch sonst keine Fragen aufgeworfen, die im Sinne dieser Gesetzesstelle einer grundsätzlichen Stellungnahme des Obersten Gerichtshofes bedürften. So kann etwa im Hinblick darauf, dass der verfahrenseinleitende Antrag des Klägers eine (allenfalls im Wege der Verbesserung nachträglich geleistete) Unterschrift aufweist, keine Rede davon sein, dass - wie die Revisionswerber monieren - das vorliegende Verfahren mangels Unterfertigung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes nichtig wäre. Warum der Übergabsauftrag vom Kläger verfrüht oder aber verspätet - beides wird vom Revisionswerber behauptet (!) - beantragt worden sein soll, ist nicht zu erkennen: Der gegenständliche Antrag wurde ca 3 Monate vor dem Ende des Bestandverhältnisses, also innerhalb der 6-Monatsfrist des § 567 Abs 2 ZPO gestellt. Mangels Vorliegens eines tauglichen Revisionsgrundes war das Rechtsmittel der Beklagten daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 40 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung lediglich Ausführungen dahin gemacht, dass die Revision unberechtigt sei; auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Beklagten hat er nicht hingewiesen. Seine Revisionsbeantwortung kann daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw -verteidigung notwendig angesehen werden und ist deshalb nicht zu honorieren (RIS-Justiz RS0035962; RS0035979).

Stichworte